TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/25 W173 1417925-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2019
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Entscheidungsdatum

25.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W173 1417925-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.11.2018, Zl. 800968701-180506251, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge BF) stellte am 16.10.2010 erstmals einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz in Österreich. Der BF gab dazu im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, als afghanischer Staatsangehöriger am 1.1.1995 in Logar, Distrikt Khoshi, in Afghanistan geboren zu sein. Er sei Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er habe aus politischen Gründen (Krieg) seine Heimat verlassen und habe im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat Angst zu sterben.

2. Am 21.10.2010 fand eine Einvernahme des BF durch das Bundesasylamt statt, bei der der BF in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari angab, am XXXX in der Provinz Logar in Afghanistan geboren zu sein und als Moslem der schiitischen Glaubensgemeinschaft anzugehören. Er habe im XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Logar, in Afghanistan gelebt. Seine Familie bestehe aus seinen Eltern (Vater 60 Jahre, Mutter 45 Jahre) und seinen beiden Brüdern und seinen Schwestern. Er habe die Grundschule von 1997-2001 in Logar besucht und von 2007-2010 als Händler und Verkäufer bei seinem Bruder (Handygeschäft) gearbeitet. Sein in der ersten Einvernahme unzutreffend angegebenes Geburtsjahr (1995) führte der BF auf seine Müdigkeit zurück. Er habe vor ca. 4,5 Monaten Afghanistan von seinem Heimatdorf ausgehend verlassen und sei schlepperunterstützt über Pakistan und den Iran nach Österreich geflüchtet. Sein Vater sei politisch aktiv, habe bei der Wahlbehörde gearbeitet und sei Kandidat für die Präsidentenwahlen in der Provinz Logar gewesen. Sein Bruder habe im Camp ( XXXX ) für die Amerikaner gearbeitet. Vor ca. vier Monaten sei sein Bruder per Brief von Taliban aufgefordert worden, das Camp zu verlassen. Seither sei sein Bruder - von den Taliban entführt - verschollen. Sie würden auch ihn entführen. Sein Vater habe sich den Aufforderungen, von einer Kandidatur für die Provinzwahlen Abstand zu nehmen, nicht gebeugt. Das Haus sei mit Raketen beschossen worden. Da bereits sein Bruder auf dem Weg nach Hause entführt worden sei, habe ein Bekannter seines Vaters die Flucht des BF organisiert. Obwohl sich der BF an die Behörden gewandt habe, sei nichts - auch von den Amerikanern - unternommen worden. Eine Fluchtalternative sei dem BF nicht zur Verfügung gestanden, zumal es kein sicheres Gebiet aufgrund des Krieges gebe.

3. Bei einer weiteren Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.11.2011 bestätigte der BF den Wahrheitsgehalt seiner bisherigen Angaben. Sein Onkel wohne in Kabul. Er habe auch zu seinem Vater Kontakt. Er gab im Wesentlichen zusammengefasst an, sein Vater sei Kandidat für die Parlamentswahl in der Provinz Logar gewesen und sein Bruder habe in einem Lager der Amerikaner gearbeitet. Er habe im Handyreparaturgeschäft seines Bruders gearbeitet. Die Taliban hätten das Haus der Familie mit Raketen angegriffen und seinen älteren Bruder entführt. Da der Vater des BF täglich zu einer Versammlung gefahren sei und als Kandidat für die Wahlen kandidiert habe, hätten die Taliban eine Bombe unter eine Brücke versteckt, die jedoch entschärft worden sei. Der BF sei ca. ein Monat lang festgehalten und zu einem Selbstmordattentat aufgefordert worden. Aufgrund eines Rachefeldzuges der Taliban seien die drei Tankwagen seines Bruders angezündet worden und explodiert. Der BF sei wie der Bruder vor dessen Entführung von den Taliban mehrmals mit Drohbriefen, welche in der Nacht beim Haus deponiert worden seien, und Anrufen bedroht worden.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.1.2011, Zl 10 09.687-BAT, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.10.2010 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ebenso wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, der BF habe keine wohl begründete Furcht zum Verlassen seines Herkunftslandes vorgebracht, sodass ihm auch keine asylrelevante Gefahr drohe. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan sei er auch keiner Bedrohung ausgesetzt. Beim Vorbringen des BF handle es sich um eine widersprüchliche und konstruierte Geschichte, um sein Vorbringen zu steigern.

5. Mit Schriftsatz vom 14.2.2011 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.1.2011, mit welcher dieser in vollem Umfang wegen Verfahrensfehlern und Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten wurde.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führt am 5.12.2014 eine mündliche Verhandlung durch, in der der BF seine Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zurückzog und unter anderem Integrationsbestätigungsschreiben von Frau XXXX und Frau XXXX vorlegte. Er gab an, 4 Jahre die Grundschule besucht zu haben. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 zu W173 1417925-1/26E wurde der Beschwerde vom 14.2.2011 hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiärer Schutzberechtigter bis zum 10.12.2015 erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 5.12.2014 die Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom BF zurückgezogen worden sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten seien in der gegenständlichen Fallkonstellation für den BF gegeben.

7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX Zl 36Hv 76/14d wurde der BF gemäß § 28 Abs. 1 1. Satz SMG, § 28a Abs. 1 5. Fall SMG; §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, § 27 Abs. 2 SMG; § 12 2.Fall StGB und § 28 Abs. 1 1.Satz SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit einer dreijährigen Probezeit verurteilt. Dieses Urteil erwuchs am 18.5.2016 in Rechtskraft.

8. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, 62Hv 70/16s wurde der BF gemäß § 28a Abs. 1 6. Fall SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Urteil erwuchs am 3.8.2016 in Rechtskraft.

9. Am 5.5.2017 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einvernommen. Der BF gab an, bei der XXXX in XXXX fix seit März 2017 zu arbeiten. Diese Unternehmen importiere Fische aus Holland. Er habe bereits im Jahr 2015 für sechs Monate bei dieser Firma gearbeitet. Er habe den Hauptschulabschluss nachgeholt und Deutschkurs absolviert. Zum Bestätigungsschreiben von Frau XXXX und Frau XXXX für seine Integration gab der BF an, diese Namen erstmals zu hören und ihm diese Frauen unbekannt seien. Er habe in Österreich keine Freunde oder Verwandte. Er habe zu seinen Verwandten im Ausland keinen Kontakt. Er habe 12 Jahre die Grundschule in Afghanistan besucht, habe in der Landwirtschaft gearbeitet und später auch ein eigens Handygeschäft mit zwei Mitarbeiter eröffnet, wo er Handys repariert und Wertkarten verkauft habe. Er habe zu seiner in Kabul lebenden Tante keinen Kontakt. Er wisse, wo seine Eltern seien, wage sie aber nicht zu kontaktieren. Zuletzt habe er mit ihnen 2017 und mit seiner Schwester 2016 telefoniert. Afghanistan habe er vollkommen gestrichen, da es dort schwierig gewesen sei zu leben. Aus den Nachrichten habe er entnommen, dass die Situation in Afghanistan jeden Tag schlechter werde. Sein Leben sei dort in Gefahr und die Lebenssituation sei gefährlich. Auf den Vorhalt seiner zweimaligen strafrechtlichen Verurteilung in Österreich - zuletzt am 3.8.2016 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels, gab der BF an, unschuldig verurteilt worden zu sei. Auf den Vorhalt, dass im Falle der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch eine Rückkehrentscheidung gegen den BF getroffen werden könne, gab der BF an, dass er nicht abgeschoben werden wolle. Er sei seit sieben Jahren in Österreich und habe seit vier Jahren einen Status. Er wolle arbeiten und einen österreichischen Reisepass haben. Nach Vorhalt der Länderinformationen zu Afghanistan durch die belangte Behörde, betonte der BF, keine Länderinformationen zu Afghanistan haben zu wollen. Alles, was davon handle, wolle er nicht wissen. Mit Schreiben vom 1.2.2018 beantragte der BF, seine befristete Aufenthaltsberechtigung in der höchstzulässigen Dauer zu verlängern und ihm die Karte für subsidiär Schutzberechtigte auszustellen.

10. Mit Bescheid des BFA vom 12.3.2018, Zl. 800968701 - 161501665, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2014 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. wurde dem BF nicht erteilt, gegen den BF eine Rückehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde ein auf 7 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und ihm eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.). Mit Verfahrensanordnung vom 12.3.2018 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt. Der Aberkennungsbescheide vom 12.3.2018 wurde dem BF am 14.3.2018 mittels Hinterlegung zugestellt. Der BF erhob keine Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.3.2018.

11. Nach einem Aufgriff des BF durch Polizeibeamten am 29.5.2018 in einem Park in XXXX wurde der obdachlose gemeldete BF am 30.5.2018 von der belangten Behörde einvernommen und über den Status seines Verfahrens aufgeklärt. Der BF gab im Wesentlichen an, dass er vor drei Monaten erfahren habe, dass sein Vater ermordet worden sei. Über Facebook hätten ihm dies seine ihm namentlich nicht bekannten, afghanischen Freunde aus Österreich mitgeteilt. Zu seiner Obdachlosigkeit führte der BF aus, wegen seines Asylverfahrens unsicher gewesen zu sein und sich deshalb obdachlos gemeldet zu haben. Er habe jedoch eine Arbeit gefunden, ansonsten habe er vor, Österreich zu verlassen. Er lebe von seiner Arbeit bei der XXXX . Der BF wurde darüber aufgeklärt, dass ihm mit Bescheid vom 12.3.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt worden und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen worden seien. Es sei ihm zugleich eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft gewährt worden, welche bereits am 26.4.2018 verstrichen sei. Der BF gab dazu an, sich darüber im Klaren zu sein und sich auszukennen. Er könne aber nicht nach Afghanistan zurück. Es sei gefährlich, er sei seit 8 Jahren in Europa und wisse nicht, warum sein Vater getötet worden sei. Weiters gab der BF zu seinem Aufenthalt im XXXX in XXXX an, vormittags im Deutschkurs gewesen zu sein und nachmittags zur Arbeit gegangen zu sein, aber wegen seines kränkelnden Zustandes nach Hause geschickt worden zu sein. Auf dem Heimweg sei er von der Polizei kontrolliert worden. Er sei unschuldig verurteilt worden. Er lebe schon acht Jahre in Österreich und habe sich eingelebt. Zum Vorhalt der fehlenden Arbeitsbewilligung verwies der BF auf einen Deutschkurs, den er vom AMS bekommen habe. Zudem sei er offiziell am Arbeitsplatz gemeldet. Abschließend wurde vom BF im Rahmen der Einvernahme der verfahrensgegenständliche Asylantrag gestellt.

12. Am 30.5.2018 erfolgte eine Erstbefragung des BF durch ein Organ der Landespolizeidirektion Niederösterreich. Der BF gab zu den Gründen für seine neuerliche Stellung eines Asylantrags an, dass die Situation in Afghanistan sich nicht geändert habe und er außerdem zwischenzeitlich erfahren habe, dass sein Vater in Afghanistan getötet worden sei. Er habe niemand in Afghanistan. Mehr könne er nicht hinzufügen. Seit drei Monaten wisse er, dass sein Vater getötet worden sei. Vor zwei Tagen habe er mit einem Freund in Afghanistan telefoniert, der von einer verschlechterten Sicherheitslage erzählt habe. Bei einer Rückkehr in die Heimat sei es möglich, dass er getötet werde. Weiters brachte der BF noch vor, dass er viele Probleme mit bestimmten Leuten in Afghanistan habe. Das seien Personen, die von Österreich abgeschoben worden seien. Er habe mit ihnen in Österreich Probleme gehabt.

13. Am 21.6.2018 wurde der BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Der BF gab an, er sei gesund und nehme keine Medikamente ein. Er wohne bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, mit dem er befreundet sei, und der ihn finanziell unterstütze und versorge. Der BF führte weiter aus, dass seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester sich in Afghanistan befinden würden. Er habe aber schon lange keinen Kontakt mehr mit ihnen. Er wisse nicht, ob sie noch in Afghanistan leben würden. Vor einem halben Jahr sei sein Vater am 13.1.2018 getötet worden. Auf den Vorhalt, dass der BF in der Erstbefragung am 30.5.2018 noch angegeben habe, dass sein Vater vor drei Monaten - somit im März 2018 verstorben sein müsste - gab der BF an, dass er an jenem Tag von der Arbeit nach Hause gekommen sei. Es sei ihm nach der Arbeit schlecht gegangen, weil er diese Nachricht bekommen habe. Deshalb wisse er das Datum genau. Auf die Frage, wann genau der BF erfahren habe, dass sein Vater getötet worden sei, gab der BF an, dass er schon erklärt habe, dass er keinen Kontakt mit seiner Familie habe. Er habe auf Facebook nachgeschaut und dort gesehen, dass sein Vater getötet worden sei. Das sei am 12.1.2018 gewesen. Er habe am Handy ein Foto und Videoaufnahmen eines Berichtes über das Begräbnis seines Vaters und der Trauerzeremonie gesehen. Auf die erneute Frage, wann genau der Vater des BF getötet worden sei, gab der BF als Datum den 12. oder 13. Jänner 2018 an. Er wisse nicht mehr genau, auf welchem Account er dies auf Facebook gefunden habe. Sein Vater habe viele Freunde gehabt und über 50 Personen hätten das gepostet. Sein Vater, der ursprünglich 20 Jahre Mujaheddin Kommandant gewesen sei, habe aufgehört zu kämpfen. Sein Vater sei dann Dorfvorstand, in Bezirkshauptmannschaft und Mitglied des Provinzrates gewesen. Er habe Facebook gehabt, aber der BF sei nicht mit ihm befreundet gewesen. Er wisse nicht wie sein Vater getötet worden sei. Weiters gab der BF an, dass während seines Aufenthalts in Österreich ein paar afghanische Flüchtlinge in Österreich, deren Namen er nicht wisse, zu seinen Feinden wegen Drogen geworden seien. Sie seien als Drogendealer in Österreich von der Polizei festgenommen worden. Der BF sei von ihnen beschuldigt worden, die Polizei informiert zu haben. Sie würden ihn umbringen. Er glaube auch, dass sie auch seinen Vater in Afghanistan getötet hätten. Diese Personen befänden sich teils in Haft, in Russland und Afghanistan. Ihren Aufenthalt in Afghanistan kenne er nicht, vielmehr befänden sie sich überall. Er sei von der Familie des in Österreich inhaftierten XXXX , der die Telefonnummer des BF kenne, von Afghanistan aus angerufen und bedroht worden. Es sei nicht die einzige Familie gewesen, die ihn angerufen habe. Ein Anruf im Sommer vor zwei Jahren habe sich darauf bezogen, nicht die Angehörigen des BF in Ruhe zu lassen. Er würde auch bei einem Aufenthalt in Afghanistan schon sehe, was er davon habe. Seine in Afghanistan bedrohte Familie habe ihn gefragt, ob er tatsächlich die Polizei informiert habe. Sein Vater habe ihn nämlich angerufen, nachdem die Familie bedroht worden sei. Der BF habe der drohenden Familie den Aufenthaltsort seiner Familie bekannt gegeben. Sein in Kabul lebender Vater sei in der Provinz Logar getötet worden. Sein Vater sei wegen eines sich in Logar befindenden Haushaltsartikels nach Logar gegangen, wo ihn jemand mit einem Stein auf den Kopf geschlagen und getötet habe. Sein Vater sei nach einem Telefonat mit seiner Frau (Mutter des BF) nicht mehr nach Hause gekommen. Dazu habe der BF am 20.1.2018 ein Telefonat mit seiner Mutter geführt. Nach dem Tod seines Vaters habe er nämlich einmal mit seiner Mutter und seiner Schwester telefoniert. Er wisse nicht, ob seine Mutter oder Schwester etwas zu den vermeintlichen Mördern seines Vaters wüssten. Es gebe viele Versionen. Einige würden von seiner Tötung, andere wiederum von einem tödlichen Unfall oder von einem Sturz vom Dach ausgehen. Auf den Vorhalt, warum er trotz des Wissens um den Tod seines Vaters, keine Beschwerde gegen den Aberkennungsbescheid vom 19.3.2018 eingelegt habe, gab der BF an, dass er überhaupt vorgehabt habe, Österreich zu verlassen und in einem anderen Land einen Asylantrag zu stellen, zumal er nach 8 Jahren einen abweisenden Bescheid erhalten habe. Seit dem 12.4.2018 sei er auch telefonisch bedroht worden. Sie hätten gesagt, sie würden ihn und seine Familie umbringen. Auf Grund er unterdrückten Telefonnummer wisse er nicht, um welche Person es sich handle. Er habe den Anruf vor zirka eineinhalb Monaten erhalten und bereits bei der Ersteinvernahme davon gesprochen. Ergänzend gab der BF noch an, eine Arbeitserlaubnis zu benötigen, da er wieder arbeiten wolle. Er habe einen fixen Job und könne nicht nach Afghanistan. Seit acht Jahren sei er in Österreich, er habe sich daran gewöhnt und habe Freunde hier. Österreich sei sein Heimatland geworden. Er könne sich nicht vorstellen, wo anders als in Österreich zu leben. Er wolle hier leben und einen Familie gründen. Im Zuge der Einvernahme wurde der Erhalt der Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen vom BF abgelehnt.

14. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9.11.2018, Zl. 800968701-180506251, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 30.5.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 45 FPG zulässig sei (Spruchpunkte III., IV. und V.). Für die freiwillige Ausreise wurde dem BF gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist gewährt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte das BFA aus, dass das massiv widersprüchliche Vorbringen, wonach der Vater des BF in Afghanistan getötet worden sei, unglaubwürdig und ungeeignet dafür sei, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken. Der am 12.4.2018 in Rechtskraft erwachsene Bescheid vom 12.3.2018 stehe dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen. Der BF habe widersprüchliche Angaben zum Tod seines Vaters getätigt und unschlüssige Erklärungen dafür abgegeben. Abgesehen davon habe der BF bei einem ihm seit Jänner 2018 "bekannten neuen Sachverhalt" keine Beschwerde gegen den zu letzten genannten rechtskräftig gewordenen Bescheid 2018 eingebracht, sodass auch kein nach der Rechtskraft des letzten Bescheides neu entstandener Sachverhalt vorliege. Vielmehr spreche auch dies für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des BF zur Ermordung seines Vaters. Auch im Vorverfahren sei die Bedrohungslage seines Vaters durch die Taliban in Logar und der persönlichen Bedrohung des BF als nicht asylrelevant bewertet worden. Die Bedrohung auf Grund von afghanischen Flüchtlingen in Österreich sei unglaubwürdig. Es sollte vielmehr der nunmehrige Asylantrag das wiederholte Aufrollen der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt werden. Es liege keine wesentliche Änderung der Sachlage vor. Auch bezüglich des Status gemäß § 8 AsylG seien keine Hinweise auf einen seit Rechtskraft des Erstverfahrens entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt aufgetreten. Es resultiere ein solcher weder aus der persönlichen Situation des BF, noch aus der allgemeinen Lage des Heimatlandes des BF (Afghanistan). Der BF versuche vielmehr die Legalisierung seines Aufenthaltes zu bewirken. Der BF habe in Österreich keine Angehörigen bzw. Verwandten und keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Der BF sei in Österreich bislang unstet berufstätig gewesen und weder Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Da der BF in Österreich bereits zu 10 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden sei, laufe eine Gesamtabwägung der Interessen daher darauf hinaus, dass das im Sinne des Art. 8 EMRK relevante Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich ein geringerer Stellenwert zukomme, als dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet. Einer Beschwerde wurde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Verfahrensanordnung vom 12.11.2018 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

15. Mit Schreiben vom 26.11.2018 erhob der BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, in vollem Umfang Beschwerde gegen den Bescheid vom 9.11.2018. Es wurde die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zulassung zum Verfahren beantragt. In eventu wurde die Behebung des Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde, in eventu die Aufhebung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung oder die Unzulässigkeitserklärung der Rückkehrentscheidung auf Dauer, der Abschiebung nach Afghanistan und gegebenenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung begehrt. Inhaltlich wurde das Vorbringen des BF aufrechterhalten und ausgeführt, dass es unerheblich sei, dass der BF keine detaillierten Angaben machen könne, weil allein der Umstand relevant sei, dass sein Vater ermordet worden sei. Dieser sei Mitglied des Provinzrates gewesen und somit eine politisch wichtige Person. Im Rahmen der Sippenhaftung könne es nun durchaus sein, dass der BF den Feinden seines Vaters zum Opfer falle. Der BF befürchte in Afghanistan auch eine Verfolgung durch Verwandte seiner ehemaligen Bekanntschaften aus der Drogenszene, da diese dem BF vorhalten würden, dass er sie bei der Polizei angeschwärzt habe. Mangels familiären Netzes würde eine Rückkehr nach Afghanistan für den BF bei den vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen. Da der BF bereits seit 10 Jahren in Österreich lebe und gut integriert sei - so habe er den Hauptschulabschluss nachgeholt und arbeite seit 2017 bei der Firma XXXX - sei die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären, da sie den BF jedenfalls in seinem Recht auf Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK verletzen würde. Der Beschwerde wurde eine Vollmacht des BF für den Verein Menschenrechte Österreich angehängt. Der BF legte eine mit 28.6.2018 datierte Bestätigung für die Ablegung der Prüfung für die A2-Deutschprüfung vor. Es wurde auch die Teilnahme am Deutschkurs für leicht Fortgeschrittene A2 im Zeitraum 9.4.2018 - 21.6.2018 übermittelt. Zudem legte der BF mit 12.7.2018 und mit 17.10.2018 datierte Bestätigungen des Geschäftsführers der XXXX vor, bei Vorliegen eines Aufenthaltsrechts in Österreich den BF als Hilfsarbeiter zu einem betragsmäßig genannten Lohn arbeiten zu lassen sowie eine Wohnmöglichkeit als Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF

Der BF ist am XXXX geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Der BF gehört der Volksgruppe der Tadschiken und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an.

Der BF stammt aus der afghanischen Provinz Logar. Er verfügt über eine dort erworbene zwölfjährige Schulausbildung. Er hat in Landwirtschaft gearbeitet und ein Handygeschäft betrieben. Er lebte in der genannten Provinz bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan.

Der BF reiste illegal nach Österreich ein und stellte seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz am 16.10.2010, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.1.2011, Zl 10 09.687-BAT, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF damals im Wesentlichen vor, die Taliban hätten ihn und seine Familie bedroht, da sein Vater in der Provinz Logar als Kandidat für die Präsidentenwahlen angetreten wäre und sein Bruder in einem Camp für die Amerikaner gearbeitet habe. Er sei von den Taliban zu einem Anschlag angeworben worden. Die dagegen erhobene Beschwerde zog der BF hinsichtlich der Abweisung zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 5.12.2014 zurück.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 zu W173 1417925-1/26E wurde der Beschwerde vom 14.2.2011 hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Es wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiärer Schutzberechtigter bis zum 10.12.2015 erteilt. Von einem Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung sah der BF in der Folge ab.

Der BF arbeitete vom 9.3.2015 bis 2.7.2015 bei der XXXX in XXXX , die Fische aus Holland importierte, in der Fischzucht.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX Zl 36Hv 76/14d wurde der BF gemäß § 28 Abs. 1 1. Satz SMG, § 28a Abs. 1 5. Fall SMG; §§ 27 Abs. 1 Z 1

1.

und 2. Fall, § 27 Abs. 2 SMG; § 12 2.Fall StGB und § 28 Abs. 1

1.

Satz SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit einer dreijährigen Probezeit verurteilt. Dieses Urteil erwuchs am 18.5.2016 in Rechtskraft.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, 62Hv 70/16s wurde der BF gemäß § 28a Abs. 1 6. Fall SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Urteil erwuchs am 3.8.2016 in Rechtskraft. Während des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe wurde die bedingte Entlassung des BF mit 12.1.2017 bewilligt.

Der BF begann am 7.3.2017 wieder beim oben genannten Unternehmen XXXX zu arbeiten. Nach Einleitung des Aberkennungsverfahrens gemäß § 9 AsylG im Mai 2017 beendete der BF seine Tätigkeit am 15.1.2018 bei der XXXX . Der BF stellte am 1.2.2018 erstmals einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung um die höchstzulässige Dauer sowie auf Ausstellung einer Karte für subsidiär Schutzberechtigte.

In der Zeit vom 13.2.2018 bis 7.3.2018 bezog der BF Arbeitslosengeld vom AMS. Ab 8.3.2018 bis 29.3.2018 erhielt der BF Krankengeld von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse.

Mit Bescheid des BFA vom 12.3.2018, Zl. 800968701 - 161501665, wurde dem BF der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2014 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigter von Amts wegen aberkannt und die damit verbundene befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Es wurde gegen den BF eine Rückehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist. Es wurde auch eine 7-jähriges Einreiseverbot verhängt. Dieser Bescheid wurde dem BF mittels Hinterlegung mit am 15.3.2018 beginnender Abholfrist zugestellt und erwuchs in Rechtskraft, da der BF keine Beschwerde erhob. Der BF beabsichtigte ohnehin, Österreich zu verlassen. Es erfolgt auch die Abmeldung von seinem Wohnsitz in XXXX am 28.3.2018. Im zentralen Melderegister war der BF ab 3.4.2018 als obdachlos gemeldet. Trotz Fehlens einer Berechtigung zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet und eines rechtskräftig verhängten siebenjährigen Einreiseverbots (§ 7 Abs. 1 iVm Abs. 2 und 3 AlVG) bezog der BF aber weiter das Arbeitslosengeld vom AMS.

Ungeachtet seines genannten Einreiseverbots nach Österreich, eines fehlenden gültigen Aufenthaltstitels und damit illegalen Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet und des Fehlens eines positiven Abschlusses für eine Prüfung des A2-Niveaus der deutschen Sprache begann der BF am 16.4.2018 einen vormittägigen A2+-Deutschkurs im Integrations- und Bildungszentrum des Diakonie Flüchtlingsdienstes in XXXX , der bis 27.9.2018 anberaumt war. Mit 10.5.2018 beendete der BF seinen gesetzeswidrigen Bezug des Arbeitslosengeldes vom AMS. Trotz seines ihm bekannten Status begann der BF am 11.5.2018 auch wieder bei der XXXX unselbstständig zu arbeiten, obwohl eine Berechtigung zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet Voraussetzung für die Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung ist (§ 7 Abs. 3 AlVG).

Der BF wurde am 29.5.2018 im XXXX in XXXX polizeilich kontrolliert. Er wies sich mit einer Karte für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 52 AsylG aus, die bereits ihre Gültigkeit verloren hatte und nach der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurückzustellen ist. Als in der Folge die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft geprüft wurden, stellte der BF am 30.5.2018 den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass die Situation in Afghanistan sich nicht geändert habe und er außerdem zwischenzeitlich erfahren habe, dass sein Vater in Afghanistan getötet worden sei.

Mit 1.6.2018 beendete der BF seine unselbständige Tätigkeit bei der XXXX , die er trotz fehlender Berechtigung für seinen Aufenthalt in Österreich aufgenommen hatte. Am 21.6.2018 wurde der BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er hielt sein Vorbringen aufrecht und brachte darüber hinaus vor, von Familien von Dealern aus der österreichischen Drogenszene, welche dem BF vorgeworfen hätten, dass er sie an die Polizei verraten hätte, von Afghanistan aus bedroht worden zu sein und deshalb nicht nach Afghanistan zurückkehren zu können. Am 28.6.2018 absolvierte der BF erfolgreich die Prüfung für das A2-Niveau der deutschen Sprache.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF hat keine Verwandten oder Angehörigen in Österreich und verfügt auch sonst über keine ausgeprägten sozialen Bindungen in Österreich. Der BF ist in Österreich weder Mitglied in einem Verein noch in einer Organisation.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine Änderung der maßgeblichen Situation in seinem Herkunftsstaat noch in sonstigen, in der Person des BF gelegenen Umständen. Das Vorbringen des BF, dass sein Vater in Afghanistan ermordet worden und er deshalb auch gefährdet sei sowie von den Familien von Dealern aus der österreichischen Drogenszene in Afghanistan bedroht werden würde, weist keinen glaubhaften Kern auf.

1.2 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 8.01.2019)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.). Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatten dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED

[Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)

Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Weiterführende Informationen über die Aktivitäten der Taliban und Zusammenstöße mit den afghanischen Sicherheitskräften werden in der kommenden Aktualisierung (Q3) der Sicherheitslage näher beschrieben.

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz- Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Ak

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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