Entscheidungsdatum
05.02.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W114 2191384-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 26.02.2018, Zl. 1092828603/151656080, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.07.2018 bzw. am 06.11.2018 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem, stellte am 29.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Im Rahmen der am 30.10.2015 erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, am XXXX im Distrikt Waras in der Provinz Bamyan in Afghanistan geboren zu sein. Er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern würden in Teheran im Iran leben. Er habe bis zum vierten oder fünften Lebensjahr in Afghanistan gelebt und sei danach mit seiner Familie in den Iran ausgewandert, wo er sich bis zu seiner Flucht nach Österreich aufgehalten habe. Er sei zu Hause im Iran zwei bis drei Jahre unterrichtet worden. Er habe im Iran zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er sei schlepperunterstützt nach Österreich gereist. Die Schlepperkosten hätten ca. 3 Millionen iranische Toman sowie 1.300 US-Dollar betragen. Afghanistan habe er mit vier oder fünf Jahren mit seiner Familie wegen des damals dort herrschenden Krieges verlassen. Den Iran habe er verlassen, weil er sich dort illegal aufgehalten habe, er Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan gehabt habe und weil er im Iran keine Ausbildung habe machen können.
3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 04.05.2017 gab er an, in Varas-e Bamian geboren zu sein. Er bestätigte, dass er Hazara und Schiit sei, im Alter von vier oder fünf Jahren Afghanistan verlassen habe, und dass seine Mutter, sein Vater, drei Brüder und zwei Schwestern sich im Iran befinden würden. Er habe zu ihnen auch Kontakt. Er könne in seiner Muttersprache Farsi sowohl lesen als auch schreiben. Die Sprache Dari verstehe er nicht so gut. Im Iran habe er als Gelegenheitsarbeiter gearbeitet. Den Iran habe er verlassen, weil er ca. ein Jahr lang eine Beziehung zu einem paschtunischen Mädchen mit familiären Wurzeln in Afghanistan gehabt habe. Er habe das Mädchen heiraten wollen und habe daher bei der Familie der Freundin um deren Hand angehalten. Sein Werben sei jedoch von der Familie des Mädchens abgelehnt worden. Daher habe er mit seiner Freundin eine gemeinsame Flucht geplant. Bei einem ersten Fluchtversuch wären er und seine Freundin von zwei Brüdern des Mädchens gestoppt worden. Dabei hätte ihn die Brüder mit einem Messer bedroht sowie mit Fußtritten und Faustschlägen verletzt. Zu einem zweiten Fluchtversuch sei seine Freundin nicht erschienen. Er habe seine Freundin mehrfach telefonisch kontaktiert und schließlich von ihr erfahren, dass die Familie des Mädchens von der Absicht der Flucht erfahren habe und ihn deswegen umbringen wolle. Daher habe er den Iran schlepperunterstützt verlassen. Nach Afghanistan habe er nicht flüchten können, da sich in Kabul und in Mazar-e Scharif zwei weitere Brüder des Mädchens befinden würden, sodass er auch dort gefährdet gewesen wäre, verfolgt und umgebracht zu werden. Zudem habe er in Afghanistan nur entfernte Verwandte. In Afghanistan befänden sich weder Onkel noch Tanten.
Der Beschwerdeführer sei auch mehrfach von der iranischen Polizei angehalten worden. Dabei sei er vor die Wahl gestellt worden, entweder Geld zu bezahlen oder nach Afghanistan abgeschoben zu werden.
4. Mit Bescheid des BFA vom 26.02.2018, Zl. 1092828603/151656080, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA eine ihm drohende Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei.
Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer sich jedenfalls im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul niederlassen könne, ohne hiezu einer familiären oder sozialen Unterstützung zu bedürfen.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Umstandes, dass keine sonstigen Gründe vorliegen würden, die eine andere Entscheidung herbeiführen würden, nicht entgegen. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine Bezugsperson. Er habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG. Besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, stünden dem nicht entgegen. Bei der anzustellenden Abwägung der betroffenen Interessen sei dem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen des Beschwerdeführers.
Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 27.02.2018 zugestellt.
5. Mit Schriftsatz vom 26.03.2018, eingelangt am 29.03.2018 beim BFA, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , Beschwerde.
Der Beschwerdeführer begründete diese Beschwerde im Wesentlichsten zusammengefasst damit, dass der angefochtene Bescheid nicht von jener Person im BFA unterzeichnet worden wäre, von der der BF einvernommen worden wäre.
Die Sicherheitslage in Kabul sei nicht derart, dass der Beschwerdeführer sich dort ohne Unterstützung durch ein familiäres oder soziales Netz niederlassen könnte, ohne in eine existenzbedrohende Lage zu geraten bzw. aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage der Gefahr ausgesetzt wäre, bei einem Anschlag getötet zu werden. In Afghanistan und auch in Kabul herrsche zudem eine hohe Arbeitslosigkeit. Der angefochtene Bescheid enthalte keine Ausführungen zu einer asylrelevanten Verfolgung von Hazara und Schiiten.
Bei der individuellen Prüfung im angefochtenen Bescheid wären die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevanten Tatsachen nur unzureichend gewürdigt und berücksichtigt worden.
6. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Schreiben des BFA vom 30.03.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
7. Zu Beginn der für den 11.07.2018 ersten vom BVwG anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde die der Verhandlung beigezogene Dolmetscherin vom BF abgelehnt, da die Dolmetscherin, die ausgezeichnet sowohl Deutsch, Paschto, Dari als auch Farsi spricht, nicht aus dem Iran stammt und es nach Auffassung des BF zu Verständigungsproblemen kommen könnte. Die mündliche Verhandlung wurde daher unterbrochen und auf einen vorerst unbestimmten Zeitpunkt vertagt.
7. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 18.07.2018 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan vom 29.06.2018 übermittelt und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.
8. Im Rahmen der fortgesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.11.2018 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein eines aus dem Iran stammenden Dolmetschers für die Sprache Farsi statt. Das BFA ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In dieser Verhandlung ersuchte die Vertreterin des BF zum vorgelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan eine schriftliche Stellungnahme abgeben zu können.
9. In einer Stellungnahme vom 03.12.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass sich aus den EASO-Leitlinien zu Afghanistan ergebe, dass Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht generell einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären. Eine solche Verfolgung pauschal zu verneinen sei jedoch ebenfalls nicht zulässig. Bei Hinzutreten bestimmter Gefährdungsmerkmale könnten Schiiten oder Hazara von Verfolgung bedroht sein. Als solche individuellen und konkreten hinzutretenden bestimmten Gefährdungsmerkmale nannte der Beschwerdeführer:
1. dass er Afghanistan im Alter von 4-5 Jahren verlassen habe und seitdem nicht mehr dorthin zurückgekehrt sei;
2. dass er den wesentlichen Teil seines Lebens im Iran verbracht habe und dort sozialisiert worden wäre;
3. dass seine Familie, bestehend aus seinen Eltern und seinen vier Geschwistern im Iran leben würden;
4. dass er über keine nennenswerte Schulbildung verfüge, sondern lediglich an einem Alphabetisierungskurs für die Sprache Farsi teilgenommen habe;
5. dass er im Iran lediglich als Hilfsarbeiter Berufserfahrung gesammelt habe;
6. dass er einer in Afghanistan vom IS verfolgten und von den Taliban zumindest schwer diskriminieren Minderheit angehöre, deren Gesichtszüge markante Unterschiede zu den anderen in Afghanistan lebenden Ethnien aufweisen würden und daher als solche leicht identifizierbar wären;
7. dass sein äußeres Erscheinungsbild auch aufgrund seiner hellen Hautfärbung nicht jenem eines typischen afghanischen Staatsangehörigen entspreche;
8. dass in der vom BFA festgestellten innerstaatlichen Fluchtalternative - Kabul - regelmäßig schwerwiegende Anschläge gegen Hazara bzw. Schiiten seitens des IS stattfinden würden;
9. dass ihm aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Verbindung mit dem fehlenden sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkten auch keine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e-Sharif zur Verfügung stehen würde.
In den Städten Herat und Mazar-e Scharif herrsche eine Dürre, die die Versorgungslage in diesen beiden Städten beeinträchtige, sodass diese Orte als innerstaatliche Fluchtalternative nicht herangezogen werden könnten.
10. Diese Stellungnahme des BF vom 03.12.2018 sowie die ACCORD Anfragebeantwortung zur Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/en/file/local/2001546/ Afghanistan_Versorgungslage+und+Sicherheitslage_2010+bis+2018.pdf, das Länderinfor-mationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018 mit Ergänzungen vom 23.11.2018, der EASO-Länderleitfaden und EASO-Berichte betreffend Afghanistan seit 2016, abrufbar unter:
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports und unter https://www.easo.europa.eu/sites/default/files /easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf sowie der Bericht des Generalsekretärs: The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, abrufbar unter:
https://unama.unmissions.org/secretary-general-reports, wurden an das BFA zum Parteiengehör übermittelt. Das BFA hat jedoch in der gegenständlichen Angelegenheit zu diesen Entscheidungsgrundlagen für das BVwG keine Stellungnahme innerhalb der großzügig bemessenen Frist an das BVwG übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan mit Stand vom 29.06.2018 samt Aktualisierungen werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Er selbst wurde in der Provinz Bamyan in Afghanistan geboren, verließ im Alter von 4 oder 5 Jahren Afghanistan und zog mit seiner Familie nach Teheran, der Hauptstadt des Iran, wo er in Farsi schreiben und lesen lernte. Der Vater, die Mutter, drei Brüder und zwei Schwestern leben weiterhin in Teheran im Iran. Ihnen geht es nach Angaben des BF dort gut.
Der Beschwerdeführer vermochte einen Betrag in Höhe von drei Millionen iranischen Toman (= ca. EUR 650.--) sowie US $ 1.300.--, insgesamt somit umgerechnet knapp EUR 2.000.-- aufzubringen, um davon seine schlepperunterstützte Reise vom Iran bis nach Griechenland zu finanzieren.
Es kann weder zweifelsfrei festgestellt noch ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus im Iran oder in Afghanistan weitere Verwandte, Bekannte oder Freunde hat, die ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen könnten.
Im Iran arbeitete der Beschwerdeführer in verschiedenen Bereichen als Hilfsarbeiter, wobei er insbesondere körperlich anstrengende Arbeiten verrichtete.
Dem Beschwerdeführer wird nicht geglaubt, wenn er ausführt, dass er in Teheran ein paschtunisches Mädchen mit afghanischen Wurzeln bei Taxifahrten zu seiner Arbeit kennengelernt und für dieses Mädchen gelegentlich den Fahrpreis bezahlt habe. Ihm wird ebenfalls nicht geglaubt, wenn er darlegt, dass sich daraus eine Beziehung zu diesem Mädchen entwickelt habe, welche schließlich dazu geführt habe, dass er bzw. seine Familie bei der Familie des Mädchens um ihre Hand angehalten habe. Auch die beabsichtigte Flucht aus dem Iran mit einem paschtunischen Mädchen und die sich daraus behauptete Gefährdungslage für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan, weil sich Familienmitglieder des Mädchens in Afghanistan aufhalten würden, die den BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan verfolgen und bestrafen würden, vermochte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen.
Dem Beschwerdeführer wird geglaubt, dass er sich illegal im Iran aufgehalten habe, dort habe Geld zahlen müssen, wenn er von Sicherheitskräften aufgegriffen und angehalten worden wäre, um nicht nach Afghanistan abgeschoben zu werden, dass er sich vor einer Abschiebung nach Afghanistan gefürchtet habe und immer noch fürchtet und dass er im Iran keine Ausbildung habe machen können.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er spricht mit Farsi zumindest eine der in Afghanistan geläufigen Sprachen. Zudem sind Dari und Farsi derart sprachverwandt, dass jeder, der die eine Sprache versteht auch über weite Strecken einem Gespräch in der jeweils anderen Sprache folgen kann und in der anderen Sprache auch Fragen beantworten oder eine Konversation führen kann. Der Beschwerdeführer hat den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in einem afghanischen Haushalt verbracht, zumal seine Eltern, bei denen er aufgewachsen ist, aus Afghanistan stammen. Er ist damit auch mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes bestens vertraut.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung bedroht wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass er wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als schiitischer Hazara oder als Rückkehrer nach Afghanistan aus dem (westlichen) Ausland bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevant auf Grund eines Konventionsgrundes verfolgt werden würde.
Ausgehend von seinem jungen Alter sowie seinen Erfahrungen im Berufsleben als Hilfsarbeiter in verschiedenen Branchen, wobei davon auszugehen ist, dass er gewohnt ist, körperlich anstrengende Arbeit auszuführen, seiner Arbeitsfähigkeit, seinem Gesundheitszustand sowie seinen Fähigkeiten einen Betrag in Höhe von knapp EUR 2.000.-- aufzubringen, ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass der BF im Stande ist, auch in Afghanistan, auch als ungelernter Hilfsarbeiter, einer Beschäftigung nachzugehen. Er ist jedenfalls - Arbeitswilligkeit vorausgesetzt - in der Lage für sich selbst auch in Afghanistan seine Situation so zu gestalten, die ihm ein menschengerechtes Überleben in Afghanistan gewährleistet, ohne dass er in Gefahr gerät, in eine existenzbedrohende Situation zu gelangen, zumal er auch mit einer finanziellen Unterstützung durch seine Familie, die sich im Iran befindet und zu der er Kontakt hat, rechnen kann.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat überall in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.
Dem BF stehen neben seiner Heimatprovinz Bamyan mit den größeren Städten in Afghanistan, insbesondere mit Mazar-e Scharif, Herat und eingeschränkt auch mit Kabul innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung. Diese Städte verfügen sowie auch die Provinz Bamyan jeweils über einen international erreichbaren Flughafen, sodass die Anreise in die Provinz Bamyan und in diese Städte auch weitgehend gefahrfrei erfolgen kann. Allenfalls stünden nach Angaben der dem BVwG zugänglichen Länderinformationen zu Afghanistan auch andere friedlichere Regionen in Afghanistan als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Der Beschwerdeführer verfügt bereits über gute Kenntnisse der deutschen Sprache, sodass mit ihm eine Unterhaltung in deutscher Sprache möglich ist.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Bezugsperson. Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Er bereitet sich in Österreich auf den Pflichtschulabschluss vor. Er ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2018):
Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).
Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen.
Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).
Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests).
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.04.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen. In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Sicherheitslage in Afghanistan:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.02.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).
Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.):
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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.02.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 09.03.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.03.2016).
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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.03.2016, UNGASC 09.03.2017, UNGASC 27.02.2018)
Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:
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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.03.2016, UNGASC 09.03.2017, UNGASC 27.02.2018)
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.08.2017). Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die Zahl gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.02.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.02.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.02.2018).
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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 06.06.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.02.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.02.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.02.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.02.2018).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.09.2018). Am 19.08.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.08.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.09.2018; vgl. Tolonews 19.08.2018, TG 19.08.2018, AJ 19.08.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.05.2018 - 15.08.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes: Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.09.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.09.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.09.2018, SIGAR 30.07.2018, UNGASC 06.06.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.09.2018; vgl. UNGASC 06.06.2018, GT 12.09.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.09.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province) getötet (SIGAR 30.07.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.09.2018; vgl. NYT 21.09.2018, ANSA 13.08.2018, CBS 14.08.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.09.2018; vgl. UNGASC 06.06.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.05.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.07.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 06.06.2018; vgl. UNGASC 10.09.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.09.2018; vgl. KI vom 11.09.2018, KI vom 22.08.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 04.08.2018; vgl. UNGASC 10.09.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.05.2018 - 30.09.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)
Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 01.04.2018 - 30.09.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.
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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.02.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.05.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 06.06.2017; vgl. AJ 31.05.2017, BBC 31.05.2017; UN News Centre 31.05.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 07.06.2017).
* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.01.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.01.2018; vgl. DW 21.01.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.01.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.01.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.01.2018).
* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.01.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.01.2018; vgl. Reuters 24.01.2018, TG 24.01.2018).
* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.01.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.01.2018).
* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.01.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.01.2018; vgl. NYT 28.01.2018).
* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.04.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.04.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Pajhwok 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 01.05.2018; vgl. AJ 30.04.2018, APN 30.04.2018). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, DZ 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018).
* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.04.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Focus 30.04.2018, IM 30.04.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.04.2018; vgl. Tolonews 30.04.2018).
* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 09.05.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 09.05.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 09.05.2018; vgl. Tolonews 09.05.2018).
* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.05.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.05.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.05.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.05.2018).
* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.05.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.05.2018).
* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.05.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.05.2018; vgl. Gandhara 30.05.2018).
* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).
* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Zivilist/innen:
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(UNAMA 2.2018)
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 01.01.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 01.01.2018 - 31.03.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.04.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.04.2018).
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.01.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.01.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (engl. "explosive remnants of war") 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
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(UNAMA 10.10.2018)
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
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(UNAMA 10.10.2018)
Zur Provinz Bamyan:
Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba
Gebirges. Die Provinz besteht aus sieben Distrikten: Bamyan City, Kahmard, Panjab, Sayghan, Shaibar/Shibar, Waras und Yakawlang (Pajhwok o.D.h; vgl. UN OCHA 4.2014). In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.), der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird (HT 25.05.2017; vgl. AJ 25.05.2017).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt (CSO 4.2017). Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara (Al-Jazeera 27.06.2016). Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, g