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L34004 Abgabenordnung Oberösterreich;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Sophie G und Mitgesellschafter, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Jänner 1998, Zl. Wi (GE) - 450717/4 - 1998/Pö/Ra, betreffend Fremdenverkehrsabgabe November 1991 bis Juli 1992, (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Christa G beantragte am 25. August 1992 die bescheidmäßige Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe 11/1991 bis 7/1992 und mit weiterer Eingabe vom 5. März 1993 die bescheidmäßige Festsetzung der in Rede stehenden Abgabe durch die Oberbehörde.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde wies den am 5. März 1993 eingebrachten Devolutionsantrag ab.
Nach Ergehen des diesen Bescheid aufhebenden Vorstellungsbescheides der belangten Behörde schrieb der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde Christa G mit Bescheid vom 20. August 1993 die Fremdenverkehrsabgabe für 11/91 bis 7/92 nach den Bestimmungen des O.ö. Fremdenverkehrsabgabegesetzes in Verbindung mit der Fremdenverkehrsabgabeordnung der mitbeteiligten Gemeinde in der Höhe von S 69.060,-- vor.
Dagegen erhob Christa G Vorstellung.
Mit Bescheid vom 9. Juni 1997 gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, behob den Bescheid vom 20. August 1993 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Dies mit der Begründung, die Abgabenvorschreibung habe an die Personenvereinigung Sophie G und Mitgesellschafter (in der Folge: Sophie G und Mitges) zu ergehen.
Mit einem Vorhalt vom 28. Juli 1997 brachte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Sophie G und Mitges das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und teilte mit, dass eine Neufestsetzung gegenüber dieser Personenvereinigung beabsichtigt sei.
In der Vorhaltsbeantwortung teilte Sophie G mit, sie habe die Ankündigung der neuerlichen Festsetzung nicht verstanden. Sie habe das Recht, dass die Behörde erster Instanz erstmalig eine Entscheidung über ihre Abgaben treffe. Von einer Verwaltungsgerichtshofentscheidung sowie einem Bescheid der belangten Behörde sei ihr nichts bekannt.
Mit Bescheid vom 22. August 1997 setzte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Fremdenverkehrsbeitrag mit S 62.485,-- fest. Dieser Bescheid ist an Sophie G und Mitges adressiert und laut Zustellverfügung zu Handen Sophie G mittels RSb zugestellt worden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung machte die Personenvereinigung Sophie G und Mitges als Verfahrensmangel die erstmalige Vorschreibung an die Personenvereinigung Sophie G und Mitges durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde, geltend.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 1998 gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtverkürzung des Instanzenzuges verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren wurde gerügt, dass kein erstinstanzlicher Bescheid vor Ergehen des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. August 1997 ergangen sei.
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat, sofern die Berufung nicht gemäß § 207 O.ö. LAO 1996 zurückzuweisen ist, gemäß § 212 O.ö. LAO 1996 immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Sache im Sinne des § 212 O.ö. LAO 1996 (ebenso wie im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO oder des § 66 Abs. 4 AVG) ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid erstmals erlassen. Ein Verstoß dagegen belastet den Berufungsbescheid mangels funktioneller Zuständigkeit der Berufungsbehörde in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1991, Zl. 89/17/0089).
An die Personenvereinigung Sophie G und Mitges war ein erstinstanzlicher Abgabenbescheid nicht ergangen. Eine Devolution war von der Personenvereinigung nicht beantragt. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde war als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Erlassung des Abgabenbescheides ohne vorangegangenes erstinstanzliches Verfahren unzuständig.
Da die belangte Behörde dies verkannte und nicht zum Anlass der Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. August 1997 nahm, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998170099.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009