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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner, Rechtsanwalt in Wien I, Schellinggasse 6, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 14. Oktober 1996, Zl. Abt. 12/1218/56, 922/2817 240454, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1954 geborene Beschwerdeführer steht seit 1980 - mit Unterbrechungen - im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Wegen seines Verhaltens im Zusammenhang mit einer Zuweisung im November 1995 wurde mit Bescheid vom 29. Dezember 1995 ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe für den Zeitraum vom 21. November 1995 bis zum 18. Dezember 1995 gemäß § 10 AlVG den Anspruch "auf Arbeitslosengeld" verloren. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Jänner 1996 Berufung. Die Entscheidung hierüber erfolgte mit einem Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 1996.
Am 8. Februar 1996 wurde mit dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem Verhalten bei einem Vorstellungsgespräch am 5. Februar 1996 eine Niederschrift aufgenommen. Nach Angabe des vorgesehenen Dienstgebers hatte der Beschwerdeführer stark nach Alkohol gerochen und ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 8. März 1996 wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe den Anspruch "auf Arbeitslosengeld" gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 12. Februar 1996 bis zum 24. März 1996 verloren und eine Nachsicht werde nicht erteilt. Dieser Bescheid wurde automationsunterstützt ausgefertigt. Eine Kopie der Ausfertigung (nicht der Zweitschrift für das Arbeitsmarktservice) wurde vom Beschwerdeführer im Verfahren zur Erlangung der Verfahrenshilfe für die vorliegende Beschwerde vorgelegt. Einen Zustellnachweis über den Zeitpunkt der Zustellung an den Beschwerdeführer enthalten die Verwaltungsakten nicht.
Am 8. Juli 1996 richtete der Beschwerdeführer folgende Eingabe
an die Behörde erster Instanz:
"Bitte um Aufklärung folgender Situationen:
Mein Betreuer Herr M. vom Arbeitsamt für Lebensmittel Herbststr. wirft mir unter anderen vor, daß ich bei einer Vorstellung ein unmögliches Verhalten an den Tag gesetzt habe, unter anderen auch wegen Trunkenheit. Ich bin der Annahme, daß mir Herr M. nicht gut gesinnt ist, was aber letzten Endes dazu geführt hat, daß ich einen finanziellen Verlust zu verzeichnen hatte. Darüber hinaus, ist so meiner Meinung Herr M. nicht befugt mir meine bereits seit längerer bestehender Arbeitslosigkeit vorzuwerfen. Auch meiner Bitte telefonisch die 20 Tage zu wenig ausbezahlte Notstandshilfe aufzuklären ist er nicht nachgekommen. Ich bin der Auffassung da geht vieles nicht mit rechten Dingen zu. Ich bin jederzeit meiner Verpflichtungen nachgekommen. Bei der Vorstellung bei der Firma Josef W. (im Februar 1996 zugewiesener Dienstgeber) wurde ich abgewiesen, da ich als gelernter Bäcker nicht in Frage komme, siehe Niederschrift vom 8.2.96. Laut Auskünfte am Arbeitsamt Währinger Gürtel wurde ich informiert, daß der Akt betreffend Sperre der Notstandshilfe vom Dez. 95 noch nicht bearbeitet wurde. Ich möchte auch noch festhalten, daß ich zu Arbeiten vermittelt werde, die ich aus gesundheitlichen Gründen Kreuzschmerzen, Schleimbeutelentzündung jederzeit ärztlich zu bestätigen nicht fähig bin. Ein zweiter Einspruch wegen Einstellung der Unterstützung fand ich als überflüssig, da Herr M. über alles genau informiert ist und ich mir keiner Schuld bewußt bin.
Mit der Bitte um wohlwollende Beurteilung meiner Sachlage verbleibe ich hochachtungsvoll"
Diese Eingabe wurde als Berufung gegen den Bescheid vom 8. März 1996 behandelt und mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ohne vorherige Einräumung des rechtlichen Gehörs zur Frage der Rechtzeitigkeit des Schriftsatzes als Berufung zurückgewiesen. Begründend wurde - ohne nähere Ausführungen darüber, wann und wie der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei - ausgeführt, die Berufung vom 8. Juli 1996 gegen den "Bescheid vom 8.3.96" sei verspätet, weil Berufungen innerhalb von 14 Tagen "nach Zustellung des Bescheides" einzubringen seien. Eine vorübergehende Ortsabwesenheit habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und sei auch nicht anzunehmen ("nicht glaubwürdig"), weil der Beschwerdeführer spätestens am 28. Mai 1996 in einem anderen Zusammenhang beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen habe und auch von diesem Zeitpunkt an bis zur Erhebung der Berufung noch einmal mehr als 14 Tage verstrichen seien.
Dagegen richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerdebegründung lautet - im Anschluss an eine Wiedergabe von Begründungselementen des angefochtenen Bescheides - wie folgt:
"Die belangte Behörde wäre jedoch verpflichtet gewesen, den genauen Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer festzustellen, was aber nicht erfolgte. Vielmehr wird in der Begründung lediglich ausgeführt, daß eine Berufung, die erst ungefähr 4 Monate nach dem Datum der Erlassung des Bescheides eingebracht wird, als verspätet betrachtet wird. Die belangte Behörde hat es verabsäumt, die näheren Umstände für den langen Zeitraum zwischen der Erlassung des Bescheides und der Einbringung der Berufung zu eruieren und damit den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Ermittlungsverfahrens und der Einhaltung wesentlicher Verfahrensvorschriften verletzt.
Der Argumentation der belangten Behörde, mit welcher diese eine vorübergehende Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig darstellt, da der Beschwerdeführer am 28. Mai 1996 im Zusammenhang mit einer Antragstellung beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen habe, ist nicht zu folgen. Zum einen sagt ein Erscheinen des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt beim Arbeitsmarktservice nichts über eine ordnungsgemäß erfolgte Zustellung des bekämpften Bescheides aus und zum anderen sind sämtliche Ausführungen der belangten Behörde in diesem Zusammenhang lediglich Vermutungen und stützen sich auf keinerlei Beweise."
Diese Ausführungen können nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil in ihnen jede Aussage darüber, wann der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen Bescheid erhalten habe, vermieden und die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels somit nicht dargetan wird. Behauptungen über den Zeitpunkt der Zustellung des vier Monate vor der Verfassung der als Berufung gewerteten Eingabe ausgefertigten Bescheides enthält die Beschwerde auch in ihrem übrigen Inhalt nicht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080088.X00Im RIS seit
20.11.2000