Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei M***** J*****, vertreten durch Krüger/Bauer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1) M*****, 2) *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, jeweils wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2018, GZ 2 R 122/18b-17, womit infolge Berufung der Beklagten das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Juni 2018, GZ 58 Cg 33/17m, 58 Cg 63/17y-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich der bereits rechtskräftigen Teile zu lauten hat:
„1. Die beklagten Parteien sind schuldig, es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers öffentlich zu verbreiten, wenn im Zusammenhang mit dieser Bildverbreitung die berechtigten Interessen des Klägers dadurch verletzt werden, dass er als 'Besoffener', 'stockbesoffen', 'Promille-Schreiber' bezeichnet oder ihm unterstellt wird, seine berufliche Tätigkeit als Kolumnist in alkoholisiertem Zustand zu verrichten.
2. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, die Punkte 1. und 2. des über die Klage ergehenden Urteils binnen zwei Wochen ab Rechtskraft in der Zeitung '*****' auf einer der ersten neunzehn Seiten auf eigene Kosten in einem Kasten mit Fettumrandung und Fettüberschrift sowie gesperrt geschriebenen Parteien und Parteienvertretern, ansonsten so, wie dies im Fließtext auf der Seite der Urteilsveröffentlichung üblich ist, zu veröffentlichen.
3. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, die Punkte 1. und 3. des über die Klage ergehenden Urteils binnen zwei Wochen ab Rechtskraft für die Dauer von dreißig Tagen auf der Internetplattform '*****' in jenem Teil der Rubrik 'Österreich/Politik', der beim ersten Aufruf sofort sichtbar wird, auf eigene Kosten in einem Kasten mit Fettumrandung und Fettüberschrift sowie gesperrt geschriebenen Parteien und Parteienvertretern, ansonsten so, wie dies im Fließtext auf der Seite der Urteilsveröffentlichung üblich ist, zu veröffentlichen.
4. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien darüber hinaus schuldig,
a) es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers öffentlich zu verbreiten, wenn im Zusammenhang mit dieser Bildverbreitung die berechtigten Interessen des Klägers dadurch verletzt werden, dass er als 'übelster Kolumnisten-Schuft' oder 'Sudelfeder' bezeichnet oder er 'dreckiger Fantasien' bezichtigt wird, und
b) binnen zwei Wochen ab Rechtskraft in der Zeitung '*****' (erstbeklagte Partei) bzw für die Dauer von dreißig Tagen auf der Internetplattform '*****' (zweitbeklagte Partei) zu veröffentlichen, dass sie schuldig seien, es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers öffentlich zu verbreiten, wenn im Zusammenhang mit dieser Bildverbreitung die berechtigten Interessen des Klägers dadurch verletzt werden, dass er als 'übelster Kolumnisten-Schuft' oder 'Sudelfeder' bezeichnet oder er 'dreckiger Fantasien' bezichtigt werde, wird abgewiesen.
5. Das Klagebegehren, es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die beklagten Parteien dem Kläger für alle Schäden haften, die diesem durch die erfolgte Verbreitung des inkriminierten Lichtbildes samt abträglichem Begleittext in der Zeitung '*****' (erstbeklagte Partei) sowie auf der Internetplattform '*****' (zweitbeklagte Partei) erwachsen, wird abgewiesen.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz bleibt dem Erstgericht vorbehalten.“
Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Kolumnist der Tageszeitung „***** Zeitung“. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Sonn- und Feiertagsausgaben des periodischen Druckwerks „*****“. Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin des elektronischen periodischen Mediums *****. Dabei handelt es sich um das Onlineportal des periodischen Druckwerks „*****“.
Am 2. Juni 2017 veröffentlichte die Zeitung „*****“ folgende Titelseite:
In der Sonntagsausgabe vom 4. Juni 2017 veröffentlichte die ***** Zeitung die Kolumne des Klägers mit folgender Aufmachung:
Der Kolumnentext des Klägers lautete folgendermaßen:
„Herr ***** [Geschäftsführer der Erstbeklagten],
in unserer Branche weiß man, dass kein Komma in ihrem Krawallblatt, das leider so heißt wie unser schönes Land, gedruckt werden darf, ohne dass Sie Ihre Zustimmung geben …
… und über die Gestaltung der Seite 1, dem 'Gesicht' der Zeitung, heißt es:
***** [Geschäftsführer der Erstbeklagten] befiehlt, die Redaktion kuscht und folgt.
Nicht anders ist Ihr Aufmacher zum Tod von Alois Mock zu erklären (Auszug rechts), der mit zum Widerwärtigsten gehört, was Sie als Herausgeber und Chefredakteur zu verantworten haben.
Schlugen Sie sich bei der Formulierung 'Bewegender Parkinson-Tod' fett lachend auf die Schenkel? Und hat gegen diesen abartigen 'Gag' niemand aus der Redaktion protestiert??
Ich denke da an Werner Schima, einem der wenigen Spitzenjournalisten in Ihrem Sold. Denn ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Schima, ein Redakteur bester alter Schule, den unerträglichen Doppelsinn dieser 'Schlagzeile' nicht erkannt hat.
Aber: ***** [Geschäftsführer der Erstbeklagten] befiehlt, die Redaktion kuscht und folgt.
PS: In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in Wien den berüchtigten Herausgeber Imre Békessy. Mit seinem Krawallblatt 'Die Stunde' sank der Journalismus auf eine bis dahin nicht bekannte Niveaulosigkeit. Békessys schärfster Gegner war Karl Kraus, von dem der berühmte Satz überliefert ist:
'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'
Schönen Sonntag
[Unterschrift des Klägers]“
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger diese Kolumne unter Alkoholeinfluss verfasste.
Als Reaktion auf diese Kolumne veröffentlichte die erstbeklagte Partei in ihrer Ausgabe vom 4./5. Juni 2017 ohne vorherige Konsultation des Klägers dessen folgendes Bild mit dem darunter abgedruckten folgenden Text:
„In der gesamten Branche weiß man, dass der übelste Kolumnisten-Schuft in diesem Land den Namen ***** [Kläger] trägt. Der Mann wird wegen seiner hetzerischen Kommentare serienweise vom Presserat verurteilt – und gewinnt jedes Ranking der 'miesesten Journalisten' im Land um Längen.
Als einzige Entschuldigung für die Sudelfeder gilt, dass ***** [Kläger] seine Kolumnen bevorzugt unter starkem Alkoholeinfluss verfasst, worauf er im Small Talk sogar stolz ist.
Der Promille-Pegel dürfte ziemlich hoch gewesen sein, als ***** [Kläger] gestern seine Kolumne für die heutige Sonntags-***** tippte. In einer absurd infamen Weise beschuldigt der Promille-Schreiber darin ***** mit seinem Titel 'Mock: Bewegender Parkinson-Tod' den 'widerwärtigsten Gag' seit Langem produziert zu haben.
Man muss schon viele Achterl intus haben …
Man muss schon viele Achterl intus haben
– sprich, stockbesoffen sein – um in der sensiblen *****-Berichterstattung [der Beklagten] über jenen Todesfall, der tatsächlich das ganze Land tief bewegt hat, einen 'Gag' zu finden.
Die Branche weiß, dass Herr ***** [Kläger] ein Spezialist für dreckige Witze ist – über Frauen, offenbar auch über Behinderte und Kranke. Den eigenen dreckigen Humor aber einer Konkurrenz-Zeitung anzudichten, die mit ihrer Berichterstattung über Alois Mock viel Mitgefühl gezeigt hat, ist eine Frechheit. Das ist auch mit übermäßigem Alkohol-Konsum nicht zu entschuldigen. Besoffene sollten keine Kolumnen schreiben. Auch nicht in der ***** Zeitung.
Alkoholisierte Kolumnisten in Pension!
Der Titel über den 'bewegenden Tod' von Alois Mock in ***** [Medien der Beklagten] hat keinen einzigen Leser gestört, es gibt kein einziges Mail dazu. Jeder nüchterne Mensch weiß, dass mit 'bewegend' natürlich das Mitgefühl gemeint war, das dieser Tod und Mocks Leiden bei allen ausgelöst hat. Und von genau diesem Mitgefühl war die gesamte Berichterstattung in ***** [Medien der Beklagten] über Tod und Krankheit von Alois Mock geprägt.
Wir verwehren uns gegen dreckige Fantasien und Unterstellungen von alkoholisierten Kolumnisten. Sie sollten endlich in Pension gehen.
Die Redaktion von ***** [Medien der Beklagten]“
Der selbe Text wurden von der zweitbeklagten Partei auf ihrer Website ***** ab 4. Juni 2017 mit folgendem Foto veröffentlicht:
Der Kläger und der Geschäftsführer der erstbeklagten Partei, *****, kennen einander bereits viele Jahre. Seit Erscheinen der Zeitung „***** [Medien der Beklagten]“ (September 2006) kam es zu zahlreichen „publizistischen“ Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der erstbeklagten Partei. So bezeichnete der Kläger die Zeitung „***** [Medien der Beklagten]“ als „Geschenk- und Perlen-vor-die-Säue-Blattl“ (4 Ob 176/08y). Wenn der Kläger in seiner Kolumne nunmehr von der Zeitung „***** [Medien der Beklagten]“ schreibt, nennt er diese „die bekannte Krawall-Zeitung“.
Der publizistische Stil, in dem der Kläger die Kolumne „Post von ***** [Kläger]“ verfasst, ist von einer an-, teilweise untergriffigen Sprache geprägt. Polemik ist ein vielfach eingesetztes Mittel. Er legt nur geringen Wert auf Faktentreue und Recherchearbeit. Vom Presserat wurden mehrfach Verstöße, teils schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze für die publizistische Arbeit (Ehrenkodex für die österreichische Presse) wegen der Missachtung der Unschuldsvermutung, der groben Missachtung der Menschenwürde, grober Beleidigung, das Aufstellen von (überprüfbaren) und erweislich falschen Behauptungen ohne jegliche Recherche des Klägers festgestellt.
Der Kläger schreibt seine Kolumne gewöhnlich vormittags. Dazu begibt er sich meist um circa 08:30 Uhr in sein Büro und blättert die Zeitungen in seinem Fach durch. Wenn er dann ein Thema gefunden hat, beginnt er, teilweise nach Abstimmung mit der Redaktion, mit dem Schreiben der Kolumne und beendet gewöhnlicherweise seine Arbeit zu Mittag.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger seine Kolumnen bevorzugt unter starkem Alkoholeinfluss verfasst, worauf er im Small Talk sogar stolz sei.
Neben seiner Kolumne in der Tageszeitung „***** Zeitung“ verfasst der Kläger noch Beiträge für das „*****-Jahrbuch“, wo er über spektakuläre Kriminalfälle berichtet. Sonstige publizistische Tätigkeiten übt er nicht aus.
Der Kläger läuft nicht Gefahr, aufgrund der gegenständlichen Veröffentlichungen der Beklagten sein langjähriges Beschäftigungsverhältnis bei der Tagszeitung „***** Zeitung“ zu verlieren. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass dem Kläger ein sonstiger vermögensrechtlicher Nachteil durch die Veröffentlichungen erwachsen ist.
Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers öffentlich zu verbreiten, wenn im Zusammenhang mit dieser Bildverbreitung die berechtigten Interessen des Klägers dadurch verletzt werden, dass er als „übelster Kolumnisten-Schuft“, „Besoffener“, „stockbesoffen“, „Promille-Schreiber“ oder „Sudelfeder“ bezeichnet, er „dreckiger Fantasien“ bezichtigt und ihm unterstellt wird, seine berufliche Tätigkeit als Kolumnist in alkoholisiertem Zustand zu verrichten. Weiters begehrte er jeweils die Urteilsveröffentlichung in den entsprechenden Medien, die Zahlung von jeweils 20.000 EUR sA an immateriellem Schadenersatz sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagten für alle Schäden haften, die ihm durch die erfolgte Verbreitung des inkriminierten Lichtbildes samt abträglichem Begleittext in der Zeitung „*****“ sowie auf der Internetplattform „*****“, erwachsen. Er brachte vor, seine Interessen würden schon alleine durch die Verbreitung des entwürdigenden, herabsetzenden und entstellenden Lichtbildes verletzt, auf dem er gegen seinen Willen in Großaufnahme völlig verzerrt und mit halb geschlossenen Augen, stark geröteten Wangen und einer Zigarre im Mund dargestellt werde. Auch der aus dem Spruch ersichtliche Begleittext stelle eine Beschimpfung des Klägers dar. Insgesamt liege eine schwerwiegende Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 78 UrhG vor. Das Lichtbild samt Begleittext stelle eine vollkommen überzogene Reaktion auf die kurz zuvor erschienene Kolumne des Klägers vom 4. Juni 2017, in der er den Herausgeber der Tageszeitung „*****“, ***** [Geschäftsführer der Erstbeklagten], im Zusammenhang mit einem Artikel über das Ableben des Ex-ÖVP-Chefs Alois Mock mit der Schlagzeile „Mock: bewegender Parkinson-Tod“ kritisiert habe. Dieser Artikel sei äußerst pietätlos und mit den Grundsätzen einer seriösen Berichterstattung nicht vereinbar gewesen. Die journalistische Reaktion des Klägers, der auf diese Widerwärtigkeit hingewiesen habe, sei sachlich und vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt gewesen. Die Auswirkungen für den Kläger aufgrund des inkriminierten Artikels seien dramatisch, weil er durch die inkriminierte Veröffentlichung als schwerer Alkoholiker dargestellt werde, der seine berufliche Tätigkeit aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums nicht ordentlich ausübe. Durch die Schädigung seiner journalistischen Glaubwürdigkeit drohten dem Kläger erhebliche finanzielle Schäden. Die Äußerungen der Beklagten seien nicht durch Art 10 EMRK gedeckt. Die Grenzen der zulässigen Kritik seien dort zu ziehen, wo die persönliche Diffamierung im Vordergrund stehe. Die entgleisende Wortwahl leiste keinen Beitrag zu einer Debatte über Fragen von allgemeinem Interesse.
Die Beklagten wandten ein, der Kläger sei bereits seit vielen Jahren als Kolumnist für die „***** Zeitung“ tätig und bereits acht Mal vom österreichischen Presserat aufgrund seines schlechten journalistischen Stils verurteilt worden. Der hohe Alkoholkonsum des Klägers sei allgemein bekannt und habe auch immer wieder zu Postings im Internet geführt. Der Kläger habe überdies das periodische Druckwerk „*****“ mehrfach in unlauterer Weise herabgesetzt. ***** [Geschäftsführer der Erstbeklagten] sei in die Gestaltung der Titelseite von „*****“ vom 2. Juni 2017, in der der Bericht über den Parkinson-Tod von Dr. Mock erschienen sei, in keiner Weise involviert gewesen. Der Nachruf sei überdies frei von jeglichem Untergriff gewesen. Die Unterstellungen des Klägers in seinem Artikel vom 4. Juni 2017 entbehrten daher jeglicher Grundlage. Lediglich in Reaktion auf den untergriffigen Artikel des Klägers hätten die Beklagten die vom Kläger nunmehr inkriminierte Replik veröffentlicht. Die von den Beklagten geübte, massive Kritik sei zulässig gewesen. Gegenstand der Äußerungen seien wahre Tatsachen. Es treffe zu, dass der Kläger in hohem Ausmaß Alkohol konsumiere und in diesem Zustand seine journalistischen Beiträge verfasse. Die Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit des Art 10 EMRK gedeckt.
Das Erstgericht gab den Unterlassungsbegehren mit Ausnahme der Bezeichnung „Sudelfeder“ sowie den insoweit modifizierten Urteilsveröffentlichungsbegehren statt. Das Veröffentlichungsmehrbegehren im Zusammenhang mit dem Vorwurf „Sudelfeder“ sowie die Feststellungsbegehren wies es unbekämpft ab. Unwahre Tatsachenbehauptungen, die veröffentlicht würden, um eine Person herabzusetzen, seien nicht von Art 10 EMRK gedeckt. Dies beziehe sich auf alle Bezeichnungen, die dem Kläger eine Alkoholisierung beim Verfassen seiner Texte unterstellten. Die ausschließlich zur Beleidigung des Klägers verwendeten Bezeichnungen „übelster Kolumnisten-Schuft“ sowie die Unterstellung, er habe „dreckige Fantasien“, müsse er ebenso wenig dulden. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Urteils.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Weshalb der vom Erstgericht ermittelte Bedeutungsinhalt des Artikels verfehlt sein sollte, hätten die Berufungswerber nicht dargelegt. Die inkriminierten derben Beschimpfungen und Beleidigungen („übelster Kolumnisten-Schuft“ sowie „dreckige Fantasien“), denen jede Tatsachengrundlage fehle, könnten nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK gerechtfertigt werden. Diese Formulierungen überschritten aufgrund ihrer Unsachlichkeit die Grenzen des Zulässigen. Ein öffentliches Interesse an gegenseitigen Beleidigungen in einer Pressefehde, das für die nach Art 10 EMRK vorzunehmende Interessensabwägung Bedeutung haben könnte, sei nicht zu erkennen. Zu den sich auf den Alkoholkonsum des Klägers beziehenden ehrenrührigen und beleidigenden Tatsachenbehauptungen hätten die Beklagten den ihnen obliegenden Wahrheitsbeweis nicht erbracht. Um dem Aufklärungszweck der – nicht allein vom Talionsprinzip bestimmten – Urteilsveröffentlichung gerecht zu werden, sei die vom Erstgericht ohnehin am Talionsprinzip orientierte Urteilsveröffentlichung hinsichtlich der Zweitbeklagten nicht zu beanstanden, solle sie doch lediglich in jener Rubrik erscheinen, in der auch der inkriminierte Artikel – wenn auch bloß als Ankündigung – online gestellt worden sei. Berücksichtige man den durch Bilder unterstützten, blickfangartigen Onlineauftritt der Zweitbeklagten auch im Rahmen der Rubrik „Österreich/Politik“, sei es zur Gewährleistung des Aufklärungszwecks erforderlich, die Urteilsveröffentlichung in jenem Teil der Rubrik auch tatsächlich vorzunehmen und sie dort nicht bloß anzukündigen. Das Veröffentlichungsbegehren sei auch nicht zu unbestimmt. Es werde klar ausgedrückt, dass die Urteilsveröffentlichung unter der Rubrik „Österreich/Politik“ so zu erfolgen habe, dass beim Öffnen dieser Rubrik die Veröffentlichung sichtbar werde.
Nur noch gegen die Unterlassungsverpflichtungen betreffend die Bezeichnung des Klägers als „übelster Kolumnisten-Schuft“ sowie der Bezichtigung, dieser habe „dreckige Fantasien“ und gegen die Verurteilung hinsichtlich der „jeweiligen“ Urteilsveröffentlichungen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf diesbezügliche Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn der Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
Die Revisionswerber bringen vor, im medienrechtlichen Entschädigungsverfahren des Klägers gegen die Beklagten aufgrund der hier inkriminierten Artikel sei die Bezeichnung des Klägers als „übelster Kolumnisten-Schuft“ samt Bezichtigung „dreckiger Fantasien“ rechtskräftig als zulässig erachtet worden. Demnach liege für diese Behauptungen ein hinreichendes Tatsachensubstrat vor, sodass es sich um zulässige Werturteile handle, die im Sinn des Art 10 EMRK zulässig seien. Die Verpflichtung zur Urteilsveröffentlichung bestehe mangels berechtigten Interesses nicht, überdies sei sie zu weit ausgesprochen und unbestimmt und nicht durchsetzbar.
Hierzu wurde erwogen:
1. Unterlassungsbegehren
1.1. Allgemeine Grundsätze
1.1.1. Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden.
Wenngleich das Klagebegehren auf diese Bestimmung und die §§ 81, 85, und 87 Abs 2 UrhG gestützt ist, beziehen sich sämtliche Rechtsausführungen der Parteien im Revisionsverfahren (wie auch schon im Berufungsverfahren) nicht (mehr) auf die Eigenschaften des von den Beklagten veröffentlichten Lichtbilds des Klägers, sondern jeweils auf den damit verbundenen Begleittext. Auf das Lichtbild des Klägers ist somit nicht einzugehen. Bei der Beurteilung, ob die „berechtigten Interessen“ des Abgebildeten durch einen Bildbegleittext beeinträchtigt werden, sind die – im Folgenden dargestellten – Wertungen des § 1330 ABGB maßgebend (RS0112084 [T15]).
1.1.2. Nach Art 10 Abs 1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Geschützt im engeren Sinn ist die Weitergabe von Meinungen; insbesondere die freie Äußerung und Mitteilung von Meinungen, Informationen und Ideen. Diese Bestimmung steht im Verfassungsrang. Obwohl die Pressefreiheit in Art 10 MRK nicht ausdrücklich erwähnt ist, bildet sie einen selbständigen Teil des sachlichen Schutzbereichs dieser Norm (6 Ob 124/18f mwN).
1.1.3. Bei der Abgrenzung zwischen übler Nachrede und Ehrenbeleidigung einerseits und zulässiger Kritik bzw Werturteil andererseits ist auch eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei auf das Recht der freien Meinungsäußerung Bedacht genommen werden muss (RS0031672). Für die Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung einerseits und zulässiger Kritik und Werturteil andererseits ist die Art der eingeschränkten Rechte, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, der Grad der Schutzwürdigkeit des Interesses aber auch der Zweck der Meinungsäußerung entscheidend (RS0054817 [T30]). Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (RS0054817).
1.1.4. Auf unwahren bzw nicht hinreichenden Tatsachenbehauptungen beruhende negative Werturteile oder Wertungsexzesse fallen nicht unter den Schutzbereich des Art 10 MRK und sind daher nicht zulässig (RS0107915; RS0075601; RS0032201; RS0054817 [T3]; Kissich in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.04 § 1330 Rz 41). Angesichts der heutigen Reizüberflutung sind aber selbst überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (RS0031883 [T33]).
1.1.5. Die Rechtswidrigkeit kann im Einzelfall dann ausgeschlossen sein, wenn für das Handeln oder Unterlassen ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorlag. Ein solcher Rechtfertigungsgrund muss sich im Wege einer Interessenabwägung aus weiteren Geboten oder Verboten der gesamten Rechtsordnung gewinnen lassen. Bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung kommt es auf die Art des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit am verfolgten Recht und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses an (RS0031657 [T5]). Als Rechtfertigungsgründe werden in der Rechtsprechung § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB, medienrechtliche Regelungen nach § 6 MedienG, das Interesse der Öffentlichkeit an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und damit im Zusammenhang die Ausübung eines Rechts (Prozesshandlungen, Anzeigen), die Ausübung eines öffentlichen Mandats, Art 17a StGG und insbesondere auch Art 10 MRK angesehen (RS0031657 [T6]; RS0008987 [T10]).
1.1.6. Dabei sind die Grenzen der zulässigen Kritik bei Politikern und generell bei Personen des öffentlichen Lebens weiter zu ziehen als bei Privatpersonen (RS0082182). Die für Politiker geltenden Grundsätze wurden von der Rechtsprechung allgemein auf Personen, und zwar auch Privatpersonen und private Vereinigungen erweitert, sobald sie die politische Bühne (die Arena der politischen Auseinandersetzung) betreten (RS0115541), so zB auf Journalisten (RS0115541 [T5]).
1.2. Vorliegender Fall
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich Folgendes:
Der Kläger hat in seiner Kolumne den Geschäftsführer der erstbeklagten Partei anlässlich der Berichterstattung über den Tod von Alois Mock in den Medien der Beklagten überaus heftig und unsachlich kritisiert und ihm indirekt unterstellt, sich durch die kritisierte Berichterstattung über die Parkinsonerkrankung des Verstorbenen lustig zu machen. Insbesondere die genannte Unterstellung liegt aber für einen unbefangenen Konsumenten des Berichts der Beklagten keineswegs nahe, sondern ist weit hergeholt und wirkt konstruiert.
Dies ist hinreichendes Tatsachensubstrat für die von den Beklagten am Kläger mit den beiden noch streitgegenständlichen heftigen Ausdrücken geäußerte Kritik, die nach Auffassung des Senats vom Recht auf Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK gedeckt ist und noch keinen Wertungsexzess darstellt. Dabei wird aus dem Gesamtzusammenhang des inkriminierten Artikels deutlich, dass hier die „dreckigen Fantasien“ nicht – wie man bei isoliertem Verständnis dieser Wendung meinen könnte – sexuell konnotiert sind, sondern – wie ausgeführt – die keineswegs naheliegende Interpretation des Klägers („Widerwärtigst“, abartiger „Gag“) bezeichnen. Insoweit war daher der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der 4. Senat im Verfahren nach dem UWG (in dem andere Beurteilungskriterien als im vorliegenden Verfahren nach dem UrhG gelten) betreffend denselben inkriminierten Artikel im Rahmen der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision die Behauptung, die dortige Klägerin beschäftige den „übelsten Kolumnisten-Schuft“, für unzulässig erachtet hat (4 Ob 74/18p).
2. Veröffentlichungsbegehren
2.1. Zunächst weist der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass die Beklagten in ihrer Berufung gegen das die Erstbeklagte betreffende Veröffentlichungsbegehren nichts vorgebracht haben, sodass die Revisionsausführungen, soweit sie sich auch auf die Verurteilung zur Urteilsveröffentlichung betreffend die Erstbeklagte beziehen, zu spät kommen, kann doch eine in der Berufung (auch partiell) unterlassene Rechtsrüge in der Revision nicht nachgeholt werden.
2.2. Im Übrigen werden die Revisionswerber auf die insoweit zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO), die folgendermaßen ergänzt wird: Die Überlegung des Berufungsgerichts, durch eine bloße Ankündigung wäre der Aufklärungszweck nicht hinreichend gewährleistet, ist zutreffend, weil kaum jemand einer solchen Ankündigung folgen und die Urteilsveröffentlichung eigens aufrufen wird.
Im Übrigen lehnte der Oberste Gerichtshof schon bisher die (auch hier) von Beklagtenseite angestrebte „Harmonisierung“ der Urteilsveröffentlichungsvorschriften sowohl des UrhG als auch des UWG (§ 25 Abs 3) mit den Regeln des MedienG (§ 13 Abs 4) ausdrücklich ab (RS0079607 [T5]).
2.3. Der Revision betreffend die angeordnete Urteilsveröffentlichung war daher (abgesehen von der Abweisung des Veröffentlichungsbegehrens betreffend die mit dieser Revision abgewiesenen Unterlassungsbegehren) nicht Folge zu geben.
3. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 bis 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 4 ZPO der Endentscheidung vorbehalten. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 52 Abs 3 ZPO dem Erstgericht vorbehalten. Daran ist auch der Oberste Gerichtshof gebunden. Nach § 52 Abs 3 ZPO hat das Erstgericht die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu bestimmen (RS0129336).
Textnummer
E125079European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00235.18D.0425.000Im RIS seit
23.05.2019Zuletzt aktualisiert am
23.05.2019