Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Rahman G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7. Dezember 2018, GZ 61 Hv 111/18p-56, weiters die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rahman G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 31. Juli 2018 in F***** B***** M***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an der Hand in sein Bett zog, sie in weiterer Folge zunächst an den Schultern und dann an den Handgelenken festhielt, sich auf sie setzte und so fixierte, ihre Hose aufriss und hinunterzog, ihre Beine festhielt und schließlich mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 (lit) a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Der Vorwurf der Verfahrensrüge (Z 4), das Erstgericht habe die dort genannten Beweisanträge des Beschwerdeführers „überhaupt nicht behandelt bzw nicht abgesprochen“, trifft nicht zu. Vielmehr wurden sie ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 55 S 10), weil sie durchwegs kein erhebliches Beweisthema enthielten (RIS-Justiz RS0118319). Dies betrifft die Anträge auf (ON 48 S 17 und ON 55 S 8 f)
- Einholung eines „lärmtechnischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass B***** M***** nicht geschrien hat und für den Fall, dass sie geschrien hat, dies für die Mitbewohner hörbar gewesen wäre“,
- Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis dafür, dass ein zeitgleiches Festhalten an den Schultern und Handgelenken – wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt – nicht möglich ist“,
- Einholung eines „gerichtsmedizinischen und eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens“ zum Beweis dafür, dass „B***** M***** bereits vor dem gegenständlichen Vorfall Probleme mit männlichen Personen gehabt hat, welche zu einem psychischen Leiden geführt haben, und dass allfällige psychische Ängste der B***** M***** nicht auf den gegenständlichen Vorfall zurückzuführen sind“,
- zeugenschaftliche Vernehmung mehrerer Personen „zum Beweis dafür, dass B***** M***** mehrfach sexuellen Kontakt mit anderen männlichen Personen gehabt hat und die Freundschaft mit Ba***** T***** gescheitert ist, da B***** M***** ihn betrogen hat“ und weiters zum Beweis dafür, dass die Aussage der M*****, sie sei schon einmal vergewaltigt worden, nicht richtig sei, und sie „einen längeren Chat-Verlauf mit Me***** Ta***** gehabt hat, und zwar in perverser Richtung,“ und dieser „sexuelle Kontakte mit dem Opfer“ gehabt habe.
Denn diese Anträge zielten im Ergebnis durchwegs darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Opfers infrage zu stellen, ohne konkrete Anhaltspunkte zu geben, dieses habe in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (RIS-Justiz RS0120109 [T3]). Dass der Beschwerdeführer das Opfer gleichzeitig an Schultern und Handgelenken festgehalten habe, nahmen die Tatrichter übrigens ohnehin nicht an (vgl US 4 f). In Bezug auf die begehrte „Einholung eines lärmtechnischen Sachverständigengutachtens“ ließ der Antrag zudem die Tauglichkeit der Beweisführung mit Blick auf das behauptete Ergebnis nicht erkennen (RIS-Justiz RS0107040).
Die in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Antragsfundierung nachgetragenen Argumente haben wegen des Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Die – den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe ignorierende (RIS-Justiz RS0115902) – gemeinsame Ausführung von Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) erschöpft sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) darin, eigene Erwägungen zur Glaubhaftigkeit vom Erstgericht ausführlich erörterter (US 6 ff) Aussagen des Angeklagten, des Opfers und weiterer Zeugen (großteils zu nicht erheblichen Umständen) anzustellen, ohne Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) aufzuzeigen oder (im Sinn der Z 5a) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken. Eine nähere Erörterung des Vorbringens erübrigt sich daher.
Ebenfalls prozessordnungswidrig (erneut RIS-Justiz RS0115902) erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das zu Z 5 und 5a (gemeinsam) erstattete Vorbringen zum „integrierenden Bestandteil dieses Nichtigkeitsgrundes“.
Der im Rahmen der Rechtsrüge erhobene Vorwurf der „Aktenwidrigkeit“ verkennt, dass nicht der Akteninhalt, sondern die Gesamtheit der im Urteil getroffenen Feststellungen den Bezugspunkt der Behauptung eines Rechtsfehlers bildet (RIS-Justiz RS0099810).
Der Einwand eines Feststellungsmangels erklärt nicht, weshalb der ins Treffen geführte Umstand, dass im Zeitpunkt der Vernehmung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Feldkirch (ON 19) die „Ergebnisse der Gerichtsmedizin Innsbruck bzw die Gutachten über die spurenkundlichen DNA-Untersuchungen vom 18. 10. 2018 und der Prüfbericht des Institutes für gerichtliche Medizin vom 4. 10. 2018“ (ON 41) „noch nicht vorlagen“, für die Lösung der Schuldfrage von Bedeutung sei (vgl RIS-Justiz RS0118580).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E124992European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00024.19G.0424.000Im RIS seit
20.05.2019Zuletzt aktualisiert am
20.05.2019