TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W201 2203151-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2203151-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Angela Schidlof als Vorsitzende und durch die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 25.06.2018, OB: XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Hochgradige Sehbehinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in Verbindung mit § 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", in den Behindertenpass liegen vor.

Die belangte Behörde hat die oben genannten Zusatzeintragungen vorzunehmen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am 28.09.2017 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag angeschlossen war ein Konvolut von Befunden.

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 14.03.2018 ergab unter Zugrundelegung der vorgelegten Befunde zum Ergebnis, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.06.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, der Zustand seiner Knie habe sich verschlechtert und er sei nicht mehr in der Lage, lange Gehstrecken zurückzulegen. Zum Beweis legte der BF weitere Befunde vor.

Das Bundesverwaltungsgericht holte ein Gutachten eines FA für Unfallchirurgie ein.

Das Gutachten des FA für Unfallchirurgie vom 28.09.2018 führt wie folgt aus:

"In diesem Gutachten soll zu den Punkten des Fragenkataloges des Bundesverwaltungsgerichtes Stellung genommen werden.

. Beurteilung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel

Auflistung der Gesundheitsschädigungen

Liegen erhebliche Einschränkungen der Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit vor?

Stellungnahme zu den Einwendungen und Begründung einer eventuell zum Vorgutachten abweichenden Beurteilung und Stellungnahme, ob eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Die zur Erstellung des Gutachtens erforderlichen Unterlagen wurden vom Bundesverwaltungsgericht bereitgestellt.

Sachverständigengutachten Dr. XXXX, Allgemeinmediziner, 14.3.2018 und Stellungnahme zu

den Einwendungen des Antragstellers hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel vom 19.6.2018.

Bestätigung Dr. XXXX, Allgemeinmedizinerin, 9.4.2018.

Röntgenbefund beider Knie, Institut XXXX, 17.7.2018.

Orthopädischer Arztbericht Dr. XXXX, 30.7.2018.

Persönliche Untersuchung des Herrn XXXX in meiner Ordination am

25.9.2018 von 13.30 - 14.00 Uhr, ausgewiesen mit r-s, BH Melk, XXXX.

l. ANAMNESE

Den Unterlagen zufolge wurde Herr XXXX am 14.3.2018 von Dr. XXXX im Auftrag des Sozialministeriumservice begutachtet und ein Gesamtbehinderungsgrad von 50 % festgestellt. Erfasst wurden generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit Hüftprothese rechts, degenerativen Hüftgelenksveränderungen links, degenerativen Veränderungen beider Knie sowie der linken Schulter, weiters Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Fettleber. Es wurden keine Einschränkungen der Funktion des

Bewegungsapparates und des Organsystems festgestellt, die aus medizinischer Sicht die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel einschränken würden.

Wegen Verschlechterung des Zustandes der Knie ist der Antragsteller eigenen Angaben zufolge nicht in der Lage, lange Gehstrecken zu bewältigen und beantragt die Zusatzeintragung Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel.

Hilfsbefunde:

17.7.2018, Röntgenbefund beider Knie, Institut XXXX: Degenerative Kniegelenksveränderungen beidseits.

30.7.2018, Orthopädiebefund Dr. XXXX:

Hüftendoprothese rechts mit fallweisen Beschwerden,

Kniegelenksbewegungseinschränkung links mit Gelenksergussbildung, Punktion des Gelenkes und Verordnung schmerzstillender Medikamente.

Bestätigung der Hausärztin Dr. XXXX:

Massive Lymphödeme und Gelenksabnützungen beeinträchtigen die Gehstrecke massiv.

Seine Angaben:

Er leidet seit einigen Jahren an Abnützungen der Hüft- und Kniegelenke und an der Wirbelsäule, das war auch der Grund, warum er pensioniert wurde. Vor 4 Jahren trat dann auch eine Beinschwellung beidseits auf. Er wurde diesbezüglich untersucht, man hatte Verdacht auf Elephantiasis geäußert. Mehrere Untersuchungen wurden gemacht, er war auch in der Lymphklinik in Wolfsberg. Eine Ursache für die Schwellung fand man nicht. Er verwendet Stützstrümpfe, normale Schuhe passen ihm nicht, er hat jetzt eine orthopädische Schuhverordnung bekommen, die werden gerade gebaut. Er trägt Kompressionsstrümpfe, nachmittags und abends fangen die Fußsohlen zu brennen an, in der Nacht brennen die Füße auch, gegen Morgen wird es besser, dann sind die Beine auch schlanker. Die Schwellung reicht bis ins untere Oberschenkeldrittel. Er beschreibt eine schlechtere Wundheilung.

Die Hüftprothese rechts, die 01 /2018 eingesetzt wurde, ist gut eingeheilt, verursacht aber auch immer wieder Schmerzen. Schon nach 5 m Gehstrecke fängt es in der rechten Hüfte zu schmerzen an, geht übers Kreuz zur linken Hüfte und es betrifft auch beide Knie, die abgenützt sind. Hier ist eine Schwellung vorliegend, der Orthopäde hat sie punktiert. Einen OP-Termin für eines der betroffenen Gelenke hat er noch nicht, am schlechtesten wäre aber das linke Knie.

Medikamente Hilfsmittel:

Co-Enac abends, Enac 5 mg morgens, Seractil 400 mg forte gegen Schmerzen 2x täglich,

Mirtazapin 30 mg;

Krücken hat er zu Hause, gelegentlich braucht er sie.

Untersuchungsbefund:

1 70 cm, 110 kg, AZ gut, EZ adipös.

Kommt allein zur Untersuchung. Er hat Kompressionsstrümpfe an beiden Unterschenkeln und massiv geschwollene Beine ab den Knien bis zu den Füßen. Er trägt Schlapfen, diese sind maximal weitgestellt und trotzdem zu eng. Gehhilfen verwendet er nicht. Das Aufstehen ist selbst möglich, mit Schuhen und den Kompressionsstrümpfen geht er ein paar Schritte in der Ordination. Die Beinachse ist varisch, das Gangbild beidseits hüfthinkend, die Abrollbewegung der Füße ist durch die massive Beinschwellung beeinträchtigt, insgesamt ist das ganze eher plump und tapsig.

Mit den Kompressionsstrümpfen, aber ohne die Schuhe, bessert sich das Gangbild nicht wesentlich. Zehen- und Fersenstand sind wegen der massiven Schwellung im Sprunggelenksbereich kaum möglich, er muss sich festhalten.

Der Einbeinstand ist links möglich, tut aber in der Hüfte weh, rechts ist es besser.

Eine Kniebeuge führt er mit Festhalten bis 300 aus, dann gibt er Schmerzen im Knie an.

Becken- und Schulterstand annähernd gerade, Körper vorgeneigt, vermehrter Rundrücken und Hohlkreuz.

HWS: Rechts/Linksdrehung je 600, Kinn-Jugulum-Abstand 3/16 cm

BWS: Seitneigung und Rumpfdrehung 250, dann Schmerzen lumbal

LWS: FBA 30 cm, Schoberzeichen 1 1/10 cm, Schmerzangabe beim Vorneigen und Aufrichten, er stützt sich mit den Händen auf den Knien ab.

Obere Extremitäten:

Heben des rechten Armes in der Schulter über Kopf möglich, links bis etwa 800, mit Hilfe bis 1 000, dann Schmerzangabe an der Vorderseite. Keine Kraftminderung von Bizeps, Trizeps und Delta, Finger und Hand funktionieren gut. Am linken Zeigefinger fehlt das Endglied, rechts ist der Daumen nach einer Kreissägenverletzung vernarbt.

Untere Extremitäten:

Beinlänge annähernd gleich, Narbe an der rechten Hüfte nach TEP, deutliches Streckdefizit in den Knien, auch in den Hüften.

Im Liegen Beinlänge annähernd gleich.

Hüften: Rechts S 0/10/1000, dann schmerzhaft, R 10/0/50 und schmerzhaft, links S 0/5/1000, dann mit muskulärem Widerstand, R 30/0/200, wieder unter Schmerzangabe.

Knie: Beidseits weichteilverdickt, nicht überwärmt, mit leichtem Gelenkserguss, rechts S 0/10/1 100, links S 0/10/900, dann Schmerzangabe.

Sprunggelenke: An sich weichteilverdickt durch das Ödem, beidseits S 10/0/200, Fußwurzel und Zehenbeweglichkeit durch Beinschwellung herabgesetzt - beidseitig deutliche Ödembildung ab den Knien bis zu den Zehen nach vorne ohne Hautläsionen.

Il. BEANTWORTUNG DER FRAGEN

Beurteilung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel:

Antrags- und beurteilungsrelevant sind die Funktionseinschränkungen der unteren

Extremitäten. Es bestehen Hüft- und Kniegelenksabnützungen, wobei rechts 01/2018 eine

Hüftendoprothese eingesetzt wurde. Dazu kommt eine beidseitige ausgeprägte Beinschwellung durch ein Lymphödem und damit einhergehend auch eine Funktionseinschränkung der Sprunggelenke und der Füße und Zehen.

Gesundheitsschädigungen:

Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat, das inkludiert Abnützungen an der Lendenwirbelsäule, eine Hüftendoprothese rechts, eine Hüftarthrose links sowie beträchtliche Kniearthrosen beidseits.

Beidseitiges Lymphödem

Analog zum Vorgutachten Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettleber

Liegen erhebliche Einschränkungen der Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit vor?

Es liegen deutliche Einschränkungen der Funktion beider unterer Extremitäten vor, das ergibt sich aus den Abnützungen der Kniegelenke, welche den Röntgenbefunden zufolge doch beträchtlich sind, dieses ist auch bei der klinischen Untersuchung nachvollziehbar. Es besteht ein Streck- und Beugedefizit, beide sind geschwollen und er gibt Schmerzen an, das Gangbild ist auch entsprechend hinkend. Die Beugung über 900 ist deutlich eingeschränkt, das beeinträchtigt zumindest beim Hinuntergehen über Stiegen. Die Hüftfunktion ist rechts einer Prothese angemessen, links ist die Funktion etwas eingeschränkt beurteilbar, da die Schmerzangabe sehr groß ist bzw. muskulär dagegengespannt wird. Auch hier ist eine Einschränkung der Beweglichkeit anzunehmen. Es bestehen aus meiner Sicht keine erheblichen Einschränkungen der oberen Extremitäten oder der organischen Belastbarkeit.

Stellungnahme zu den Einwendungen:

Es ist ihm aufgrund der vorliegenden Befunde und des Untersuchungsbefundes Recht zu geben, es bestehen deutliche Funktionsstörungen der Kniegelenke bei fortgeschrittenen Abnützungen. Ein Ersatz der Kniegelenke durch Prothesen ist wegen des Lymphödems und der damit einhergehenden Beinschwellung bzw. beeinträchtigten Wundheilung nicht so einfach. Das Lymphödem wurde im Gegensatz zum Vorgutachten neu erfasst.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke wäre ihm nicht möglich, der Untersuchungsbefund zeigt, dass er keine Hilfsmittel verwendet bzw. die Gehfähigkeit zwar beeinträchtigt, aber doch erhalten ist. Es ist aber nachvollziehbar, dass das Überwinden von Niveauunterschieden, vor allem bergab, bei einer Funktionseinschränkung der Knie- und Sprunggelenke beeinträchtigt ist. Das könnte beim Betreten und Verlassen des öffentlichen Verkehrsmittels doch ein deutliches Hindernis sein.

Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erscheint im Vergleich zum Vorgutachten doch wegen der Beinschwellung und der Kniegelenksfunktionsstörung deutlich beeinträchtigt, dies auf Basis der vorliegenden Befunde und vor allem des heutigen Untersuchungsbefundes.

Eine Nachuntersuchung empfiehlt sich in 3 Jahren, ein Termin zur operativen Sanierung der betroffenen Gelenke steht zwar noch nicht fest, es könnte aber eine Verbesserung der Belastbarkeit und Beweglichkeit bringen."

Das Gutachten wurde den beteiligten Parteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme zugemittelt. Keine der Parteien gab eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle NÖ, vom 25.06.2018 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen, da der BF aufgrund der durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten die Voraussetzungen nicht erfüllte.

Aufgrund des durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens erfüllt der BF die Voraussetzung für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass. So bestehen beim BF deutliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, welche sich aus den Abnützungen der Kniegelenke ergeben. Das Gangbild ist hinkend und es besteht ein Streck-und Beugedefizit. Die Beugung ist über 90 Grad deutlich eingeschränkt, sodass eine Beeinträchtigung beim Hinuntergehen über Stiegen vorliegt. Auch die Hüftfunktion ist eingeschränkt. Es liegt ein Lymphödem vor, der Ersatz der Kniegelenke durch Prothesen ist durch die daraus resultierenden Beinschwellungen und die beeinträchtigte Wundheilung nur sehr schwer möglich.

Das Überwinden von Niveauunterschieden, vor allem bergab, ist durch die vorliegende Funktionseinschränkung der Knie- und Sprunggelenke beeinträchtigt. Dies stellt ein deutliches Hindernis beim Betreten und Verlassen von öffentlichen Verkehrsmitteln dar.

Der Grad der Behinderung des BF beträgt 60 %.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich der Voraussetzungen hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragung gründet sich auf die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten eines FA für Unfallchirurgie.

In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden auseinander. Auch die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens neu vorgelegten Unterlagen wurden einer Würdigung unterzogen, was letztlich zum Ergebnis führte, dass nach Aussage der Sachverständigen die Voraussetzung für die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorliegen.

Das Sachverständigengutachten weist keine Widersprüche auf, die getroffenen Einschätzungen der festgestellten Funktionseinschränkung werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Der BF ist aufgrund der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten, insbesondere der Knie- und Sprunggelenke, nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel sicher zu benützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass ist mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:

1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;

2. die Versicherungsnummer;

3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

4. eine allfällige Befristung.

(§ 1 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 2 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Betreffend die Beurteilung ob eine dauernd starke Gehbehinderung iSd § 29b StVO1960 in der Fassung vor dem 01.01.2014 vorliegt, ist der Verwaltungsgerichtshof von einer möglichen Wegstrecke von mehr als 300 m ausgegangen.

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden. (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258)

Wie aus dem durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eindeutig hervorgeht, ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF nicht zumutbar. Es ist ihmdas Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln sowie ein sicherer Transport aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten erheblich erschwert. Die beim BF vorliegenden Leiden bewirken in ihrer Gesamtheit die Unfähigkeit öffentliche Verkehrsmittel ausreichend sicher zu benützen.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht zumutbar und daher die begehrte Zusatzeintragungen vorzunehmen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993)

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304). Zur Klärung des Sachverhaltes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W201.2203151.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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