TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/14 W122 2197626-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §62 Abs4
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W122 2197626-1/13E

Schriftliche Ausfertigung des am 31.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. 1096032208-151831329, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Es wird gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 Absatz 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

III. XXXX wird gemäß §§ 54 und 55 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter:

Das in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2019 unter Zl. W122 2197626-1/9Z verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, wird gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG von Amts wegen dahingehend berichtigt, dass der unter Punkt A., III. angeführte Wortlaut zu lauten hat:

A) III. XXXX wird gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, Moslem schiitischer Glaubensrichtung und Zugehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 22.11.2015 durchgeführten Erstbefragung durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer an, sein Herkunftsland vor sechs Jahren verlassen zu haben. Sein Vater habe ihn aufgrund des Krieges und der Armut in Ghazni in den Iran geschickt. Im Iran sei er gemobbt worden und habe Angst vor einer Zurückschiebung nach Afghanistan gehabt. In Ghazni würden die Taliban und der IS gegen Schiiten vorgehen.

3. Am 17.01.2018 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er in seinem Heimatort im Distrikt XXXX , Provinz Ghazni, sehr viele Probleme gehabt habe. Er habe zwei Jahre eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt und dies hätten beide Familien in Erfahrung gebracht. Der Vater des Mädchens sei sehr konservativ gewesen und habe ihn daher ein- bis zweimal pro Woche bedroht. Da dies auch für seine Familie eine Schande gewesen sei, habe er von seinem Vater sogar Todesdrohungen erhalten. Schließlich habe er ihm aber nur nahegelegt das Land zu verlassen, zumal er nicht mit der Heirat einverstanden gewesen sei. Unter der Angst auch von der Familie des Mädchens getötet zu werden, habe er Afghanistan schließlich verlassen. Im Iran sei er, weil er Schande über die Familie gebracht habe, von seinem Bruder schlecht behandelt worden. Dort habe er auch vom Tod seiner Eltern erfahren und in latenter Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan gelebt. In Afghanistan würden die Taliban die Schiiten und die Hazara töten. Er sei für die Menschen in Afghanistan als Schiit ein Ungläubiger und könne dort jederzeit getötet werden. Er könne in Afghanistan auch an keinem anderen Ort leben, zumal er aufgrund seines Aussehens leicht als Hazara erkannt werden würde.

In Schweden würden noch zwei Cousins und ein Bruder des Beschwerdeführers leben. Zu ihnen bestehe allerdings kein Kontakt. In Österreich lebe der Beschwerdeführer alleine und mache eine Lehre als Prozesstechniker. Seit einigen Monaten könne er daher selbst für seinen Unterhalt sorgen.

Im Zuge dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Dokumente und Beweismittel vor:

-

Prüfungszeugnis, Deutsch B1

-

Foto einer Tazkira

-

Teilnahmebestätigung am Wertekurs der pädagogischen Hochschule Salzburg

-

Bescheinigung des Grundkurses "Erste Hilfe" des Roten Kreuzes Oberösterreich

-

Zwei Unterstützungsschreiben

-

Bestätigungsschreiben für gemeinnützige Tätigkeiten von drei Gemeinden

-

Lehrvertrag

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.05.2018 (zugestellt am 07.05.2018) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage (Spruchpunkt VI).

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe, sowie, dass keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK begründet.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die persönliche Glaubwürdigkeit durch die gänzlich divergierenden Angaben in der Erstbefragung und der Einvernahme erschüttert gewesen sei. Ebenso sei es nicht glaubwürdig, dass die (sexuelle) Beziehung zu diesem Mädchen trotz ständiger Bedrohungen durch den Vater über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten habe werden können. Ebenfalls mutet es nicht glaubwürdig an, dass Familienangehörige keinen Kontakt mehr zum Beschwerdeführers gepflegt hätten, zumal die Flucht nach Europa nur sehr schwer alleine zu realisieren sei und die Brüder afghanische Dokumente nach Österreich geschickt hätten. Hazara würden in Afghanistan keiner Gruppenverfolgung unterliegen und die vom Beschwerdeführer vorbrachten Vorfälle, würden etliche Jahre zurückliegen und haben ihrerseits auch nicht konkretisiert werden können.

5. Mit Schreiben vom 01.06.2018, eingebracht am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters gegen diesen Bescheid Beschwerde und ficht diesen in vollem Umfang hinsichtlich aller Spruchpunkte an und beantragte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Begründend führte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen aus, dass er in seinem Herkunftsstaat aufgrund persönlicher Racheakte sowie wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Die afghanischen Sicherheitsbehörden seien nicht gewillt bzw. nicht imstande dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz zukommen zu lassen.

Der Beschwerdeführer berufe sich nicht "bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheitslage in Afghanistan", sondern ausdrücklich darauf, dass bei einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Beweismittel und seiner individuellen Situation gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos vorliegen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung ebenso drohen würde wie eine erhebliche Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt in Folge eines innerstaatlichen Konfliktes zu werden.

Bezüglich seiner Integration habe der Beschwerdeführer vor allem auf die in das Verfahren eingebrachten Unterlagen und seine strafrechtliche Unbescholtenheit verwiesen.

6. Mit Schreiben vom 29.01.2019 teilte RA Mag. Georg Bürstmayr in einer Vollmacht mit, dass er nun den Beschwerdeführer rechtsfreundlich vertrete. Des Weiteren gab er an, dass sich der Beschwerdeführer vom Islam abgewandt habe und er sich an keine islamischen Gebote mehr halten würde. Durch diese Verwestlichung wäre es für ihn als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan noch schwieriger Fuß zu fassen, zumal diese Personengruppe besonders misstrauisch betrachtet werden würde.

Aufgrund seiner Ausbildung als Prozesstechniker im zweiten Lehrjahr nehme der Beschwerdeführer mittlerweile eine vergleichsweise wichtige Position ein, weshalb dies - neben seinen zahlreichen sozialen Kontakten - dafürspreche, dass seine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären wäre.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.01.2019 in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat befragt wurde. Dort habe er keine Verwandten mehr. Zu seinen Verwandten in Schweden habe er keinen Kontakt, ebenso zu seinem Bruder im Iran, der ihm damals die Ausreise finanziert habe.

Im Zuge der Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer, dass er in Oberösterreich den Beruf Prozesstechniker erlernen würde und er derzeit € 900,- als Lehrlingsentschädigung erhalte. Grundversorgung beziehe er keine mehr. Seitdem er in Österreich lebe, habe er kein Interesse mehr am Islam. Die Zwänge dieser Religion hätten ihn schon immer gestört. Das Christentum interessiere ihn zwar, jedoch würde er hier am liebsten keiner Religion angehören.

Hinsichtlich seines Fluchtvorbringens wiederholte er im Wesentlichen seine bereits getroffenen Ausführungen. Es seien aber auch die strengen Regeln des Islams daran schuld gewesen, dass der Beschwerdeführer Probleme wegen der Beziehung zu diesem Mädchen bekommen habe. Falls er damals seinem Bruder gesagt hätte, dass ihn der Islam nicht interessieren würde, dann wäre er von ihm umgebracht worden.

Es wurde die Asylrelevanz der Apostasie erläutert und mitgeteilt, dass Hazara und Schiiten in Afghanistan keiner allgemeinen Gruppenverfolgung unterliegen würden. Weder seien die Drohungen der Familie des Beschwerdeführers noch dessen Abfall vom Islam in einer Weise asylrelevant, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland in Mazar-e Scharif oder Herat Probleme bei der Gestaltung seines Alltags oder einer allfälligen Begründung seiner Existenz haben würde.

Eine einvernommene Zeugin gab an, dass der Beschwerdeführer wie ein Enkel für sie sei. Anfangs habe sie ihn täglich gesehen, doch seitdem er arbeite, würden sich die gemeinsamen Unternehmungen auf das Wochenende beschränken. Er habe von Anfang an Interesse an der österreichischen Kultur gehabt und habe auch Probleme in der großen Asylunterkunft gehabt, weil er an diversen Brauchtumsveranstaltungen des Islam nicht mehr teilgenommen habe.

Ein weiterer Zeuge führte aus, dass es in seinem Betrieb an Prozesstechnikern mangeln würde. Der Betrieb würde etwas abseits liegen und sei ohne Auto kaum zu erreichen. Dem Beschwerdeführer wurde am Betriebsgelände eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Abgesehen davon verrichte der Beschwerdeführer eine gute Arbeit und wäre aufgrund seiner erworbenen Kenntnisse an den Maschinen nur schwer zu ersetzen. Durch mehr Gehalt könne man auch keine neuen Prozesstechniker in den Betrieb bringen, zumal es am Arbeitsmarkt generell keine Prozesstechniker geben würde.

In der mündlichen Verhandlung wurde ein Konvolut an Unterlagen vorgelegt, das unter anderem folgende noch nicht bereits in Verfahren eingebrachte Schriftstücke enthielt:

-

Foto mit Unterschriften sowie diverse Empfehlungsschreiben

-

ZMR-Auszug

-

Lohnzetteln

-

Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen samt Prüfungzeugnissen sowie dem Sprachzertifikat des Niveaus "Deutsch B1"

-

Kursfoto BFI samt BFI-Basisbildung

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 31.01.2019 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt. Sowohl die belangte Behörde als auch der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers beantragten fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

8. Mit Schriftsatz vom 01.02.2019 (eingelangt am 04.02.2019) erging seitens des Beschwerdeführervertreters gem. § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG der Berichtigungsantrag dem Beschwerdeführer gem. § 55 Abs. 1 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen, zumal dieser eine Erwerbstätigkeit ausübt, deren Einkommen über die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gehen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Person

Der männliche, gesunde, ledige und arbeitsfähige Beschwerdeführer (ohne Obsorgepflichten) wurde am XXXX geboren, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum islamischen Glauben schiitischer Richtung. Er spricht Dari und Deutsch (Niveau B1).

Er ist in Afghanistan 10 Jahre zur Schule gegangen. Er hat keinen Fachberuf erlernt, jedoch regelmäßig in der Landwirtschaft seinem Vater geholfen. Er ist in der Provinz Ghazni, im Bezirk XXXX , geboren und in der afghanischen Gesellschaft aufgewachsen und mit der Kultur und der Sprache vertraut. Im Herkunftsstaat lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern. Mittlerweile befinden sich keine nahen Verwandten des Beschwerdeführers mehr in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist aus Afghanistan in den Iran ausgereist, wo er sich 6 Jahre lang aufgehalten hat. Aus dem Iran ist er schlepperunterstützt ausgereist.

Der Beschwerdeführer ist gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er ist ledig und hat keine Kinder.

1.2. Fluchtgründe

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, wonach er eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt habe und deshalb in seinem Herkunftsstaat sowohl von seiner Familie als auch von der Familie des Mädchens ermordet werden würde, kann nicht als der Wahrheit entsprechend festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer vermittelte keine optischen, akustischen oder gefühlsbezogenen Schilderungen seiner Erlebnisse, die seine Flucht aus Furcht vor den Konsequenzen einer Liebschaft begründet haben sollten. Befragt nach seinem Fluchtvorbringen antwortete der Beschwerdeführer mit Pauschalierungen, Verallgemeinerungen, Verkürzungen und Gegenfragen.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt.

Weder die Volksgruppenzugehörigkeit noch die Glaubensrichtung des Beschwerdeführers hat ihm in Afghanistan Probleme bereitet. Auch liegt ein etwaiger Nachfluchtgrund, der in einer Verwestlichung des Beschwerdeführers und im Abfall vom Islam begründet hätte sein können, nicht in erforderlicher Intensität vor. Das Ausleben von Religion des Beschwerdeführers ist in Österreich und war in Afghanistan dem gesellschaftlich Üblichen angepasst.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer weder vom afghanischen Staat noch von Privaten verfolgt wird oder wurde.

1.3. Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer war in Österreich kein Zeuge einer Straftat.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Oktober 2017 in ein Lehrverhältnis bei der XXXX , wo er sich in Ausbildung des Lehrberufs Prozesstechniker befindet.

Der aufenthaltsrechtliche Status des Beschwerdeführers in Österreich beruhte ausschließlich auf seiner vorläufigen Stellung als Asylwerber. Dieser dauerte bislang knapp über 3 Jahre.

Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen, wobei der Beschwerdeführer zu einer österreichischen Familie ein einer sehr engen, familienähnlichen Beziehung lebt. Eigene enge familienähnliche Bindungen liegen jedoch nicht vor.

Er hat sich Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und eine Deutschprüfung auf dem Niveau B1 absolviert.

1.4. mögliche Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan keiner individuellen asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr nach Afghanistan kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er wird grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen können und voraussichtlich nicht in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund, arbeitsfähig und könnte, auch wenn er in Ermangelung von Verwandten nicht an seinem Heimatort in der volatilen Provinz Ghazni zurückkehren kann, innerstaatlich zum Beispiel in Mazar-e Sharif oder Herat das Lebensnotwendigste an Nahrung und Wohnraum erlangen.

Der Beschwerdeführer kann die Stadt Mazar-e Sharif und Herat von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Die Stadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternativ zum Mohnanbau werden. Die Stadt Herat ist eine vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Sie ist relativ sicher. Die Taliban konnten die Stadt Herat nicht einnehmen, da sie von den Sicherheitskräften sehr gut bewacht ist. In Herat ist nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Insgesamt ist die Sicherheitslage in der Stadt Herat als ausreichend sicher zu bewerten.

Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke schwach ausgeprägt bzw. nicht vorhanden sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 sowie vom 22.01.2019:

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016)

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 22.01.2019, S. 89).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 11.09.2018, S. 90).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 22.01.2019, S. 90).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 22.01.2019, S. 90f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 22.01.2019, S. 126).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 22.01.2019, S. 126 f).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (22.01.2019, S. 126).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 22.01.2019, S. 127).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 22.01.2019, S. 127).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen

Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 22.01.2019, S. 128).

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 22.01.2019, S. 129).

Ghazni

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o. D.a).

Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vgl. UN OCHA 4.2014, GI o.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vgl. HoA 15.3.2016).

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl. SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Ghazni

Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vgl. Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018,

Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vgl. MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vgl. Pajhwok 12.3.2018).

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vgl. AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).

Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.- 15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018).

Quellen:

-

AJ - Al Jazeera (11.6.2018): Afghanistan: At least twelve killed in Kabul suicide blast,

https://www.aljazeera.com/news/2018/06/afghanistan-dozen-killed-kabul-suicide-blast- 180611102329495.html, Zugriff 12.6.2018

-

AJ - Al Jazeera (21.5.2018): Afghanistan: Policemen killed in deadly Taliban attacks in Ghazni, https://www.aljazeera.com/news/2018/05/afghanistan-policemen-killed-deadly-taliban-attacksghazni-180522085446606.html, Zugriff 23.5.2018

-

ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (23.2.2018):

Islamic State in Afghanistan,

https://www.acleddata.com/2018/02/23/islamic-state-in-afghanistan/ Zugriff 26.3.2018

-

CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (4.2017):

Estimated Population of Afghanistan 2017-2018, http://cso.gov.af/Content/files/%D8%AA%D8%AE%D9%85%DB%8C

%D9%86%20%D9%86%D9%81%D9%88%D8%B3/Final%20Population%201396.pdf, Zugriff 4.5.2018

-

Dawn (26.5.2017): Taliban attack on Afghan base kills at least 15 soldiers, https://www.dawn.com/news/1335568, Zugriff 19.3.2018

-

HoA - Heart of Asia (15.3.2016): Concerns about Ghazni's security, and the responsibility of government, http://www.heartofasia.af/index.php/editorial/item/885-concerns-about-ghazni-ssecurity-and-the-responsibility-of-government, Zugriff 9.2.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten