TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/19 W105 2183671-1

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Veröffentlicht am 19.11.2018
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Entscheidungsdatum

19.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W105 2183671-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, XXXX geb., Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zahl:

1088922201/151438392, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG

2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 27.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.09.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe Hazara sei. Er sei am XXXX in Mazar-e Sharif geboren.

Zu seiner Reiseroute gab der Antragsteller an, sich von Afghanistan über den Iran und die Türkei weiter nach Griechenland und von dort weiter nach Mazedonien und in der Folge über Serbien und Kroatien bis Ungarn und sodann nach Österreich begeben zu haben. In Griechenland habe er vier Jahre gelebt. Als Fluchtgrund führte der Antragsteller ins Treffen, dass es Familienstreitigkeiten über das Erbe von Grundstücken mit der Verwandtschaft gegeben habe und habe er deshalb Afghanistan verlassen. Bei Rückkehr fürchte er seinen Onkel.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2017 gab er Antragsteller an, dass sein Vater, seine Mutter sowie ein Bruder nach wie vor im Iran leben würden. Seine drei Schwestern seien verheiratet und würden sie ebenfalls in anderen Städten im Iran mit deren Ehemännern leben. Zwei weitere Brüder seien vor langer Zeit nach Afghanistan abgeschoben worden und habe er zu diesen keinen Kontakt mehr. Er habe im Alter von etwa fünfeinhalb Jahren Afghanistan mit den Eltern Richtung Iran verlassen und im Iran eine dreijährige Grundschule besucht. In der Folge habe er mit seinem Vater in einer Tischlerei zu arbeiten begonnen und von dort bis zu seiner Ausreise im Jahr 2010 gearbeitet. Dann sei er in die Türkei gegangen und von dort weiter nach Griechenland. Von 2010 bis 2015 habe er sich in Griechenland aufgehalten und dort illegal gelebt. Durch tageweise Reinigungsdienste habe er sein Leben in Griechenland finanziert. Zusätzlich sei er vom Vater vom Iran aus mit Geld unterstützt worden. Seine Familie habe Afghanistan wegen des damals herrschenden Krieges verlassen; so habe ihm dies der Vater erzählt. Bis zuletzt habe er mit seiner Familie in der Stadt Qom im Iran gelebt und seien dort hauptsächlich Hazara ansässig gewesen. Den Iran habe er verlassen, da er durch seine Arbeitgeber einige Male nicht bezahlt worden sei und sei er sogar von diesem einmal geschlagen worden und wurde ihm das linke Handgelenk gebrochen. Er sei zur Polizei gegangen und habe eine Anzeige gemacht, es habe sich jedoch nichts gebracht. Befragt nach Besitztümern in Afghanistan gab der Antragsteller an, dass ihre Grundstücke sowie das Haus von den Taliban an sich gerissen worden seien, diese hätten die Besitztümer dem Onkel vermacht und sei seitdem die Familie zerstritten.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswüridgen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentsheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß I 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

4. Die belangte Behörde traf Feststellungen dergestalt, dass der Antragsteller afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sei, sowie schiitischen Glaubens. Er sei strafrechtlich unbescholten und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Im Weiteren wurde das Vorbringen des Antragstellers zu seinem Werdegang (siehe oben) festgestellt. Eine Verfolgung betreffend Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der Antragsteller neuerlich ausführte, in Afghanistan in der Provinz Balkh geboren zu sein und sei er dann im Alter von etwa fünfeinhalb Jahren mit der Familie nach dem Iran gegangen, weil die Taliban ihnen alles weggenommen hätten und hätten sie alles dem Onkel gegeben und sei die Familie seither zerstritten. Er habe eine dreijährige Schuldbildung genossen und sodann mit seinem Vater in einer Tischlerei zu arbeiten begonnen. Dort habe er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2010 gearbeitet. In Griechenland habe er sodann fünf Jahre illegal ohne Papiere gelebt. Er habe in Afghanistan niemanden mehr und befürchte, dass ihm sein Onkel dort etwas antun könnte. Im Weiteren wurde auf die Situation hinsichtlich einer realen Gefahr aufgrund von Blutfähden in Afghanistan dargetan. Weiters gehöre er der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischen Glaubens. Für Hazara sei ein Leben in Afghanistan nicht möglich und sei ihm soher die Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar. In diesem Zusammenhang wurde auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender aus dem Jahr 2016; konkret zur vorherrschenden Diskriminierung gegenüber Hazara verwiesen. Insgesamt auch aus den bezughabenden Passagen Seitens UNHCR zu den Schiiten gehe deutlich hervor, dass Hazare ethnisch begründeten Diskriminierungen ausgesetzt seien. Die belangte Behörde sei weiters der Meinung, dass die Sicherheitslage in der Provinz Balkh als vergleichsweise sicher eingestuft werde und entspreche dies nicht den Tatsachen. Sein Onkel befindet sich nach wie vor in der Heimatprovinz und könne er daher nicht frei von Furcht leben. Im Weiteren verwies der Antragsteller auf einen Bericht aus 2015, wonach es in der Provinz Balkh zu einer Vielzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle gekommen sei. Unter Hinweis auf mehrere andere Quellen verwies der Antragsteller auf die schlechte Menschenrechtssituation in Afghanistan, sowie die immer steigende Anzahl von Anschlagsopfern.

6. Der Antragsteller wurde sodann zur anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht für den 13.11.2018 vorgeladen und wurde im Rahmen der Ladung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 29.06.2018 als Beweismittel zur Situation in Afghanistan eingeführt.

Am 13.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und der eine Dolmetscherin für die Sprachen Dari und Farsi beigezogen wurde. Das BFA verzichtete anlässlich der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung.

"R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF: Ich bin in Mazar-e Sharif, Provinz Balkh, im Distrikt XXXX geboren und im Iran aufgewachsen. Ende 2009 habe ich den Iran verlassen. Als ich in Griechenland angekommen bin, war es Anfang 2010, es war Winter.

R: Über welche Schulbildung verfügen Sie?

BF: Ich hatte keine Dokumente im Iran, deswegen war ich in einer afghanischen Schule bis zur 3. Klasse.

R: Sie haben bei der Ersteinvernahme angeführt, im Iran vier Jahre die Grundschule besucht zu haben?!

BF: Das ist richtig. Ich habe die 3. Klasse abgeschlossen und die 4. Klasse angefangen. Dann konnte ich nicht weitermachen.

R: In welchem Alter haben Sie den Iran verlassen?

BF: Ich weiß es nicht genau, wie alt ich bin. Mein Vater hat mir gesagt, dass ich so alt bin.

R: In welchem Jahr sind Sie geboren und mit welchem Alter haben Sie den Iran verlassen?

BF: Ich bin jetzt ungefähr XXXX Jahre alt.

R: Bei der Ersteinvernahme haben Sie angegeben, XXXX geboren worden zu sein, stimmt das also?

BF: Ich meine damit nur ungefähr.

R: In welchem Alter haben Sie also etwa den Iran verlassen?

BF: Im Alter von etwa 12 oder 13 Jahren.

R: Haben Sie in der Vergangenheit auch schon gearbeitet?

BF: Ich habe im Iran mit einem Tischler gearbeitet und war auch auf der Baustelle.

R: Da waren Sie dann etwa 10 oder 11 Jahre alt, ist das richtig?

BF: Ja, das stimmt etwa.

R: Vor dem BFA haben Sie angegeben, dass Sie 2010 den Iran verlassen hätten und hätten sich dann 2011 in Griechenland befunden?

BF: Ich habe beim BFA auch angegeben, dass ich ein Jahr in Griechenland schwarz gelebt habe in Patras. Als sie Fingerabdrücke gemacht haben, war es 2011 in Griechenland.

R: Ich belehre Sie dahingehend hinsichtlich der zeitlichen Angaben entweder korrekt zu sein oder zu sagen, dass Sie es nicht wissen, wenn Sie es tatsächlich nicht richtig einordnen können.

R: Wann haben Sie Griechenland verlassen?

BF: September 2015.

R spricht den BF in einigen griechischen Worten an und antwortet er richtig korrespondierend.

R: Was hat Sie bewogen, Griechenland zu verlassen?

BF: Sie haben in Griechenland meine Fingerabdrücke aufgenommen, aber haben mir keine Unterkunft gegeben. Ich war auf der Straße, ich wusste nicht, wohin ich gehen soll. Danach war ich ca. 18 Monate im Gefängnis. Ich musste Griechenland verlassen. Ich habe meinen Vater angerufen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nach Afghanistan wolle. Er hat gesagt, dass ich nicht in Afghanistan leben könne. Mein Vater ist in der Zwischenzeit verstorben, damals war er noch am Leben.

R: Wovon haben Sie in Griechenland gelebt?

BF: Damals hat mein Vater mich unterstützt, hat mir Geld geschickt. Ich habe auch ab und zu geputzt und Geld verdient.

R: Wissen Sie, warum Ihre Eltern ursprünglich Afghanistan verlassen haben?

BF: Ich war damals noch zu jung, als wir Afghanistan verlassen haben. Aber mein Vater hat mir erzählt, dass die Taliban in Afghanistan waren. Mein Onkel arbeitet mit den Taliban zusammen. Mein Vater hatte ein Grundstück. Sie haben es ihm weggenommen, dann haben sie meinen Vater mit dem Tod bedroht.

R: Warum haben Sie im Kindesalter den Iran verlassen? Sind Sie alleine weitergereist?

BF: Ich habe den Iran nicht alleine verlassen, sondern mit einem Freund meines Vaters und dessen Frau. Er war auch gleichzeitig ein weitschichtiger Verwandter.

R: Was war der Grund für das Verlassen?

BF: Ich habe keine Dokumente im Iran.

R: In Griechenland hatten Sie ja auch keine Dokumente, wo ist der Unterschied? Weiters wissen Sie sicher, dass ja Millionen Afghanen unbehelligt im Iran leben oder lebten, die meisten wahrscheinlich ohne gültige Papiere. Warum haben also Sie den Iran verlassen?

BF: Vielleicht ist es seit ein oder zwei Jahren, dass die Afghanen im Iran Dokumente bekommen. Damals nicht. Ich habe damals gearbeitet. Ich wollte mein Geld vom Chef bekommen, er hat es mir nicht gegeben und hat mich an der Hand verletzt. Ich habe mich beschwert. Ich war im Gefängnis. Als Afghane hat man im Iran keine Rechte. Man bekommt nur Dokumente, wenn man nach Syrien zieht und sonst nicht.

R: Zu Ihrer Situation jetzt: Sie sind angehöriger der Volksgruppe der Hazara und Schiite, stimmt das?

BF: Ja.

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

BF: Ich bin gesund.

R: Haben Sie im Iran noch verwandtschaftliche Bindungen zu Familienangehörige?

BF: Meine Mutter und mein Bruder leben im Iran, auch noch drei Schwestern. Mein Onkel mütterlicherseits wohnt wahrscheinlich in Pakistan.

R: Haben Sie noch Familie oder Verwandtschaft in Afghanistan?

BF: Mein Onkel väterlicherseits ist unser Feind, ich habe das bereits erwähnt. Sonst gibt es niemanden.

R: Wie heißt Ihr Onkel?

BF: Ich weiß es nicht. Ich habe bei meinem Vater nicht nachgefragt, ich weiß auch nicht, ob er Kinder hat.

R: Sie haben spontan bei der Ersteinvernahme wörtlich angegeben:

"Wegen Familienstreitigkeiten wegen dem Erbe von Grundstücken kam es mit meiner Familie zu Streitigkeiten. Wegen dieser Streitigkeiten habe ich Afghanistan verlassen. Das sind alle Gründe, warum ich das Land verlassen haben." Was sagen Sie dazu?

BF: Ich war vielleicht fünf Jahre alt. Es war die Geschichte meines Vaters wegen der Streitigkeiten über diese Grundstücke. Ich bin nicht davon betroffen.

R: Es macht einen Unterschied, ob es ein Erbstreit ist, oder ob der Onkel aus unsachlichen Gründen, weil er selbst bei den Taliban ist, Ihrem Vater das Grundstück oder die Grundstücke wegnehmen will?

BF: Das ist richtig. Es war ein Erbstreit. Aber wie ich erwähnt habe, arbeitete mein Onkel damals mit den Taliban. Waren einflussreich und deshalb haben sie dann meinem Vater die Grundstücke weggenommen.

R: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie selbst intellektuell sehr flexibel sind und auch sonst offenbar sehr anpassungsfähig, würden Sie das selbst auch so sehen?

BF: Ja, ich spreche schon etwas Deutsch. Ich verstehe zwar nicht alles. Auf Griechisch kann ich mich auch einfach unterhalten.

R: Aus Ihrem nun mehr angeführten Lebenslauf und Werdegang habe ich auch den Eindruck, dass Sie sich auf die jeweilige Situation gut anpassen können, in dem Sie sich selbst durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit weiterbringen.

BF: Ja.

R erklärt dem BF die Rahmenbedingungen der Judikatur zu afghanischen Personen, die im Iran aufgewachsen sind oder dort gelebt haben, insbesondere im Hinblick auf eine Rückkehr nach Afghanistan.

Was würden Sie also sagen, wenn Sie nach Afghanistan "zurückkehren" müssten?

BF: Ich habe beim BFA auch angegeben, damals als wir im Iran waren, haben Sie zwei Brüder von mir nach Afghanistan zurückgeschickt. Wir haben keine Ahnung mehr von ihnen, vielleicht sind sie tot. Mein Vater ist auch vor einem halben Jahr ca. nach Afghanistan gegangen. Ich vermute, sein Auto ist explodiert. Aber ich bin mir sicher, dass er tot ist.

R: Waren Sie dabei oder haben Sie Dokumente darüber oder haben Sie einen vertrauenswürdigen Zeugen, der Ihnen mitgeteilt hat, dass Ihr Vater tot ist oder wissen Sie es einfach nicht?

BF: Ca. vor zwei Monaten habe ich mit meinem Bruder im Iran telefoniert. Er hat mir gesagt, dass mein Vater gestorben ist. Mein Vater hat einen Ausreiseauftrag im Iran erhalten, ich meine damit so ein Papier. Er ist dann ausgereist nach Afghanistan. Er ist von Kabul aus mit einem Kleintransport mit anderen Personen in seine Heimat zurückgefahren. Unterwegs war eine Mine und alle wurden dabei getötet. Wir haben auch keine Leiche bekommen.

R: Sind Sie im Iran mehrheitlich unter afghanischen Staatsangehörigen aufgewachsen und sozialisiert worden?

BF: Ich habe nur Kontakte mit Afghanen gehabt.

R: Was würden Sie dazu sagen, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

R erklärt die Rechtslage zum Flüchtlingsbegriff sowie Gewährung zu subsidiären Schutz.

BF: Ich war immer arm, als ich im Iran gelebt habe. Seit acht oder neun Jahren bin ich unterwegs. Also in Griechenland war ich im Winter auf der Straße. Ich bin seit drei Jahren in Österreich, ich habe mir Mühe gegeben und Deutsch gelernt. Ist es nicht mein Recht, dass ich auch ein ruhiges Leben habe?

Der RV wird Raum geboten: Ich verweise auf das Gutachten von Frederike Stahlmann Seite 9 und Seite 191 ff., worin steht, dass alle Städte in Afghanistan für Rückkehrer ohne familiärer Unterstützung unsicher sind. Weiters verweise ich auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 10 und Seite 114, aus welchem hervorgeht, dass in Anbetracht der aktuellen sicherheits-, menschenrechts- und humanitären Lage Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative nicht geeignet ist. Zur Lage in Herat und Mazar-e Sharif wird auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 verwiesen. Aus dieser ist zu entnehmen, dass im Umland von Mazar-e Sharif zu einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. In Afghanistan steht daher keine innerstaatliche Fluchtalternative zu Verfügung. Deswegen ist dem BF subsidiärer Schutz zu gewähren.

R: Möchten Sie abschließen noch etwas sagen?

BF auf Deutsch: Ich bin drei Jahre in Österreich, mein Vater ist in der Zwischenzeit tot. Ich kann nicht nach Afghanistan gehen. Ich bin seit acht Jahren unterwegs mit allen Schwierigkeiten. Ich habe in Afghanistan sicher ein Problem.

RV: Mein Mandant verfügt auch über keine sogenannte Tazkira. Er müsste sich eine solche in Afghanistan besorgen und ist es nur möglich unter Beibringen eines Zeugen oder einer verwandten Person, die seine Person bestätigt. Da der BF keine Familie in Afghanistan hat, wäre es sehr schwierig, eine solche Tazkira zu holen. Er wäre auch dort ohne Dokumente."

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden mehrere schriftliche Unterlagen zur Integrationsbemühung des Antragstellers vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans und führt den von ihm im Verfahren angegebenen Namen. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Der Antragsteller ist in Mazar-e Sharif/Afghanistan geboren und verzog er im Alter von etwa fünfeinhalb Jahren mit seiner Familie nach dem Iran und genoss dort eine dreijährige Schulbildung.

Der Antragsteller hat im Iran gemeinsam mit seinem Vater in einer Tischlerei gearbeitet, verzog im Alter von etwa zwölf Jahren mit einem Onkel nach Griechenland, wo er sich bis zum September 2015 aufgehalten hat. Der Antragsteller bestritt seinen Lebensunterhalt in Griechenland durch die Aufnahme von Reinigungsdiensten.

Der Antragsteller leidet unter keinerlei psychischen oder physischen Beeinträchtigungen.

Der Beschwerdeführer stellte am 27.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Antragsteller hat während seines Aufenthaltes in Österreich mehrere Integrationsbemühungen, darunter Kursteilnahmen sowie Sprachkurse absolviert.

Zu den geltend gemachten Fluchtgründen wird vom erkennenden Gericht Folgendes festgehalten:

Der Antragsteller ist in Afghanistan geboren, lebte seit etwa seinem sechsten Lebensjahr im Iran und besuchte auch dort eine dreijährige Grundschule. In weiterer Folge arbeitete er mit seinem Vater gemeinsam in einer Tischlerei sowie verließ er sodann im jugendlichen Alter bereits den Iran Richtung Griechenland. Der Antragsteller war daher in der Vergangenheit in Afghanistan keinerlei Verfolgung ausgesetzt. Es kann auch nicht erkannt werden, dass der Antragsteller pro futuro im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Hazara), seiner Religion (schiitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran sowie zuletzt in Europa aufgehalten hat, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen ausgesetzt wäre.

Auch die Kumulierung verschiedener Merkmale (Hazara, schiitischer Moslem, Sozialisierung außerhalb Afghanistans, Fehlen eines sozialen Netzwerks) begründet keine asylrelevante Verfolgungsgefahr.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, gesund und steht nicht wegen schwerwiegender Krankheitsbilder in ärztlicher Behandlung.

Der Antragsteller hat im Iran eine dreijährige Basisschulbildung genossen, sowie arbeitete er im Iran in einer Tischlerei; in Griechenland verdiente er seinen Lebensunterhalt durch Reinigungsdienste.

Dass der Beschwerdeführer Verwandte in Afghanistan hat, konnte nicht festgestellt werden.

Dem Antragsteller ist es trotz mangels beweislicher Anknüpfungspunkte in seiner mutmaßlichen Herkunftsregion Balkh einerseits zumutbar und möglich dorthin zurückzukehren oder sich allenfalls in der Hauptstadt Kabul oder auch in Herat niederzulassen.

Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer der in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari) vertraut. Er ist in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen und hat eine (nicht staatliche) Schule besucht. Er kann lesen und schreiben. Der Antragsteller hat einerseits im Kindesalter nur kurz in Mazar-e Sharif gelebt und bis dato weder in der Stadt Kabul noch in Herat und verfügt auch mutmaßlich über keine familiären Anknüpfungen und ist es ihm jedoch durchaus zumutbar, sich angesichts seines guten Gesundheitszustandes, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten zu sichern, wobei er seine Berufserfahrung als Tischler und Reinigungskraft nutzen könnte. Mit dem Leben in einer Großstadt ist der Beschwerdeführer insoweit vertraut, als er bis zu seiner Ausreise in der Großstadt Qom gewohnt hat. Der Beschwerdeführer konnte auch bisher durch einfache Arbeiten für sich sorgen. Ihm wäre daher auch der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat möglich. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis ist aufgrund der bisherigen Berufserfahrung von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Seine Familie hält sich im Iran auf. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich alleine. Seine Bindung zu Afghanistan ist trotz der Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Iran aufgewachsen und sozialisiert wurde insbesondere unter dem Aspekt seiner Sozialisierung in einem afghanischen Familienverband, des langjährigen Aufenthalts in einem muslimisch geprägten Land, seiner Muttersprache Dari und der daraus abgeleiteten Verbundenheit mit der afghanischen Kultur - deutlich intensiver als jene zu Österreich.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er ist in Österreich nicht legal beschäftigt.

Zur Lage in Afghanistan wird zentral nachstehende Quelle zugrunde gelegt:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 29.06.2018;

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Afghanistan in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018:

"...

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

...

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

...

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

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Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

3.1 Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.). Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

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Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

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Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

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3.5 Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Prov

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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