Entscheidungsdatum
20.03.2019Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Marcus Osterauer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen die Mahnung der Landespolizeidirektion Wien vom 22. August 2018, GZ: …7/2016, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
BEGRÜNDUNG
1. Die an den Beschwerdeführer gerichtete Mahnung der Landespolizeidirektion Wien (in Folge: belangte Behörde) vom 22. August 2018, GZ …7/2016, hat folgenden wesentlichen Wortlaut:
„Mahnung
Wir erinnern Sie, dass Sie mit Strafverfügung vom 25.05-2016, GZ.: …7/2016, zu einer Geldleistung von € 216,00 Strafbetrag samt Kosten verpflichtet wurden.
Da der Bescheid nunmehr vollstreckbar ist, fordern wir Sie noch einmal auf, den Gesamtbetrag zuzüglich Mahngebühr von € 5,00 (gem. § 54b Abs. 1a VStG) unverzüglich einzuzahlen.
Offene Forderung inklusive Mahngebühr per 22.08.2018:
€ 159,00
Bitte beachten Sie:
Wenn Sie diese Zahlungsaufforderung nicht befolgen, wird der Geldbetrag durch Exekution hereingebracht oder – im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe – die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt.
Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass durch ein bei Gericht zu führendes Exekutionsverfahren für die Einbringung der Geldstrafe erhebliche Mehrkosten entstehen, die Sie zu bezahlen haben.
Sollten Sie den Betrag in der Zwischenzeit bezahlt haben, betrachten Sie dieses Schreiben als gegenstandslos.“
2. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 3. September 2018 hat folgenden wesentlichen Wortlaut (Schreibfehler korrigiert):
„Sie haben an mich eine Mahnung, datiert mit 22.08.18 (eingelangt 31.08.18) über € 159,- übermittelt.
Sie verweisen auf einen rechtskräftigen Strafbescheid der am 25.05.18 ergangen sein soll. Ich habe den Betrag, der außer Streit stand, bereits überwiesen und gleichzeitig einen Einspruch über die weiteren zur Last gelegten Vergehen erhoben. Auf diesen Einspruch vom 17.06.2017 haben sie bis heute nicht reagiert bzw. habe ich keinerlei Kenntnis hiervon erhalten.
Es wäre ein eigenes Schreiben wert, die damals durchgeführte „Amtshandlung“ Ihnen näher zu bringen, die diese Bezeichnung sicher nicht verdient.
Es ist somit NICHT richtig, dass ein rechtmäßiger Strafbescheid zustande gekommen ist. Sie als Behörde sind verpflichtet, einen etwaigen Strafbescheid per Rückschein-Einschreiben (RSA oder RSB) zuzustellen, und mit Rückschein die Übernahme desselben bestätigt zu haben.
Der letzte Zustellversuch und die darauf erfolgte Hinterlegung beim Postamt … ist auf einen Fehler der Post zurückzuführen. Ich habe unmittelbar nach Kenntnis der Hinterlegung die Post von diesem Umstand informiert und das Schreiben ist demzufolge wieder an Sie retourniert worden. Für mich besteht ein aufrechter Rücksendeauftrag (Ortsabwesenheit) bei der österreichischen Post.
Ich möchte Sie als Behörde darum bitten, sich an die rechtliche Vorgehensweise zu halten und nicht einfach willkürliche Mahnungen zu versenden, die jeglicher Rechtsgrundlage entbehren. Sollten Sie weiter gegen geltendes Recht verstoßen, werde ich nicht zögern, die Wahrung meiner Rechte gerichtlich feststellen zu lassen und Sie zur Einhaltung derselben zu veranlassen. Ich erwarte die Aufhebung der Mahnung in schriftlicher Form!
Sie versuchen wider besseres Wissen offensichtlich eine Forderung, der die Rechtsgrundlage fehlt, zu betreiben.
Ich bleibe mit freundlichen Grüßen mit der Bitte um Kenntnisnahme und Veranlassung.
A. B.
PS: Nach Fertigstellung dieses Schreibens verreise ich abermals. Ich ersuche um Ihr Verständnis!“
3. Die belangte Behörde wertete diese Eingabe als Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. Juni 2018, GZ …7/2017, mit dem über den Beschwerdeführer wegen Verletzung des § 38 Abs. 5 StVO iVm § 38 Abs. 1 lit. a StVO gemäß § 99 Abs. 2c Z 6 StVO eine Geldstrafe von 140,00 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt sowie gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag von 14,00 Euro auferlegt worden war, weil er am 28. April 2016 um 15:30 Uhr in 1210 Wien, Prager Straße Kreuzung Mühlweg als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-1 das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet habe, wodurch Lenker von zwei Fahrzeugen, die gemäß § 38 Abs. 4 StVO auf Grund grünen Lichts freie Fahrt galt, zu unvermittelten Bremsen genötigt habe. Diesem Straferkenntnis war eine Strafverfügung vom 25. Mai 2016, GZ …7/2016 vorausgegangen, mit dessen Spruchpunkt 1. wegen der auch dem Straferkenntnis vom 15. Juni 2018 zugrundeliegenden Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 2c Z 6 StVO eine Geldstrafe von 140,00 Euro verhängt worden war und gegen dessen Spruchpunkt 1. der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 16. Juni 2016 der Beschwerdeführer Einspruch erhoben hatte.
4. Die belangte Behörde nahm von einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
5. Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 10. Oktober 2018, zugestellt am 26. November 2018, wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 3. September 2018 von der belangten Behörde als Beschwerde angesehen, dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt wurde und sich aus dem Wortlaut des Schreibens ergebe, dass sich der Beschwerdeführer gegen die Mahnung der belangten Behörde vom 22. August 2018 wende. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen bekanntzugeben, ob es sich bei seiner Eingabe um eine Beschwerde handle und ihm mitgeteilt, dass der fruchtlose Ablauf dieser Frist zur Folge habe, dass das Verwaltungsgericht Wien sein Anbringen als Beschwerde gegen die Mahnung vom 22. August 2018 werte.
6. Der Beschwerdeführer hat auf das Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien bis dato nicht reagiert.
7. Wie sich aus dem Wortlaut der Eingabe des Beschwerdeführers vom 3. September 2018 ergibt, wendet er sich gegen die Mahnung vom 22. August 2018 und begehrt die Aufhebung der Mahnung. Da der Beschwerdeführer auch nicht bekanntgegeben hat, dass es sich bei seiner Eingabe vom 3. September 2018 um keine Beschwerde handelt, ist seine Eingabe vom 3. September 2018 somit als Beschwerde gegen die Mahnung vom 22. September 2018 anzusehen.
8. Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gegenstand eines Bescheidbeschwerdeverfahrens gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann daher nur ein Bescheid sein; bestehen Zweifel, ob es sich bei einer Erledigung um einen Bescheid handelt, ist die Bescheidqualität der Erledigung zu klären (VwGH 1. September 2015, Ra 2015/03/0060). Zu prüfen ist daher, ob es sich bei der Mahnung vom 22. August 2018 um einen Bescheid handelt.
9. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen und sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Nachfrist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen. Gemäß § 54b Abs. 1a VStG ist im Fall einer Mahnung gemäß Abs. 1 ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat. Gemäß dem (durch die Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 eingefügten und am 1. Jänner 2019 in Kraft getretenen) § 54b Abs. 1b VStG ist als Grundlage für die Einbringung der vollstreckbar gewordenen Mahngebühr ein Rückstandsausweis anzufertigen, der den Namen und die Anschrift des Bestraften, den pauschalierten Kostenbeitrag und den Vermerk zu enthalten hat, dass der Kostenbeitrag vollstreckbar geworden ist. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896.
10. Aus den Bestimmungen des § 54b Abs. 1, 1a und 1b VStG lässt sich nicht ableiten, dass es sich bei der Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG und einer darin enthaltenen Vorschreibung von Mahngebühren um einen Bescheid handelt. Vielmehr ergibt sich aus einer Zusammenschau der Bestimmungen, dass eine Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrages gemäß § 54b Abs. 1a VStG auslöst. Wenn man nämlich davon ausginge, dass die Vorschreibung der Mahngebühr bereits in der Mahnung in Bescheidform zu erfolgen hätte, wäre die Ausstellung eines Rückstandausweises für die Einbringung der Mahngebühr nicht erforderlich, da es sich bei Bescheiden von Verwaltungsbehörden gemäß § 1 Z 12 EO ohnedies um Exekutionstitel im Sinne der EO bzw. um vollstreckbare Titel im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 VVG handelt. Wenn man hingegen davon ausginge, dass es sich bei der Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG um einen vor dem Verwaltungsgericht bekämpfbaren Bescheid handelt, würde dies eine Verzögerung des Vollstreckungsverfahrens ermöglichen, die dem vom Gesetzgeber mit der Einführung der Mahnung verfolgten Ziel der Kostenersparnis zuwiderlaufen würde (vgl. ErläutRV 2009 BlgNr XXIV. GP 22).
Auch Rechtsschutzgründe sprechen nicht gegen die Auffassung, dass es sich bei der Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG und einer darin enthaltenen Aufforderung zur Zahlung des pauschalierten Kostenersatzes gemäß § 54b Abs. 1a VStG um keinen Bescheid handelt. Der Beschwerdeführer kann nämlich Einwendungen gegen den Rückstandsausweis im Sinne des § 54b Abs. 1b VStG erheben, über die die Behörde dann mit Bescheid zu entscheiden hat (vgl. Kolonovits/Musak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz 1307).
Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Mahnung im Sinne des § 54b Abs. 1 VStG um keinen Bescheid, sondern um eine Verfahrensanordnung handelt (so auch Kolonovits/Musak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz 1238 und Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2, Rz 4 zu § 54b VStG).
11. Da es sich bei der Mahnung vom 22. August 2018 somit um keinen Bescheid handelt, war die gegen diese Mahnung gerichtete Beschwerde mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.
12. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.
Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall war auszusprechen, dass die ordentliche Revision zulässig ist, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich fehlt es nämlich an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es sich bei einer Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG um einen mit Beschwerde bekämpfbaren Bescheid handelt.
Schlagworte
Mahnung; Kostenbeitrag; Rückstandsausweis; Bescheid; VerfahrensanordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.078.13206.2018Zuletzt aktualisiert am
22.05.2019