TE OGH 2019/4/30 1Ob65/19v

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Gerhard Podovsovnik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. und zugleich widerklagende Partei G***** GmbH, *****, 2. G***** R*****, und 3. S***** R*****, alle vertreten durch Mag. Barbara Freundorfer, Rechtsanwältin in Wien, wegen 41.158,42 EUR sA (Klage AZ 33 Cg 28/17t) und 18.841,58 EUR sA (Widerklage AZ 33 Cg 53/17v), über die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2019, GZ 129 R 7/19a-39, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Dezember 2018, GZ 33 Cg 28/17t-35, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 1440 Satz 2 ABGB sind eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke (für den Herausgabepflichtigen) kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation. § 1440 Satz 2 ABGB gliedert sich in zwei Fallgruppen, nämlich in die der vorwerfbaren Handlung durch eigenmächtiges oder listiges Entziehen der Sache sowie jene
– auf die sich die Klägerin beruft – der Übergabe der Sache aufgrund bestimmter Rechtsverhältnisse wie Leihe, Verwahrung oder Bestandvertrag (A. Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1440 ABGB Rz 5). Hinsichtlich der letztgenannten zweiten Fallgruppe besteht der Normzweck des Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbots darin, die Aufrechnung sowie das Zurückbehaltungsrecht zu versagen, wenn deren missbräuchliche Ausübung aufgrund der konkreten Rechtsbeziehung geradezu einen Vertrauensbruch bedeuten würde (RIS-Justiz RS0033918 [T7]; RS0033960), zumal das Vertrauen des Herausgabeberechtigten auf die Rückgabe besonderen Schutz verdient. Dementsprechend gilt das Aufrechnungsverbot nicht für Fälle, in denen der Rückforderungsberechtigte wegen offenkundig zu erwartender Gegenansprüche keine uneingeschränkte Rückgabeerwartung haben darf (8 Ob 94/10x [2.2.] mwN = SZ 2010/114 = EvBl 2011/45, 317 [Dullinger]).

2. Die Erstbeklagte war Hauptmieterin einer Liegenschaft, die die Klägerin von den Zweit- und Drittbeklagten (früheren Miteigentümern) kaufte. Die Erstbeklagte hatte hinsichtlich einzelner Liegenschaftsteile mit verschiedenen Mietern Untermietverträge geschlossen und von diesen Kautionen von insgesamt 41.158,42 EUR entgegengenommen. Im Zuge des Verkaufs der Liegenschaft an die Klägerin beendete sie ihr Mietverhältnis und räumte die Liegenschaft. Die Klägerin kaufte von ihr die auf der Liegenschaft befindliche Beschickungsanlage um 50.000 EUR netto (60.000 EUR brutto); diese Anlage wurde ordnungsgemäß übergeben. Da die Klägerin der Erstbeklagten den Kaufpreis von 60.000 EUR brutto nicht zahlte, erklärte diese außergerichtlich die Aufrechnung mit den zu überweisenden Kautionen von insgesamt 41.158,42 EUR.

3. Das Berufungsgericht argumentierte, dass sich weder aus § 1440 ABGB noch aus einer anderen gesetzlichen Bestimmung oder einer vertraglichen Vereinbarung ein Kompensationsverbot zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten ergebe und daher aufgrund der außergerichtlich vorgenommenen Aufrechnung die Klageforderung erloschen sei. § 1440 Satz 2 ABGB regle nur das Verhältnis zwischen demjenigen, der eine „Sache“ oder im gegenständlichen Fall auch Geld in Verwahrung gebe, und demjenigen, der sie übernommen habe. Schon deshalb sei diese Bestimmung auf das Verhältnis zwischen der Erstbeklagten und der Klägerin nicht anzuwenden, weil zwischen diesen weder ein Verwahrungs-, noch ein Bestandverhältnis im Hinblick auf die Kautionen bestanden habe oder bestehe. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

Nach § 1440 Satz 2 ABGB soll der Herausgabeberechtigte in bestimmten Fällen geschützt werden. Gezahlt wurden die Kautionen aber von den Untermietern, die mit der Erstbeklagten Bestandverträge abgeschlossen hatten, und nicht von der Klägerin. Dass die Klägerin als nunmehrige Eigentümerin der Liegenschaft und Vermieterin sich auf das Aufrechnungsverbot nach § 1440 Satz 2 ABGB berufen könnte, vermag sie nicht aufzuzeigen. Ihr ist durch die Aufrechnung der geschuldete Geldbetrag wirtschaftlich zugekommen, womit sie nun – ebenso wie bei wechselseitiger Zahlung – in der Lage ist, künftige Ansprüche der Mieter auf Rückerstattung ihrer Kaution zu befriedigen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E125071

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00065.19V.0430.000

Im RIS seit

23.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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