TE Vwgh Beschluss 1999/3/16 99/08/0017

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Veröffentlicht am 16.03.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. Alexander Diemand, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Schallmooser Hauptstraße 31, dieser vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, betreffend Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdeergänzungsfrist gem §34 Abs. 2 VwGG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird gemäß § 46 VwGG stattgegeben.

Begründung

Das zu 98/08/0313 protokollierte Beschwerdeverfahren wurde mit - noch nicht zugestelltem - Beschluß vom 19. Jänner 1999, Zl. 98/08/0313, eingestellt, weil die Beschwerdeführerin einen ihr erteilten Mängelbehebungsauftrag im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG dadurch nicht zur Gänze erfüllt hatte, daß sie weder zwei weitere Ausfertigungen der "Urbeschwerde" noch diese selbst wieder vorlegte.

Vor Abfertigung dieses Beschlusses langte beim Verwaltungsgerichtshof ein am 4. Februar 1999 zur Post gegebener Wiedereinsetzungsantrag ein, in dem - zusammengefaßt - vorgebracht wird, daß der Substitut des Verfahrenshelfers den ergänzenden Schriftsatz in Entsprechung des Verbesserungsauftrages verfaßt, diesen vom Beschwerdevertreter unterfertigen habe lassen und sodann auch die Urbeschwerde der Beschwerdeführerin selbst unterfertigt habe. Sodann habe der Substitut des Verfahrenshelfers "den abgefertigten Akt samt Schriftsatz und Beilagen seiner verläßlichen Kanzleikraft zur Versendung übergeben". Gleichzeitig sei ein Berichtschreiben samt Beilage des Schriftsatzes in Ablichtung an den Verfahrenshelfer zu dessen Kenntnisnahme unter Rückschluß des Aktes ergangen. Im Wege der kalendierten Wiedervorlage des Aktes am 21. Jänner 1999 habe sodann der Verfahrenshelfer den Akt durchgesehen und dabei das Original der Berufung mit dem Original-Einlaufstempel des Verwaltungsgerichtshofes sowie der "roten Stampiglie" gesehen. Über Rückfrage beim Substituten habe sich herausgestellt, daß bei der Kuvertierung "die genannte Kanzleikraft des Substituten "die als "Berufung" bezeichnete, von der Beschwerdeführerin selbst verfasste, ursprüngliche Beschwerde nicht mit dem Verbesserungsschriftsatz dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt, sondern dem an den bestellten Verfahrenshelfer adressierten Berichtsschreiben beigelegt hatte.

Der - wie sich aus dem Sachvorbringen ergibt:

rechtzeitige - Wiedereinsetzungsantrag ist gerechtfertigt:

Gemäß § 46 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der erkennende Senat nimmt das - schlüssige und anhand der Aktenlage nachvollziehbare - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag als erwiesen an und legt es seiner Entscheidung zugrunde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Rechtsanwalt bloß manipulative Tätigkeiten, wie etwa die Kuvertierung von Schriftstücken, verläßlichen Kanzleiangestellten ohne regelmäßige Kontrolle im Einzelfall überlassen (vgl. die Beschlüsse des erkennenden Senates vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0075, und vom 29. Juni 1993, Zl. 93/08/0140, ferner die weiteren hg. Beschlüsse vom 21. Mai 1995, Zl. 94/04/0049, vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/06/0233, vom 24. Juni 1998, Zl. 98/01/0243 uva).

Dem Beschwerdevertreter (bzw. einem Substituten) kann daher im vorliegenden Fall aus einer derartigen Vorgangsweise kein Schuldvorwurf gemacht werden.

Selbst wenn man berücksichtigt, daß im vorliegenden Fall ein erhöhtes Gefahrenpotential insofern bestand, als die Urbeschwerde der Beschwerdeführerin als "Berufung" bezeichnet worden war, weshalb aus ihr nicht ohne weiteres hervorging, daß sie zu den dem Verwaltungsgerichtshof zu übermittelnden Beilagen gehörte, und es daher zweckmäßig, wenn nicht angezeigt gewesen wäre, die Kanzleikraft auf diese (ungewöhnliche) Gefahrenquelle aufmerkam zu machen, so mußte dennoch der Beschwerdevertreter (bzw sein Substitut) nicht damit rechnen, daß die verläßliche Kanzleikraft ein für den Verwaltungsgerichtshof bestimmtes, dem Ergänzungsschriftsatz beigelegtes Schriftstück nicht mit diesem Schriftsatz kuvertieren würde. Es kann daher aus der Unterlassung eines entsprechenden Hinweises kein grobes Verschulden des Beschwerdevertreters und damit der Partei abgeleitet werden.

Das Verschulden der Kanzleikraft kann dahingestellt bleiben; es ist der Partei nicht zuzurechnen.

Dem fristgerechten Antrag auf Wiedereinsetzung war daher stattzugeben, weshalb eine Zustellung des mittlerweile gefaßten, mit Erlassung des gegenständlichen Beschlusses aber gegenstandslosen Einstellungsbeschlusses vom 19. Jänner 1999 zu unterbleiben hat.

Die Sachentscheidung in der zu Zl. 98/08/313 protokollierten Beschwerdesache bleibt vorbehalten.

Wien, am 16. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999080017.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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