TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/12 97/19/0609

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Veröffentlicht am 12.03.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1 Z3;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §4 Abs3;
AufG 1992 §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §115 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/0610

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde 1.) der FD sowie 2.) der ZD, beide geboren 1995, beide vertreten durch den Vater FD, dieser vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 17. Jänner 1997, 1.) Zl. 118.334/6-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) sowie 2.) Zl. 118.334/7-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind Geschwister und stellten jeweils am 15. November 1995 Erstanträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrer Mutter. Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien je vom 18. Dezember 1995 wurden die Anträge gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen erhoben jeweils Berufung, in welcher sie auf den langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt ihres Vaters im Inland und auf das - im Zeitpunkt der Berufungserhebung noch nicht rechtskräftig entschiedene - Verfahren zur Aberkennung der dem Vater erteilten unbefristeten Aufenthaltsbewilligung hinwiesen.

Mit den nunmehr angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheiden vom 17. Jänner 1997 wurden die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass die Berufung der Eltern der Antragsteller gegen die Versagung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ebenfalls abgewiesen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerinnen noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, weshalb - entgegen der offenkundigen Rechtsansicht der Behörde erster Instanz - die Anwendung des § 113 Abs. 6 und 7 sowie § 115 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 nicht in Frage kommt.

§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 AufG lauteten auszugsweise:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

§ 4. ....

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren."

Die Beschwerdeführerinnen treten der maßgeblichen Feststellung der belangten Behörde, die Anträge ihrer Eltern auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung seien - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide - mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde abgewiesen worden, nur hinsichtlich des Vaters der Beschwerdeführerinnen entgegen. Die Beschwerdeführerinnen vertreten die Ansicht, im Falle ihres Vaters handle es sich nicht um die Nichterteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung, sondern um die Erledigung einer Berufung gegen einen Bescheid der Aufenthaltsbehörde erster Instanz, mit welchem die erteilte unbefristete Aufenthaltsbewilligung für ihren Vater wegen Eingehens einer Scheinehe für verlustig erklärt worden sei. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 1997 abgewiesen worden und habe der Vater der Beschwerdeführerinnen gleichzeitig mit den hier vorliegenden Beschwerden dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Auch die Mutter der Beschwerdeführerinnen habe gegen die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Die Beschwerdeführerinnen hatten in ihren Anträgen ausschließlich die Familienzusammenführung mit ihrer Mutter beantragt. In der Berufung bezogen sich die Beschwerdeführerinnen aber vor allem auf ihren Vater, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt leben und verwiesen auf die diesem erteilte Aufenthaltsbewilligung sowie darauf, dass ihr Vater einer geregelten Arbeit nachgehe und für den Unterhalt der Beschwerdeführerinnen aufkomme. Die Beschwerdeführerinnen waren nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht daran gehindert, eine Ergänzung des Aufenthaltszweckes der Familiengemeinschaft durch die Nennung des Vaters als weitere Person, mit der diese angestrebt wird, in der Berufung geltend zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1997, Zl. 96/19/3436 u.a.). Es war daher - in Übereinstimmung mit der belangten Behörde - davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen auch Familienzusammenführung mit ihrem Vater anstrebten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Dezember 1995 war der Verlust der dem Vater der Beschwerdeführerinnen erteilten unbefristeten Aufenthaltsbewilligung verfügt worden; die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Jänner 1997, Zl. 118.334/2-III/11/96, abgewiesen. Der gegen diesen, dem Vater der Beschwerdeführerinnen am 5. Februar 1997 zugestellten Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom 21. März 1997, Zl. AW 97/19/0413, zugestellt am 9. April 1997, die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Gemäß § 113 Abs.6 des Fremdengesetzes 1997 trat dieser Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Jänner 1997 am 1. Jänner 1998 außer Kraft. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte - nach entsprechender Antragstellung der Behörde erster Instanz - mit hg. Beschluss vom 28. August 1998 die Beschwerde als gegenstandslos geworden und stellte das Verfahren gemäß § 113 Abs.6 und 115 Abs.2 leg.cit. ein. Mit dieser Einstellung trat auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft.

Dies bedeutet, dass im Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Bescheide, betreffend die Beschwerdeführerinnen, das war der 5. Februar 1997, ihr Vater durch die (nach den Behauptungen während des Verfahrens und dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren des Vaters der Beschwerdeführerinnen) gleichzeitig erfolgte Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides hnsichtlich des Verlustes seiner Aufenthaltsbewilligung über keine Aufenthaltsbewilligung (mehr) verfügte und diese Wirkung erst mit Zustellung des hg. Beschlusses über die aufschiebende Wirkung am 9. April 1997 sistiert wurde.

Das in § 113 Abs.6 FrG 1997 angeordnete Außerkrafttreten des Bescheides, mit dem der Verlust der Aufenthaltsbewilligung verfügt wurde, mit 1. Jänner 1998 bewirkte zwar, dass die (unbefristet erteilte) Aufenthaltsbewilligung des Vaters der Beschwerdeführerinnen mit 1. Jänner 1998, dem Außerkrafttreten des diese Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig entziehenden Bescheides (rückwirkend), wieder auflebte. Anders als im Fall einer Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof war diese rückwirkende Änderung jedoch - wie eine rückwirkende Änderung genereller Normen - vom Verwaltungsgerichtshof bei Überprüfung der angefochtenen Bescheide nicht wahrzunehmen.

Bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung der im gegenständlichen Fall angefochtenen Bescheide am 5. Februar 1997 ist daher unverändert davon auszugehen, dass damals auch für den Vater der Beschwerdeführerinnen keine aufrechte Aufenthaltsbewilligung (mehr bzw. noch nicht wieder) bestand.

Hinsichtlich der Mutter der Beschwerdeführerinnen wird das Vorliegen einer Aufenthaltsbewilligung im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht behauptet. Die Eltern der Beschwerdeführerinnen waren daher im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Die Auffassung der belangten Behörde, die Eltern der Beschwerdeführerinnen seien im Zeitpunkt der Erlassung des jeweils angefochtenen Bescheides keine Fremden gewesen, auf die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 2 AufG zutrafen, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden. Demnach stand den Beschwerdeführerinnen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung aus dem Grunde des § 3 Abs. 1 AufG nicht zu. Eine Anwendung des § 4 Abs. 3 AufG kam daher gar nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zl. 95/19/1878).

Den Beschwerdeführerinnen konnte auch im Wege einer Ermessensentscheidung über ihre Erstanträge keine Bewilligung zum - allein geltend gemachten - Zweck der Familienzusammenführung mit ihren Eltern erteilt werden, weil die erstmalige Erteilung einer Bewilligung zu diesem Zweck jedenfalls voraussetzt, dass sich der Angehörige, mit dem die Familienzusammenführung angestrebt wird, rechtmäßig im Inland befindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0549).

Im Hinblick darauf, dass sich die Beschwerdeführerinnen selbst nie rechtmäßig in Österreich aufhielten und ihre Eltern über keine Aufenthaltsbewilligung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung verfügten, steht auch Art. 8 MRK einer Versagung der Bewilligung nicht entgegen. Aus dieser Bestimmung ist kein Recht eines Kindes, das selbst nie zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, auf Familienzusammenführung mit einem Elternteil, der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, ableitbar. In Ansehung der Beschwerdeführerinnen lag daher, bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide, kein unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 MRK fallendes Familienleben vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/0941).

Die Beschwerdeführerinnen vertreten schließlich die Ansicht, es habe eine unzuständige Berufungsbehörde entschieden, weil sie türkische Staatsangehörige seien und ihr Vater seit mehr als sieben Jahren ordnungsgemäß unselbständig erwerbstätig sei, sodass gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 AufG das AufG auf sie keine Anwendung finde. Die Beschwerdeführerinnen haben im Verwaltungsverfahren - sowohl bei der Antragstellung als auch in ihren Berufungen gegen die abweisenden Bescheide erster Instanz - allerdings klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, eine Bewilligung nach § 1 Abs. 1 AufG anzustreben. Sache der Verwaltungsverfahren war daher die Entscheidung über solche Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Rüge der Unzuständigkeit der belangten Behörde geht daher fehl.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, ihnen stehe als türkische Staatsbürgerinnen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 des aufgrund des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980, eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft, im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu, war wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht zu beachten.

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grund des § 39 Abs.2 Z 6 VwGG Abstand genommen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsfrage nicht erwarten läßt, und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.

Wien, am 12. März 1999

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190609.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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