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64 Besonderes Dienst- und BesoldungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit eines Bescheides betreffend die Verleihung einer schulfesten Leiterstelle; keine nachvollziehbare Begründung der belangten Behörde hinsichtlich des Berufungsvorbringens der BeschwerdeführerinSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 18.000,- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Sie bewarb sich neben sieben anderen Lehrerinnen und Lehrern um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Niederösterreich vom 8. Mai 1995, Stück VIII, ausgeschriebene Leiterstelle an der Volksschule Mödling - Babenbergergasse.
2.a) Das Kollegium des Bezirksschulrates Mödling beschloß in seiner Sitzung am 29. Juni 1995 gemäß §3 Abs1 litb iVm. Abs2 des NÖ Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1976, LGBl. 2600-0 idF LGBl. 2600-1, mehrheitlich einen Besetzungsvorschlag iS des §26 Abs6 und 7 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. 302 idgF, in dem jene Bewerberin, der in der Folge die Leiterstelle verliehen wurde, an dritter Stelle, die Beschwerdeführerin an erster Stelle und eine weitere Bewerberin an zweiter Stelle gereiht waren.
b) Im Besetzungsvorschlag des Landesschulrates für Niederösterreich war die Bewerberin, der die Leiterstelle schließlich verliehen wurde, an dritter Stelle gereiht, die Beschwerdeführerin schien in diesem Dreiervorschlag nicht auf.
3. Die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen verlieh die Leiterstelle an der Volksschule Mödling - Babenbergergasse aufgrund des Ergebnisses ihrer Sitzung vom 29. August 1995 an die in beiden Besetzungsvorschlägen drittgereihte Bewerberin und wies die Bewerbung der Beschwerdeführerin mit Bescheid desselben Datums ab. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung, der mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde.
4. Gegen diesen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
5. Die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde wurde zur Vorlage der Verwaltungsakten und zur Erstattung einer Gegenschrift aufgefordert, ist diesem Ersuchen jedoch nicht fristgerecht nachgekommen, weshalb §20 Abs2 VfGG zur Anwendung kommt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
A. Die Beschwerde ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zulässig (vgl. etwa das Erkenntnis VfSlg. 13007/1992 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
B. Die Beschwerde ist auch begründet:
1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dadurch verletzt, daß die belangte Behörde bei der Erlassung dieses Bescheides willkürlich vorgegangen sei. Sie habe sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin dadurch in willkürlicher Weise über das Gesetz hinweggesetzt, daß sie, obgleich die Beschwerdeführerin nicht nur die in §26 Abs7 LDG 1984 für die Verleihung einer schulfesten Stelle festgelegten Kriterien, sondern auch die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Verleihung von Leiterstellen gleichfalls zu berücksichtigenden - wenn auch im Gesetz nicht genannten - Kriterien in höherem Maße erfülle als die zum Zuge gekommene Mitbewerberin, die Leiterstelle nicht der Beschwerdeführerin verliehen habe. Die belangte Behörde habe - unter Berufung auf §8 iVm. §26 LDG 1984 - die getroffene Auswahl darauf gestützt, daß die Bewerberin, der die Leiterstelle verliehen wurde, als einzige der Mitbewerber in die Besetzungsvorschläge aller hiezu landesgesetzlich berufenen Organe aufgenommen worden war. Die belangte Behörde habe sich in unsachlicher Weise darüber hinweggesetzt, daß die Beschwerdeführerin nur deshalb nicht in den Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich Aufnahme gefunden habe, weil das sie betreffende Anhörungsverfahren erst nach der Sitzung des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich, in der die Reihung beschlossen wurde, erfolgt sei.
2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und da kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte. Ein willkürliches Verhalten ist der Behörde u.a. dann vorzuwerfen, wenn sie die beschwerdeführende Partei aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat (s. etwa VfSlg. 9726/1983, 10284/1986, 11401/1986), etwa auch dann, wenn die Behörde in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens unterlassen hat (s. zB VfSlg. 13054/1992).
3. Gemäß §24 Abs1 LDG 1984 sind u.a. die Leiterstellen der Volksschulen schulfeste Stellen. Schulfeste Stellen sind - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - im Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren zu besetzen (§26 Abs2 LDG 1984). Für jede einzelne ausgeschriebene Stelle sind von den landesgesetzlich hiezu berufenen Organen gemäß §26 Abs6 LDG 1984 aus den Bewerbungsgesuchen Besetzungsvorschläge zu erstatten, in die nur jene Bewerber aufgenommen werden können, die nach §26 Abs1 LDG 1984 für die Verleihung der Leiterstelle in Betracht kommen (d.s. Landeslehrer im definitiven Dienstverhältnis, die die Ernennungserfordernisse für die betreffende Stelle erfüllen). Die näheren Vorschriften über die Erstellung der Besetzungsvorschläge enthält §26 Abs7 LDG 1984:
In jeden Besetzungsvorschlag sind bei mehr als drei nach §26 Abs1 LDG 1984 in Betracht kommenden Bewerbern drei, bei drei oder weniger solchen Bewerbern alle diese Bewerber aufzunehmen und zu reihen. Bei der Auswahl und Reihung ist zunächst auf die Leistungsfeststellung, ferner auf den Vorrückungsstichtag, überdies auf die in dieser Schulart zurückgelegte Verwendungszeit, sodann auf die Rücksichtswürdigkeit der Bewerber im Hinblick auf ihre sozialen Verhältnisse Bedacht zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s. etwa VwGH 12.5.1978, 937/77, VwSlg. 9556 A/1978; 9899 A/1979) sind bei der Verleihung einer Leiterstelle - anders als bei sonstigen schulfesten Stellen - neben den in §26 Abs7 LDG 1984 genannten Kriterien auch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, etwa Organisationstalent und Eignung zur Menschenführung (vgl. auch VfSlg. 12868/1991).
4. Hinsichtlich der Kriterien für die Auswahl und Reihung der Bewerber führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides (S. 4f.) aus:
"Gemäß §8 in Verbindung mit §26 LDG 1984 kann die schulfeste Leiterstelle von der zur Verleihung zuständigen Behörde nur einem in den Besetzungsvorschlag, sofern jedoch mehrere Besetzungsvorschläge landesgesetzlich vorgesehen sind, in alle Besetzungsvorschläge aufgenommenen Bewerber verliehen werden. Bei den von Ihnen angeführten Richtlinien (Richtlinien über das Verfahren bei der Bewerbung um eine schulfeste Leiterstelle an allgemeinbildenden Pflichtschulen in Niederösterreich), welche die Verfahrensschritte bei der Bestellung eines Schulleiters regeln, handelt es sich um Selbstbindungsnormen. Sie haben in der gesetzlichen Grundlage des Landeslehrerdienstrechtsgesetzes keine Verankerung.
Da die Behörde I. Instanz sich des Umstandes bewußt sein mußte, daß ihr Anhörungsverfahren erst nach der im Kollegium des Landesschulrates für NÖ vorgenommenen Reihung erfolgte, kann davon ausgegangen werden, daß dies bei der Entscheidung durch die Behörde I. Instanz Berücksichtigung fand. Die Behörde I. Instanz hat die Möglichkeit, für den Fall, daß keine geeigneten Bewerber in den Vorschlägen der Kollegien genannt werden, die Kollegien aufzufordern, einen neuerlichen Reihungsvorschlag abzugeben. Mit M. S. ist eine Bewerberin in beiden Vorschlägen enthalten, welche auch dem Anforderungsprofil entspricht. Wenn Sie in Ihrem Berufungsschreiben behaupten, daß Ihr Anforderungsprofil jenes der mit der schulfesten Leiterstelle betrauten Bewerberin übertreffe, so muß festgestellt werden, daß dies nach einem Vergleich der Anhörungsergebnisse nicht zutreffend ist. Die Behörde I. Instanz mußte daher nicht das Kollegium des Landesschulrates zu einer neuerlichen Abgabe eines Dreiervorschlages auffordern."
5. Die zugunsten der Mitbewerberin getroffene Entscheidung wird seitens der belangten Behörde somit ausschließlich damit begründet, daß die Beschwerdeführerin nicht in beide Besetzungsvorschläge (jenem des Kollegiums des Bezirksschulrates und jenem des Kollegiums des Landesschulrates) aufgenommen worden war. Über die - wie der Verfassungsgerichtshof meint - entscheidende, von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgebrachte Frage, ob das Kollegium des Landesschulrates, hätte es seinen Reihungsvorschlag erst nach Durchführung des Anhörungsverfahrens erstellt, zu einem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, setzt sich die Behörde dagegen mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung hinweg. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als das Kollegium des Bezirksschulrates gerade auf Grund der bei ihm durchgeführten Anhörung die Beschwerdeführerin an erster Stelle gereiht hat. Damit hat die belangte Behörde aber in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit - in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens - unterlassen.
6. Die aufgezeigten Mängel sind von einer Art und Schwere, daß sie eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des Bescheides bewirken.
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000,- S enthalten.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Dienstrecht, Lehrer, Bescheidbegründung, LandeslehrerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B2024.1996Dokumentnummer
JFT_10029775_96B02024_00