Entscheidungsdatum
12.03.2019Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
L501 2131591-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Mag. Werner Obermüller, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 17.05.2016, Bezugszeichen 14-2016-BE-VER10-0001L, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 iVm 83 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 06.04.2016 teilte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden belangte Behörde) der beschwerdeführenden Partei (im Folgenden bP) mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX (im Folgenden GmbH) in Liquidation aus den Beiträgen Oktober 2014 bis Mai 2015 ein Rückstand in der Höhe von EUR 1.667,73 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehe. Dem Schreiben beigelegt war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag. Die bP wurde als Geschäftsführerin und sohin Vertreterin der Gesellschaft ersucht, die ausständigen Beiträge zu bezahlen bzw. alle Tatsachen vorzubringen, die ihrer Ansicht nach gegen ihre Haftung gemäß § 67 Abs. 10 sprechen.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die bP als Geschäftsführerin der GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge
s. Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Oktober 2014 bis Mai 2015 in Höhe von EUR 1.667,73 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe schulde. Dem Bescheid war ein Rückstandsausweis vom selben Tag in Höhe von EUR 1.667,73 zzgl ges. Verzugszinsen angeschlossen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die bP laut Firmenbuch im Zeitraum von 02.02.2011 bis 12.03.2016 Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 17.06.2015 sei über die GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die daraus erhaltene Quote in Höhe von 15,76 % sei bei der Haftungssumme berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 06.04.2016 sei die bP nachweislich über die Haftungsbestimmungen und den geltend gemachten Haftungsbetrag informiert und ihr eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden. Eine Äußerung sei nicht eingelangt.
In ihrer mit Schreiben vom 07.06.2016 fristgerecht erhobenen Beschwerde monierte die bP im Wesentlichen eine mangelnde Prüfung der Haftungsfrage, bei der es nur auf das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtenverletzung ankäme. Im Rückstandsausweis wären von Oktober 2014 bis Mai 2015 Restsummen ausgewiesen. Aufgrund ihrer Einbeziehung in die Konkursmasseverteilung hätte die belangte Behörde Einsicht in die Forderungsanmeldungen nehmen können, aus denen klar ersichtlich sei, dass ab Herbst 2014 alle Gläubiger zu gleichen Teilen befriedigt wurden. Beantragt werde die Einsichtnahme in das Anmeldeverzeichnis bzw. die Beischaffung der bei Gericht eingereichten Forderungsanmeldungen zum Beweis der Unmöglichkeit einer gänzlichen Entrichtung der Beitragsschulden im inkriminierten Zeitraum. Abschließend werden die Ausführungen als "einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen" im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewertet, sodass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nicht von jeder Ermittlungspflicht entbunden wären.
Mit Schreiben vom 01.08.2016 wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Die bP war von 02.02.2011 bis zur Insolvenzeröffnung am 17.06.2015 die handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH.
Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 17.06.2015, XXXX , wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und die Gesellschaft sohin aufgelöst. Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23.02.2016, XXXX , wurde das Insolvenzverfahren gemäß § 139 IO aufgehoben und die Firma am 04.05.2016 amtswegig infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Laut Rückstandsausweis vom 17.05.2016 haftet auf dem Beitragskonto der GmbH in Liquidation eine Forderung in Höhe von EUR 1.667,73 zzgl gesetzlicher Verzugszinsen unberichtigt offen aus. Die aus dem Insolvenzverfahren erhaltene Quote in Höhe von 15,76% wurde hierbei berücksichtigt.
Die bP wurde durch die belangte Behörde mit Schreiben vom 06.04.2016 unter ausdrücklichen Hinweis auf die in § 67 Abs. 10 ASVG enthaltenen Bestimmungen darauf hingewiesen, dass auf dem Beitragskonto der GmbH Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt € 1.667,73 unberichtigt aushaften und sie persönlich für diese Beitragsverbindlichkeiten haftet. Sie wurde aufgefordert, sich schriftlich zu äußern oder persönlich vorzusprechen. Dem Schreiben angefügt war der Rückstandsausweis vom 06.04.2016. Die bP kam dieser Aufforderung nicht nach. Sie legte keine Unterlagen zur Beurteilung der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Verbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum vor. Sie hat im gesamten verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Beweise dahingehend vorgelegt, dass sie ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen wäre, den ihr obliegenden sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen als Geschäftsführerin der GmbH nachzukommen.
II.2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie den Gerichtsakt. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Stellung der bP als handelsrechtliche Geschäftsführerin sowie zum Insolvenzverfahren und zur Löschung der GmbH ergeben sich aus dem Firmenbuch und sind unbestritten.
Die Höhe des Haftungsbetrages ergibt sich aus dem Rückstandsausweis und wurde im Beschwerdeverfahren seitens der bP der Höhe nach auch nicht bestritten. Die Aufschlüsselung des Haftungsbetrages im Rückstandsausweis entspricht zudem den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld.
Die Nichtvorlage von Unterlagen, die eine Prüfung der Gläubigergleichbehandlung ermöglichen würden, ist dem Akteninhalt zu entnehmen.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht mangels anderer Regelung somit durch Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
II.3.1. Auszug aus den fallbezogen anzuwendenden Rechtsvorschriften:
Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend
Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.
II.3.2. Heranziehung zur Haftung
Mit § 58 Abs. 5 ASVG wurde dem dort angeführten Personenkreis ("die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen") die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 21. Mai 1996, 93/08/0221, vom 29. Juni 1999, 99/08/0075, uva.) ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat (VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).
Die bP vertrat von 02.02.2011 bis zur Insolvenzeröffnung selbständig die GmbH, war daher im gegenständlich betroffenen Zeitraum Geschäftsführerin der GmbH und somit die zur Vertretung berufene Person der Primärschuldnerin iSd § 67 Abs. 10 ASVG.
Wesentliche (und primäre) sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs 10 ASVG ist die objektive (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner. Erst wenn sie feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH 29.03.2000, 95/08/0140 mit Hinweis auf E 9.2.1982, 81/14/0072, 0074-0077, VwSlg 5652 F/1982, E 16.9.1991, 91/15/0028).
Im konkreten Fall steht fest, dass die Insolvenz über die GmbH aufgehoben und die Firma amtswegig gelöscht wurde. Die objektive Uneinbringlichkeit der aushaftenden Beträge bei der Primärschuldnerin liegt somit vor. Die Heranziehung der bP als Vertreterin der GmbH zur Haftung für deren Beitragsschulden erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.
II.3.3. Ausmaß der Haftung
§ 67 Abs. 10 ASVG sieht den Eintritt einer Haftung vor, sofern die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Seit der Novellierung des § 58 Abs. 5 ASVG (SRÄG 2010, in Kraft getreten am 01.08.2010) kommt als haftungsbegründend die Verletzung all jener Pflichten in Betracht, deren Verletzung dafür kausal sein kann, dass Beiträge nicht entrichtet und später uneinbringlich werden.
Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt (VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040).
Wie ein Vertreter, dem gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, seiner Gleichbehandlungspflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger konkret nachzukommen hat, ist nach der Zahlungstheorie zu beurteilen (vgl. VwGH vom 26.01.2005, 2002/08/0213). Demnach ist der Vertreter nur dann exkulpiert, wenn er nachweist, im Beurteilungszeitraum entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Versicherungsbeiträge ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben, die Beiträge also nicht in Benachteiligung der Sozialversicherung in einem geringeren Ausmaß entrichtet zu haben als die Forderungen der anderen Gläubiger (vgl. auch Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2001/08/0043, und vom 25. Mai 2011, 2008/08/0169).
Eine kausale schuldhafte Pflichtverletzung ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.; VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028).
Bei entsprechendem Nachweis haftet ein Vertreter (bei Nichtentrichtung von Beitragsschulden) nur für die Differenz zwischen jenem Betrag, der bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu entrichten gewesen wäre und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Tritt ein haftungspflichtiger Vertreter diesen Nachweis nicht an und erbringt kein entsprechendes Beweisanbot, so erstreckt sich die Haftung auf die gesamten uneinbringlichen Beitragsverbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Haftungszeitraum (vgl. VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040 mwN; 30.09.1997, 95/08/0152; sowie zu § 80 BAO VwGH 16.12.2009, 2009/15/0127). Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw. für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, haften Vertreter jedoch ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze (VwGH 27.11.2014, 2012/08/0216 mwN).
Im konkreten Fall hat die bP im gesamten Verfahren keine Gründe angegeben, die sie an ihrer Verpflichtung, für die Beitragsentrichtungen zu sorgen, gehindert hätten und auch keine Unterlagen zur Beurteilung der Haftungsfrage vorgelegt, sodass von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen war (vgl. VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028).
Zur beantragten Einholung der Forderungsanmeldungen bzw. Teilen des Insolvenzverfahrens: Bei der Beantwortung der Frage, ob ein GF seine Pflicht zur Beitragsentrichtung verletzt hat, ist das Verhalten des GF im Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu prüfen (§ 58 ASVG). Weder aus dem Anmeldungsverzeichnis noch aus den Forderungsanmeldungen ergibt sich eine solche Prüfungsmöglichkeit. Die Forderungsanmeldungen zeigen nicht, wie hoch die Verbindlichkeit beim Gläubiger war und in welchem Ausmaß diese aus den vorhandenen Mittel bedient wurden. Denkbar ist auch, dass ein Gläubiger im Konkursverfahren gar nicht aufscheint, weil er zur Gänze bedient wurde bzw. besteht auch keine Verpflichtung, die Forderung im Insolvenzerfahren anzumelden. Das Anmeldungsverzeichnis zeigt den Liquiditäts- und Vermögensstatus im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Es gibt insbesondere keinen Aufschluss darüber, in welchem Umfang im maßgeblichen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung Mittel vorhanden waren. Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Berechnung der allgemeinen Zahlungsquote und jenes Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Beitragsrückstände zu entrichten gewesen wäre, die bP trifft. Dies erfolgte nicht. Von der Einholung kann daher abgesehen werden; es wäre an der bP gelegen, die ihrer Ansicht nach relevanten Teile des Insolvenzverfahrens vorzulegen.
Der bloße Verweis, aus den Forderungsanmeldungen ergäbe sich klar, dass ab Herbst 2014, jedenfalls ab Oktober 2014 alle Gläubiger mit gleichen Teilen befriedigt wurden, stellt keinen konkreten sachbezogenen und rechtlich relevanten Einwand dar, der eine Ermittlungspflicht des Verwaltungsgerichts begründen würde.
Soweit die bP mit ihrem Vorbringen, sie sei ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, ihren Verpflichtungen zur Entrichtung der Abgaben bzw. Beiträge nachzukommen, sich auf die generellen Zahlungsschwierigkeiten der GmbH und daraus resultierend auf ihr mangelndes Verschulden berufen möchte, ist festzuhalten, dass für die Haftung für Beitragsschulden ein Verschulden eines Geschäftsführers am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht von Bedeutung ist (vgl. VwGH vom 22.12.1998, 94/08/0270), wesentlich ist in diesem Zusammenhang (nur) das Benachteiligungsverbot bei der Befriedigung von Forderungen (vgl. Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Kommentar, RZ 115 zu § 67 ASVG).
Die bP ist es sohin nicht gelungen, eine Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten nachweisen. Folglich ist von einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten auszugehen (VwGH 21.05.1996, 93/08/0221) und die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und die Entscheidung auf eine klare Rechtslage gestützt werden konnte.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153).
Das trifft für das gegenständliche Verfahren zu. Der maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage geklärt erachtet werden und ist nicht ergänzungsbedürftig. Es wurden für die gegenständliche Entscheidung weder noch zu klärende Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen, noch Rechtsfragen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Da dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
Schlagworte
Beitragsrückstand, Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2131591.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.05.2019