Entscheidungsdatum
27.03.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
I408 2210503-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX,
StA. TUNESIEN, vertreten durch: RA Mag. Wilfried EMBACHER gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich Flughafen Wien
Schwechat vom 02.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 02.11.2018 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Ausreise nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot.
Gegen diesen Bescheid erhob der in seinem Herkunftsstaat befindliche Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Tunesien und hielt sich vom November 2017 bis 27.07.2018 illegal im Schengen-Raum auf, davon zum Großteil in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist unbescholten und während seines Aufenthaltes in keiner Weise auffällig geworden. Er verfügt in Österreich über rechtmäßig aufenthaltsberechtigte Angehörige aus Tunesien. In der Zeit seines Aufenthaltes hat der Beschwerdeführer am 16.07.2018 eine Deutschprüfung auf Niveau A1 mit sehr gut bestanden.
Am 27.07.2018 wurde der Beschwerdeführer bei seiner Ausreise in den Herkunftsstaat aufgegriffen und zur Anzeige gebracht. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 24.08.2018, GZ XXXX, wurde über ihn eine Verwaltungsstrafe in Höhe von € 600, -- verhängt, die der Beschwerdeführer auch bezahlt hat.
Die belangte Behörde leitete innerhalb von 6 Wochen ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot ein und erließ, nachdem auch keine Stellungnahme zum Parteiengehör eingelangt war, den verfahrensgegenständlichen Bescheid.
Am 20.08.2018 heiratete der Beschwerdeführer in Tunesien eine österreichische Staatsbürgerin. Diese verfügt in Österreich über eine ortsübliche Unterkunft und steht in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des Aktes der belangten Behörde und den in der Beschwerde und in der Beschwerdeergänzung vom 19.03.2019 vorgelegten Unterlagen.
Seitens der belangten Behörde wurde bestätigt, dass der Beschwerdeführer die verhängte Verwaltungsstrafe bezahlt hat.
Aus den mit der Beschwerde bzw. aus der Beschwerdeergänzung vorgelegten Urkunden und Unterlagen ergibt sich nicht nur die Verehelichung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin, sondern auch der Umstand, dass die derzeitige Fernbeziehung auch über ihre persönlichen Besuche in Tunesien aufrecht erhalten wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Aufhebung des Bescheides
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
Gemäß § 9. BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Der unrechtmäßige Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen allen stellt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist (vgl. dazu VwGH 15.05.2012, 2012/18/2009).
Auch wenn die belangte Behörde zum Entscheidungszeitpunkt von der Verehelichung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin keine Kenntnis hatte, ist schon zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung von einer unrechtmäßigen Aufenthaltsdauer von 9 Monaten (November 2017 bis 27.07.2018), der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie einer, von ihm eigenständig vorgenommenen (tatsächlichen) Ausreise auszugehen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, die selbsterhaltungsfähig ist, und in einer funktionierenden Fernbeziehung lebt.
Unter diesen Prämissen erweist sich die Beschwerde im Hinblick auf die o.a. höchstgerichtliche Rechtsprechung als begründet und der bekämpfte Bescheid war gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 27 VwGVG aufzuheben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ehe, Unbescholtenheit, VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2210503.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.05.2019