TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/4 W235 2128257-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.04.2019
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Entscheidungsdatum

04.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W235 2128257-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Guinea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2016, Zl. 1020278606-14670090, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.05.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.05.2014 gab der Beschwerdeführer zunächst zu seiner Person an, dass er am XXXX .1984 in Conakry geboren, ein Angehöriger der Volksgruppe der Fulla und sunnitischer Moslem sei. Der Beschwerdeführer sei traditionell verheiratet und habe vor der Ausreise in XXXX gelebt. In seiner Kindheit sei er in die Koranschule gegangen, könne jedoch nicht mehr als in arabischer Schrift schreiben und seinen Namen lesen. Im Herkunftsland würden noch seine Eltern, seine Schwester, seine Ehegattin und seine minderjährige Tochter leben. In Österreich sei sein jüngerer Bruder als Asylwerber aufhältig. Am XXXX .2014 sei der Beschwerdeführer legal mit seinem eigenen Reisepass aus Guinea ausgereist und nach Madrid geflogen. Seine Eltern hätten ihm ein Visum besorgt und ihm gesagt, dass es ein Schengen-Visum sei. Wer es ausgestellt habe und von wann bis wann es gültig sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Sein Reisepass sei ihm mit seiner Tasche gestohlen worden als er geschlafen habe. Von Madrid aus sei er dann am XXXX .2014 nach Wien geflogen.

Sein Heimatland habe er verlassen, da ihm seine Mutter am XXXX .2014 gegen 05:00 Uhr früh als er sich gerade auf eine Reise vorbereitet habe, gesagt habe, dass sein Bruder wegen einer Sache beschuldigt werde und "sie" ihn töten wollten. Wenn "sie" seinen Bruder nicht fänden, würden "sie" den Beschwerdeführer töten, da "sie" gewusst hätten, dass der Beschwerdeführer zu Hause sei, da sein Auto vor der Türe gestanden wäre. Eine Gruppe, zu der sein Bruder gehört habe, habe man beschuldigt, am Markt einen Wächter getötet zu haben. Daher sei der Beschwerdeführer geflohen. Weiters gebe es noch ein Problem aus 2013 und eines aus 2010. 2013 sei ein Fußballspieler von Uniformierten zu Tode geprügelt worden und habe "die Jugend" dagegen protestiert. Der Beschwerdeführer und sein Bruder seien auch dabei gewesen. Sein Bruder sei von der Polizei mitgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei mit seinem Auto angehalten, gefesselt und gefoltert worden. Dann sei er beschuldigt worden, dass er in seinem Auto Waffen habe, die man von der Gendarmerie gestohlen hätte. Dies sei jedoch eine falsche Beschuldigung gewesen. Im Jahr 2010 seien der Beschwerdeführer, sein Bruder und ihr Vater vor dem Geschäft des Vaters gesessen und seien von [Angehörigen der Volksgruppe der] Malinke angegriffen worden, die gesagt hätten, sie würden nicht akzeptieren, dass Guinea von den Fulla regiert werde. Der Beschwerdeführer sei geschlagen und durch die Straßen geschleift worden. Dann sei die Polizei gekommen und habe die Malinke mit Schüssen vertrieben. Auch ein Freund des Vaters - ebenfalls ein Malinke - habe die Familie des Beschwerdeführers beschützt. Bei einer Rückkehr nach Guinea würde man den Beschwerdeführer töten. Mit staatlichen Sanktionen habe der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Guinea nicht zu rechnen. Wäre Guinea ein Rechtsstaat, gäbe es so etwas wie einen Haftbefehl. Die Polizei dort sei wie eine Banditenbande. "Diese Sachen" stünden alle in der Zeitung, aber der Beschwerdeführer selbst habe keine Beweise.

1.3. Aufgrund einer schriftlichen Aufforderung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, sämtliche verfahrensrelevante Unterlagen (Dokumente, Beweismittel, Sonstiges) im Original vorzulegen, legte der Beschwerdeführer seinen nationalen Führerschein, Nr. XXXX , ausgestellt am XXXX .2012 in (schlecht leserlicher) Kopie vor.

Weiters findet sich im Verwaltungsakt ein Internetzeitungsartikel ("Guineenews.org") vom XXXX .2013 in französischer Sprache. Der vom Bundesamt eingeholten Übersetzung ist zu entnehmen, dass es sich um einen Bericht über eine Jugenddemonstration in XXXX mit mindestens drei Toten - darunter zwei Gendarmen - und mehr als zehn Verletzten handle. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass an diesem Tag die Zusammenstöße zwischen Gendarmen der Einheit Nr. XXXX und den jungen Demonstranten wieder aufgeflammt seien. Die Demonstranten hätten die Freilassung ihrer in der vorigen Nacht im Anschluss an die Unruhen verhafteten Freunde gefordert. Trotz Intervention der Behörden und mehrerer hochgestellter Persönlichkeiten hätten die Jugendlichen an dieser Forderung festgehalten. Sie hätten in der gesamten Stadt Barrikaden errichtet und Reifen angezündet, bevor sie die Basis der Einheit angegriffen hätten. Nach ca. zweistündigem erfolglosen Einsatz von Tränengas hätten die Gendarmen begonnen scharf zu schießen. Während der Veröffentlichung dieser Informationen würden die Demonstrationen unvermindert weitergehen und es würden mindestens drei Tote - darunter zwei Gendarmen - und mehr als zehn Schwerverletzte gezählt. Diese Demonstration sei die Folge des Todes eines früheren Fußballers, der von Agenten der Einheit Nr. XXXX in der Nacht von Samstag auf Sonntag, den XXXX .2013, totgeprügelt worden sei. Laut zuverlässigen Quellen seien die acht Gendarmen, die das Verbrechen verübt hätten, bereits verhaftet worden (vgl. AS 53).

Im Verwaltungsakt ist eine E-Mail vom 23.03.2016 zu finden, die offensichtlich ebenfalls eine deutsche Übersetzung eines Zeitungsartikels beinhaltet, wobei der bezughabende Artikel im Akt des Bruders des Beschwerdeführers aufliegt. Die deutsche Übersetzung hat den Titel "Unsicherheit in XXXX : ein Stabsgefreiter von bewaffneten Banditen niedergestreckt worden" und handelt von einem Vorfall am XXXX .2014, bei dem ein Stabsgefreiter des Camps XXXX in XXXX umgebracht worden sei. Der Stabsgefreite sei einer der Wachen des Marktes " XXXX ", der im Zentrum von XXXX liege, gewesen. Am XXXX .2014 habe er gegen zwei Uhr früh Besuch von sechs schwerbewaffneten Banditen bekommen, die ihm eine Kugel in den Fuß geschossen und ihn danach mit einem Messer aufgeschlitzt hätten. Nach der Ermordung des Stabsgefreiten hätten die Banditen eine große Summe Geld und wertvolle Gegenstände mitgenommen. Dieser kriminelle Akt sei in XXXX nicht ungewöhnlich. Vor drei Monaten sei ein Patrouillenfahrzeug desselben Camps von sechs Kugeln getroffen worden, die von Banditen abgefeuert worden seien. Auch diese Banditen hätten eine große Menge Gold, Geld und Goldsuchgeräte entwendet. Zur Erinnerung: Während der Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Gendarmen der Einheit Nr. XXXX am XXXX .2013 sei die Waffenkammer der Einheit ausgeraubt und eine große Menge Waffen von Unbekannten geraubt worden (vgl. AS 55).

1.4. Am 20.07.2015 wurde der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Fulla vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei er zunächst angab, dass es ihm gut gehe. Er nehme keine Drogen. Seine Frau habe er im Jahr 2008 traditionell in Conakry geheiratet. Sie hätten eine gemeinsame Tochter und in XXXX in der Nähe des Marktes " XXXX " gewohnt. Derzeit würden seien Ehegattin und seine Tochter bei seinen Schwiegereltern in der Stadt XXXX in der Nähe von Conakry leben. Es gehe ihnen gut. Der Beschwerdeführer habe zu seinen Angehörigen telefonischen Kontakt. Der Beschwerdeführer sei in Conakry geboren und habe dort seinem Vater geholfen. Eine Schule habe er nicht besucht. Im Jahr 1998 - nach der Zerstörung des Hauses - sei die Familie nach XXXX übersiedelt. Das Haus sei - wie viele andere Häuser auch - durch die Regierung zerstört worden, da man Platz für Institutionen gebraucht habe. Der Beschwerdeführer habe LKW fahren gelernt. 2012 habe er sich einen PKW gekauft und Taxifahren verrichtet. Sein Bruder lebe ebenfalls in Österreich als Asylwerber. In Guinea würden noch seine Eltern, seine Schwester und eine Tante leben.

Der Beschwerdeführer sei am XXXX .2014 von XXXX nach Conakry zu seiner Tante geflohen. Nachdem er seiner Tante "das Problem" erklärt habe, habe ein Freund des Vaters angerufen und gesagt, dass die Lage sehr ernst sei und der Bruder des Beschwerdeführers das Land bereits verlassen habe. Wenn bekannt geworden wäre, dass der Beschwerdeführer in Conakry sei, wäre er verhaftet worden. Seine Tante habe ihm durch Bestechung einen Reisepass besorgt, mit dem er nach Madrid geflogen sei. Das Geld habe seine Tante einem älteren Mann gegeben, der die Formalitäten erledigt habe und mit dem Beschwerdeführer gemeinsam nach Madrid geflogen sei. Von XXXX .2014 bis XXXX .2014 sei er in Madrid geblieben. Dort habe er keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, weil man ihm gesagt habe, dass sein Bruder in Österreich sei. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer Sicherheit oder die Familienzusammenführung in Österreich gewollt habe, gab er an: "Eigentlich wollte ich Sicherheit, aber ich wollte auf meinen jüngeren Bruder aufpassen.".

Dezidiert zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder beschuldigt worden sei, mit einer Gruppe einen Mann umgebracht zu haben. Dabei habe man gesagt, wenn sein Bruder nicht getötet werde, werde man ein anderes Familienmitglied töten. Am XXXX .2014 sei der Beschwerdeführer um 05:00 Uhr morgens von einer Reise nach Hause gekommen und habe ihm seine Mutter am nächsten Vormittag gesagt, dass Leute gekommen seien, die seinen Bruder beschuldigt hätten, jemanden getötet zu haben. Wenn sie ihn nicht erwischten, hätten sie angekündigt, jemand anderen - nämlich den Beschwerdeführer - aus der Familie zu töten. Daraufhin sei er durch das Fenster geflüchtet. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass die Männer Militärs und Verwandte des Ermordeten gewesen seien. Als seine Mutter die Männer gesehen habe, sei sie ins Haus gekommen und habe die Türe abgeschlossen. Auf Vorhalt, dass die Mutter dann gar nicht gewusst haben könne, worum es gegangen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht genau sagen könne, was gewesen sei, bevor die Mutter die Tür abgesperrt habe. Er wisse nur, was ihm die Mutter gesagt habe. Ob die Männer das Haus danach durchsucht hätten, wisse er nicht. Der Beschwerdeführer habe zwar angerufen, aber niemand habe abgehoben. Sein Bruder sei zu der Zeit an seiner Arbeitsstelle gewesen. Diese sei ca. fünf Minuten zu Fuß vom Haus entfernt gewesen. Warum sein Bruder verdächtigt worden sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Sein Bruder gehöre auch keiner Bande an. Es sei auch nicht das erste Mal, dass er verdächtigt worden sei. 2013 sei sein Bruder beschuldigt worden, bei der Zerstörung einer Polizeistation und dem Diebstahl von Waffen dabei gewesen zu sein. Damals sei behauptet worden, dass diese Waffen mit dem Taxi des Beschwerdeführers weggebracht worden seien. Daraufhin sei der Beschwerdeführer unterwegs festgenommen, gefesselt, geschlagen und gefoltert worden. Er sei dann einen Monat eingesperrt worden. Als sein Vater und einige Freunde zum Kommandanten gegangen seien und mit diesem verhandelt hätten, habe der Beschwerdeführer sein Auto wiedergekommen und habe gehen dürfen. Danach sei alles in Ordnung gewesen. Bis zum XXXX .2014 habe der Beschwerdeführer keine Probleme mehr gehabt. Auch sein Bruder habe nach der Freilassung keine Probleme mehr gehabt. Ob zur Freilassung seines Bruders etwas ausgehandelt worden sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Sein Bruder und er seien nicht im selben Gefängnis gewesen. Es sei ihm nur gesagt worden, dass "sie" mit dem Kommandanten gehandelt hätten.

Zu den von ihm vorgelegten Artikeln gab der Beschwerdeführer an, diese seien ihm von einem Freund geschickt worden, der von seiner Frau gebeten worden sei, Unterlagen zu besorgen, die dem Beschwerdeführer im Verfahren behilflich sein könnten. Dieser Zeitungsausschnitt hänge mit der Ermordung des Wachmanns zusammen. Auf Vorhalt, dass darin jedoch von Banditen und vom Diebstahl wertvoller Gegenstände gesprochen werde, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht lesen und schreiben könne. Auf Vorhalt, dass dieser Artikel keinen Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeführer bzw. seinem Bruder herstellt und auf die Frage, ob sein Bruder ein "Bandit" sei, gab der Beschwerdeführer an, sein Bruder sei kein Bandit. Freunde seines Bruders kenne er nicht.

Der Beschwerdeführer habe keine näheren sozialen Kontakte zur österreichischen Gesellschaft. Er lebe in einer betreuten Unterkunft der Grundversorgung. Der Deutschkurs sei schwierig, da die Lehrerin viel Englisch spreche. In Österreich habe er sich nicht um Arbeit bemüht. Zu den Länderfeststellungen des Bundesamtes zur Lage in Guinea mit der Möglichkeit zur Einbringung einer Stellungnahme gab der Beschwerdeführer an, er habe niemanden, der dies für ihn erledigen könne.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Guinea gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG abgewiesen. Ferner wurde ihm unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Guinea gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage/zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer guineischer Staatsbürger sei. Angeblich sei er verheiratet und habe eine Tochter. Der Beschwerdeführer gehöre dem muslimischen Glauben an. Er leide nicht an lebensbedrohlichen Krankheiten. Der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX , sei ebenfalls als Asylwerber in Österreich und berufe sich im Wesentlichen auf dieselben Fluchtgründe wie der Beschwerdeführer. Nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Guinea zu gewärtigen habe. Es seien keine Umstände amtsbekannt, dass in Guinea eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben von Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre. Der Beschwerdeführer lebe seit Mai 2014 im österreichischen Bundesgebiet. Seine Ehefrau und sein Kind wurden sich in XXXX in Guinea aufhalten. Der Bruder des Beschwerdeführers sei ebenfalls Asylwerber und lebe in der gleichen Unterkunft wie der Beschwerdeführer. Er bestreite seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus Zuwendungen der öffentlichen Hand. Sein Aufenthalt gründe sich lediglich auf das vorläufige Aufenthaltsrecht nach dem AsylG. Die deutsche Sprache beherrsche der Beschwerdeführer nur geringfügig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 13 bis 27 des angefochtenen Bescheides unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zur Lage in Guinea.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass das Bundesamt aufgrund der Sprachkompetenz davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Guinea sei. Der Beschwerdeführer habe keine medizinischen Befunde in Vorlage gebracht, die dokumentiert hätten, dass er an behandlungsnotwendigen Erkrankungen leide. Betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes verwies die Behörde zunächst auf die beiden vorgelegten Zeitungsartikel und führte aus, dass eine Recherche zwar ergeben habe, dass die Artikel authentisch seien, die vorgebrachte Schilderung der Fluchtgründe allerdings erhebliche Ungereimtheiten aufweise, sodass davon ausgegangen werde, dass der Beschwerdeführer rund um tatsächliche Ereignisse in XXXX ein für ihn passendes Fluchtvorbringen konstruiert habe. In der Folge führte das Bundesamt mit näherer Begründung und unter Anführung von Beispielen aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers jeglicher Logik entbehren würden und sich der Sachverhalt nicht wie geschildert zugetragen haben könne. Abgesehen von dem nicht als glaubwürdig anzusehenden Fluchtvorbringen wäre dem Beschwerdeführer jederzeit die innerstaatliche Fluchtalternative offen gestanden. Hier sei insbesondere die Stadt Conakry erwähnt, in welcher er auch auf seiner Flucht bereits kurze Zeit aufhältig gewesen sei. In einer Zusammenschau müsse festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben seien und der Beschwerdeführer aus anderen als aus den von ihm geschilderten Gründen die Flucht aus Guinea angetreten habe. Aufgrund der Volljährigkeit des Beschwerdeführers seien auch allfällige, aus dem Lebensalter resultierende soziale und wirtschaftliche Benachteiligungen auszuschließen. Die landeskundlichen Feststellungen würden deutlich belegen, dass die gegenwärtige Allgemeinlage in Guinea alles andere als zufriedenstellend sei. Das "offizielle" Guinea mit seinen Behörden sei zwar willig und bemüht, die dort lebenden Menschen vor wie auch immer gearteten Übergriffen zu schützen und habe auch selbst deutliche und erfolgreiche Anstrengungen unternommen, sein Rechtssystem menschenrechtskonform und das Rechtsschutzsystem effizient zu gestalten. Dennoch würden verschiedene Interessensgruppierungen immer wieder versuchen, ihre eigenen Ziele mittels außerhalb der Legalität stehender Aktivitäten durchzusetzen. Allerdings sei klar zu sagen, dass die Intensität bzw. Quantität derartiger Übergriffe nicht überall gleich ausgeprägt sei. Nach den Länderfeststellungen gebe es unzählige nationale, internationale, staatliche, halbstaatliche und private Hilfs- und Unterstützungseinrichtungen, die bei Bedarf um Unterstützungsleistungen angegangen werden könnten. Gerade Conakry biete auch wenig qualifizierten Menschen in Verbindung mit den angesprochenen Unterstützungseinrichtungen realistische Möglichkeiten einer Existenzsicherung. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch weiterhin in der Lage sein werde, sich in seinem Herkunftsstaat versorgen zu können. In einer Gesamtbetrachtung werde davon ausgegangen, dass keine Hinderungsgründe einer Rückkehr gegeben seien und auch keine Gründe vorlägen, die zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen könnten. Ein allfällig während des Aufenthaltszeitraumes begründetes Privatleben sei per se nicht geeignet, eine Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs zu begründen. Die Feststellungen zu Guinea würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass keine asylrelevanten Ausreisegründe vorgebracht worden seien. Der Beschwerdeführer sei zu seinem Fluchtvorbringen nicht glaubhaft. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine glaubhaften Angaben darüber habe machen können, dass er im Fall der Rückkehr einer konkreten Gefahr oder einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Es hätten sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Guinea in eine lebensbedrohende Notlage geraten würde oder einer realen, nicht bloß auf Spekulationen gegründeten Gefahr ausgesetzt wäre. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die angebliche Ehefrau mit dem gemeinsamen Kind immer noch in Guinea aufhältig sei und daher davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr auf bestehende Familienstrukturen zurückgreifen könne. Dem Beschwerdeführer hätte bereits bei Antragstellung klar sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich im Fall der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender sei. Gegen den weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich spreche, dass kein asylrelevanter Einreisegrund bestehe, er ausschließlich von der öffentlichen Hand lebe und keine Bemühungen gezeigt habe, offiziell einer erlaubten Erwerbstätigkeit als Saisonkraft nachzugehen. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache nicht ausreichend und habe sich noch keine kulturellen Werte von Österreich angeeignet. Es hätten keine Hinweise gefunden werden können, die den Schluss zuließen, dass durch eine Ausweisung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werde.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer am 10.05.2016 amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am

XXXX .2016 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass es bereits bei der Erstbefragung zu Übersetzungsproblemen und Falschprotokollierungen gekommen sei. Im Fall einer Rückkehr nach Guinea wäre der Beschwerdeführer einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Der Beschwerde beigelegt waren folgende Unterlagen:

* Empfehlungsschreiben einer Bekannten vom XXXX .2016;

* Teilnahmebestätigung am Kurs "Deutsch für AsylwerberInnen Alphabetisierung" vom XXXX .2016;

* Schreiben der Deutschlehrerin des Beschwerdeführers vom XXXX .2016, in welchem diese Bemühungen des Beschwerdeführers zur Arbeitssuche bestätigt;

* zwei Stellenangebote des AMS für die Stelle als Abwäscher/in und

* gemeinsames Schreiben des Beschwerdeführers und seines Bruders, in welchem die vorgebrachten Fluchtgründe nochmals wiederholt bzw. ergänzt (AS 163) wurden

4. In weiterer Folge des Beschwerdeverfahrens langten nachstehende, bis dato noch nicht vorgelegte Unterlagen beim Bundesverwaltungsgericht ein:

* Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX .2018 betreffend die Einstellung eines Verfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 StGB, § 15 StGB, § 125 StGB betreffend einen Vorfall vom XXXX .2018 und

* ÖSD Zertifikat A1 mit der Beurteilung "bestanden" vom XXXX .2018;

5. Am 04.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Fulla statt, die gemeinsam mit jener des Bruders des Beschwerdeführers geführt wurde und an der der Beschwerdeführer, sein Bruder und ihr Vertreter teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit E-Mail vom 12.10.2018 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation in Guinea zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass ihm die Niederschriften der Erstbefragung und vor dem Bundesamt rückübersetzt worden seien und er die Wahrheit gesagt habe. Den Dolmetscher in der Erstbefragung habe er nicht gut verstanden, da dieser das Fulla von Burkina Faso gesprochen habe, das ein anderer Dialekt sei. Das habe er auch vor dem Bundesamt gesagt und habe dem dortigen Einvernahmeleiter auf den Unterlagen [der Erstbefragung] zeigen wollen, wo es Probleme gegeben habe, sei jedoch darauf hingewiesen worden, dass er "damit aufhören" solle.

Zu seiner Integration in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass hier nicht verheiratet sei und auch in keiner Lebensgemeinschaft lebe. Allerdings habe er in Guinea eine Frau und eine Tochter. Er habe einen Deutschkurs besucht und die Stufe A1 erreicht. Derzeit mache der den Kurs auf der Stufe A2. Der Beschwerdeführer verkaufe eine Zeitung namens " XXXX " auf der Straße. Er habe versucht "regulär" zu arbeiten, was jedoch nicht gegangen sei, da er immer mit seiner Karte Probleme bekommen habe. Er sei auch beim AMS gewesen, wo man ihm gesagt habe, er müsse eine Firma finden, die ihn aufnehme. Aber überall, wo er gewesen sei, sei er "wegen der Karte" abgelehnt worden. Der Beschwerdeführer lebe vom Verkauf dieser Zeitung und von der Grundversorgung. Mit dem Verkauf der Zeitung verdiene er zwischen € 200,00 und € 350,00 im Monat. Das sei unterschiedlich. Wenn er in Österreich ein Aufenthaltsrecht bekäme, würde er eine "passende Arbeit" suchen und arbeiten. Sein Wunsch wäre, auch in Österreich als Autofahrer in einem Fuhrunternehmen zu arbeiten. Er habe einen Freund, der könne ihm eine Beschäftigung in einem Busunternehmen verschaffen, wenn er die Aufenthaltsberechtigung bekäme. Dann würde der Beschwerdeführer auch einen Busführerschein machen. Montag und Dienstag gehe er von 12:00 bis 14:00 Uhr in eine Schule; damit meine er den Deutschkurs A2. Das sei aber schwierig für ihn, da er nie eine Schule besucht habe. Dort werde manchmal auch auf Englisch übersetzt, was schwierig für ihn sei, da der Beschwerdeführer kein Englisch und kein Französisch könne. In seiner Freizeit mache er nicht viel. Bei der Gemeinde habe er zwar nachgefragt, ob es eine ehrenamtliche Tätigkeit gebe, habe jedoch noch keine Rückmeldung bekommen. Beispielsweise könnte er ehrenamtlich Straßen reinigen oder Ähnliches. Er habe nur eine engere Freundschaft und sonst Bekannte. Der Beschwerdeführer habe in Österreich einmal einen Streit mit einem Somalier gehabt; das sei der Vorfall vom XXXX .2018 gewesen. Sein Verfahren habe man eingestellt. Eine besondere Bindung an Österreich habe er nicht. Der Beschwerdeführer finde die Gesetze in Österreich in Ordnung und die Menschen seien nett.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er in ärztlicher Behandlung wegen seiner Augen sei. Der Arzt habe ihm Augentropfen verschrieben; diese würden wirken. Er fühle sich körperlich und geistig gesund, der Verhandlung zu folgen. Er habe einen Reisepass gehabt, der in einem Rucksack gewesen sei. Dieser Rucksack sei ihm gestohlen worden, als er in einem Park auf einer Bank geschlafen habe. Die Fotokopie seines Führerscheins und die Fotokopie der Geburtsurkunde seines Bruders habe er hingegen in der Hosentasche gehabt. Anzeige habe er nicht erstattet. Er habe einen Afrikaner getroffen, dem er erklärt habe, dass er auf der Suche nach seinem Bruder sei. Dieser Afrikaner habe Französisch gekonnt. Auf die Frage, wie sich der Beschwerdeführer mit diesem Afrikaner unterhalten habe, wenn er selbst kein Französisch könne, gab er zunächst an, er habe vorher gesagt, er könne nicht Englisch, aber er habe nicht gesagt, er könne nicht Französisch. Auf Vorhalt, er habe vorher ausgesagt, dass er kein Französisch könne, gab der Beschwerdeführer an, das habe der Dolmetscher falsch übersetzt. Mit dem Taxifahren habe er Französisch gelernt. Er könne gebrochen Französisch sprechen, aber nicht schreiben oder lesen. Der Beschwerdeführer habe im Park geschlafen und sich nicht an seinen Bruder gewandt, da er nicht gewusst habe, wo sein Bruder wohne. Er habe aber gewusst, dass sein Bruder in Österreich sei, da dies ein Freund seines Vaters seiner Tante erzählt habe. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Fulla und der islamischen Religion an. Er sei 100%ig religiös.

Zu seinen Wohnorten und zu seinen Familienangehörigen gab der Beschwerdeführer an, dass er zuletzt in XXXX gewohnt habe. Seine Ehegattin und seine Tochter würden bei den Eltern seiner Frau in XXXX leben. XXXX sei "sehr weit" von XXXX entfernt. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits im Jahr 2014 nach Sierra Leone gereist und sei sein Vater mittlerweile dort verstorben. Auf Vorhalt des Widerspruchs, vor dem Bundesamt habe er ausgesagt, dass seine Eltern in Guinea leben würden, gab der Beschwerdeführer an, das habe er nie gesagt, da habe der Übersetzer einen Fehler gemacht. Er sei in XXXX in der Gemeinde XXXX geboren und im Jahr 1998 nach XXXX gezogen. Dort habe er mit seinen Eltern, seinen beiden jüngeren Geschwistern, seiner Ehegattin und seiner Tochter in einem großen Haus zusammengelebt. Dieses Haus habe seinem Vater gehört. Der Beschwerdeführer stehe in Kontakt mit seinen Familienangehörigen. Seine Schwester lebe bei ihrer Tante in XXXX . Seine Frau sei schon weggezogen und lebe jetzt auch in Sierra Leone. Auf Vorhalt, er habe zuvor angegeben, dass seine Frau und seine Tochter in XXXX leben würden, gab der Beschwerdeführer an, das habe der Dolmetscher falsch übersetzt.

Zu seinem Leben in Guinea gab der Beschwerdeführer an, er habe ein schönes Leben gehabt. Er habe gearbeitet und Geld verdient. Bevor er das Auto gekauft habe, habe er als Lehrling bei einem Fuhrunternehmen gearbeitet. Er habe gespart und sich das Auto gekauft. Der Lehrling sei derjenige, der Fahrgäste suche und dem Fuhrunternehmer helfe. Auf Vorhalt, er habe heute angegeben, nie eine Schule besucht zu haben, habe jedoch bei der Erstbefragung gesagt, dass er eine Koranschule besucht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er gemeint habe, dass er keine formale Ausbildung in Französisch gehabt habe. Eine religiöse Ausbildung habe er schon bekommen. Die Grundlagen wie Beten habe er gelernt. In Guinea müsse man auch nicht lesen und schreiben können, um einen Führerschein zu erlangen. Den Führerschein habe er einfach gekauft; es sei ein korruptes Land. Aber trotzdem könne er Auto fahren. Der Beschwerdeführer habe in Guinea genug verdient.

Zu seinen Reisebewegungen befragt, gab der Beschwerdeführer zunächst an, er habe Guinea am XXXX .2014 verlassen. Er habe einem Mann namens XXXX € 4.000,00 bezahlt, damit er ihn zu seinem jüngeren Bruder bringe. Am Flughafen sei mit den verantwortlichen Polizeibeamten "verhandelt" worden und dann sei der Beschwerdeführer "über einen Umweg" ins Flugzeug gebracht worden. Gemeinsam mit XXXX sei er in "irgendein Land" in Europa geflogen, wo ihm XXXX seinen Pass gegeben habe. Mit diesem Pass sei er bei der Kontrolle durchgegangen und danach mit einem kleineren Flugzeug nach Spanien geflogen. XXXX habe ihn zu einer Dame geführt und gesagt, diese sei seine Frau. Die € 4.000,00, die er XXXX bezahlt habe, seien das Ergebnis seiner Arbeit gewesen. Auf Vorhalt, er habe vor dem Bundesamt angegeben, dass ihm seine Eltern ein Schengen-Visum besorgt hätten, gab der Beschwerdeführer an, er habe damit seine Tante gemeint. Der alte Mann habe seinen Reisepass bei der Passstelle ausstellen lassen. Mit "alter Mann" meine er XXXX . Auf die Frage, wieso die Behörde einen Reisepass ausstelle, wenn er gesucht werde, gab der Beschwerdeführer an, das sei ein korruptes Land. Man könne auch einen Pass ausstellen lassen. Man brauche nur Geld geben. In Spanien habe er nicht um Asyl angesucht, weil sein Bruder in Österreich sei. Sie hätten eine enge Beziehung und der Beschwerdeführer habe unbedingt hierher kommen und sehen wollen, wie es seinem Bruder gehe. Er habe auch mehr über das "Problem" erfahren wollen. Wäre sein Bruder in Spanien gewesen, hätte er in Spanien um Asyl angesucht.

Zu den Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen und zusammengefasst vor, sein jüngerer Bruder sei fälschlicherweise verdächtigt worden, an einem Mord an einem Wärter in einem Markt beteiligt gewesen zu sein. Als das passiert sei, sei der Beschwerdeführer auf einer Reise gewesen. Nach seiner Rückkehr um fünf Uhr früh habe er Lärm gehört. Er sei aufgestanden und habe seine Mutter im Wohnzimmer getroffen, die gerade die Tür zugemacht habe. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass sein Bruder und eine Gruppe zum Markt gegangen seien und dort jemanden ermordet hätten. Man sei auf der Suche nach seinem Bruder und wenn man ihn nicht finde, werde man "jemanden von uns" als Vergeltung mitnehmen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zu einem Freund geflohen. Bei diesem Freund sei er bis ca. 23:00 Uhr geblieben und dann zu seiner Tante nach Conakry gefahren. Seine Tante würde in XXXX , das gehöre zu Conakry, leben. Der Beschwerdeführer kenne "die Gruppe" seines Bruders nicht und eigentlich gehöre sein Bruder auch zu keiner Gruppe. Sein Bruder sei von der Familie des Opfers und von Freunden, die bei der Armee seien, des Mordes beschuldigt worden. Der Beschwerdeführer sei am XXXX .2014 gesucht worden; an die Uhrzeit könne er sich nicht erinnern. Wie viele Leute ihn gesucht hätten, wisse er nicht. Es seien "sehr viele" Leute gewesen. Er habe die Leute nicht gesehen; nur seine Mutter habe die Leute gesehen. Später, am Telefon, habe ihm seine Mutter gesagt, dass es die Familie des Opfers und die Militärs gewesen seien. Damals sei nur seine Mutter zu Hause gewesen. Sein Vater sei im Lebensmittelgeschäft und sein Bruder sei bereits in der Arbeit gewesen. Er habe in einer Autowerkstatt gearbeitet. Diese sei "ein bisschen weit" vom Elternhaus entfernt gewesen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass man fünf bis zehn Minuten zu Fuß gehe.

Im Jahr 2013, an einem Samstag, den XXXX hätten einige Militärs einen Spieler in XXXX so geschlagen, dass er verstorben sei. Am Sonntag, den XXXX . seien einige Leute durch die Stadt gegangen und hätten appelliert, dass man am Montag eine Demonstration mache. Da sei dann eine große Menge an Leuten durch die Straßen gegangen; auch der Bruder des Beschwerdeführers. Die Soldaten hätten Tränengas eingesetzt und mit scharfer Munition geschossen. Die Demonstranten hätten Autoreifen angezündet und die Armee mit Steinen beworfen. Als sich die Auseinandersetzung zugespitzt habe, sei der Beschwerdeführer weggefahren, da er nicht gewollt habe, dass sein Auto zu Schaden komme. Am Abend habe er erfahren, dass sein Bruder verhaftet worden sei. Am nächsten Tag habe sein Vater nachsehen wollen, habe jedoch zum Beschwerdeführer gemeint, er solle nicht mitkommen, da er "zu den Gesuchten" gehöre. Am XXXX sei der Beschwerdeführer zum Taxibahnhof gefahren, um Fahrgäste aufzunehmen. Nachgefragt gab er an, dass es sich um den Monat Dezember gehandelt habe. Er sei schon während der Fahrt von Militärs verfolgt worden, die ihn dann angehalten hätten. Er sei gewaltsam aus dem Auto gezerrt und mitgenommen worden. Sie hätten ihm erzählt, dass sein Bruder angeblich die Gendarmerie überfallen und zerstört habe. Dabei seien Waffen gestohlen worden und "sie" hätten dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass die Waffen in sein Auto zum Transport gebracht worden seien. Dann sei er auf der Polizeistelle eingesperrt worden. Sein Vater und dessen Freund hätten ihn besucht. Der Freund sei mit dem Chef der Haftanstalt bekannt gewesen. Dieser Chef habe den Beschwerdeführer ersucht, das Versteck der Waffen zu verraten. Er habe gesagt, dass er das nicht wisse, da er nie Waffen versteckt habe. Der Beschwerdeführer sei ein Monat in Haft gewesen und da sein Vater mit dem Chef verhandelt habe, sei er aus der Haft entlassen worden. Der erwähnte Freund seines Vaters sei ein einflussreicher Mann; dieser sei eine wichtige Person in XXXX und auch ein Angehöriger der Volksgruppe der Malinke.

Im Jahr 2010 sei es um Politik gegangen. Die Malinke in XXXX hätten die Angehörigen der Fulla angegriffen. Auch der Beschwerdeführer und sein Vater seien angegriffen worden. Seinem Bruder sei es gelungen zu fliehen. Man habe sie zusammengeschlagen, da die Malinke der Ansicht seien, ein Fulla könne nicht an die Macht kommen, denn Fulla würden nicht zu Guinea gehören. Dann seien die Militärs gekommen, hätten in die Luft geschossen und den Beschwerdeführer befreit. Die Vorfälle von 2010 würden sich bis heute wiederholen; es habe sich nichts geändert. Als er [gemeint: der Präsident von Guinea Alpha Conde] an die Macht gekommen sei, sei eine Zeit lang Ruhe gewesen. Bei den Präsidentenwahlen 2015 sei es wieder zu ähnlichen Unruhen gekommen. Da sei der Beschwerdeführer jedoch nicht mehr in Guinea gewesen. Auf die Frage, aus welchen Gründen der einflussreiche Freund des Vaters ihn nicht beschützen könne, gab der Beschwerdeführer an, dass dieser nicht da gewesen sei, als "das" passiert sei.

In Guinea könne der Beschwerdeführer auch in anderen Landesteilen, außerhalb von XXXX , leben. In Conakry könne er leben, aber auch in XXXX in XXXX . Aber Alpha Conde habe überall in diesen Ortschaften "Donso" [Anm.: das sind traditionelle Jäger], die gefährlich für das Leben des Beschwerdeführers seien. Er habe auch noch Audio- und Videobeweise, die Ereignisse betreffen würden, die im Nachhinein passiert seien. Es gehe um Ereignisse aus den Jahren 2017 und 2018. Das betreffe ihn zwar nicht persönlich, aber in den Unterlagen des Bundesamtes sei geschrieben, dass es in Guinea eine Sicherheit gebe; daher wolle er darauf verweisen. Bei einer Rückkehr würde er keinen Frieden und kein Wohl finden. Er würde sofort verhaftet, geschlagen und getötet werden, denn er werde immer noch gesucht. Er hätte keine Sicherheit.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer nachstehende Unterlagen vor:

* Ausweis von " XXXX Straßenzeitung für XXXX " (Beilage ./1);

* Bestätigung von " XXXX " vom XXXX .2018, der zufolge der Beschwerdeführer seit 2016 Mitglied des XXXX verkäuferteams ist (Beilage ./2);

* (bereits vorgelegte) Deutschkursbesuchsbestätigung vom XXXX .2016 (Beilage ./3);

* undatierte Spracheinstufungsbestätigung A1/2 (Beilage ./4);

* Kursbesuchsbestätigung "Deutsch für Asylwerbende - A1/2 - XXXX " vom XXXX .2017 (Beilage ./5) und

* (bereits vorgelegtes) ÖSD Zertifikat A1 vom XXXX .2018

6. Am 08.01.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine im Wege der ausgewiesenen Vertretung eingebrachte Stellungnahme zu den Länderberichten ein, der im Wesentlich zu entnehmen ist, dass in Conakry und im Landesinneren regelmäßig Demonstrationen stattfänden, die teilweise heftige ethnische und politische Auseinandersetzungen nach sich ziehen würden. Soziale und wirtschaftliche Menschenrechte seien durch die sehr große Armut der Bevölkerung eingeschränkt. Zusätzlich seien die Haftbedingungen weiterhin lebensbedrohlich und weit unter internationalen Standards. Guinea sei ein multiethnisches Land, in dem es periodisch zu politischen und ethnischen Spannungen mit Verletzten und Toten komme. Die Regierung bevorzuge die Malinke und schließe andere Ethnien, wie etwa die Fulla, aus. Außerdem sei die Armut seit Mitte der 1990er Jahre noch weiter gestiegen. Dabei hätten es guineische Flüchtlinge, die aus dem Ausland zurückkehren würden, noch schwerer, da sie besonderes unter Druck stünden und der Staat nicht ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stelle. Die Angaben des Beschwerdeführers würden mit den Länderinformationen übereinstimmen. Der Beschwerdeführer arbeite derzeit als Straßenzeitungsverkäufer für die Zeitung " XXXX " und würde gerne in Zukunft bei einem Fuhrunternehmer arbeiten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Guinea, Zugehöriger der Volksgruppe der Fulla und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stammt ursprünglich aus der guineischen Hauptstadt Conakry, zog jedoch ca. im Jahr 1998 mit seinen Eltern nach XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Anfang April 2014 reiste der Beschwerdeführer aus Guinea aus und flog nach Spanien, wo er sich einige Wochen lang aufhielt. In der Folge reiste der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.05.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.2. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Guinea. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten der guineischen Behörden und/oder von Familienangehörigen eines Mordopfers ausgesetzt ist, die ihn "stellvertretend" für seinen jüngeren Bruder töten wollen, da der jüngere Bruder des Beschwerdeführers mit seiner "Gruppe" für diese Ermordung verantwortlich gemacht wird, die asylrelevante Intensität erreicht. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2013 fälschlicherweise von der Polizei bzw. von der Gendarmerie beschuldigt worden war, in seinem Auto Waffen transportiert zu haben, die zuvor aus einer Polizeistation gestohlen worden waren und aus diesem Grund festgenommen und ein Monat lang inhaftiert wurde. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Guinea aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Fulla und/oder aus Gründen seines sunnitisch-moslemischen Glaubens einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Guinea aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich wegen seiner Augen in ärztliche Behandlung begeben und wurden ihm Augentropfen verschrieben. Darüber hinaus leidet der Beschwerdeführer weder an einer schwerwiegenden psychischen noch an einer schwerwiegenden physischen Krankheit.

Der Beschwerdeführer ist ca. seit dem Jahr 2008 traditionell verheiratet und Vater einer minderjährigen Tochter. Wo sich die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers aufhalten, kann nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann festgestellt werden, wo sich die Eltern des Beschwerdeführers aufhalten. In Guinea leben noch die Schwester und eine Tante des Beschwerdeführers in Conakry. Mit seinen Angehörigen steht der Beschwerdeführer in Kontakt. Ferner verfügt er in Guinea über weitere soziale Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage in Guinea. In Guinea hat er zunächst als Lehrling in einem Fuhrunternehmen gearbeitet und sich in weiterer Folge von dem verdienten Geld ein Auto gekauft, mit dem er selbstständig Taxifahrten unternommen hat. Seine wirtschaftliche Situation in Guinea war gut, wobei hinzukommt, dass die Familie des Beschwerdeführers in XXXX ein großes Haus besitzt, das im Eigentum des Vaters des Beschwerdeführers steht. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer über Berufserfahrung verfügt und arbeitsfähig ist sowie, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Guinea ein familiäres- bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerde-führers nach Guinea eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.1.4. In Österreich lebt der jüngere, jedoch ebenso volljährige Bruder des Beschwerdeführers als Asylwerber. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag wurde in dessen Verfahren eine inhaltlich gleichlautende Entscheidung getroffen. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer in Österreich nicht über familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und lebt auch mit niemanden in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig erwerbstätig, sondern lebt seit der Antragstellung von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer auf geringfügiger Basis gelegentlich als Verkäufer der Straßenzeitung " XXXX " arbeitet, wodurch er monatlich ca. €

200,00 bis € 350,00 dazu verdient. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er lebt seit Antragstellung am 30.05.2014 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat zwar das ÖSD Zertifikat auf der Niveaustufe A1 erreicht, ist jedoch nicht in der Lage, eine Unterhaltung in einfachen Worten in deutscher Sprache zu führen. Darüber hinaus hat er in Österreich keine Ausbildungen bzw. Kurse gemacht, verfügt zwar über einen Bekanntenkreis, nimmt trotzdem jedoch kaum am sozialen Leben teil und hat keine besondere Bindung zu Österreich. Daher kann nicht festgestellt werden, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur Lage in Guinea:

1.2.1. Politische Lage:

Guinea ist ein Zentralstaat mit verfassungsmäßig starker Stellung des Präsidenten. Die Republik Guinea von heute ist geprägt von einem demokratischen Aufbruch nach dem kurzzeitigen Militärregime unter Moussa Dadis Camara (2008-2010). Zuvor war Guinea trotz politischer Öffnung unter dem autoritären Regime von Präsident Lansana Conté bestimmt. Die ersten freien Präsidentschaftswahlen 2010 endeten in der Stichwahl mit einem sehr knappen Ergebnis. Der teilweise erbittert geführte Wahlkampf von 2010 war Ausgangspunkt für eine Lagerbildung in der guineischen Politik ("Regierungsmehrheit" gegen "Opposition"), die in den folgenden Jahren immer wieder zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen führte und bis zu den Präsidentschaftswahlen 2015 anhielt (AA 12.2016a). In den ersten Präsidentschaftswahlen 2010 gewann Alpha Condé (Rassemblement du Peuple Guinéen RPG) und setzte sich erneut bei den Präsidentschaftswahlen am 11.10.2015 durch, diesmal im ersten Wahlgang (AA 12.2016a; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die neue Verfassung trat im Mai 2010 in Kraft. Sie sieht eine fünfjährige Amtszeit des Präsidenten mit einmaliger Wiederwahlmöglichkeit vor. Der direkt vom Volk gewählte Präsident ist gleichzeitig der Chef der Exekutive (AA 12.2016a; vgl. CIA 12.1.2017). Er ernennt den Premierminister und die Minister. Der Präsident bestimmt vor allem die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die strategischen wirtschaftlichen Entscheidungen. In ihrem organisatorischen Teil ist die Verfassung dem französischen Modell nachgebildet. Neben dem gewählten Parlament gibt es einen aus Vertretern der Spitzenverbände und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzten Wirtschafts- und Sozialrat als Beratungsgremium sowie weitere Institutionen wie das Verfassungsgericht, den Nationalen Medienrat (Conseil Nationale de Communication), den Obersten Gerichtshof und den Rechnungshof (AA 12.2016a).

Wahlen auf Ebene der Gemeinden (Bürgermeister und Gemeinderäte) haben seit Inkrafttreten der neuen Verfassung nicht stattgefunden. Die Durchführung von Kommunalwahlen noch vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2015 war - im Zusammenhang mit der Erstellung des Wählerverzeichnisses und der Besetzung der Wahlbüros - eine zentrale Forderung der Opposition, der jedoch nicht nachgekommen wurde. Kommunalwahlen waren für das erste Halbjahr 2016 vorgesehen, sind aber zwischenzeitlich auf Februar 2017 terminiert (AA 12.2016a).

Die Parlamentswahlen wurden bis September 2013 mehrfach verschoben (BS 2016). Die Regierungspartei Rally of the Guinean People (Rassemblement du Peuple Guinéen, RPG) von Alpha Condé erzielte dabei 53 von 114 Sitzen. Durch die "Rainbow Alliance" Koalition mit sieben kleineren Parteien, die jeweils einen Sitz haben, kam die Regierungspartei auf eine Mehrheit im Parlament. Die von Cellou Dalein Diallo geführte Oppositionspartei UFDG hält nunmehr 37 Sitze, andere Parteien halten 17 Sitze (BS 2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Innenpolitik - Guinea, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Guinea/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.2.2017;

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Guinea Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Guinea.pdf, Zugriff 21.2.2017;

* CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Factbook - Guinea,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 16.2.2017 und

* USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Guinea, http://www.ecoi.net/local_link/322487/461964_de.html, Zugriff 16.2.2017

1.2.2. Sicherheitslage:

In Guinea bestehen politische Spannungen, die sich auch zu Sicherheitsrisiken aufbauen können. In Conakry sowie im Inneren des Landes kommt es regelmäßig zu Demonstrationen, die zum Teil zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen und politischen Gruppen und den Sicherheitskräften führen (EDA 16.2.2017; vgl. BMEIA 24.2.2017). Die Kriminalitätsrate hat sowohl in Conakry, als auch im Landesinneren stark zugenommen. Bewaffnete Raubüberfälle und Diebstähle sind häufig (BMEIA 24.2.2017; vgl. FD 21.2.2017). Aufgrund der für den Großteil der Bevölkerung sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage gibt es in Conakry, aber auch im Landesinneren, immer wieder Akte des Vandalismus und Straßenblockaden. Auch bandenmäßige Gewaltkriminalität ist zunehmend verbreitet; nachts werden häufig Überfälle auf Passanten, Wohnhäuser und Geschäfte verübt. Die Anzahl gemeldeter Raubmorde, teilweise durch bewaffnete Täter in Uniformen, hat zugenommen. Die Sicherheitskräfte versuchen diese schwere Kriminalität ihrerseits mit Einsatz von Feuerwaffen einzudämmen, wodurch die Gefahr steigt, von verirrten Kugeln getroffen zu werden (AA 24.1.2017). Die südlichen Grenzgebiete zu Liberia, Sierra Leone und Côte d'Ivoire sind aufgrund ethnischer Spannungen gefährlich (BMEIA 24.2.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (24.2.2017): Guinea: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GuineaSicherheit_node.html, Zugriff 24.2.2017;

* BMEIA - Europa, Integration und Äußeres (24.2.2017): Guinea, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea/, Zugriff 24.2.2017;

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (16.2.2017): Reisehinweise für Guinea, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/guinea/reisehinweise-guinea.html, Zugriff 16.2.2017;

* FD - France Diplomatie (21.2.2017): Conseils aux voyageurs - Guinée - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/guinee/, Zugriff 21.2.2017 und

* USDOS - U.S. Department of State (5.7.2016): Investment Climate Statements for 2016 - Guinea,

http://www.ecoi.net/local_link/332417/473842_de.html, Zugriff 15.2.2017

1.2.3. Rechtsschutz / Justizwesen:

Obwohl die Verfassung und die Gesetze die Unabhängigkeit der Justiz vorsehen, fehlt es dem Justizsystem an Unabhängigkeit und es ist unterfinanziert, ineffizient und offen korrupt. Das Justizsystem ist gekennzeichnet von zahlreichen Problemen wie z.B. geringes Budget, das Fehlen von qualifizierten Anwälten und Untersuchungsrichtern sowie einem veralteten und restriktiven Strafgesetzbuch (USDOS 13.4.2016). Die Autonomie der guineischen Justiz ist stark beeinträchtigt. Sie bietet praktisch keinen Rechtschutz für normale Bürger (BS 2016). Aufgrund des korruptionsanfälligen formalen Justizsystems vertrauen viele Bürger auf das traditionelle Rechtssystem (USDOS 13.4.2016; vgl. BS 2016). Fälle, die dort nicht zur Zufriedenheit der Beteiligten gelöst werden können, werden an das formale Justizsystem übergeben. Die Stimme der Frau hat im traditionellen Rechtssystem weniger Gewicht als jene des Mannes. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung, die Unabhängigkeit der Richter, die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, das Recht auf einen Verteidiger und das Recht der Berufung vor; jedoch werden diese Rechte in der Praxis nicht konsistent geachtet (USDOS 13.4.2016).

Trotz der bestehenden Probleme, hat das Justizministerium begonnen, das Justizwesen wesentlich zu reorganisieren, um die Rechtsprechung zu verbessern (HRW 12.1.2017).

Quellen:

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Guinea Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Guinea.pdf, Zugriff 16.2.2017;

* HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Guinea, http://www.ecoi.net/local_link/334709/476538_de.html, Zugriff 14.2.2017 und

* USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Guinea, http://www.ecoi.net/local_link/322487/461964_de.html, Zugriff 16.2.2017

1.2.4. Sicherheitsbehörden:

Die dem Verteidigungsministerium unterstellte Gendarmerie und die nationale Polizei unter dem Ministerium für Sicherheit teilen sich die nur unzulänglich definierte Verantwortung für die innere Sicherheit. Die Armee ist für die Sicherheit nach außen verantwortlich, spielt jedoch auch im Bereich der inneren Sicherheit eine Rolle. Per Gesetz sind das Militär, die Gendarmerie und die Polizei dazu befugt, Verhaftungen durchzuführen. Gesetzlich ist allerdings nur die Gendarmerie dazu ermächtigt, Verhaftungen von Angehörigen des Militärs und der Polizeikräfte durchzuführen. Es gibt auch spezielle Polizei- und Gendarmerie- Einheiten, wie das Anti-Verbrechen Büro und das Generalsekretariat des Vorsitzes, verantwortlich für besondere Einsätze im Kampf gegen Drogen und organisierte Kriminalität (USDOS 13.4.2016).

Die Polizei bleibt weiterhin unterbezahlt, inadäquat ausgerüstet und ineffizient. Es gibt mehrere Berichte über Sicherheitsdienstbehörden, die ihre Befehle ignorieren und auf übermäßige Gewalt zurückgreifen (USDOS 13.4.2016). Es gibt außerdem zahlreiche Vorwürfe über unprofessionelles Verhalten, Diebstahl und Erpressung (HRW 12.1.2017). Sicherheitskräfte folgen nur selten dem Strafgesetzbuch und verwaltungskonforme Kontrollen über die Polizei sind ineffektiv (USDOS 13.4.2016). Disziplin innerhalb der und zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte scheinen sich zu verbessern (HRW 12.1.2017). Mitglieder der Sicherheitskräfte sind jedoch in mehreren Vorfällen von exzessiver Gewaltanwendung (BS 2016) oder Misshandlung von Häftlingen verwickelt, als Reaktion auf Proteste und Kriminalität (HRW 12.1.2017).

Quellen:

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Guinea Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Guinea.pdf, Zugriff 14.2.2017;

* HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Guinea, http://www.ecoi.net/local_link/334709/476538_de.html, Zugriff 14.2.2017 und

* USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Guinea, http://www.ecoi.net/local_link/322487/461964_de.html, Zugriff 15.2.2017

1.2.5. Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Menschenrechte sind zwar gesetzlich garantiert, werden aber von einer noch schwachen Justiz bisher nicht ausreichend geschützt. Menschenrechtsübergriffe staatlicher Stellen, besonders seitens der Sicherheitskräfte, werden noch nicht systematisch verfolgt (AA 12.2016a; AI 16.2.2016). Insgesamt hat sich die Menschenrechtslage aber seit Beginn der Demokratisierung 2010 kontinuierlich verbessert (AA 12.2016a). Die sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte werden jedoch durch die sehr große Armut der Bevölkerung eingeschränkt (AA 12.2016a). Die gravierendsten Menschenrechtsprobleme im Land sind lebensbedrohliche Haftbedingungen, Verweigerung eines fairen Verfahrens sowie Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen und Mädchen (USDOS 13.4.2016). Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsbeamte sind zurückgegangen. Behörden zeigen erhöhte Bereitschaft diejenigen zu untersuchen und sanktionieren, die in Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind (HRW 12.1.2017).

Obwohl die Verfassung und die Gesetze Meinungs- und Pressfreiheit gewährleisten (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 12.2016b), schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Unabhängige und oppositionseigene Medien sind aktiv und drücken ein weites Spektrum von Ansichten aus (USDOS 13.4.2016). Wichtigstes Medium bleibt aber noch - auch angesichts der hohen Analphabetenrate - das Radio. Seit 2006 gibt es eine ganze Reihe von teilweise populären privaten Radiosendern. Auch das frühere Fernsehmonopol von RTG ist mittlerweile von mehreren privaten TV-Stationen durchbrochen. Die Ausstrahlung bleibt jedoch noch auf die Haupt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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