Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §11 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/03/0373Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des M O in J, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Grosch & Partner OEG, 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2, 1. gegen den Bescheid der Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. September 1997, Zl. 1997/2/10-4, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (hg. Zl. 97/03/0364), sowie 2. gegen den Bescheid des Einzelmitgliedes des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. September 1997, Zl. 1997/18/46-4, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (hg. Zl. 97/03/0373), zu Recht erkannt:
Spruch
Der zu 2. angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer einer Übertregung nach § 11 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, einschließlich der sich darauf beziehenden Kostenaussprüche, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kammer der belangten Behörde vom 18. September 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 24. August 1995 gegen 8.05 Uhr auf dem Gendarmerieposten Söll geweigert, seine Atemluft von einem besonders geschulten und hiezu von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt überprüfen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich zuvor beim Lenken eines nach dem Kennzeichen bestimmten Pkws in Söll an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe hiedurch eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 11.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Einzelmitgliedes der belangten Behörde vom 18. September 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 24. August 1995 gegen 7.40 Uhr auf der B 173, Eibergstraße, km 1,3, in Söll mit seinem nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw im Zuge eines Überholvorganges den Fahrstreifen gewechselt, obwohl er sich vorschriftswidrigerweise zuvor davon nicht überzeugt habe, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei (Spruchpunkt 1), und obwohl er den bevorstehenden Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig den anderen Straßenbenützern angezeigt habe (Spruchpunkt 2). Er habe hiedurch zu 1) eine Übertretung nach § 11 Abs. 1 StVO 1960 und zu 2) eine Übertretung nach § 11 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 1.000,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der - in eine gemeinsame Ausfertigung aufgenommenen - Begründung der angefochtenen Bescheide ging die belangte Behörde im wesentlichen davon aus, daß Tatortbehörde die Bezirkshauptmannschaft Kufstein sei. Diese habe mit Verfügung vom 29. August 1995 die Abtretung des Verfahrens an die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel gemäß § 29a VStG verfügt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Sachlage derart dargestellt, daß der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Jochberg - somit im Bereich der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel - habe, dort mit Hauptwohnsitz gemeldet sei und auch unter der Woche öfter in Jochberg beobachtet worden sei. Die Abtretung an die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel sei daher rechtens gewesen.
Auf Grund des Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit (Übertretungen nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 StVO 1960) im verfahrensgegenständlichen Bereich, dem Straßenkilometer 1,3 der B 173 im Gemeindegebiet Söll sein Fahrzeug gelenkt habe, der Meldungsleger Revierinspektor J sei mit seinem Dienstmotorrad hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers gefahren. Als der Meldungsleger gerade im Begriff gewesen sei, den vom Beschwerdeführer gelenkten Pkw zu überholen und sich bereits auf dem linken Fahrstreifen befunden habe, habe auch der Beschwerdeführer beabsichtigt, ein Fahrzeug zu überholen, indem er vom rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt sei, ohne daß hiebei an dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug ein Blinkzeichen wahrgenommen worden sei. Der Meldungsleger habe die Kollision nur dadurch vermeiden können, daß er sein Motorrad abgebremst und in weiterer Folge nach links zum Straßenrand gezogen habe. Der Beschwerdeführer habe den Fahrstreifenwechsel nicht so rechtzeitig angezeigt, daß sich der Meldungsleger auf diesen Fahrstreifenwechsel hätte einstellen können. Der Beschwerdeführer sei dann angehalten worden und es sei durch den Meldungsleger ein deutlicher Alkoholgeruch der Atemluft des Beschwerdeführers festgestellt worden, worauf er aufgefordert worden sei, auf dem Gendarmerieposten einen Alkomattest durchzuführen. Bei den Meßversuchen um 8.03 Uhr und 8.04 Uhr sei jeweils die Blaszeit des Beschwerdeführers zu kurz gewesen, hierauf sei zwar um 8.05 Uhr ein zulässiger Blasversuch erzielt worden, um 8.06 Uhr habe der Beschwerdeführer einen weiteren Blasversuch unternommen, jedoch durch ein zu geringes Blasvolumen das Zustandekommen eines gültigen Ergebnisses vereitelt. Daraufhin habe der Meldungsleger, zumal zwei ordnungsgemäße Blasversuche erforderlich gewesen wären, die Amtshandlung abgebrochen. Es habe sich kein Hinweis dafür ergeben, daß auf Seiten des Beschwerdeführers eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgelegen wäre, die ihn an der Abgabe von ordnungsgemäßen Blasversuchen gehindert hätte. Der Beschwerdeführer habe somit die aus dem Spruch ersichtlichen Übertretungen verwirklicht, die verhängten Strafen seien angemessen.
Insoweit der Beschwerdeführer zunächst rügt, es habe die unzuständige Erstbehörde entschieden, weil er seinen Beschäftigungsort in Kiefersfelden, somit im Bereich der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, habe, ist dem folgendes entgegenzuhalten: Ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Delegierung. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine erfolgte Delegierung dem Gesetz entsprach, ist somit nicht der der Delegierung nachfolgende tatsächliche Verfahrensverlauf, sondern ausschließlich die auf die Aktengrundlagen im Zeitpunkt der Delegierung gestützte Erwartung des Eintrittes einer wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, läßt eine Übertragung des Strafverfahrens wegen einer im Straßenverkehr begangenen Übertretung an die zuständige Wohnsitzbehörde grundsätzlich eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erwarten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1993, Zl. 93/02/0032, mit weiteren Hinweisen). Die belangte Behörde hat ausführlich dargestellt, warum sie die Abtretung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer an seine Wohnsitzbehörde für rechtens hielt. Im Lichte des Beschwerdevorbringens kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auch wenn seine Arbeitsstelle zur Bezirkshauptmannschaft Kufstein näher gelegen ist, hinderte dies nicht die Abtretung des Verfahrens an die Wohnsitzbehörde weil diese - abgesehen von der Möglichkeit einer Vorgangsweise im Sinne des § 43 Abs. 1 VStG - z.B. auch unmittelbare Kenntnis von allfälligen, bei einer Strafbemessung nach § 19 Abs. 2 VStG zwingend zu beachtenden Vorstrafen hat (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1993, Zl. 93/02/0032).
Zur Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960:
Zutreffend hat die belangte Behörde darauf Bedacht genommen, daß es für eine gültige und ordnungsgemäße Messung der Atemluft des Beschwerdeführers auf Alkoholgehalt erforderlich gewesen wäre, daß der Beschwerdeführer zwei gültige Meßergebnisse erbringt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1990, Zl. 89/03/0289). Unbestritten hat der Beschwerdeführer zunächst zwei ungültige Meßergebnisse erbracht, danach ein gültiges und danach erneut ein ungültiges Meßergebnis. Wenn daraufhin der Beamte die Amtshandlung abbrach, weil die Atemalkoholuntersuchung nach der Art der Beatmung durch den Beschwerdeführer gescheitert war und die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers als Delikt nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 wertete, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, auch wenn der Beschwerdeführer einen gültigen Meßversuch dazwischen erbracht hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0074, sowie das hg. Erkenntnis vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0162, mit weiterem Hinweis).
Wenn der Beschwerdeführer einwendet, daß die Amtshandlung erst um 8.06 Uhr abgeschlossen worden sei und daher die im Spruch von der belangten Behörde angenommene Tatzeit 8.05 Uhr gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a VStG widerspreche, ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde die Tatzeit mit "gegen 8.05 Uhr" angenommen hat, womit eine hinreichende Präzisierung erfolgte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1993, 91/03/0346). Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, inwieweit er unter den Aspekten einer drohenden Doppelbestrafung oder Einschränkung seiner Verteidigungsrechte in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Zur Übertretung nach § 11 Abs. 1 StVO 1960:
Nach dieser Bestimmung darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.
Insoweit der Beschwerdeführer rügt, daß der Spruch nicht den Voraussetzungen des § 44a VStG entspreche, weil die belangte Behörde einen "bestimmten Punkt" als Tatort angenommen habe, ist ihm zu entgegnen, daß im Spruch des Straferkenntnisses mit
"... km 1,3 ..." der Bereich der Tatörtlichkeit hinreichend und
genau beschrieben wurde und daher eine Verletzung des § 44a Z. 1 VStG nicht vorliegt. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, hatte einen völlig anders gelagerten Sachverhalt betroffen, nämlich die Prüfung der Frage, ob die Bezeichnung einer Tatörtlichkeit von rund 600 m Länge hinreichend beschrieben worden sei (was der Verwaltungsgerichtshof bejahte). Auch im vorliegenden Fall zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, inwieweit er hier wegen drohender Doppelbestrafung oder Verletzung seiner Verteidigungsrechte in seinen subjektiven Rechten verletzt worden wäre.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, die belangte Behörde habe keine Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal des "Sich-Vergewisserns" getroffen. Dieser Vorwurf ist jedoch aktenwidrig und der Beschwerdeführer übersieht auch, daß die belangte Behörde im Spruch zu Punkt 1) dieses Tatbestandsmerkmal
("... zuvor nicht davon überzeugt haben ...") aufgenommen hat. Die
diesbezüglichen auf der Aussage des Meldungslegers gründenden Feststellungen begegnen keinen Bedenken, der Beschwerdeführer zeigt dagegen keine stichhältigen Argumente auf.
Unberechtigt ist auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, er sei in seinem Parteiengehör verletzt worden, zumal er sowohl im Rahmen der Berufung als auch anläßlich der von der belangten Behörde abgehaltenen mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzulegen.
Die Beschwerde war daher, was die Übertretungen nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 sowie § 11 Abs. 1 StVO 1960 anlangt, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt hatte, abgesehen werden.
Zur Übertretung nach § 11 Abs. 2 StVO 1960:
Mit Recht wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer vor einem beabsichtigten Überholvorgang nicht rechtzeitig den Fahrstreifenwechsel angezeigt habe. Dabei hat die belangte Behörde übersehen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1996, Zl. 96/02/0224, mit weiterem Hinweis) ein allfälliger Fahrstreifenwechsel nach einem Überholvorgang in § 11 Abs. 2, hingegen der beabsichtigte Fahrstreifenwechsel anläßlich eines bevorstehenden Überholvorganges in § 15 Abs. 3 StVO 1960 geregelt ist. Insoweit die belangte Behörde somit diesbezüglich die unrichtige Übertretungsnorm herangezogen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodaß er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. März 1999
Schlagworte
Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997030364.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
23.02.2011