Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §5 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/03/0300Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des M H in I, vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (Kammer- und Einzelmitglied) vom 16. Juli 1998, Zlen. 1997/4/46-14, 1997/20/241-14, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der Kammer
(Spruchpunkt I.) wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der
Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu
ersetzen.
II. den Beschluß gefaßt:
Die Behandlung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
des Einzelmitgliedes (Spruchpunkt II.) wird abgelehnt.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer erging folgendes Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 20. Juni 1997 (Spruchteile gemäß § 44a Z. 1 bis 3 VStG):
"Der - Die Beschuldigte H M
hat am 01.11.1995 in Innsbruck als Lenker des Pkws GM-48BC im Zeitraum zwischen 03.28 Uhr und 03.35 Uhr
1) die Sperrlinie im Kreuzungsbereich Sillgasse - Universitätsstraße überfahren
2) an der Krzg. Sillgasse - Museumstraße bei Rotlicht der Ampel nicht an der Haltelinie angehalten
3)
auf Höhe Amraserstr Nr. 1 die Sperrlinie überfahren
4)
vor dem Haus Amraserstraße 33 um 03.35 Uhr den Alkotest verweigert, obwohl vermutet werden konnte, daß er während der Fahrt (siehe Punkt 1-3) durch Alkohol beeinträchtigt war
5) das Fahrzeug ohne für Österreich gültige Lenkerberechtigung gelenkt
6) es als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges unterlassen, das Fahrzeug anläßlich der Wohnsitzverlegung von Gmunden nach Innsbruck im Mai 1995 bis mindestens 2.11.1995 behördlich abzumelden
und hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 1) 9/1 STVO 2) 38/5 STVO 3) 9/1 STVO 4) 99/1b STVO 5) 64/1 KFG 6) 43/4b KFG
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über den Beschuldigten folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 1) 1.000,-- 2) 1.000,-- 3) 1.000,--
4) 11.000,-- 5) 3.000,-- 6) 1.000,--
Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarreststrafe von
1) 2) 3) 6) je 1 Tg. 4) 11 Tg. 5) 3 Tg.
gemäß 1) 2) 3) 99/3a STVO 4) 99/1b STVO 5) 6) 134/1 KFG" Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde
mit den in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten angefochtenen Bescheiden wie folgt entschieden (und zwar hinsichtlich des Spruchteiles I. durch die Kammer und hinsichtlich des Spruchteiles II. durch das Einzelmitglied):
"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 Abs. 1, 51e Abs. 2 VStG wird
I.
die Berufung gegen das Faktum 4.) als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind S 2.200,--, zu bezahlen.
Die Übertretungs- bzw. Strafnorm lautet § 99 Abs. 1 lit. b StVO.
II.
die Berufung in bezug auf die Fakten 1.), 2.), 3.) und 6.) als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafen, das sind jeweils S 200,--, insgesamt S 800,-- zu bezahlen.
Die Übertretungsnormen haben wie folgt zu lauten:
Zu den Fakten 1.) und 3.) jeweils § 9 Abs. 1 StVO zum Faktum 2.) § 38 Abs. 5 StVO
zum Faktum 6.) § 43 Abs. 4 lit. b KFG.
Die Strafnormen lauten zu 1.), 2.) und 3.) § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu 6.) § 134 Abs. 1 KFG. Der Berufung in Bezug auf das Faktum 5. wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 1 VStG eingestellt."
Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zu I.:
Der Beschwerdeführer - ein Arzt - beruft sich hinsichtlich der Bestrafung wegen der Verweigerung der Atemluftuntersuchung auf Notstand bzw. Putativnotstand. Er sei unmittelbar vor seiner Anhaltung von seiner Ehefrau informiert worden, daß es bei seiner 16 Monate alten Tochter zu starken Blutungen ungeklärter Ursache gekommen sei. Von einem Arzt müsse in Erwägung gezogen werden, daß bei starken Blutungen ungeklärter Ursache die hohe Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung vorliege. "Im gegenständlichen Fall war daher die Abklärung dieser Situation Gegenstand des Notstands."
Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß er in seiner Vernehmung als Beschuldigter am 11. Juni 1997 vor der Erstbehörde folgendes ausgesagt hat:
"Meine Tochter hatte Nasenbluten. Ich war der Ansicht, daß meine damalige Ehefrau in dieser Lage nicht wußte, was sie tun solle. Ich habe ihr schon gesagt, was sie tun soll, hielt es aber trotzdem für notwendig, selbst nach meiner Tochter zu sehen. Deshalb hatte ich nicht die Zeit, zum Zwecke des Alkotestes ins WZ mitzufahren."
Wenn die belangte Behörde aus dieser Aussage den Schluß zog, daß zur Tatzeit kein "Krankheitsbild" der Tochter des Beschwerdeführers vorgelegen sei, welches sein sofortiges Einschreiten erforderlich gemacht hätte, kann ihr nicht entgegengetreten werden, zumal er seiner damaligen Ehefrau ohnehin die erforderlichen Anweisungen erteilt hatte. Daß die vom Beschwerdeführer beantragte Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar und wird auch vom Beschwerdeführer nicht näher konkretisiert.
Bei dieser Sachlage ist weder ein Notstand im Sinne des § 6 VStG, nämlich ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1991, Zl. 91/02/0097), gegeben noch die irrtümliche Annahme eines Notstandes (Putativnotstand) gerechtfertigt, fehlen doch jegliche Anhaltspunkte, welche eine Unaufschiebbarkeit der ärztlichen Hilfeleistung durch den Beschwerdeführer auch für die kurze Dauer der Atemluftuntersuchung begründet erscheinen lassen könnten. Dazu kommt, daß eine zweckentsprechende Behandlung des an Nasenbluten leidenden Kindes nicht nur vom Beschwerdeführer selbst, sondern von jedem ausgebildeten Arzt erwartet werden kann. Der Beschwerdeführer hätte daher der behaupteten Gesundheitsgefährdung seiner Tochter auch anders als durch Begehung der objektiven strafbaren Handlung, nämlich durch Verständigung des Notarztes, eines anderen Arztes oder der Rettung, begegnen können (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. November 1991, Zl. 91/02/0097).
Ob der Beschwerdeführer - wie er behautpet - nach Abklärung des Gesundheitszustandes seiner Tochter zur Ablegung der Atemluftuntersuchung bereit gewesen wäre, ist nicht entscheidungswesentlich, kann doch die zu einer Untersuchung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 aufgeforderte Person nicht selbst den Zeitpunkt der Untersuchung bestimmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0028).
Schon aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde in Ansehung des angefochtenen Bescheides der Kammer (Spruchteil I.) als unbegründet; sie war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Zu II.:
In Ansehung der Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Verwaltungsübertretungen nach den §§ 9 Abs. 1 und 38 Abs. 5 StVO 1960 sowie § 43 Abs. 4 lit. b KFG 1967 sind die Voraussetzungen des § 33a VwGG erfüllt, sodaß die Behandlung der Beschwerde in diesen Punkten abgelehnt werden konnte.
Der Kostenausspruch beruht auf § 58 Abs. 1 VwGG.
Wien, am 17. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998030298.X00Im RIS seit
12.06.2001