TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/4 W191 2147661-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W191 2147661-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2017, Zahl 644104707-2942924, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.07.2017 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005 wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. wird stattgegeben und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt.

III. Herrn XXXX wird gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein nepalesischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 04.09.2013 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 06.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Übereinstimmung bezüglich der erkennungsdienstlichen Daten des BF.

1.2. Der BF wurde am 06.09.2013 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt, war von 06.09. bis 10.09.2013 in Schubhaft und wurde am 19.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), jeweils im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Nepali, niederschriftlich einvernommen.

Bei seinen Befragungen gab er im Wesentlichen an, dass er ledig sei, aus XXXX (Nepal) stamme, Angehöriger der Volksgruppe der Dalit und der Kaste der Sunar sei und der Glaubensgemeinschaft der Hindus angehöre. Er habe elf Jahre die Schule und zwei Jahre das College besucht. Sein Vater habe ein Bekleidungsgeschäft geführt. Im Heimatort würden weiterhin seine Eltern und seine zwei Brüder sowie weitere Verwandte leben.

Der BF habe Nepal im Jahr 2013 verlassen und sei von New Delhi schlepperunterstützt per Flugzeug nach Moskau und von dort weiter per PKW bis nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er als Angehöriger einer niederen Kaste eine Beziehung mit einer Frau aus einer höheren Kaste gehabt hätte und sie hätte heiraten wollen. Deren Familienmitglieder hätten ihn geschlagen, sie mit sich fortgenommen und den BF deshalb - auch nach Beendigung der Beziehung - verfolgt und mit dem Tod bedroht.

Seinen Reisepass habe der Schlepper einbehalten, er könne aber seinen nepalesischen Führerschein vorlegen [Anmerkung: dieser wurde vom Bayerischen Landeskriminalalmt überprüft und für unbedenklich befunden].

Der BF legte Belege zu seiner Integration vor (gemeinnützige Tätigkeiten bei der Stadt Salzburg, Deutsch-Zertifikat A2).

Im Verfahren vor dem BFA wurden seitens des BF keine Beweismittel oder Belege für sein Fluchtvorbringen vorgelegt.

1.3. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 24.01.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 06.09.2013 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nepal gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe nicht glaubhaft gemacht, dass er in Nepal asylrelevant verfolgt werde und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Nepal. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Nepal.

1.4. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters vom 08.02.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wesentlicher Verfahrensmängel ein.

In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF zusammengefasst wiederholt, das von der belangten Behörde geführte Verfahren kritisiert und moniert, dass dem Antrag des BF stattzugeben sei.

Die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wurde beantragt.

1.5. Das BFA legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

1.6. Das BVwG führte am 06.07.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Nepali durch, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seiner Vertreterin erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.

Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"[...] RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Nepali. Ich spreche darüber hinaus Englisch und ein bisschen Deutsch.

RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?

D: Nepali.

RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.

Zur heutigen Situation:

RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja.

RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Nein.

[...]

Der BF hat bisher (am 19.01.2017) seinen nepalesischen Führerschein sowie diverse Belege zu seiner Integration vorgelegt. Heute legt er weiters vor Schulzeugnisse, eine nepalesische Bestätigung über seine Herkunft in Englisch vom 08.10.2009, Sprachzertifikate A1 und A2 sowie vier Empfehlungsschreiben seiner drei Bandkollegen in Österreich. Diese werden in Kopie zum Akt genommen.

[...]

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen

Lebensumständen:

RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Der Name stimmt, mein richtiges Geburtsdatum lautet XXXX .

RI: Warum haben Sie dann laut Niederschrift bei der Erstbefragung XXXX angegeben?

BF: Ich habe bei der Erstbefragung mein Geburtsdatum nach dem nepalesischen Kalender angegeben, und die Polizei hat das falsch umgerechnet. Ich habe das schon früher korrigieren lassen wollen, aber das ging nicht mehr, man hat mir gesagt, ich soll warten.

[Angemerkt wird, dass der BF sein Geburtsdatum tatsächlich laut Niederschrift auch in seiner Einvernahme vor dem BFA mit XXXX angegeben hat]

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Ich gehören den Dalit an, und zwar der Kaste der Sunar. Seit meiner Schulzeit lautet mein Familienname XXXX , das hat mein Vater so geregelt.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?

BF: Ich bin Hindu.

RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ich bin Single. In Nepal hatte ich eine Freundin.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe elf Jahre die Schule und zwei Jahre das College besucht.

RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Mein Vater hat ein Bekleidungsgeschäft geführt.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ja.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und gebrochen bzw. halbwegs auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs, oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Im Herbst beginne ich mit dem B1-Kurs.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein. Ich habe beim Magistrat freiwillig gemeinnützige Tätigkeiten ausgeübt. Ich wollte auch mit meinem Führerschein selbständige Tätigkeiten ausüben, hatte aber zu wenig Geld dafür, und mein Führerschein ist seit Jänner 2017 beim BFA.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ich spiele Basketball ca. einmal in der Woche mit Freunden. Seit meinem Aufenthalt in Österreich spiele ich ca. zweimal pro Woche mit Freunden in einer Band. Wir spielen Blues- und Rockmusik, ich spiele Gitarre.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Ich telefoniere ca. einmal monatlich mit meinem Bruder. Mit meiner ehemaligen Freundin habe ich seit ca. drei Jahren keinen Kontakt mehr. Als ich in Russland war, habe ich mit ihr noch einmal telefoniert, dann hat die Familie die Telefonnummer geändert.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.

Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint?

BF: Ich habe immer die Wahrheit gesagt, und ich habe alles gesagt.

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Ich würde Schwierigkeiten bekommen, weil die Eltern meiner Freundin reich sind und viele Kontakte haben. Es könnte auch sein, dass sie mich umbringen.

RI: Wie geht es Ihrer Freundin jetzt?

BF: Ich weiß es nicht.

RI: Sie haben gesagt, dass Sie aufgefordert worden sind, die Beziehung zu beenden, ansonsten würden Sie getötet, warum haben Sie nicht die Beziehung beendet und sind in Nepal geblieben?

BF: Sie hätten mich dennoch umgebracht, da ich als Dalit mit ihrer Tochter eine Beziehung hatte.

Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.06.2017) in das gegenständliche Verfahren ein.

Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

Der BFV [Vertreterin des BF] werden Kopien der vorliegenden Berichte und Feststellungen ausgefolgt.

RI gibt BFV die Möglichkeit, zu den bisherigen Angaben des BF sowie zu den Länderberichten eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.

BFV: Der BF hat heute glaubwürdig und nachvollziehbar dargetan, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland asylrechtlich relevanter Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. in eine ausweglose Lage geraten würde. Eine Rückkehr in sein Heimatdorf ist ausgeschlossen, da er hier von der Familie des Mädchens aufgrund der kastenübergreifenden Beziehung und der damit einhergehenden Verletzung der Ehre, Beschmutzung oder Reinheit getötet werden würde. Eine Rückkehr anderswohin in Nepal ist ebenso de facto ausgeschlossen, da die Kaste der Lama über ganz Nepal verteilt ist und mehr oder minder vernetzt ist, dh. es wäre nur eine Frage der Zeit, bis man seiner habhaft werden würde. Ein Leben in einer fremden Umgebung ohne familiären und sozialen Rückhalt ist dem BF nicht zuzumuten, und wird diesbezüglich auch auf die schlechte Allgemeinlage (zwei Jahre nach dem Erdbeben) verwiesen. Es liegen sohin auch Gründe im Sinne der Art. 2, 3 EMRK vor. Dargelegt wird, dass der BF nachhaltig in Österreich integriert ist, dies sowohl in sprachlicher als auch in sozialer Hinsicht. Er sprich Deutsch, verfügt über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, er spielt in einer Band, betätigt sich mit seinen österreichischen Freunden beim Sport und hat ehrenamtliche Arbeit geleistet. Bei Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung wäre es ein Leichtes für den BF, auch einer Beschäftigung nachzugehen. Hier kann jederzeit ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag zur Vorlage gebracht werden. Selbstverständlich ist der BF unbescholten und hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, und möge das Gericht aufgrund der weit fortgeschrittenen Integration des BF feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

[...]

RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will.

BF: Wie kann ich meinen Führerschein wieder zurückbekommen?

BFV: Ich werde mich an das BFA wenden.

RI befragt BFV, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.

RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"

Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt.

1.7. Nach Korrespondenz mit dem erkennenden Gericht folgte das BFA dem BF seinen vorerst einbehaltenen nepalesischen Führerschein wieder aus.

1.8. Mit Eingabe vom 03.10.2018 legte der BF einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag (eines Kleintransport-Betriebes), eine Terminkarte betreffend Werte- und Orientierungskurs sowie eine Information, dass sich der BF bereits seit Dezember 2017 bei der Caritas ehrenamtlich und unentgeltlich im Bereich der Essenausgabe für Bedürftige und Obdachlose engagiere, vor.

1.9. Mit Eingabe vom 21.11.2018 legte der BF eine Bestätigung über seine Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Abs. 1 Integrationsgesetz am 08.11.2018 vor.

Dem BFA wurden auch diese Eingaben übermittelt.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 06.09.2013 und der Einvernahme vor dem BFA am 19.12.2016, Integrationsbelege sowie die Beschwerde vom 08.02.2017

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 119 bis 127)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 06.07.2017 sowie Einsichtnahme in folgende in der Verhandlung vorgelegte Dokumente:

? Schulzeugnisse

? Nepalesisches Identitätsdokument

? Sprachzertifikate Deutsch A1 und A2

? Empfehlungsschreiben

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in das Verfahren eingebrachte vorgelegte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.06.2017

Der BF hat keinerlei Beweismittel oder sonstige Belege für sein Fluchtvorbringen vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist nepalesischer Staatsangehöriger und ledig, gehört der Volksgruppe der Dalit und der Kaste der Sunar sowie der Glaubensgemeinschaft der Hindus an. Er hat elf Jahre die Schule und zwei Jahre das College besucht. Sein Vater führte ein Bekleidungsgeschäft. Im Heimatort leben seine Eltern und seine zwei Brüder sowie weitere Verwandte.

Der BF verließ Nepal im Jahr 2013 aus angegebenen Gründen und reiste schlepperunterstützt über New Delhi per Flugzeug nach Moskau und von dort weiter per PKW bis nach Österreich.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nicht politisch tätig und gehörte nicht einer politischen Partei an.

3.2.2. Der BF hat sein Vorbringen, dass er in Nepal wegen einer Beziehung zu einer Frau aus einer höheren Kaste von deren Angehörigen asylrelevant verfolgt worden wäre (und ihn die Behörden des Herkunftsstaates nicht hinreichend geschützt hätten), nicht glaubhaft gemacht.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen (im Sinne des Punktes 3.2.2., siehe oben) ausgesetzt wäre.

3.3.3. Der BF hat weder behauptet noch glaubhaft gemacht, dass ihm im Falle seiner Verbringung in den Herkunftsstaat aufgrund seiner individuellen Situation im Zusammenhang mit der Lage in seinem Herkunftsstaat ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), droht, und ist dies auch nicht von Amts wegen hervorgekommen.

3.4. Zur Integration des BF in Österreich:

3.4.1. Der BF ist seit September 2013 in Österreich aufhältig. Er verfügt hier mittlerweile über private und soziale Kontakte, hat einen privaten Freundeskreis und spielt Basketball und in einer Blues- und Rockmusik-Band Gitarre. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

3.1.3. Der BF hat nachweislich und wiederholt gemeinnützige und ehrenamtliche Tätigkeiten für die Stadt Salzburg sowie für die Caritas (Essenausgabe für Bedürftige und Obdachlose) ausgeübt.

Der BF verfügt über einen aktuellen arbeitsrechtlichen Vorvertrag eines Kleintransportbetriebes vom Oktober 2018 (aufrechte Arbeitsplatzzusage).

Der BF hat Deutschzertifikate A1 und A2 vorgelegt und nachweislich am 08.11.2018 am Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Abs. 1 Integrationsgesetz teilgenommen.

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt vor.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.5.1. Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF steht fest, dass es in diesem keine Todesstrafe gibt.

3.5.2 Zur allgemeinen Lage in Nepal (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 27.03.2018, Schreibfehler teilweise korrigiert):

Nepal

Politische Lage

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2.2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2.2018; vgl. AA 3.2018).

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im MAI 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 - 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.09.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.09.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 07.12.2017 gewählt worden (AA 3.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.

Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.02.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.09.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen "Bandhs" (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im TerAI ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.03.2018).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.03.2018).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

Regionale Problemzone Terai

Politische und ethnische Spannungen sind im TerAI und in den östlichen Hügelgebieten ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Im Terai-Gebiet im Süden des Landes agieren zahlreiche bewaffnete Gruppierungen und es kommt häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Es besteht ein Risiko von lokalen Unruhen, Blockaden und Streiks (Bandhs), besonders in Siraha, Sarlahi, Dhanusha, Bara, Kailali, Dang und Kapilbastu, sowie in den östlichen Hügeldistrikten inklusive Jhapa (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.03.2018, BMEIA 28.03.2018).

Am 08.08.2015 einigten sich vier der wichtigsten Parteien darauf, Nepal in der neuen Verfassung als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen. Ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen von Nepal protestierten gegen die neue Struktur, die ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigerte. In der Folge kam es zu gewalttätigen Protesten in der Region Terai. Die Sicherheitskräfte wendeten bei mehreren Zusammenstößen mit Protestierenden exzessive, unverhältnismäßige oder unnötige Gewalt an. Bis Oktober 2015 waren mehr als 50 Zivilpersonen und Polizeiangehörige bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen (AI 24.02.2016; vgl. BTI 2018). Von Ende August 2015 bis zum Frühjahr 2016 forderten Unruhen im westlichen Terai mehrere Todesopfer und Verletzte, und es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.03.2018, BMEIA 28.12.2017, AI 22.02.2018).

Im März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Madhesi und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Während der Untersuchung der Todesfälle wurden Beamte der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) in ihrem Fahrzeug von Anhängern jener Partei angegriffen, welche die Wahl boykottierten (AI 22.02.2018; vgl. HRW 18.01.2018).

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 03.03.2017). Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 03.03.2017).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für Verschwindenlassen / verschwundene Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 03.03.2017).

Die Regierung hat das vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnete Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung nicht abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die TRC und die CIEDP über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte und Maoisten während des Konflikts von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Fähigkeit der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erbringen (AI 22.02.2018; vgl. BTI 2018).

Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen, und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 03.03.2017).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.02.2016).

Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 03.03.2017).

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl sich sowohl die Interimsverfassung von 2007 als auch die Verfassung von 2015 mit dem Thema Folter befassen, wird diese nicht explizit kriminalisiert und das Gesetz enthält keine klaren Leitlinien zur Bestrafung der Täter. Das Folter-Entschädigungs-Gesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor; das Opfer muss eine Beschwerde einbringen und den Fall vor Gericht verfolgen. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass Folteropfer wegen der Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und aus Angst vor Repressalien oft zögern, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Weiters wurden laut THRDA zahlreiche Folterfälle vom Gericht aufgrund fehlender glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Befunde, zurückgewiesen. In Fällen, in denen die Gerichte dem Opfer einen Schadenersatz zusprachen oder eine Disziplinarmaßnahme gegen die Polizei verordneten, wurden die Urteile nur selten umgesetzt. THRDA verzeichnet eine leichte Steigerung von Misshandlungen. In den ländlichen Teilen der Terai-Region ist gemäß NGO-Angaben keine Verbesserung bezüglich Polizeigewalt feststellbar. Berichten zufolge wird der Polizei im Distrikt Kailali willkürliche Verhaftung, Folter und andere Misshandlungen bzw. erzwungene Geständnisse im Zusammenhang mit der Tötung von Demonstranten und einem Kind in Tikapur im August 2015 vorgeworfen (USDOS 03.03.2017).

Während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter - etwa um Geständnisse zu erzwingen. Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden. Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 22.02.2018).

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass die Folterung von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.01.2017).

Gemäß dem Folterbericht von AF waren 17,2% der 1.212 befragten Insaßen im Jahr 2015 und 16,2% im Jahr 2014 einer körperlichen Misshandlung ausgesetzt. Der gleiche Bericht weist auf einen leicht erhöhten Anstieg der Folterfälle unter Häftlingen indigener Gruppen hin. Laut der Menschenrechtskommission der Nepal Police (NP) wurde der Großteil der angeblichen Vorfälle nicht offiziell angezeigt oder formell untersucht. Bis August 2016 besuchte die Menschenrechtskommission der NP sieben Haftanstalten in vier Distrikten, und befragte die Häftlinge über die Behandlung in der Haft (USDOS 03.03.2017).

Korruption

Das Verwaltungssystem ist marode, voller Korruption und dringend reformbedürftig (BTI 2018). Korruption bleibt auf allen Ebenen der Verwaltung ein Problem (USDOS 03.03.2017).

Wie in den meisten südasiatischen Ländern deuten verschiedene Indikatoren auf eine schwache Leistungsfähigkeit des Staates hin. Während die Verwaltungsstruktur des Staates über die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung hinausgeht, ist die schwache Verwaltung nicht in der Lage, allen Bürgern einen gerechten Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu gewähren. Gerade im ländlichen Raum ist die Infrastruktur zu schwach, um eine solide administrative Basis für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen (BTI 2018).

Obwohl das Gesetz Strafen für Behördenkorruption vorsieht, gibt es weiterhin Berichte darüber, dass korrupte Praktiken ungestraft ausgeübt werden. Es gibt zahlreiche Meldungen über korrupte Handlungen auf allen Regierungsebenen, in politischen Parteien und parteinahen Organisationen. Auch die Gerichtsbarkeit ist von Bestechungen betroffen. Korruption und Straflosigkeit stellen auch innerhalb der Polizei weiterhin ein Problem dar, vor allem in den unteren Rängen (USDOS 03.03.2017).

Nepal liegt im 2017 Corruption Perceptions Index von Transparency

International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly

corrupt, 100=very clean) auf Platz 122 (von 176) (je höher, desto

schlechter) (TI 2018). 2016 lag das Land mit Bewertung 29 auf Platz 131 (von 180) (TI 2016).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Ein freiwilliger Militärdienst ist im Alter von 18 Jahren möglich, eine Wehrpflicht gibt es nicht (CIA 22.02.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.04.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.02.2017; vgl. AI 24.02.2017, AI 22.02.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 03.03.2017).

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.02.2017; vgl. AI 24.02.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.02.2018; vgl. BTI 2018).

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 03.03.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 03.03.2017).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung, das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP) hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1.2016; vgl. THT 26.03.2017).

Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über Verschwindenlassen. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 08.07.2017).

Haftbedingungen

Laut Menschenrechtsorganisationen entsprechen die Haftbedingungen nicht internationalen Standards. Nach offiziellen Angaben gab es im August 2016 19.078 Häftlinge verteilt auf 74 Gefängnisse (offizielle Kapazität: 10.978). Dementsprechend wird berichtet, dass Überbelegung ein ernstes Problem ist. Allerdings ist eine gewisse Verbesserung festzustellen, da neue Haftzentren eröffnet wurden. Weiters bemängelt das Büro des Generalstaatsanwalts (OAG) in manchen Haftanstalten das Fehlen von natürlichem Tageslicht, sanitären Einrichtungen, Kücheneinrichtung und Betten. Laut Advocacy Forum (AF) hatten einige Insaßen keinen Zugang zu sauberem Wasser und erhielten unzureichendes Essen. Außerdem wurde ein Mangel an Belüftung, Heizung und Bettwäsche festgestellt. Häftlinge in Untersuchungshaft werden generell getrennt von verurteilten Personen untergebracht. Aufgrund des Mangels an Jugendstrafvollzugsanstalten werden jedoch teilweise auch Minderjährige in Einrichtungen für Erwachsene inhaftiert. Kinder dürfen manchmal mit ihren inhaftierten Eltern im Gefängnis bleiben. Nicht alle Haftanstalten verfügen über separate Bereiche für Frauen. Die NGO Child Workers in Nepal berichtet, dass Minderjährige, die in Gefängnissen für Erwachsene untergebracht werden, oft Mobbing durch ältere Insaßen ausgesetzt sind, von der Polizei schlecht behandelt und oft gezwungen werden, die Toiletten zu reinigen. Die medizinische Versorgung ist unzureichend (USDOS 03.03.2017; vgl. FH 27.01.2017).

Laut dem Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es Beschwerdemöglichkeiten für Häftlinge nach einem vorgeschriebenen Verfahren. Diese Gelegenheit wird jedoch laut AF von den Insaßen aus Angst vor Bedrohung und Einschüchterung nur selten genutzt. Auf Beschwerden, die von NGOs und internationalen Organisationen eingereicht werden, reagieren die Behörden schneller. Es gibt keinen Ombudsmann, um die Beschwerden von Gefangenen zu untersuchen. Es existiert kein institutioneller Mechanismus für die Überwachung der Gefängnisse. Einige unabhängige Menschenrechtsbeobachter, z.B. der UN-Hochkommissar für Menschenrechte und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC), dürfen Monitoringbesuche in Haftanstalten durchführen. Einigen NGOs wurden der Zugang oder Gespräche mit den Insaßen jedoch verwehrt (USDOS 03.03.2017).

In der Untersuchungshaft kommt es weit verbreitet auch zu Folter (FH 27.01.2017), in der Haft zu körperlichen Misshandlungen (USDOS 03.03.2017).

Todesstrafe

Nepal gehört zu jenen Staaten, die die Todesstrafe völlig abgeschafft haben (AI 04.03.2018)

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Frauen, werden im öffentlichen Leben regelmäßig diskriminiert und sind vom Zugang zu Ressourcen und Machtpositionen ausgeschlossen (BTI 2018). Allerdings errangen Frauen bei den Kommunalwahlen aufgrund von Quotenregelungen 41% der Sitze. Höhere Posten bleiben jedoch überwiegend von Männern besetzt. Während die Verfassung ein Drittel der Sitze im Parlament für Frauen vorsieht, waren nur 7% der Direktwahlkandidaten für die Parlamentswahlen Frauen (HRW 2.2018).

Häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt ein ernstes Problem. Es gibt viele Beweise dafür, dass physische und verbale Misshandlungen weit verbreitet sind. Die Menschenrechtsorganisation Informal Sector Service Centre (INSEC) hat über eine Zunahme von gemeldeten Fällen von häuslicher Gewalt im Laufe des Jahres 2017 berichtet. Diese Zunahme kann teilweise auf das gestiegene Bewusstsein zurückzuführen sein (USDOS 03.03.2017).

Im neuen Strafgesetz liegen die Strafbestimmungen für Vergewaltigungen und deren gesetzliche Verjährungsfristen noch weit hinter internationalen Standards und dem Völkerrecht zurück. Geschlechtsspezifische Diskriminierungen untergraben weiterhin die Möglichkeiten von Frauen und Mädchen, über deren Sexualität zu bestimmen, eine angemessenen Gesundheitsfürsorge für Schwangere und Mütter in Anspruch zu nehmen, Entscheidungen zum Thema Fortpflanzung zu treffen oder eine verfrühte bzw. erzwungene Ehe anzufechten (AI 22.02.2018).

Chaupadi, eine Praxis, welche menstruierende Frauen und Mädchen aus ihren Häusern zwingt, wurde im August 2017 nach einer Serie von Todesfällen von Frauen und Mädchen in sog. Menstruationsschuppen, welche an die Öffentlichkeit gelangten, unter einem neuen Gesetz kriminalisiert. Allerdings war diese Praxis bereits im Jahr 2005 durch den Obersten Gerichtshof verboten worden (HRW 2.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren (USDOS 03.03.2017). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.02.2018).

Während Streiks sind Reisen auf dem Landweg nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen möglich (AA 20.03.2018).

Grundversorgung und Wirtschaft

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bislang nur wenig verbessert. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2% und 4%. Die schweren Erdbeben vom April / Mai 2015 und die innenpolitische Krise nach Verkündung der neuen Verfassung (20.09.2015) haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langfristig erholen wird. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 733,7 US-Dollar (GTAI, prognostiziert für 2016) ist Nepal das zweitärmste Land Südasiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung. Nepal ist noch immer ein weitgehend von der Subsistenzwirtschaft geprägter Agrarstaat. Die Landwirtschaft beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und trägt mehr als ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Der Anteil des verarbeitenden Sektors am BIP hingegen ist aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Industriebetriebe in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Der Tourismus im Kathmandu-Tal, im tropischen Regenwald des Terai und im Himalaja ist eine wichtige Deviseneinnahmequelle. Der Dienstleistungssektor profitiert stark vom zunehmenden Fremdenverkehr. Etwa 90% aller Unternehmen des Landes sind Kleinbetriebe, die einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung leisten, aber nur 4% zum BIP beitragen. Die Inflation ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt aktuell bei etwa 8,5% (IWF, 2015). Ausländische Direktinvestitionen machen nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Staatshaushalt aus. Ein Drittel des Budgets wird von der Gebergemeinschaft im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziert (AA 3.2017; vgl. GIZ 1.2018a).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3.2%), die Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl jener, die das Land aufgrund der politischen Instabilität und der schweren wirtschaftlichen Krise verließen, exponenziell gestiegen. Neben dem traditionellen Zielland Indien sind mit dem Öl-Boom und dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens, Länder am Persischen Golf und in Südostasien zu attraktiven Destinationen geworden. Schätzung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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