TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/22 W274 2181405-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2019
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Entscheidungsdatum

22.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W274 2181405-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX 1988, iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1092319509/151626806, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 26.09.2015 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der AGM Seitenhafenstraße einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am 27.10.2015 bei der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug der Landespolizeidirektion Wien gab er an, seit seinem 15. Lebensjahr habe er gefühlt, dass er kein Moslem mehr sein wolle. Er könne nicht angeben, welche Konfession für ihn die richtige sei. Da ein Leben unter diesen Umständen im Iran nicht möglich sei, sei er geflüchtet.

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 07.08.2017 gab er zusammengefasst an, er sei telefonisch von Sepah geladen worden. Österreich sei ein sicheres Land. Er habe eines Tages, als er in Omidijeh an seinem Arbeitsplatz gewesen sei, einen Anruf erhalten, bei dem ihm gesagt worden sei, dass er bei Sepah vorsprechen solle. Als er nach dem Grund gefragt habe, hätten sie zu ihm gemeint, dass ihn das nichts angehe. Das Telefon sei aufgelegt worden. Sein Büro sei in XXXX , sein Geschäftsnachbar habe ihn angerufen und gesagt, dass die Beamten im Büro gewesen seien. Sie hätten seinen Computer, seine Statue, zwei oder drei Gemälde und seinen Paragleiter sichergestellt. Sein Schwager habe ihm vorgeschlagen, nach Mashhad zu flüchten. Er habe gesagt, dass sie ihn dort auch finden würden. Am Tag darauf habe er das Land verlassen. Dieser Vorfall sei am 22.09.2015 gewesen. Er sei Atheist.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.) und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt IV). Begründend wurde ausgeführt, dass die behaupteten Fluchtgründe der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden hätten können. Es bestehe keine Verfolgung aus einem der Konventionsgründe. Der BF habe keine gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen glaubhaft vorbringen können. Es liege weder pauschal für den Iran noch individuell bezogen auf den BF ein Grund für Subsidiärschutz vor. Der BF weise kein schützenswertes Privat- und Familienleben auf. Eine Rückkehrentscheidung sei zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem primären Antrag, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Im Verfahren vor dem BFA wurden weitere Unterlagen vorgelegt. Am 05.12.2018 erfolgte eine öffentliche mündliche Verhandlung, in der der BF als Partei vernommen wurde.

Festgestellt wird:

Fallbezogen stellt sich die Situation im Iran derzeit wie folgt dar:

Allgemeine Lage

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an, da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Die in der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten sind, erhielten hohe Gefängnisstrafen, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichten. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind demgegenüber willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt.

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise, darauf, dass Apostasie einer bzw der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert.

Grundversorgung, medizinische Versorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 zwischen 10 und 20%. Ausgebildete Arbeitskräfte finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast vollständig unter staatlicher Kontrolle. Ein zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind halbstaatliche religiöse Stiftungen, die Bonyads. Viele davon sind heute international agierende Großkonzerne. Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Es gibt einen Anspruch auf Kindergeld sowie auf Arbeitslosengeld in Höhe von 70-80% des Gehaltes. Die gering verdienenden Teile der iranischen Bevölkerung erhalten zur Sicherung der Grundversorgung monatlich eine "Yarane" von ca. 11€. Es besteht kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung.

98% aller Iraner haben Zugang zu ärztlicher Versorgung. Die Qualität ist in Teheran und den großen Städten ausreichend bis gut. In vielen Landesteilen ist sie nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In jeder Provinz ist mindestens eine medizinische Universität. Die Medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, ca. 3.000 ländlichen Gesundheitszentren und 730 städtischen öffentlichen Krankenhäusern in jeder größeren Stadt. Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben in bar bezahlt werden. In zahlreichen Apotheken sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer.

Ausreise

Zur Ausreise benötigt ein iranischer Staatsbürger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (derzeit umgerechnet 19 EUR). Soweit Repressionen praktizierte werden, geschieht das landesweit unterschiedslos.

Ausweichmöglichkeiten bestehen nicht.

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Der BF ist am XXXX 1988 in XXXX , Provinz Khuzestan geboren. Er hat zwei jüngere Brüder und eine Schwester. Sein Vater ist im Jahr 2000 gestorben. Der BF hat die Matura, Fachrichtung Mechanik, erworben. Er wurde als ältester Sohn vom Militärdienst befreit. Er beschäftigte sich beruflich selbständig als Schweißer und Rigips-Arbeiter, wobei er mit einer wechselnden Anzahl von Mitarbeitern bei staatlichen und privaten Projekten tätig war. Der BF gehört der Ethnie der Lor an, fühlte sich diesbezüglich aber nicht diskriminiert. Tatsächlich wohnte er in der Regel an den Stätten der jeweiligen Baustellen bzw. bei seinem Großvater in XXXX . Der BF wurde als schiitischer Muslim streng erzogen. Er ging als Kind und Jugendlicher täglich in die Moschee, verrichtete das tägliche Gebet und fastete. Etwa ab dem 19. Lebensjahr beendete er seine religiöse Praxis und stand dem Islam kritisch gegenüber.

Etwa 2007 versuchte der BF, ein Studium zu beginnen. Auf einem Aufnahmeformular füllte er das Religionsbekenntnis nicht aus. Er wurde daraufhin von Aufsichtsorganen befragt und gab daraufhin an, dass er nicht an den Islam glaube. Der BF ersuchte seinen Cousin, der eine leitende Funktion an der Uni hatte, um Intervention. Es kam zu einer Verwarnung des BF. Über Rat seines Cousins ging der BF nicht weiter auf die Uni. Tatsächlich war er nur etwa 1 Woche auf der Uni.

Er brach etwa 2012 oder 2013 den Kontakt zu seiner Mutter wegen deren strenger Religiosität - sie ist ehrenamtliche Dienerin der Heiligen Stätte des Imam Reza in Mashad - ab.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der Vater des BF von der iranischen Regierung aufgrund seiner politischen Einstellung getötet wurde. Im Zusammenhang mit einem aufgrund des Todes des Vaters (2000) geführten Gerichtsverfahrens kam es 2004 zu einer kurzfristigen Arrestierung des BF als ordnungspolizeiliche Maßnahme des Gerichts (ein Tag). Etwa 2010 kam es unter nicht näher feststellbaren Umständen zu einer kurzfristigen Inhaftierung wegen Alkoholkonsums (zwei Tage). Ebenso kam es im Zusammenhang mit öffentlichen Straßenprotesten anlässlich der Präsidentschaftswahlen 2009 zu einer kurzfristigen Verhaftung des BF (zwei Tage).

Nicht festgestellt werden konnte, dass es im September 2015 zu einem Vorfall kam, wonach sich der BF auf seinem Arbeitsplatz in der Stadt Omidiyeh, etwa 50 km von seiner Heimatstadt XXXX entfernt, aufhielt, dort einen Anruf von Sepah erhielt, wonach er unverzüglich in deren Büro vorsprechen solle, im zeitlichen Zusammenhang damit damit von einem Freund und Nachbarn seines Büros in XXXX Nachricht erhielt, dass Beamte im Büro gewesen seien, seinen Computer, seine Statue, zwei oder drei Gemälde und einen Paragleiter sichergestellt hätten, und er aus Furcht vor der sich daraus ergebenden Verfolgung am Tag darauf das Land verlassen habe.

Nicht festgestellt werden konnte weiters, auf welche Weise der BF vom Iran in die Türkei einreiste. Der BF reiste mit dem Flüchtlingsstrom über die Balkanroute in lediglich neun Tagen nach Österreich, wo er sich zunächst für etwa ein Jahr im Haus Damaris der Caritas in der Bachofengasse befand. Von November 2016 bis Dezember 2017 befand er sich im Flüchtlingsheim Erdbergstraße, dann einige Zeit in einer Einrichtung von Wieder Wohnen in der Jagdschlossgasse und ist nun wieder im Haus Damaris aufhältig. Er ist dort als offen, freundlich und hilfsbereit in Erscheinung getreten (AS 95). Er nahm an den vorgesehenen Integrationsmodulen teil und ist unbescholten.

In einem nicht näher feststellbaren Zeitraum besuchte der BF sechs Monate lang eine Kirche am Rennweg in Wien, ebenso eine Pfingstkirche in der Zippererstraße. Der BF ist der islamischen Religion und Religionen überhaupt kritisch gegenüber eingestellt und des Zwanges im Iran überdrüssig, ist über Islamkritiker aus dem Iran selbst bzw. in der internationalen Literatur in den Grundzügen informiert, ebenso in Grundzügen über die Aufklärung. Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF Atheist in dem Sinne ist, dass er Religion aus tiefer Überzeugung seit seiner Ausreise aus dem Iran ablehnt und das Bedürfnis hat, dieser Überzeugung nach außen hin, durch Überzeugung anderer bzw politische Tätigkeit, Ausdruck zu verleihen. Der BF hat sich in Österreich nicht in dem Sinn oppositionell gegenüber der iranischen Regierung betätigt, als er Kontakte zu anderen Oppositionellen bzw. zu oppositionellen Gruppen in Wien gepflegt hätte. Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF von Familien und Freunden im Iran gewarnt wurde, dort von Sepah gesucht zu werden.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF in Wien in maßgeblicher Weise und für die iranischen Behörden identifizierbar an politischen Demonstrationen gegen die iranische Regierung teilgenommen hätte .

Der BF befindet sich jedenfalls bis Dezember 2018 in Grundversorgung, meldete am 06.06.2018 das Gewerbe Botendienst mit Standort Bachofengasse 8 an und plant, als Lebensmittellieferant mit dem Fahrrad für UBER tätig zu sein. Bis zum Dezember 2018 hatte er diese Tätigkeit mangels "Bescheid" der Firma UBER nicht aufgenommen. Er bewohnt mit zwei Mitbewohnern ein Zimmer, ist ledig und lebt nicht in Lebensgemeinschaft. Er hat Bekannte, insbesondere in der iranischen Community in Wien und besucht gelegentlich die iranische Bibliothek.

Der BF erbringt nach wie vor technische Leistungen für Geschäftspartner im Iran, indem er Mengenberechnungen anstellt und übersendet. Nicht festgestellt werden konnte, inwiefern er dafür bezogenes Entgelt im Iran Personen zuwendet.

Beweiswürdigung:

Die Angaben des BF in der Erstbefragung und vor dem BFA wurden im Rahmen einer ausführlichen Vernehmung vor Gericht hinterfragt. Dabei traten wesentliche Widersprüche auf, die die Glaubwürdigkeit des BF an sich sowie das Vorbringen zur Fluchtgeschichte, zur atheistischen Lebenseinstellung (Abfall vom islamischen Glauben) und letztlich zu seinen "politischen Aktivitäten" in Wien betreffen.

Der BF ist nach eigenen Angaben sehr rasch (neun Tage) zur Zeit des Höhepunkts der großen Fluchtwelle 2015 (September 2015) nach Österreich gekommen. Seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung, er sei unter Verwendung verschiedener Verkehrsmittel und zu Fuß vom Iran in die Türkei gekommen, wobei er "illegal" aus dem Heimatland ausgereist sei, stehen seine danach gemachten Angaben gegenüber, er sei mit dem Flugzeug zunächst von Ahvaz nach Teheran und sodann legal (mit Reisedokument) von Teheran nach Istanbul ausgereist. Auszugehen ist davon, dass ein derartiger Umstand bei der Erstbefragung erwähnt worden wäre. Ausgehend von seinen insofern unbedenklichen Angaben, dass der BF 2004, 2009 und 2010 jeweils "kleinere" Probleme mit den Behörden gehabt habe, die zu kurzfristigen Festsetzungen geführt hätten, hatte er offenbar keine Probleme, jedenfalls von 2010 bis 2015 unbehelligt zu leben und ein nach seinen Angaben einträgliches Berufsleben als Selbständiger, unter anderem auch mit öffentlichen Aufträgen, auszuüben. "Aus heiterem Himmel" soll es am 22.09.2015 dazu gekommen sei, dass der BF von den Sepah (iranische Revolutionsgarde) auf seinem "Diensthandy" an einem außerhalb seines Firmensitzes gelegenen Arbeitsplatz angerufen und umgehend in deren Büro einbestellt worden sei. In unmittelbarem Zusammenhang habe ihn der Nachbar seines Büros in XXXX angerufen und ihm mitgeteilt, dass Beamte dieses "gestürmt" hätten und seinen Computer, seine Statue, zwei oder drei Gemälde und seinen Paragleiter sichergestellt hätten. Er habe sich dann mit seinem Schwager beraten, der ihm eine Flucht nach Mashhad empfohlen habe. Der BF habe sich so gefürchtet, dass er am Tag darauf das Land verlassen habe.

Abgesehen davon, dass bereits das ausdrücklich vom BF vor dem BFA genannte Datum des Vorfalls, der 22.09.2015, im Zusammenhalt mit den Protokollierungen auf AS 1 und 7 der Sicherheitsbehörden ausgehend vom nächsten Tag eine Fluchtzeit von lediglich drei bis sechs Tagen bedeuten würde, war schon das geschilderte vermutete Motiv der Behörden, verdächtige Mitglieder seiner Wandergruppen hätten ihn verraten, äußerst vage und ohne erkennbaren konkreten Anknüpfungspunkt. Eine Traumatisierung erscheint aufgrund der genannten Umstände, auch des persönlichen Eindrucks des BF vor Gericht, nicht naheliegend. Ausgehend vom Zeitpunkt der Befragung beim BFA bzw. bei Gericht ist ein Zeitraum vom behaupteten Vorfall von zwei bzw. drei Jahren verstrichen. Ohne besondere Umstände, wie eine Traumatisierung, ist aber davon auszugehen, dass man wesentliche Umstände eines solchen einschneidenden Ereignisses auch in ihrer Chronologie in Erinnerung behält. Der BF gab ausdrücklich vor dem BFA an, zuerst sei er von Sepah angerufen worden, danach habe ihn sein Geschäftsnachbar angerufen. Vor Gericht gab er ausdrücklich an, auslösendes Ereignis für die Flucht sei der Anruf seines Freundes gewesen, dass die Leute von Sepah sein Geschäft gestürmt hätten und dass einige Minuten später er selbst einen unbekannten Anruf erhalten habe, dass er sich den Sepah stellen solle. Vor dem BFA gab er an, sein Computer, eine Statue, zwei oder drei Gemälde und sein Paragleiter seien sichergestellt worden, vor Gericht nannte er den Computer, vier Statuen und andere Gegenstände. Vor dem BFA gab er an, von seinem Schwager gewarnt worden zu sein, vor Gericht gab er an, von seinem Cousin und seinem Schwiegersohn einen Rat bekommen zu haben. In freier Erzählung gab er vor dem BFA an, er habe den unbekannten Anrufer nach dem Grund der Ladung gefragt. Vor Gericht verneinte er, nach dem Grund gefragt zu haben. Nach der Aussage vor dem BFA soll nach der Aufforderung, bei Sepah vorzusprechen, mit der Angabe, der Grund dieser Ladung gehe ihn nichts an, das Telefon aufgelegt worden sein. Vor Gericht gab er an, sie hätten zunächst nach dem Standort gefragt und angekündigt, zu kommen. Er habe gemeint, selbst zu kommen und habe sich die Adresse geben lassen (jeweils Protokoll Gericht, S 12 und 13). Bei den Statuen soll es sich um pornographische Darstellungen, die religiöse Symbole herabwürdigen, gehandelt haben, beim Computerinhalt um 400 PDF-Daten freigeistlicher Bücher.

Eine Ausreise zunächst mit einem Inlandsflug und sodann einem internationalen Flug in die Türkei bedeutet nach Einschätzung des Gerichts im Falle einer konkret angenommenen Verfolgung durch die Revolutionsgarden aufgrund der anzunehmenden Datenvernetzung im Iran ein erhebliches Risiko. Eine solche Ausreise ist im Zusammenhang mit dem geschilderten Fluchtgrund nicht glaubwürdig. Die oben genannten Widersprüche sind zahlreich, in Bezug auf die genannten Fluchtgründe wesentlich und stehen einer Glaubhaftigkeit des fluchtauslösenden Ereignisses im Wege. Zur Vagheit der genannten Motivation eines Verrats durch Freunde vom Wandern kommt hinzu, dass es sich dabei um Schul- bzw. Unifreunde handeln soll, wobei der BF über Nachfrage angab, die Uni einen Monat besucht zu haben. Vor dem BFA gab er an, eine Woche lang habe er die Uni besucht und sei ihrer dann verwiesen worden. Es erscheint unrealistisch, in einer derartig kurzen Zeit Wanderfreunde für viele Jahre kennenzulernen. Das Gericht hält es für glaubhaft, dass der BF bei seinem Aufnahmeversuch an der Uni Schwierigkeiten bekam. Seine Angaben vor dem BFA und zunächst auch vor dem Gericht, dass er von dieser "hinausgeschmissen" worden sein soll, stellten sich in weiterer Folge aber als Übertreibung dar, weil der BF aufgrund seiner Nichtausfüllung des religiösen Bekenntnisses und der darauf erfolgten Schwierigkeiten selbst davon Abstand nahm, das Universitätsstudium aufzunehmen.

Der BF stellte sich vor dem BFA als überzeugter Atheist dar, der politische Pläne im Exil hegte ("Ich wollte mich im Westen der Opposition anschließen. Mein Reiseziel war Großbritannien oder Deutschland. Ich bin aber in Österreich geblieben.", BFA Seite 7). Aufgrund der näheren Befragung beim BFA zum Thema Islamkritiker, Aufklärer, Aufklärung, Gesellschaftsvertrag, etc., kamen durchaus Kenntnisse des BF zu diesen Themen hervor und es entstand auch der Eindruck, dass dieser dem islamischen Gottesstaat und seinen Zwängen kritisch gegenübersteht. Die Angabe im Rahmen der Erstanhörung, er könne nicht angeben, welche Konfession für ihn die richtige sei, lässt hingegen nicht auf tiefverwurzelten Atheismus schließen. Da es sich dabei um eine freie Formulierung handelt, ist auch eine Übersetzungsproblematik wenig wahrscheinlich. Wenn der BF aber im Rahmen seiner Befragung vor dem Gericht so ehrlich war, über gerichtliche Frage einzuräumen, zumindest über sechs Monate sogar mehrere verschiedene Kirchen in Österreich besucht zu haben und dort offenbar so aufgetreten ist, dass man zumindest versucht hat, ihn zu taufen, so scheint dies mit einem tiefverwurzelten und in Österreich jedenfalls auch nach außen getragenen Atheismus nicht vereinbar. Selbst wenn der BF - mit dieser Problematik konfrontiert - sinngemäß angibt, dass er das aufgrund der menschlichen Kontakte getan habe, so ist ein tiefverwurzelter Atheismus - nur ein solcher könnte ein Schutzgrund sein - mit einem zumindest halbjährigen regelmäßigen Kirchenbesuch, offenbar auch von Gottesdiensten bzw. Kursen (die Leute haben gebetet, Protokoll Seite 18) - nicht vereinbar. Ebenso nährt es Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF, wenn er erst vor Gericht auf Frage nach seinen Motiven für seinen Atheismus angibt, sein Vater sei von der iranischen Regierung aufgrund seiner politischen Einstellung getötet worden. Der Tod des Vaters war schon Thema vor dem BFA (dort Protokoll Seite 3), wobei der BF diese doch wesentlich erscheinende Anmerkung dort nicht machte. In diesem Zusammenhang ist es auch auffällig, dass der BF zwar Urkunden aus dem Iran vorlegen konnte, aber keine einzige Urkunde bezogen auf ein nach seinen Angaben mittlerweile 18 Jahre dauerndes Verfahren betreffend den Tod des Vaters. Seine Angaben, weshalb er das Regime für den Tod des Vaters verantwortlich macht, sind letztendlich als Vermutung zu qualifizieren. Nachdem er zunächst das Regime direkt für den Tod des Vaters verantwortlich machte, räumte er auf Seite 9 des Protokolls ein, der Mörder seines Vaters sei nicht verurteilt worden und er ärgere sich über den Islam und das Regime, warum ein Mörder frei laufen könne.

Unglaubwürdig ist auch eine maßgebliche und öffentlichkeitswirksame Mitwirkung an politischen Protestveranstaltungen gegen die iranische Regierung in Wien. Diese Umstände sind in der Beschwerde vom 28.12.2017 nicht enthalten. Erstmals bringt der BF dies am Beginn der mündlichen Verhandlung vor Gericht vor. Befragt danach, wann er das letzte Mal an solchen Demonstrationen teilgenommen habe, gab der BF an, im letzten Jahr, somit 2017 (Protokoll Gericht, Seite 17). Wenn er angibt, er hätte fünf Mal vor der iranischen Botschaft demonstriert, verbleibt ausgehend davon ein Zeitraum nach der Befragung vor dem BFA August 2017 bis Ende 2017. In der Befragung wurde die Teilnahme an Demonstrationen nicht erwähnt. Da diese Umstände auch in der Beschwerde vom 28.12.2017 nicht erwähnt sind, ist es denkunmöglich, dass in den verbleibenden drei Tagen des Jahres 2017 eine Teilnahme an einer Vielzahl von Demonstrationen erfolgt wäre. Auszugehen ist davon, dass der BF - hätten diese Umstände zugetroffen - dies gegenüber seiner Vertretung erwähnt hätte. Er war auch nicht imstande, konkrete Anlässe der Demonstrationen zu nennen (wirtschaftliche Probleme). Es ist auch schwer nachvollziehbar, dass der BF Leute versammelt und zu Demos aufgerufen haben will, andererseits kein Mitglied einer Gruppierung von Exiliranern sei und keine konkreteren Angaben hinsichtlich Zweck und Zeitpunkt der Demonstrationen machen konnte (Seiten 17 und 19 des letzten Protokolls). Da die behaupteten Teilnahmen an Demonstrationen nach den Angaben des BF bereits 2017 stattgefunden haben sollen, in der am 28.12.2017 verfassten Beschwerde sich aber nicht finden, ist in der nunmehrigen Geltendmachung eine unzulässige Neuerung und überdies eine Steigerung des Vorbringens zu sehen, die dieses gänzlich unglaubwürdig macht.

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des BF im Iran sowie zu dessen gegenwärtiger Lebens- und Einkommenssituation in Österreich beruhen auf dessen insofern nachvollziehbaren und teilweise durch Urkunden untermauerten Angaben. Der BF hat keine Deutschprüfung gemacht, aber Kurse des Niveaus A1 und A1 plus besucht (Protokoll des Gerichts Seite 20). Ein Widerspruch liegt hingegen darin, dass er vor dem BFA angab, das Entgelt für seine fachlichen Leistungen, die er im Iran via Internet erbringe, erhielten seine Brüder zum Unterhalt, während er vor Gericht angab, er helfe damit seinen Freunden im Iran (Protokoll BFA Seite 6 und Gericht Seite 20). Wenn der BF dem Richter auf seinem Handy ein Foto einer geschnitzten Figur zeigt, stellt dies gerade im Kontext der vielen dargelegten Widersprüche auch keinerlei Beweis dafür dar, dass er in seinem Büro in XXXX vier in Bezug auf Religion obszöne Figuren gelagert hatte, wie auf Seite 14 des Protokolls des Gerichts dargestellt. Vor dem BFA gab er diesbezüglich noch an, eine Statue sei sichergestellt worden.

Es bedarf aufgrund der im Rahmen der Gerichtsverhandlung verbreiterten Tatsachengrundlage auch keiner eingehenden Auseinandersetzung mit der Beweisrüge in der Beschwerde. Der BF ist aber darauf zu verweisen, dass eingangs der Beschwerde behauptet wird, er sei Mitglied im Bund der Baptistengemeinde in Österreich und besuche regelmäßig die Gottesdienste, nehme aktiv am Gemeindeleben teil und sei am 19.06.2016 getauft worden. Diese Passage wurde übersehen und nicht erörtert. Selbst ohne deren Erörterung ist aufgrund der zahlreichen oben dargelegten Widersprüche aber die Feststellung eines überzeugten Atheismus beim BF ausschlossen. Die weiteren Argumente zu Punkt 2. der Beweisrüge sind nicht geeignet, die oben dargelegten Widersprüche auch nur ansatzweise zu entkräften.

Aufgrund der erweiterten Beweisgrundlage bedarf es auch keines Eingehens auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wobei der wesentliche Punkt der Beurteilung dafür, dass es sich beim BF um keinen tiefüberzeugten Atheisten handelt, nicht aus dessen Beantwortung der Wissensfragen zum Thema Aufklärung und Islamkritik abzuleiten ist, sondern insbesondere aus der mangelnden allgemeinen Glaubwürdigkeit im Zusammenhalt mit dessen Aktivitäten in Österreich, insbesondere auch dem zumindest sechsmonatigen Besuch von Kirchen. Der vom BFA zu erkennen geglaubte Widerspruch im Zusammenhalt mit einer Verhandlungsteilnahme des BF im Jahr 2004, wobei der Vater bereits 2000 verstorben sei, liegt bei genauerer Betrachtung der zugrundeliegenden Aussage des BF nicht vor. Aus dem Umstand des nicht ausreichend glaubhaften Dartuns von Fluchtgründen alleine folgt auch nicht per se die "offensichtliche missbräuchliche Asylantragstellung" bzw. eine "absichtliche Erschleichung eines Aufenthalts", sodass sie die diesbezüglichen Ausführungen auf Seite 70 der Beschwerde überschießend sind.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 AsylG 2005 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU), Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

? Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

? gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

? unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

? Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

? Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

? Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Der Begriff der Religion umfasst nach Art 10 insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Ebenso kann in Gemeinschaften, in denen eine Religion vorherrscht oder ein enger Zusammenhang zwischen Staat und religiösen Institutionen besteht, Diskriminierung aufgrund der Nichtzugehörigkeit zur vorherrschenden Religion oder Nichtausübung von deren Praktiken in bestimmten Fällen eine Verfolgung darstellen. Der VwGH definiert das Merkmal Religion unter Verweis auf das in der EMRK und in den UN-Menschenrechtspakten festgelegte Recht auf Gedanken-, Gewissens-und Religionsfreiheit: "Dieses Recht schließt die Freiheit des Menschen, seine Religion zu wechseln und die Freiheit, ihr öffentlich und privat Ausdruck zu verleihen, mit ein; ebenso das Recht, sie zu lehren und auszuüben, ihre Riten zu praktizieren und nach ihr zu leben (Putzer, Asylrecht², Rz 81f).

Nach ständiger Rechtsprechung des VW GH kann eine Verfolgung aus religiösen Gründen auch vorliegen, wenn "maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich bei keiner bestimmten Religion anschließt oder sich weigert, sich den mit der Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen." (zB. VwGH 21.9.2000, 98/20/0557).

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Da weder eine aktuell zum Zeitpunkt der Ausreise vorliegende Verfolgung, ein für den Staat erkennbarer Abfall vom islamischen Glauben noch für Staatsorgane erkennbare regimekritische Kundgebungen in Österreich festgestellt werden konnten, liegt kein auf die oben dargestellten Rechtsgründe zu stützender Asylgrund, auch kein Nachfluchtgrund, vor. Kurzfristige Verhaftungen (für 1 oder 2 Tage) letztmals 2010 sowie ein "Auffälligwerden" des BF 2007 zum Zeitpunkt des geplanten Studienbeginns standen - wie festgestellt - einem jahrelangen unbehelligten Leben im Iran, auch als Auftragnehmer des Staates, nicht entgegen. Der BF versuchte in der Verhandlung einen diesbezüglichen Zusammenhang herzustellen (Prot S 10 unten). Dem Verweis auf den Zeitablauf von 8 Jahren hatte der BF nichts entgegenzusetzen. Eine derart verinnerlichte atheistische Einstellung, die einer Konversion gleich zu einer Unzumutbarkeit des Lebens unter den gegenwärtigen Bedingungen im Iran führen wurde, kam - wie ebenso festgestellt - nicht hervor. Gleiches gilt für die erst in der Verhandlung bei Gericht behaupteten bereits 2017 stattgefundenen - aber nicht feststellbaren

-

Kundgebungsteilnahmen gegen das Regime in Österreich. Nach dem festgestellten Sachverhalt liegt weder unter dem Aspekt des Konventionsgrundes der Religion (Nichtreligiöse Weltanschauung bzw atheistische Überzeugung) noch - wie in der Beschwerde herangezogen

-

auch der unterstellten politischen Gesinnung, ein Asylgrund vor.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden bei Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("sufficiently real risk") im Herkunftsland zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573). Die reale Gefahr muß sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu erreichen (zB. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294). Die bloße Möglichkeit einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (zB: VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Der VwGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (zB. VwGH 26.6.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 2 und 3) gegeben ist. Gegenteiliges ist auch den aktuellen Länderberichten zu entnehmen, wonach die Sicherheitslage im Iran allgemein als ruhig bezeichnet werden kann und es nur in vereinzelten Regionen unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund oder zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und anderen Gruppierungen kommt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

Der BF konnte auch darüber hinaus insgesamt keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Falle einer Rückführung in den Iran die reale Gefahr einer Verletzung aus Art. 2 oder 3 EMRK entspringenden Rechte (oder der anderen im Lichte von § 8 AsylG 2005 relevanten Grundrechte) für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jüngeren Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er spricht die Sprache der Majoritätsbevölkerung Farsi und verfügt im Herkunftsstaat auch über Angehörige (Brüder und eine Schwester), zu denen er in Kontakt steht. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener im Iran nicht, wie bisher, einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte. Er ist im Iran aufgewachsen, dort zur Schule gegangen und verfügt über mehrere Zusatzqualifikationen im Bau- bzw. Baunebengewerbe. Wie festgestellt, hat er nach wie vor geschäftliche Kontakte in den Iran, aus denen er auch Einkünfte lukrieren kann.

Fallbezogen liegen auch keine Hinweise für das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vor und die Grundversorgung der Bevölkerung ist gesichert, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Jüngst wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass - ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zur Statusrichtlinie - vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden, sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt umfasst sind. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher, etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Dem nationalen Gesetzgeber ist es verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten, unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Herkunftsstaat, zuerkennen. Die Bestimmung des § 8 AsylG 2005 ist daher richtlinienkonform auszulegen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Fallbezogen ist der BF durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt. Weder droht ihm im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat der BF weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen oder dem Bundesverwaltungsgericht bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

Zu Spruchpunkt III.:

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine der oben genannten Entscheidungen mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung der Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3 a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt wurde oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG erreicht wird.

Liegt nach Abs 2 nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 gilt, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nach Abs 2 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach Abs 2 sind dabei insbesondere zu berücksichtigen,

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit behördlicher Eingriffe auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Insbesondere sind die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung bzw Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung, und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit bzw bei strafgerichtlichen Verurteilungen die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Resozialisierung bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie, wobei der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl dazu EKMR 19.07.1968, Nr 3110/67; EKMR 28.02.1979, Nr 7912/77, EuGRZ 1981/118).

Wie festgestellt leben keine Familienmitglieder oder Angehörigen des BF in Österreich. Da auch sonst keine ausreichend intensive Beziehung des BF zu ihm besonders nahestehenden Personen in Österreich hervorgekommen ist, ist davon auszugehen, dass ein schützenswertes Familienleben in Österreich nicht vorliegt.

Zum Privatleben des BF ist festzuhalten, dass er in Österreich nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügte. Die Dauer dieses Asylverfahrens übersteigt nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013). Der BF hat seine geplante selbständige Tätigkeit in Österreich noch nicht aufgenommen und befindet sich nach wie vor in Grundversorgung. Sein Umfeld sind hauptsächlich Iraner. Er besucht öfters eine iranische Bibliothek in Wien. Er ist unbescholten und in seinem Flüchtlingsquartier, dem Haus Damaris, als freundlich und hilfsbereit in Erscheinung getreten. Eine intensive Bindung zu Freunden und eine umfassende Teilnahme am sozialen Leben in Österreich sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der BF besuchte Deutschkurse auf A1 Niveau, ohne Prüfungen zu machen. Eine relevante außergewöhnliche Integration bedeuten diese Umstände auch in ihrer Zusammenschau nicht.

Das Interesse des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet ist zudem dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten eines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Der BF durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich aufhalten, welcher zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. z.B. VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 19.086/2010, 19.752/2013). Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 12.12.2012, 2012/18/0178; 22.01.2013, 2011/18/0012).

Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der BF in Österreich aufhält (seit September 2015), kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale eine von Art 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des BF am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, zu geben ist.

Der BF verließ den Iran vor etwa dreieinhalb Jahren und verbrachte bis dahin sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Iran, ist dort aufgewachsen und hat dort seine Sozialisation erfahren. Die Familie des BF - insbesondere seine Mutter und seine Geschwister - lebt nach wie vor im Iran. Der BF steht auch - zumindest teilweise - in Kontakt zu seiner Familie im Iran. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der BF im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des BF zum Iran auszugehen.

Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des BF an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist nicht geboten.

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung festzustellen, ob die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist. Unzulässig ist eine solche gemäß § 50 Abs 1 FPG in den Fällen des § 8 Abs 1 AsylG 2005 und gemäß § 50 Abs 2 FPG in den Fällen des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen dementsprechender Sachverhalte wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint. Gemäß § 50 Abs 3 ist eine Abschiebung auch unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EMGR entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Iran nicht.

Die Abschiebung des BF in den Iran ist daher zulässig.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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