Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (Bundesarbeitskammer), Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch die Kosesnik & Wehrle Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei ***** AG, *****, vertreten durch Dr. Sascha Daniel Salomonowitz und Dr. Michael Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 61.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2018, GZ 4 R 40/18h-20, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Jänner 2018, GZ 11 Cg 40/17w-14, teils abgeändert und teils bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist ein zur Unterlassungsklage berechtigter Verband (§ 14 UWG; §§ 28 ff KSchG).
Die Beklagte betreibt bundesweit das (Online-)Bankgeschäft und bietet Verbrauchern in ganz Österreich Kredite an, die sie als „easy kredit“ bewirbt, und zwar mit einem groß herausgestellten Zinssatz von zunächst 2,9 %, sodann 3,1 %. Dem Zinssatz wird einerseits „ab“ (zumeist) vorangestellt und andererseits „p.a.* variabel“ nachgestellt; dem Sternchen * zugeordnet ist an entfernter Stelle und in Kleindruck das Wort „bonitätsabhängig“. Danach folgt im selben Kleindruck ein „repräsentatives Berechnungsbeispiel“ mit einem Nominalzinssatz von 4,65 %, den „50 % aller Kunden der [Beklagten] erhalten“. Weiters verwendet die Beklagte Vertragsformblätter mit der Wendung „Produktwechsel auf easy gratis bzw auf easy konto EUR 15,00“.
Im Zeitraum 1. 12. 2016 bis 31. 5. 2017 hat die Beklagte von insgesamt 516 Neukreditantragstellern 19 Personen (= 3,39 %) die beworbenen niedrigsten Zinssätze (2,9 % bis Februar 2017 und 3,1 % danach) gewährt. Nicht festgestellt werden kann, welche Kriterien in welchem Umfang bei den Kreditnehmern vorliegen mussten und/oder vorgelegen sind, die zu den niedrigsten beworbenen Zinssätzen Kreditzuzählungen erlangten, und wie vielen Kunden ein Zinssatz von 4,65 % und/oder ein geringerer Zinssatz angeboten wurde.
Die Klägerin begehrte, der Beklagten aufzutragen,
1. es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, sie böte einen Kredit mit einem vergleichsweise niedrigen, ziffernmäßig ausgewiesenen Nominalzinssatz von zB 2,9 % oder ab 3,1 % an, wenn sie den beworbenen Nominalzinssatz tatsächlich selbst bei bester Bonität, etwa einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 3.000 EUR und 5.300 EUR bei Freiheit von Schulden und Unterhaltspflichten, nicht gewähre, sondern sie selbst von Kunden bester Bonität einen Nominalzinssatz verlange, der über jenem liege, den sie laut repräsentativem Beispiel im Sinn des § 5 Abs 1 VKrG von 50 % ihrer Kunden verlange;
2. es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, in ihrer Werbung für Verbraucherkredite in dem aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, etwa gemäß § 5 VKrG verpflichtend anzugebenden repräsentativen Beispiel einen unzutreffenden Nominalzinssatz anzugeben, weil und wenn sie selbst Kunden bester Bonität überwiegend höhere Zinssätze als den im repräsentativen Beispiel genannten anbiete;
3. es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, in ihrer Werbung für Verbraucherkredite ziffernmäßig bestimmte Nominalzinssätze, etwa Zinssätze von 2,9 % oder ab 3,1 % anzuführen, die mit dem gemäß § 5 Abs 1 VKrG in die Werbung aufzunehmenden repräsentativen Beispiel nicht übereinstimmen, weil sie einem repräsentativen Teil ihrer Kunden, etwa 50 %, diesen Zinssatz tatsächlich nicht gewähre, sondern diese einen erheblich höheren Nominalzinssatz als den beworbenen Zinssatz wie 4,65 % zu leisten hätten;
4. es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, in ihrer Werbung für Verbraucherkredite Zinssätze, etwa solche von 2,9 % oder ab 3,1 % anzuführen, ohne das gemäß § 5 Abs 1 VKrG erforderliche repräsentative Beispiel klar, prägnant und auffallend in die Werbung einzubeziehen, insbesondere, wenn das repräsentative Beispiel nur im Kleindruck auf der Rückseite eines Werbefolders oder erst am Ende einer Website als Auflösung eines Sternchen-Verweises angeführt sei;
in eventu, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, in ihrer Werbung für Verbraucherkreditverträge ziffernmäßig bestimmte Nominalzinssätze, etwa solche von 2,9 % oder ab 3,1 % blickfangartig herausgestellt anzuführen, ohne das gemäß § 5 Abs 1 VKrG anzuführende repräsentative Beispiel in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit dem blickfangartig herausgestellten Nominalzinssatz oder in gleicher optischer Wahrnehmbarkeit zu platzieren, insbesondere wenn das repräsentative Beispiel einen erheblich höheren Nominalzinssatz wie etwa einen solchen von 4,65 % anführe;
5. im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern
a) in ihren AGB, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde lege und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern, insbesondere in Allgemeinen Preisblättern, die Verwendung der Klausel „Produktwechsel auf easy gratis bzw auf easy Konto EUR 15,00“ oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen, und es zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen;
b) [erkennbar: es zu unterlassen,] dem Verbraucher für den Wechsel des Kontomodells ein Entgelt anzulasten oder zu verrechnen.
Weiters wurde begehrt, die Beklagte zur Veröffentlichung auf ihrer Website zu verpflichten, und der Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der Samstag-Ausgabe einer bestimmten bundesweit erscheinenden Tageszeitung zu erteilen.
Die Klägerin brachte vor, sie habe Kreditanfragen an die Beklagte gerichtet, worauf sie auch bei hoher Bonität Kreditangebote erhalten habe, die über dem angeblich repräsentativen Zinssatz von 4,65 % gelegen seien. Mit einem attraktiven Zinssatz zu werben, der aber weder der Mehrheit ihrer Kunden noch Kunden bester Bonität angeboten werde, sei eine irreführende Blickfangwerbung nach § 2 Abs 1 Z 4 UWG. Das repräsentative Beispiel sei unrichtig und verstoße gegen § 5 Abs 1 VKrG, der „klare, prägnante und auffallende“ Standardinformationen in der Werbung verlange; die Beklagte verstoße insofern gegen § 1 Abs 1 Z 1 2. Fall und Z 2 UWG. Die Standardinformationen dürften auch nicht zur Richtigstellung von in der Werbung in Bezug auf die Kosten des Kreditvertrags bezogenen Zahlen verwendet werden. Die ersten beiden Unterlassungsbegehren seien hinreichend bestimmt und dahin konkretisiert, dass die Beklagte mit „niedrigen Phantasiezinssätzen“ bzw „Ausnahmezinssätzen“ von 2,9 % oder ab 3,1 % nicht werben dürfe, wenn sie diese selbst Kunden bester Bonität nicht oder nur in den seltensten Fällen gewähre, sondern sogar von diesen einen Zinssatz verlange, der über jenem des repräsentativen Beispiels liege. Die Judikatur zu „ab-Preisen“ sei auf die Werbung für Verbraucherkredite nicht anwendbar. Das dritte Unterlassungsbegehren umschreibe das verbotene Verhalten klar dahin, dass ein anderer Nominalzins als im repräsentativen Beispiel angeführt werde. Das vierte Unterlassungsbegehren werde auf § 28a KSchG iVm § 5 Abs 1 VKrG gestützt, das Eventualbegehren zusätzlich auch auf das Irreführungsverbot des § 2 UWG. Das repräsentative Beispiel sei sehr wohl in der Werbung anzuführen und habe klar, prägnant und auffallend zu sein. Dies sei ein spezielles Transparenzgebot, sodass die Informationen an hervorgehobener Stelle stehen müssten und nicht ungebührlich hinter die Werbung zurücktreten dürften.
Die Beklagte erwiderte, das Klagebegehren sei unschlüssig; alle Unterlassungsbegehren seien unbestimmt. Die von der Klägerin beispielhaft abgefragten Kunden wären gerade nicht der höchsten Bonität und besten Risikoklasse zuzurechnen gewesen. Im ersten Unterlassungsbegehren seien weder „vergleichsweise niedrig“ noch „beste Bonität“ konkretisiert oder konkretisierbar; es sei auch inhaltlich nicht berechtigt, weil die Werbung nicht irreführend sei. Der bestmögliche Zinssatz sei im Zeitraum 1. 4. bis 4. 7. 2017 tatsächlich 8,91 % (von 1. 12. 2016 bis 7. 11. 2017: 7,39 %) aller Antragsteller gewährt worden. Werbung mit „ab-Preisen“ sei zulässig, insbesondere wenn der Preis für den einzelnen Kunden vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden könne, weil es auf mehrere variable Faktoren ankomme. Dass der Zinssatz „abhängig von der Bonität des Kunden“ beschrieben werde, sei ausreichend transparent. Zu verlangen, dass der bestmögliche Zinssatz mit dem repräsentativen Rechenbeispiel nach § 5 VKrG zu verknüpfen sei, wäre willkürlich und vom Gesetz nicht gedeckt. Das zweite Unterlassungsbegehren sei nicht vollstreckbar. Weder das Gesetz noch die Richtlinie, die es umsetze, nähmen auf die Bonität des Kunden Bezug. Das dritte Unterlassungsbegehren verknüpfe den Vorwurf der Irreführung mit dem repräsentativen Beispiel und der Häufigkeit der Vergabe des beworbenen Zinssatzes. Es dürfe aber nicht nur mit „repräsentativen“ Zinssätzen geworben werden. Das vierte Unterlassungsbegehren gebe überhaupt nur den Gesetzestext wieder. Das Gesetz fordere nicht, dass das repräsentative Beispiel selbst klar, prägnant und auffallend, blickfangmäßig in die Werbung einzubeziehen sei, sondern nur, dass die Werbung Standardinformationen anhand eines repräsentativen Beispiels enthalten müsse. Zur Klarheit und Prägnanz bringe die Klägerin nichts vor. Die Wiederholungsgefahr sei weggefallen, weil die Beklagte seit Dezember 2017 keine variablen Zinssätze mehr anbiete, sondern nur noch einen bonitätsunabhängigen garantierten Zinssatz von 4,25 %.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt, setzte in Ansehung von Pkt 5 des Klagebegehrens generell eine Leistungsfrist von sechs Monaten und erteilte der Klägerin die Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagsstattgebenden Urteils.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin zur Gänze Folge und änderte das Urteil zu Pkt 5 des Klagebegehrens in Ansehung der Leistungsfrist ab. Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es untersagte der Beklagten zwar im Sinne des vierten Unterlassungsbegehrens, in ihrer Werbung für Verbraucherkredite Zinssätze, etwa solche von 2,9 % oder ab 3,1 % anzuführen, ohne das gemäß § 5 Abs 1 VKrG erforderliche repräsentative Beispiel „auffallend“ in die Werbung einzubeziehen, insbesondere wenn dieses nur im Kleindruck auf der Rückseite eines Werbefolders oder erst am Ende einer Website als Auflösung eines Sternchen-Verweises angeführt ist; das Mehrbegehren, Zinssätze nicht nur ohne „auffallendes“ Beispiel, sondern im Sinne des vierten Unterlassungsbegehrens zusätzlich auch ohne „klares, prägnantes“ Beispiel anzuführen, wies es jedoch ebenso ab wie die übrigen drei Unterlassungsbegehren. Das Veröffentlichungsbegehren wurde bestätigt.
Das Berufungsgericht führte aus, die Beklagte bewerbe blickfangartig einen niedrig erscheinenden Zinssatz, zu dem sie mit dem unauffälligen Sternchen-Hinweis „bonitätsabhängig“ keine im Sinn des § 5 VKrG durch Angabe von Standardinformationen über den konkret beworbenen Sollzinssatz ausreichenden Aufklärungen (welche einerseits „klar, prägnant und auffallend“ und andererseits „anhand eines repräsentativen Beispiels“ zu sein hätten) gegeben habe. Werbe ein Kreditgeber mit einem Zinssatz, müsse er auch über diesen Zinssatz nähere Informationen erteilen; der beworbene Zinssatz müsse mit jenem im repräsentativen Beispiel übereinstimmen. Demnach müsse ein Kreditgeber, der – wie hier – mit mehreren Zinssätzen werbe, über jeden dieser Zinssätze näher informieren. Lediglich einen Durchschnitt aller angebotenen Zinssätze zu ziehen und nur über diesen Durchschnittszinssatz zu informieren, widerspreche Text und Zweck des § 5 Abs 1 VKrG. Einerseits einen variantenreichen „ab“-Zinssatz zu nennen und andererseits Zinssatz-Standardinformation zu einem ganz anderen Zinssatz (von 4,65 %) zu erteilen, verstoße gegen § 5 Abs 1 VKrG.
Allerdings formuliere die Klägerin komplexe und sprachlich teils schwer verständliche Unterlassungsbegehren, die ungeachtet der an sich weitreichenden Verstöße der Beklagten gewisse einschränkende Elemente aufwiesen:
Das erste Unterlassungsbegehren mache irreführende Blickfangwerbung geltend, bringe in Wahrheit aber eine Irreführung nur von Kunden „bester Bonität“ darüber zum Ausdruck, dass ihnen nicht nur ein höherer als der herausgestellte, sondern sogar auch ein höherer als der im repräsentativen Beispiel verwendete Nominalzinssatz abverlangt werde. „Beste Bonität“ sei unbestimmt und die Formulierung „etwa einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 3.000 EUR und 5.300 EUR bei Freiheit von Schulden und Unterhaltspflichten“ eröffne einen zu weiten Beurteilungsspielraum. Dem Unterlassungsbegehren könne nicht amtswegig eine klarere und deutlichere Fassung gegeben werden, weil die Klägerin trotz konkreten Einwands der Beklagten daran festgehalten habe.
Das zweite Unterlassungsbegehren ziele auf einen verpflichtenden Gleichklang der Nominalzinssätze ab, die einerseits den Kunden überwiegend angeboten und andererseits im „repräsentativen Beispiel“ verwendet würden. Dies sei aber aus § 5 Abs 1 VKrG nicht ableitbar, wonach das verpflichtende Beispiel gerade den beworbenen Zinssatz betreffen müsse.
Nach dem dritten Unterlassungsbegehren dürfte die Beklagte nur einen Zinssatz bewerben, den sie einem „repräsentativen Teil ihrer Kunden, etwa 50 %“ gewähre, während besondere Werbung für einen verhältnismäßig kleinen Teil ihres Kundenkreises verboten wäre. Aus § 5 Abs 1 VKrG lasse sich aber kein Zusammenhang zwischen einem „repräsentativen Beispiel“ und einem „repräsentativen Teil der Kunden“ (auf den es nicht ankomme) ableiten.
Zum vierten Unterlassungsbegehren vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, Richtlinien- und Gesetzestext unterschieden zwischen einer „klaren, prägnant gefassten Form“ und andererseits einer „optisch hervorgehobenen Stelle“ und sprächen damit zwei unterschiedliche Aspekte an. Zur zuerst genannten inhaltlichen Ausformung habe die Klägerin gar nichts vorgebracht, weshalb das Unterlassungsbegehren insofern scheitern müsse. In Ansehung des Aspekts der unzureichenden Auffälligkeit der Kleindruck-Beispielrechnung sei das Ersturteil zu bestätigen.
Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, da die Beklagte die Rechtmäßigkeit des ihr vorgeworfenen Verhaltens verteidige und dieses jederzeit wieder aufnehmen könne.
Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand als 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu, weil – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 5 Abs 1 VKrG fehle.
Die Revision der Klägerin beantragt die Abänderung dahin, dass allen vier sich auf Werbemaßnahmen beziehenden Unterlassungsbegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung des ersten Unterlassungsbegehrens, welches sehr wohl bestimmt und exequierbar sei und alle Kunden der Beklagten erfasse. Ihr solle untersagt werden, sowohl von Kunden bester als auch von solchen geringerer Bonität einen höheren als den beworbenen Nominalzinssatz zu verlangen. Auch die ergänzende Klarstellung, dass der verlangte Nominalzinssatz sogar über jenem liege, den sie laut repräsentativem Beispiel von 50 % ihrer Kunden verlange, verdeutliche nur das Klagebegehren. Auf „beste Bonität“ komme es damit gar nicht an, obwohl dieser Begriff ohnehin einen eindeutigen Inhalt habe: Sie liege vor, wenn die von der Beklagten in ihrem Kreditanfrageformblatt genannten Kriterien erfüllt seien.
1.1. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RIS-Justiz RS0037440, RS0038852 [T19]). Dabei ist grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen, aber auch auf die sonstigen Prozessbehauptungen Bedacht zu nehmen (vgl RS0041254; RS0041165). Dem Erfordernis des § 226 ZPO ist hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehres daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RS0037874; 4 Ob 118/12z). Bei Unterlassungsbegehren ist eine gewisse allgemeine Fassung in Verbindung mit Einzelverboten zwar meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RS0037607; vgl RS0000845, RS0079278 [T1]). Dennoch muss das verbotene Verhalten so deutlich umschrieben sein, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RS0119807). Wird ein Unterlassungsgebot konditional („wenn“) mit bestimmten Prüftatsachen verknüpft, kann es nur dann erlassen werden, wenn auch diese Tatsachen bewiesen werden (4 Ob 184/18i = RS0037440 [T19]).
1.2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihr erstes Unterlassungsbegehren konditional („wenn“) mit Einschränkungen verknüpft und damit die Abweichung des erweckten Eindrucks von den behaupteten wirklichen Gegebenheiten konditional in ihr Unterlassungsbegehren aufgenommen. Sie hat damit das Prüfkalkül für die behauptete Abweichung von den Tatsachen selbst festgelegt: Die beanstandeten Werbeaussagen sollen deshalb irreführend sein, weil sie mit den angegebenen (Prüf-)Tatsachen (dass sie einerseits den beworbenen Nominalzinssatz „tatsächlich […] nicht gewährt“ und dass sie andererseits selbst von Kunden bester Bonität einen Nominalzinssatz verlange, der über den von 50 % ihrer Kunden verlangten 4,65 % liege) nicht übereinstimmten. Das Prüfkalkül kann daher nur dann erfolgreich sein, wenn auch diese von der Klägerin vorgegebenen Prüftatsachen zutreffen; prozessual handelt es sich bei der in Rede stehenden konditionalen Verknüpfung um eine Beschränkung des Klagebegehrens in Bezug auf die Überprüfung mit den realen Gegebenheiten (vgl 4 Ob 184/18i).
1.3. Hier steht aber fest, dass die Beklagte den beworbenen Zinssatz zumindest einem Teil (3,39 %) der Neukreditantragsteller vor Klagszustellung tatsächlich gewährte; es steht weiters nicht fest, welche Kriterien in welchem Umfang bei jenen Kreditnehmern vorliegen mussten und/oder vorgelegen sind, die zu den niedrigsten beworbenen Zinssätzen Kreditzuzählungen erlangten, oder wie vielen Kunden ein Zinssatz von 4,65 % und/oder ein geringerer Zinssatz angeboten wurde.
Gerade die tatsächliche Abweichung vom erweckten Eindruck, welche die Klägerin selbst als Prüfkalkül festgelegt hat, konnte sie damit nicht unter Beweis stellen.
1.4. Soweit sich die Revisionswerberin nicht auf die Feststellungen durch die Vorinstanzen bezieht, sondern auf einzelne Beweisergebnisse oder auf die von ihr behaupteten Kreditanfragen und von ihr daraus gezogene Schlüsse, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, von welchem der Oberste Gerichtshof, der ausschließlich als
Rechtsinstanz zur Überprüfung von
Rechtsfragen tätig wird, auszugehen hat (RS0123663, RS0042903 [T5, T7] uva). Dass die Beklagte den Bestzinssatz „so gut wie nie bzw nur in einer verschwindend geringen Anzahl der Fälle gewährt“, hatte die Klägerin wiederum nicht in ihr Unterlassungsbegehren aufgenommen.
1.5. Auf die Auslegung des Begriffs „beste Bonität“ und die Frage, ob er ausreichend bestimmt ist, kommt es nach dem Gesagten nicht mehr an.
2. Zum zweiten Unterlassungsbegehren vertritt die Revisionswerberin den Standpunkt, bei Werbung mit Zinssätzen (und daher auch bei Werbung mit einem “ab-Zinssatz“) müsse das repräsentative Beispiel (§ 5 VKrG) insofern repräsentativ sein, als dabei vom „überwiegend gewährten Zinssatz“ auszugehen sei.
2.1. Der Senat hat zu § 5 VKrG bereits dahin Stellung genommen, dass es Normzweck dieser Bestimmung ist, dem Verbraucher schon in der Phase der Geschäftsanbahnung vor Augen zu führen, mit welchen Belastungen er bei Erwerb des beworbenen Produkts zu rechnen hat und ihn derart in die Lage zu versetzen, verschiedene Angebote miteinander zu vergleichen. Dem Verbraucher soll ermöglicht werden, die Konditionen des Anbieters und damit die von ihm zu tragende Gesamtbelastung vollständig zu überschauen. Dieser Normzweck verlangt Transparenz in der Darstellung der Kostenbelastung auch für solche Nebenleistungen, die nicht ausnahmslos jeden Vertragspartner treffen, sondern deren Erfordernis nur im Einzelfall gegeben ist (4 Ob 70/14v = RS0129480).
2.2. Auf die nähere Auslegung des § 5 Abs 1 VKrG oder der ihm zugrunde liegenden Richtlinie sowie die Frage, ob die Werbung der Beklagten diesen Rechtsgrundlagen genügt, kommt es hier jedoch nicht an. Die Klägerin hat nämlich auch ihr zweites Unterlassungsbegehren konditional mit Einschränkungen verknüpft und damit eine Abweichung des erweckten Eindrucks von den behaupteten wirklichen Gegebenheiten konditional in ihr Unterlassungsbegehren aufgenommen: Die Beklagte habe es zu unterlassen, im repräsentativen Beispiel einen unzutreffenden Nominalzinssatz anzugeben, „weil und wenn“ sie selbst Kunden bester Bonität überwiegend höhere Zinssätze als den im repräsentativen Beispiel genannten anbiete. Die Klägerin hat mit diesen Konjunktionen wiederum in Bezug auf die realen Gegebenheiten ihr Prüfkalkül festgelegt. Dass sie dieses nicht unter Beweis stellen konnte (siehe oben Pkt 1.3.), fällt ihr zur Last (vgl RS0011634).
2.3. Warum stattdessen im hier vorliegenden Einzelfall die Beklagte im Sinn des § 1 Abs 5 UWG die Beweislast treffen sollte, weil dies unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Unternehmers und anderer Marktteilnehmer wegen der Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint (RS0011634 [insbes T4, T8, T10]), wurde weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.
3. Wie schon zum zweiten vertritt die Revisionswerberin auch zum dritten Unterlassungsbegehren die Ansicht, dass bei Werbung mit Zinssätzen (einschließlich „ab“-Zinssätzen) das Beispiel im Sinn des § 5 VKrG insofern repräsentativ sein müsse, als der mit einem Zinssatz Werbende darin vom überwiegend – einem repräsentativen Teil der Kunden – gewährten Zinssatz auszugehen habe. Sie verweist dazu ausdrücklich auf ihr Vorbringen zum zweiten Unterlassungsbegehren (vgl oben Pkt 2.).
3.1. Auch mit dem dritten Unterlassungsbegehren hat die Klägerin aber insofern ein ausdrückliches Prüfkalkül festgelegt, als Zinssätze von 2,9 % oder ab 3,1 % nicht anzuführen seien, die mit dem aufzunehmenden repräsentativen Beispiel nicht übereinstimmen, „weil“ die Beklagte einem repräsentativen Teil ihrer Kunden diesen Zinssatz tatsächlich nicht gewähre, sondern diese einen erheblich höheren Nominalzinssatz als den beworbenen Zinssatz von 4,65 % zu leisten hätten.
3.2. Auch zu diesen behaupteten realen Gegebenheiten liegen keine positiven Feststellungen vor, sodass aus den zu den obigen Punkten 2.2. und 2.3. genannten Gründen auch dem dritten Unterlassungsbegehren kein Erfolg beschieden sein kann, ohne dass es auf die Frage einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5 VKrG in Ansehung des „repräsentativen Beispiels“ ankäme.
4. Gegen die Abweisung eines Teils des vierten Unterlassungsbegehrens („klar und prägnant“) führt die Revision ins Treffen, es handle sich um ein Gesamtkonzept, sodass die Beklagte mit ihrer versteckten Platzierung des Beispiels zugleich gegen die Vorgaben der Klarheit und Prägnanz verstoßen habe. Diese Kriterien bezögen sich nicht nur auf den Inhalt, sondern seien auch formelle Anforderungen an die Gestaltung und Optik des Beispiels.
4.1. Nach § 5 Abs 1 VKrG muss die Werbung für Kreditverträge, die Zinssätze oder sonstige, auf die Kosten eines Kredits für den Verbraucher bezogene Zahlen nennt, „klar, prägnant und auffallend“ anhand eines repräsentativen Beispiels bestimmte Standardinformationen enthalten.
4.2. Dem liegt Art 4 Abs 2 RL 2008/48/EG zugrunde, wonach die in der Werbung vorgeschriebenen Standardinformationen eine Reihe von Elementen „in klarer, prägnanter und auffallender Art und Weise anhand eines repräsentativen Beispiels“ zu nennen haben (ebenso Art 11 Abs 2 RL 2014/17/EU).
Im ErwGr 18 der RL 2008/48/EG, auf den schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, heißt es dazu, dass in der Richtlinie besondere Bestimmungen für die Werbung für Kreditverträge und über bestimmte Standardinformationen vorzusehen sind, die die Verbraucher erhalten sollten, damit sie insbesondere verschiedene Angebote miteinander vergleichen können. Diese Informationen sollten „in klarer, prägnant gefasster Form an optisch hervorgehobener Stelle durch ein repräsentatives Beispiel erteilt werden“.
4.3. Im Schrifttum wird dies einhellig dahin verstanden, dass Klarheit und Prägnanz den Inhalt der Information beträfen (Pesek, Der Verbraucherkreditvertrag [2012] 26; Heinrich in Schwimann/G. Kodek ABGB4 § 5 VKrG [2015] Rz 12), während „auffallend“ eine optisch hervorgehobene Stelle meine (Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucherkreditrecht [2010] § 5 VKrG Rz 5 [unter Hinweis auf ErwGr 18 zu RL 2008/48/EG]; Heinrich Rz 9 ff; Schurr in Klang3 § 5 VKrG [2016] Rz 10; Zemann, Transparenz bei Verbraucherkrediten, ecolex 2014, 932 mwN). Die Informationen müssten in besonderer Weise gegenüber anderen Informationen optisch, akustisch oder sonst wahrnehmungsfähig hervorgehoben werden (Gelbmann/Jungwirth/Kolba, Konsumentenrecht und Banken [2010] 139; Wendehorst/Zöchling-Jud mwH).
4.4. In diesem Lichte teilt der Senat die Auffassung, dass „auffallend“ als formale Anforderung eine Platzierung an hervorgehobener, leicht bemerkbarer Stelle meint, wogegen „klar und prägnant“ inhaltliche Vorgaben macht, wonach die Informationen exakt, möglichst knapp und für einen durchschnittlichen Verbraucher verständlich sein müssen (vgl nochmals Pesek und Heinrich Rz 12).
4.5. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass die Beklagte zu diesen inhaltlichen Kriterien weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren konkretes Vorbringen dahin erstattet hat, dass und inwiefern ihnen die Standardinformationen nicht entsprächen; sie hat sich vielmehr auf die Wiedergabe der verba legalia beschränkt. Die Teilabweisung ihres Begehrens in Bezug auf diesen Aspekt ist daher nicht zu beanstanden.
4.6. Auf das Eventualbegehren zum vierten Unterlassungsbegehren kommt die Revision nicht mehr zurück; es ist aus dem Verfahren ausgeschieden (RS0039606 [T1]).
5. Die Veröffentlichung im Umfang der Klagsstattgebung ist mangels Anfechtung nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
6. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E125066European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00024.19M.0425.000Im RIS seit
23.05.2019Zuletzt aktualisiert am
20.02.2020