TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/3 W272 2207287-4

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Entscheidungsdatum

03.04.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W272 2207287-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl:

275787408/180939816, über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid vom 04.10.2018, Regionaldirektion Niederösterreich, wurde über den betroffenen Fremden (BF) gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF befindet sich seit 04.10.2018 in Schubhaft. Davor wurde gegen den BF mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen, gegen welches er Beschwerde erhob, die wiederum mit bereits rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2018 abgewiesen.

2. Dem BF liegen drei rechtskräftige Verurteilungen wegen Suchtmittelhandels (1), gefährlicher Drohung und Körperverletzung

(2) sowie zuletzt neuerlich gefährlicher Drohung (3) aus den Jahren 2012, 2014 und 2016 zur Last.

3. Am 16.08.2018 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ-Verfahren) bei der nigerianischen Botschaft in Wien eingeleitet, welches nach wie vor mit Nachdruck betrieben wird und welches der BF durch seine Abwesenheit bei der Botschaft am 17.08.2018 verzögert hat. Der BF ist dadurch einer angeordneten Verpflichtung gem. § 77 FPG nicht nachgekommen und hat dadurch das Verfahren verzögert. In der Folge legte er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vor. Am 04.10.2018 wurde er jedoch bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne in Besitz einer entsprechenden arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung sowie des erforderlichen Aufenthaltstitels zu sein betreten.

4. Die Beschwerde des BF gegen die Anordnung der Schubhaft sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft wurde mit Erkenntnis des BVWG zur Zahl W186 2207287-1/10 E vom 16.10.2018 abgewiesen, mit Erkenntnis vom 04.02.2019 zur Zahl G307 2207287-2/5Z sowie vom 29.02.2019 zur Zahl G308 2207287-3/2E wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen sowie die Aufrechterhaltung im Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht unverhältnismäßig ist.

5. Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 28.03.2019 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des §22a Abs. 4 BFA-VG den Verwaltungsakt womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt". In der Beilage wurde ausgeführt, dass Gründe für eine Entlassung aus der Schubhaft sich zwischenzeitig nicht ergeben haben. Am 08.02.2019 wurde der BF der nigerianischen Botschaft tatsächlich vorgeführt. Mit der Begründung, dass sich der Konsul mit der Botschafterin in Hinblick auf die familiäre Situation des Fremden besprechen wolle, wurde bis dato noch kein Heimreisezertifikat ausgestellt. Dieses wird laufend urgiert und ist die Ausstellung nicht aussichtslos.

Zum detaillierten Verfahrensgang wird auf die bereits ergangenen Erkenntnisse verwiesen.

Hiezu ist auszugweise seitens der Behörde vorgebracht:

Es darf lediglich hervorgehoben werden, dass der Fremde nicht ausreisewillig ist. So hat der Fremde gegen behördliche Auflagen im gelinderen Mittel verstoßen und gegenüber der Behörde niederschriftlich am 04.10.2018 seinen Unwillen das Bundesgebiet zu verlassen kundgetan und angekündigt, sich einer Abschiebung und somit der Durchsetzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gegen seine Person zu widersetzen.

Dass der Fremde kein schützenswertes Privatleben im Sinne Art. 8 EMRK und auch kein Familienleben im Sinne Art. 8 EMRK hat ist im Bescheid festgehalten. Auf die Ausführungen im rechtkräftigem BVwG-Erkenntnis vom 23.05.2018, wonach der Fremde zu beiden Kindern seit 5 Jahren und auch zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin keinen Kontakt mehr hat, wird verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Bemühungen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

Die Verfahrenspartei befindet sich seit 04.10.2018 in Schubhaft. Mit der Ausstellung eines HRZ ist laut Aussage der Behörde in naher Zukunft zu rechnen bzw. nicht aussichtslos. Es sind keine Umstände hervorgekommen, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken. Solches wurde vom Fremden auch nicht, etwa in seiner Schubhaftbeschwerde, geltend gemacht.

Die Bemühungen der Behörde durch Vorführung bei der nigerianischen Botschaft sind aktenkundig, ebenso die Urgenzen. Die Verzögerung aufgrund des Verhaltens der Verfahrenspartei können der Behörde nicht zugerechnet werden.

Die Verfahrenspartei ist nicht vertrauenswürdig, und hat sich in der Vergangenheit nicht an die Anordnungen eines gelinderen Mittels gehalten.

Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft liegen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung weiterhin vor.

Die Verfahrenspartei ist gesund und benötigt keinerlei Medikamente.

Die Haftfähigkeit der Verfahrenspartei ist zum Entscheidungszeitpunkt gegeben.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

Aufgrund der dem Gericht vorgelegten Stellungnahme des BFA lässt sich aus derzeitiger Sicht auch erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des BF als wahrscheinlich anzusehen ist. Die Abschiebung erscheint somit zeitnah effektuierbar. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung der Verfahrenspartei nach heutigem Wissensstand durchaus möglich und realistisch erscheint.

Im Hinblick auf das eingeleitete Abschiebungsverfahrens ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die Behörde hat das Verfahren bislang rechtskonform geführt.

Privat- und Familienleben bzw. Fluchtgefahr:

Die Verfahrenspartei hat 2 Söhne im Bundesgebiet, ist in Österreich weder legal erwerbstätig noch sozialversichert und spricht Deutsch. Die Verfahrenspartei verfügt über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Sie verfügt kaum über Barmittel und bringt keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Sie ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Auch besteht seit vielen Jahren kein Kontakt mehr zu seinen Söhnen in Österreich.

Der BF wurde mehrmals strafgerichtlich verurteilt.

Die Verfahrenspartei ist nicht bereit, das österreichische Bundesgebiet freiwillig zu verlassen und ist auch sonst nicht willig zur Kooperation mit den Behörden. Im Falle der Verfahrenspartei liegt daher Fluchtgefahr vor. Auf der Tatsachenebene liegen keine Änderung - Fluchtgefahr und Möglichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere den zitierten Vorerkenntnisen und den letzten Erhebungen. Auch die Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich nach Durchführung einer Verhandlung umfassend mit dem damaligen Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt und konnte daher aufgrund des vorgelegten Aktes, des Verfahrensganges und der Beschwerde von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts abgesehen werden.

Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Verfahrenspartei sowie über dessen kaum vorhandenen Barmittel und dessen mangelnde Fähigkeit, sich in Österreich außer durch illegale Erwerbstätigkeit selbst zu erhalten, ergeben sich aus den unwidersprochen gebliebenen Angaben im Schubhaftbescheid und des Verwaltungsaktes. Des Weiteren ist auf die Angaben der Verfahrenspartei im Rahmen der Einvernahme vom 04.10.2018 und vor dem BVwG zu verweisen.

Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass er in Österreich nur wenig integriert ist und dass er seine Freilassung wiederum dazu nützen wird, sich seiner Abschiebung zu entziehen.

Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr und akutem Sicherungsbedarf ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Die Schubhaft ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.

Ferner kam der BF der Anordnung, sich in regelmäßigen Abständen bei der Polizeiinspektion Lasallestraße einzufinden nicht oder nur zögerlich nach (Auskunft PI Lasallestraße). Er wurde am 04.10.2018 in Tresdorf auch bei der unerlaubten Ausübung einer Beschäftigung betreten, in dem er Paketverladearbeiten durchführte. Schließlich konnte keine intensive Bindung zu seiner Exfreundin, seit 2013 nicht mehr zusammen (Verhandlungsprotokoll v. 04.02.2019) und seinen beiden Söhnen ins Treffen geführt werden. Der BF hatte seit fünf Jahren keinen Kontakt zu seinen Kindern. Insgesamt erweist sich sein Verhalten weiterhin als nicht vertrauenswürdig und besteht noch immer Fluchtgefahr: "Ich möchte mein Kind, gehe ich, wo immer auch hin." (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Auch die Abschiebung des BF in seine Heimat erscheint nunmehr zeitnah möglich. Zumal eine Vorführung vor die nigerianische Botschaft erfolgte, wenn auch verspätet da der BF bei der ersten beabsichtigten Vorstellung nicht anwesend war. Vor diesem Hintergrund und der Nachlässigkeit des Verhaltens des BF sowie des intensiven Betreibens der Erlangung eines HRZ durch das Bundesamt (letzte Urgenz am 28.03.2019), wird die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft als rechtmäßig und verhältnismäßig angesehen, zumal deren bisherige Dauer auf das Fehlverhalten des BF zurückzuführen ist.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z1, Z3, Z5 und Z9 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat schon einmal durch nicht zeitgerechte Anwesenheit bei der nigerianischen Botschaft das Verfahren behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Andernfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden.

Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei). Die Behörde urgierte laufend und zuletzt am 28.03.2019 auf das HRZ und teilte mit, dass eine Erlangung des notwendigen Dokumentes nicht aussichtslos ist und daher eine Abschiebung nach derzeitigem Stand möglich ist.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass bei den nigerianischen Behörden Überprüfungen zur Identität des Beschwerdeführers anhängig sind / von der Realisierbarkeit der Abschiebung ist immer noch auszugehen - auch verhältnismäßig.

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakte zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen der Verfahrenspartei an den Rechten ihrer persönlichen Freiheit in Bezug auf ihre familiären bzw. sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass die Verfahrenspartei im Bundesgebiet zwar über Familienangehörige verfügt, der Kontakt jedoch schon vor Jahren abgerissen ist.

Die Verfahrenspartei ist zudem in Österreich weder legal erwerbstätig noch sozialversichert. Sie hat letztendlich gar keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt auch über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Die Verfahrenspartei verfügt kaum über Barmittel und brachte keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Sie ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.

In diesem Zusammenhang war auch die mehrfache Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und § 76 Abs. 2a FPG anzuwenden: "(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt."

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft,
Mittellosigkeit, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W272.2207287.4.00

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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