Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 15. Oktober 1998, Zl. 1/01/46447/96/58, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Firma M & Co in Salzburg, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. April 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die befristete Bewilligung zur Rodung einer näher beschriebenen Fläche im Ausmaß von 1650 m2 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Dieser Bescheid wurde auf Grund einer Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1997, 97/10/0119, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Aufhebung erfolgte, weil mangels näherer - fachlich fundierter - Begründung nicht beurteilt werden konnte, ob die von der mitbeteiligten Partei beantragte Rodung im öffentlichen Interesse an der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Salzburg-Stadt liegt und weil es - selbst wenn dieses öffentliche Interesse gegeben wäre - im damals angefochtenen Bescheid an Darlegungen fehlte, daß und aus welchen Gründen dieses Interesse ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes wäre. Da die belangte Behörde zudem vermeint hatte, die beantragte Rodungsbewilligung sei ohne Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 ForstG bereits deswegen zu erteilen gewesen, weil eine Versagung der Bewilligung wegen der (bevorstehenden) Erteilung der Rodungsbewilligung in einem anderen Rodungsverfahren "unverständlich und dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend", "völlig unlogisch und sachlich nicht nachvollziehbar" sei, erfolgte die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 1998 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei neuerlich die beantragte Rodungsbewilligung.
In der Begründung heißt es nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, nach der Aufhebung des Rodungsbescheides vom 4. April 1997 durch den Verwaltungsgerichtshof sei es zu mehreren Besprechungen zwischen der mitbeteiligten Partei, der Forstbehörde, den befaßten Amtssachverständigen und dem für das Forstrechtsressort zuständigen Stadtregierungsmitglied gekommen. Den Gegenstand dieser Gespräche habe jedoch vornehmlich die naturschutzfachliche Diskussion einer alternativen Rodungsvariante gebildet. Die Salzburger Stadtregierung (Stadtratskollegium) habe sich inhaltlich mit diesen beiden Varianten beschäftigt und sich in ihrer Sitzung am 28. September 1998 für die Erteilung einer Rodungsbewilligung für die beantragte Ostvariante ausgesprochen. Das von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte öffentliche Interesse am beantragten Rodungszweck werde durch die klare Stellungnahme der Stadtgemeinde Salzburg bestätigt. Diesem öffentlichen Interesse an der Schaffung von Mitarbeiterparkplätzen bzw. Lagerflächen (Sicherung des Wirtschaftsstandortes Salzburg-Stadt) stehe das öffentliche Interesse an der Walderhaltung entgegen. Wie dem forsttechnischen Gutachten zu entnehmen sei, habe die betrieblich notwendige räumliche Erweiterung des Betriebes der mitbeteiligten Partei, die auf Grund der örtlichen und besitzrechtlichen Gegebenheiten immer nur auf Waldboden habe erfolgen können, schon in den bisherigen Rodungsverfahren der Jahre 1977, 1979, 1980, 1987 und 1990 ein stetes inhaltliches Konfliktpotential und einen Anlaß für politische Interventionen gegeben. Die bisherigen fachlichen Einschätzungen aus gutachterlicher Sicht (Forsttechnik, Raumplanung) und die Stellungnahmen der Stadtgemeinde Salzburg hätten in den damaligen Verfahren stets die hohe Wertigkeit der örtlichen Waldausstattung (soziale Waldfunktionen wie Wohlfahrts- und Erholungsfunktion) betont und trotz aller Akzeptanz der betrieblich-wirtschaftlichen Überlegungen der mitbeteiligten Partei bereits im Jahr 1980 eine weitere Waldflächeninanspruchnahme entschieden abgelehnt. Mit dem nunmehrigen Rodungsantrag solle jedoch genau der bereits im Jahr 1980 einvernehmlich zwischen Grundeigentümer und Behörde vereinbarte Verzicht auf weitere Rodungsflächen - so wie im Jahr 1987 - revidiert und der bereits im Jahr 1977 angestrebte Endausbau der Betriebsliegenschaft abgeschlossen werden. Auch das durch die mitbeteiligte Partei vorgelegte Privatgutachten anerkenne diese forstpolitische Problemstellung. Dessenungeachtet empfehle dieses Gutachten ebenso wie die Wirtschaftskammer Salzburg trotzdem, dem Rodungsantrag zu entsprechen. Vor diesem Hintergrund habe die Salzburger Stadtregierung einstimmig die beantragte Rodung befürwortet. Zusammenfassend stünden also den ablehnenden Feststellungen der befaßten Amtssachverständigen die Befürwortung der Stadtgemeinde Salzburg und die klare politische Meinungsbildung entgegen. Wirtschaftspolitischen Interessen der Standortsicherung der mitbeteiligten Partei sei ein höherer Stellenwert eingeräumt worden als der ungeschmälerten Erhaltung der örtlichen Waldausstattung. Durch die Vorschreibung entsprechender Auflagen (Ersatzaufforstungsfläche) sei ein weitgehender Ausgleich der Rodungsnachteile versucht worden. Die angebotene Ersatzaufforstungsfläche im angrenzenden Gemeindegebiet von Elsbethen könne die lokale Wohlfahrtsfunktion weitestgehend ausgleichen, womit durch diese Rodung nur eine geschmälerte Erholungsfunktion bedingt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Gründe, die den Verwaltungsgerichtshof zur Aufhebung des Rodungsbescheides vom 4. April 1997 in seinem Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, 97/10/0119, veranlaßt hätten, würden auch auf den nunmehr angefochtenen Bescheid zutreffen. Die belangte Behörde habe nach der Aufhebung dieses Bescheides keine weiteren fachlichen Erhebungen durchgeführt und es sei auch die Begründung im wesentlichen unverändert geblieben. Die klare politische Meinungsbildung zugunsten der Rodung, auf die das von der belangten Behörde angenommene überwiegende Rodungsinteresse ausschließlich gestützt werde, sei bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Rodungsbescheides vom 4. April 1997 vorhanden gewesen.
Die belangte Behörde hat in der Gegenschrift die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Ihren Zurückweisungsantrag begründet die belangte Behörde damit, der angefochtene Bescheid sei dem beschwerdeführenden Bundesminister im Wege des Amtes der Salzburger Landesregierung vorgelegt worden. Beim Amt der Salzburger Landesregierung seien die Unterlagen am 16. November 1998 eingelangt. Von diesem Datum sei bei der Berechnung der Beschwerdefrist auszugehen, da es sonst der Bundesminister in der Hand habe, sich Bescheide samt Entscheidungsgrundlagen durch den Landeshauptmann erst zu einem beliebig späteren Zeitpunkt vorlegen zu lassen.
In der Sache selbst meint die belangte Behörde, der angefochtene Bescheid beruhe insoweit auf einer neuen Sachlage, weil seitens der Stadtgemeinde Salzburg auch im fortgesetzten Verfahren nochmals nachdrücklich betont worden sei, daß ein erhebliches öffentliches Interesse an der Erhaltung und Entwicklung des Betriebes der mitbeteiligten Partei bestehe. Damit könne die Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1997, 97/10/0119, als "behoben" angesehen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Frist für die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gegen eine von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilte Rodungsbewilligung beginnt mit dem Tag der Zustellung an den Bundesminister bzw. mit dem Zeitpunkt, zu dem der Bundesminister von diesem Bescheid Kenntnis erlangt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1996, 96/10/0032). Das Einlangen des Bescheides bei dem im Dienstweg eingeschalteten Amt der Landesregierung ist ohne Bedeutung. Da die Beschwerde innerhalb von sechs Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Bundesminister, erhoben wurde, ist sie rechtzeitig.
Ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Verwendung der Rodungsfläche für den von der mitbeteiligten Partei beantragten Zweck gegenüber dem Interesse an der Walderhaltung hat die belangte Behörde auch im angefochtenen Bescheid nicht dargetan. Die Sachverhaltsbasis ist gegenüber dem Bescheid vom 4. April 1997 unverändert. Die Rodung ablehnenden Gutachten aus der Sicht der Raumordnung und der Forsttechnik steht neuerlich lediglich eine nicht näher begründete Befürwortung der Rodung durch die Stadt Salzburg und durch die Wirtschaftskammer gegenüber. Diese Situation war auch im ersten Verfahrensdurchgang schon gegeben. Daß die Stadt Salzburg ihre Befürwortung wiederholt hat, ersetzt nicht die im Vorerkenntnis vom 27. Oktober 1997, 97/10/0119, geforderte fachlich fundierte Begründung, daß die beantragte Rodung im öffentlichen Interesse an der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Salzburg-Stadt liegt und daß dieses Interesse das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegt.
Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde zwar nicht mehr von jener Rechtsauffassung ausgegangen, die zur Aufhebung ihres Bescheides vom 4. April 1997 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit führte. Sie hat es aber unterlassen, die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen und den angefochtenen Bescheid nachvollziehbar zu begründen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Wien, am 22. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999100001.X00Im RIS seit
20.11.2000