Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Albert Reiterer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG, Salzburg, wegen 9.058,69 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 22 R 346/18p-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. August 2018, GZ 17 C 1538/16p-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Ausscheiden eines Mitmieters aus dem Mietverhältnis bedarf einer – zumindest konkludenten – Dreiparteieneinigung zwischen den Mitmietern einerseits und dem Vermieter andererseits (RIS-Justiz RS0013181; zuletzt 5 Ob 156/18d). Dass die Vorinstanzen im vorliegenden Fall vom Zustandekommen einer solchen Dreiparteieneinigung ausgegangen sind, ist nicht bedenklich.
2. Die Revisionswerberin behauptet, es hätte sich das Berufungsgericht zu ihrer konkludent erteilten Zustimmung auf „die Entscheidung MietSlg 59.249“ (= 7 Ob 149/07y) gestützt. Diese Entscheidung ist nur eine von mehreren, die in der vom Berufungsgericht angegebenen Belegstelle (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I²³ § 12 MRG Rz 8) genannt sind und betraf im Übrigen eine Abtretung von Mietrechten nach § 12 Abs 1 MRG. Das Berufungsgericht führte dieses Zitat auch nur zum Nachweis dafür, dass das Verlassen der Wohnung [hier durch den Mitmieter, der dem Vertreter des Vermieters gegenüber ausdrücklich erklärt hatte, aus dem Mietverhältnis ausscheiden zu wollen] und die Einwilligung zur (alleinigen) Vertragsübernahme [durch die andere Mitmieterin] zeitlich nicht zusammenfallen müssen, also nicht alle Erklärungen zum selben Zeitpunkt vorliegen müssen (s auch 3 Ob 149/15f).
Der Sohn des Vermieters als sein Vertreter hatte die ausdrückliche Erklärung des ausziehenden Mannes, aus dem Mietverhältnis ausscheiden zu wollen, zustimmend zur Kenntnis genommen. Ob nun im nachfolgenden Gesamtverhalten der Beklagten eine stillschweigende Erklärung im Sinn des § 863 ABGB dahin, dass sie mit der Vertragsübernahme einverstanden war, liegt, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls ab und stellt damit in der Regel (und auch im vorliegenden Fall) keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0043253 [T1, T7, T14, T17, T18]). Die Beklagte bemängelt dazu, dass zwischen den damaligen Eheleuten über die Übernahme des Mietverhältnisses nicht gesprochen worden sei. Es setzt aber die Annahme einer schlüssigen Willenserklärung gerade voraus, dass keine ausdrückliche (verbale) Erklärung erfolgte. Der Umstand, dass zwischen ihnen – als der (nunmehrige Ex-)Mann wegen Schwierigkeiten in der Ehe aus dem Bestandobjekt auszog – darüber nicht gesprochen wurde (zwischen ihnen aber vereinbart wurde, dass er ab Dezember 2014 keinen Beitrag mehr zur Miete leisten werde), steht der Annahme einer stillschweigenden Zustimmung folglich nicht entgegen. Für die Konkludenz eines Verhaltens kommt es auch nicht auf den tatsächlichen inneren Willen, von dem das Verhalten getragen war, an, sondern auf den Eindruck, den der Erklärungsempfänger von der Erklärung haben musste, also auf das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser schlüssigen Willenserklärung gewinnen durfte und gewonnen hat (RS0014158 [T5, T6]). Ist aus dem Gesamtverhalten der vormaligen Mitmieterin nach dem Auszug ihres Mannes zu schließen, dass sie damit einverstanden war, den Vertrag allein zu übernehmen, spielt ihre spätere Meinungsänderung (insbesondere angesichts der bereits von ihr allein vorgenommenen Aufkündigung) keine Rolle mehr.
3. Auch darin, dass das Berufungsgericht nach der stillschweigenden Verlängerung des Mietvertrags und angesichts des von der Beklagten behaupteten (ebenfalls nicht schriftlich erfolgten) Verzichts des Vermieters auf die (schriftlich vereinbarte) Indexanpassung sowie der vom früheren Mitmieter geschilderten Vereinbarung über das „Einfrieren“ der Miete wegen erheblicher Investitionen in das Mietobjekt schlussfolgerte, es sei vom Schriftlichkeitserfordernis einvernehmlich abgegangen worden (vgl RS0038673 [T3, T7]), liegt keine erhebliche Rechtsfrage.
4. Zur Vertretungsbefugnis des Sohnes des Klägers versucht die Revisionswerberin mit ihren Ausführungen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen anzugreifen, wenn sie behauptet, die Feststellungen könnten „mehrfach gedeutet“ werden. Der von ihr als möglich unterstellten Deutung hat das Berufungsgericht schon bei der Behandlung der Beweisrüge eine eindeutige Absage erteilt. Es hat auf der Sachverhaltsebene zugrunde gelegt, dass der Kläger seinem Sohn nicht nur eine „Anwaltsvollmacht“, sondern eine „umfassende Vollmacht beinhaltend auch das Recht, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben und anzunehmen“, erteilt hatte, und ausgeführt, dass sich dies aus der glaubhaften Aussage des Sohnes und einer Zeugin ergeben habe.
5. Die Revisionswerberin kann insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage, die die Befassung des Höchstgerichts mit diesem konkreten Einzelfall notwendig machte, aufzeigen, weswegen die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist.
6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E124999European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00044.19F.0430.000Im RIS seit
20.05.2019Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020