TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/24 I420 2200822-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.01.2019
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Entscheidungsdatum

24.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I420 2200822-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018, Zl. 1115373803-160701386, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 18.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 19.05.2016 wurde die Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt machte die Beschwerdeführerin geltend, dass sie nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrer Tante gelebt habe. Der Ehemann der Tante habe sie jede Nacht vergewaltigt und geschlagen. Eines Tages seien die Tante und ihr Ehemann zur Kirche gegangen. Als die Beschwerdeführerin nachgekommen sei, habe die Kirche gebrannt. Sie sei nach Hause gerannt, doch auch das Haus habe gebrannt. Sie habe kein zu Hause mehr und kenne niemanden.

3. In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 27.03.2018 führte die Beschwerdeführerin zum Fluchtgrund befragt aus, dass sie in Nigeria niemanden habe, der sich um sie kümmern könne. Sie würde als Christin von Muslimen umgebracht werden. Die Muslimen hätten bereits im Jahr 2016 die Kirche in ihrem Heimatort und schließlich das Haus der Tante in Brand gesetzt. Nach dieser Brandstiftung hätten die Muslime sie mit geladenen Waffen verfolgt und sie sei geflohen. Sie sei in den Busch gelaufen und schließlich zu einer Schnellstraße gekommen, wo ihr ein Mann zur Flucht verholfen habe. Zudem sei sie vom Ehemann ihrer Tante sexuell missbraucht worden. Der Ehemann der Tante habe sie mit einem Küchenmesser bedroht und sei ihr ins Auge "gefahren". Sie habe zwei Mal mit dem Ehemann der Tante geschlafen. Ihre Tante und deren Ehemann seien beim Brand in der Kirche ums Leben gekommen.

4. Mit Schreiben vom 09.04.2018 erstattete die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den Länderberichten und führte aus, dass sie von Muslimen verfolgt worden sei.

5. Im Zuge des behördlichen Verfahrens wurden von der Beschwerdeführerin eine Kursantrittsbestätigung hinsichtlich des Kurses "Start Wien, Integration ab Tag 1" und eine Teilnahmebestätigung für den Basisbildungskurs "Bildung für junge Flüchtlinge, Schwerpunkt Deutsch Stufe A1" vorgelegt.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.06.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde für nicht glaubhaft befunden. Der Status einer Asylberechtigten sei der Beschwerdeführerin mangels Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gemäß Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK zur Gewährung von Asyl führen könnte, daher nicht zu gewähren gewesen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände deute nichts darauf hin, dass sie bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Ihrer Entscheidung legte die belangte Behörde Feststellungen zu Nigeria zugrunde.

7. Mit Schreiben vom 12.07.2018 erhob die Beschwerdeführerin - durch ihre Rechtsvertretung - rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel der Beschwerde.

In dieser wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl ihre Fluchtgründe glaubhaft gemacht habe: Sie sei vom Ehemann der Tante mehrmals missbraucht worden und als Christin von Muslimen verfolgt worden. Zudem gehe aus den Länderberichten der Staatendokumentation klar hervor, dass einer alleinstehenden Frau eine Rückkehr nach Nigeria nicht zumutbar sei, weil alleinstehende Frauen u.a. als promiskuitiv gelten würden und ständig belästigt werden würden. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin erneut Opfer von Misshandlungen durch ihre Familie werde. Eine Rückkehr nach Nigeria sei - unter Verweis auf die Länderberichte - aus Gründen des Art. 3 EMRK nicht zumutbar. Es wurden die Anträge gestellt, der Beschwerdeführerin den Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen; bzw. ihr den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 13.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Ihre Identität steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und leidet weder an lebensbedrohlichen Krankheiten noch ist sie längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig und ist sie daher auch erwerbsfähig. Die Beschwerdeführerin hat in Nigeria sechs Jahre lang die Grundschule besucht.

Sie hält sich seit (mindestens) 18.05.2016 in Österreich auf.

In Österreich verfügt die Beschwerdeführerin über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Die Beschwerdeführerin geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Die Beschwerdeführerin weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin hat Nigeria aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Im Verfahren haben sich mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin durch Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ergeben. Zudem wäre selbst für den Fall einer Wahrunterstellung des Vorbringens von einer Schutzfähigkeit und -willigkeit des nigerianischen Staates auszugehen und würde der Beschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen.

Entgegen ihrem Fluchtvorbringen kann zudem nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria vom Ehemann ihrer Tante mehrmals vergewaltigt wurde. Ihr diesbezügliches Vorbringen ist nicht glaubhaft. Unabhängig von der Frage der Glaubhaftmachung ihres Fluchtgrundes muss diesbezüglich aber auch festgestellt werden, dass ihr Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung). Bei einer hypothetischen Wahrunterstellung des Vorbringens würde der Beschwerdeführerin zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen, könnte sie sich doch außerhalb ihres früheren Wohnortes niederlassen.

Es kann somit in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden, dass sie in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Die Beschwerdeführerin verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Die Beschwerdeführerin ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 12.06.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen. Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch". Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. In Zentralnigeria, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage.

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen. Der islamische Extremismus ist in Nigeria die wesentliche Triebkraft für Verfolgung, allerdings tragen auch "Exklusives Stammesdenken" und "Organisiertes Verbrechen und Korruption" zur Verfolgung bei. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist. Die Verfolgung von Christen in Nordnigeria wird meistens mit Boko Haram in Verbindung gebracht. Das Verfolgungsmuster insgesamt ist jedoch viel komplexer und darf nicht auf gewaltsame Übergriffe und Ermordungen von Christen (und gemäßigten Muslimen) seitens militanter islamistischer Gruppen reduziert werden. Das trifft besonders auf die zwölf nördlichen Scharia-Staaten zu, in denen die örtlichen Behörden und die Gesellschaft den Christen kaum Raum zum Leben lassen.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Frauen

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheits-zentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungs-freiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org, aweg95@yahoo.com, nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Olgun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja; Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 21.11.2016).

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 09.04.2018, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017.

Die Beschwerdeführerin bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Schulausbildung bzw. Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Glaubenszugehörigkeit sowie ihrer Staatsangehörigkeit stützen sich auf deren eigenen mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde (AS 3 f, AS 49 ff). Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufgekommen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Umstand, dass keine konkrete gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht und keinerlei Befunde vorgelegt wurden.

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen des behördlichen Verfahrens (AS 53).

Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin über keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht verfügt, beruhen auf den Aussagen der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde am 27.03.2018.

Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten ist und Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus aktuellen im Akt des Bundesverwaltungsgerichts einliegenden Auszügen des GVS und des Strafregisters.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin brachte im behördlichen Verfahren im Wesentlichen wirtschaftliche Gründe für das Verlassen Nigerias vor. Sie gab sowohl bei der Erstbefragung als auch wiederholt vor der belangten Behörde am 27.03.2018- befragt zu ihren Fluchtgründen - an, dass sich niemand um sie kümmere (vgl. AS 7, AS 53).

Die Beschwerdeführer hatte darüber hinaus vorgebracht, dass ihre Tante sowie deren Onkel bei einem Brand in der Kirche, welcher von Muslimen gelegt worden sei, ums Leben gekommen seien, das Haus der Tante von Muslimen in Brand gesteckt worden sei und die Beschwerdeführerin schließlich von bewaffneten Muslimen verfolgt worden sei.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Dem BFA ist zuzustimmen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin diesen Anforderungen nicht entsprach und somit nicht glaubhaft ist.

Dem BFA ist zuzustimmen, dass die Schilderung der Beschwerdeführerin, dass Muslime die Kirche und das Haus der Tante in Brand gesetzt hätten, äußerst vage und detailarm erfolgte, wie der folgende Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll vom 27.03.2018 (AS 53 f) zeigt:

"LA: Warum sind Sie aus Nigeria geflüchtet?

VP: Die Moslems sind in die Kirche gekommen. Sie haben die Kirche und das Haus in Brand gesetzt.

LA: Das Haus der Tante?

VP: Ja.

LA: Fahren Sie bitte fort!

VP: Als ich dann zur Kirche ging, war Sie abgebrannt und dann ging ich nach Hause und auch das Haus meiner Tante war abgebrannt. Dann habe ich einige Männer gesehen mit geladenen Waffen. Dann bin ich um mein Leben gelaufen."

Wie das BFA im angefochtenen Bescheid richtig dargestellt hat, konnte die Beschwerdeführerin zudem zu ihren angeblichen muslimischen Verfolgern sowie zum Zeitpunkt bzw. zum genauen Hergang des Vorfalles keine näheren Angaben machen, wie dem nachstehenden Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll vom 27.03.2018 (AS 54 f) zu entnehmen ist:

"LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Nein, ich habe keine weiteren Fluchtgründe. Sie haben mich verfolgt, sie sind mir nachgelaufen.

LA: Wer ist Ihnen nachgelaufen?

VP: Diese Moslems, die die Kirche und das Haus niedergebrannt haben.

LA: Wieviele Personen war das?

VP: Das waren sehr viele.

LA: Können Sie die Personen beschreiben?

VP: Ich kann sie nicht beschreiben, es waren sehr viele.

LA: Warum sind die Personen Ihnen nachgelaufen?

VP: Meine Tante und ihr Mann waren Christen. Ich weiß nicht, warum sie zur Kirche gegangen sind.

LA: Wann war dieser Vorfall?

VP: Im selben Jahr 2016.

Vorhalt: Das ist vage und unkonkret. Bitte mach Sie konkrete Angaben rund um Ihre Fluchtgründe!

VP: Ich kann mich nicht mehr an das Monat erinnern.

[...]

LA: Wie sah die Verfolgung konkret aus?

VP: Ich bin in den Busch auf die andere Seite gelaufen, als ich sie in der Ferne sah, dass sie sich näherten. Ich bin sehr lange gelaufen, wie lange kann ich nicht genau angeben. Ich bin dann zu einer Schnellstraße gelaufen. Dort habe ich den Mann getroffen, der mir geholfen hat.

LA: Wie lange wurden Sie von den Männern verfolgt?

VP: Ich weiß nicht wie viele Stunden genau.

LA: Sie wurden als mehrere Stunden verfolgt?

VP: Ich kann mich nicht genau erinnern, ich kann mich nur erinnern, dass ich weggelaufen bin in Richtung Verkehrsstraße.

LA: Wann war dieser Vorfall konkret?

VP: Ich weiß es nicht.

Auff. Das ist sehr vage und unkonkret. Sie werden doch wissen, wann dieser Vorfall war?

VP: Nein, ich kann mich nicht erinnern."

Wie das BFA zudem zutreffend feststellte, steigerte die Beschwerdeführerin ihr Fluchtbringen, indem sie - abweichend zur Erstbefragung, in der sie lediglich angab, dass die Muslimen die Kirche und das Haus niedergebrannt hätten- in der behördlichen Einvernahme am 27.03.2018 ergänzend ausführte, dass die nach Rückkehr von der Kirche vor dem Haus der Tante einige Männer mit geladenen Waffen gesehen hätte und dass diese Männer sie mehrere Stunden verfolgt hätten. Dieses Vorbringen ist als Steigerung ihres Fluchtvorbringens zu werten, da die Beschwerdeführerin diese Verfolgungen nicht im Zuge der Erstbefragung am 19.05.2016 erwähnt hat. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend und gleichbleibend schildert, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Wäre die Beschwerdeführerin tatsächlich auch von bewaffneten Muslimen mehrere Stunden verfolgt worden, hätte sie dies auch bei der Erstbefragung erwähnt. Dahingehend ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu folgen, der davon ausgeht, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Zusammengefasst verharrte die Beschwerdeführerin während der gesamten Einvernahme in einer wortkargen Darlegung einiger weniger Eckpunkte, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz und total vage, eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse war ihr im Zuge der gesamten Einvernahme nicht möglich. Obwohl die Beschwerdeführerin seitens des BFA aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, wurden die, für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen von ihr lediglich in äußerst knapper Weise und pauschal beantwortet. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Die knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben der Beschwerdeführerin waren jedoch nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die sie dazu getrieben hätte, ihr Heimatland zu verlassen.

Die Beschwerdeführerin berichtete nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Diese Feststellung kann insofern getroffen werden, als es aus der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts notorisch ist, dass detailreiche Aussagen mit Realkennzeichen in der Regel für die Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrages sprechen. Hier ergibt sich also in der Gesamtschau mit den anderen Ausführungen zur Beweiswürdigung ein wesentliches Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des zentralen Asylvorbringens der Beschwerdeführerin. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe des BFA gesehen werden, jede ihrer unzähligen vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es an der Beschwerdeführerin, ein detailliertes und stimmiges Vorbringen, welches über eine bloße Rahmengeschichte hinausgeht, zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde sogar mehrmals nachgefragt, um der Beschwerdeführerin eine Konkretisierung ihres Fluchtvorbringens zu ermöglichen, welche jedoch ausblieb.

Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung wäre dieses Vorbringen allerdings nicht asylrelevant, wie im Folgenden gezeigt wird: Bei einer Rückkehr nach Nigeria hätte die Beschwerdeführerin keine Verfolgung durch Muslime zu befürchten. Es würde sich um eine Verfolgung durch Privatpersonen handeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates konnte gegenständlich aber nicht ausgegangen werden: Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin nicht ansatzweise vorgebracht, dass der nigerianische Staat bzw. die nigerianische Polizei nicht in der Lage und nicht willens sei, die Beschwerdeführerin vor Verfolgung zu schützen. Auch hat sie keine fallbezogenen Umstände aufgezeigt, die im gegenständlichen Fall gegen eine Schutzfähigkeit und -willigkeit der nigerianischen Behörden spezifisch ihr gegenüber sprechen würden.

Zudem ist zu konstatieren, dass der Beschwerdeführerin selbst bei einer Wahrunterstellung eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht und blieb ihr sohin allein schon deshalb internationaler Schutz verwehrt (vgl. unten Punkt 3.1.2.). Es wäre für die Beschwerdeführerin als gesunde Erwachsene möglich, an einem anderen Ort zu leben. Letzteres erschließt sich schon alleine aus dem Umstand, dass es der Beschwerdeführerin schließlich auch gelungen ist, aus Nigeria kommend nach Österreich einzureisen. Dass man sie überall finden könne, wurde von der Beschwerdeführerin weder substantiiert behauptet noch ergibt sich selbiges aus dem Akteninhalt. Da es in Nigeria kein funktionierendes Meldesystem gibt, ist davon auszugehen, dass sie die muslimischen Verfolger in einem anderen Landesteil nicht ausfindig machen können. Der Beschwerdeführerin steht folglich eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative wird von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes auch für zumutbar gehalten. Die Beschwerdeführerin ist gesund, arbeitsfähig, verfügt über eine Schulausbildung und sollte im Falle ihrer Rückkehr durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Zudem wurde das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin - Nigeria aufgrund von Misshandlungen und Vergewaltigungen durch den Ehemann ihrer Tante verlassen zu haben - aufgrund der widersprüchlichen Angaben, der vagen Schilderungen und der nicht plausiblen Ausführungen als unglaubhaft befunden. Das BFA hat zutreffend als wesentlichen Widerspruch die Angaben der Beschwerdeführerin zur Häufigkeit und zum Zeitpunkt des sexuellen Missbrauchs gewertet: So gab sie bei ihrer Erstbefragung am 19.05.2018 an, dass der Ehemann der Tante sie jede Nacht vergewaltigt und geschlagen habe (AS 7). Im Widerspruch dazu erklärte die Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim BFA am 27.03.2018, dass der Ehemann der Tante dann zu ihr gekommen sei und mit ihr schlafen habe wollen, wenn die Tante zum Markt gegangen sei und nicht zu Hause gewesen sei. Auf Nachfrage, ob sie mit dem Ehemann der Tante geschlafen habe, führte sie aus, dass sie dies zwei Mal getan habe (AS 55). Darüber hinaus legte die Beschwerdeführerin auf Nachfrage der belangten Behörde, ob es jemals eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung gegen ihre Person gegeben habe, dar, dass die einzige Bedrohung gewesen sei, dass - wenn sie der Tante von den sexuellen Handlungen erzählen würde - der Ehemann der Tante die Beschwerdeführerin aus dem Haus werfen würde (AS 55). Darüber hinaus gab sie in der behördlichen Einvernahme zu Protokoll, dass sie außer der Verfolgung durch Muslime keine weiteren Fluchtgründe habe (AS 54).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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