Entscheidungsdatum
07.01.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
L501 2175479-3/8Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über den Antrag von Herrn XXXX, VSNR XXXX, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe betreffend seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Arbeitsmarktservice Salzburg in Vollziehung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beschlossen:
A)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 19.01.2018 brachte der Antragsteller Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 und Art. 131 Abs. 6 B-VG gegen das rechtswidrige Verhalten des Arbeitsmarktservice Salzburg (im Folgenden AMS) in Vollziehung der Gesetze (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977) wegen illegaler Aussichtfrist [gemeint wohl Ausschlussfrist] gemäß §§ 10 und 49 AlVG ein.
Die Verhaltensbeschwerde begründete der Antragsteller zusammengefasst im Wesentlichen mit
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Abmeldung ohne Grund (zuletzt am 29.06.2017)
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unzulässigen Kontrollmeldeterminen (10.05.2016, 11.10.2016, 28.08.2017, 21.11.2017)
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unzulässiger Leistungssperre gemäß § 10 AlVG
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falscher Information des Landesverwaltungsgerichts anlässlich einer Leistungskürzung im Jahr 2016
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Übermittlung von für den Antragsteller unpassenden Stellenangeboten
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gesundheitsgefährdender Vergabe von Kontrollmeldeterminen am frühen Morgen.
Dem am 08.03.2018 eingelangten Schreiben war eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Mitarbeiter AMS an die zuständige Landesgeschäftsstelle sowie der gegenständliche Antrag auf Verfahrenshilfe angeschlossen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Hinsichtlich des Sachverhalts ist in der Hauptsache auf den Verfahrensgang zu verweisen.
Der Antragsteller ist seit 28.12.2007 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Er bezog Leistungen nach dem Salzburger Mindestsicherungsgesetz (MSG), wobei es in diesem Zusammenhang zu Beschwerdeverfahren beim Landesverwaltungsgericht Salzburg gekommen ist. Am 18.09.2017 stellte er beim AMS seinen ersten und am 19.12.2017 seinen zweiten Antrag auf Arbeitslosengeld. Zum Zeitpunkt der Antragstellungen auf Arbeitslosengeld war beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nur ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis gespeichert, und zwar für den 20.04.2012 (ein Tag), weshalb seinen Anträgen auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom AMS mit Bescheiden vom 18.09.2017 und 21.12.2017 bzw. Beschwerdevorentscheidungen vom 24.10.2017 und 13.02.2018, keine Folge gegeben wurde. Die vom Antragsteller dagegen erhobenen Beschwerden wurden jeweils rechtskräftig mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L501 2175479-1/9E, und vom 23.04.2018, L503 2189738-1/3E, als unbegründet abgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die vom Antragsteller erhobene Verhaltensbeschwerde sowie die Gerichtsakten L501 2175479-1, L501 2175479-2 und L501 2175479-3 sowie L503 2189738-1 und L503 2189738-2. Der festgestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den Akteninhalten und ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...] und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Einschlägige Rechtsgrundlage (§ 8a VwGVG)
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen. [...]
Abs. 3 leg.cit. regelt die Einbringungsstelle für Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. In Maßnahmenbeschwerdeverfahren sind die Anträge (wie auch die Beschwerde in solchen Verfahren, vgl. § 30 VwGVG) unmittelbar beim VwG einzubringen; dies gilt auch für die sogenannten Verhaltensbeschwerden nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG (Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K2 zu § 12 VwGVG)
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Art. 130 B-VG regelt jene Zuständigkeiten, die den Verwaltungsgerichten von Verfassungs wegen zukommen. Die Z1 bis Z4 des Abs. 1 bestimmen den Beschwerdegegenstand (nämlich Bescheid, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Verletzung der Entscheidungspflicht und Weisung) und den Prüfungsmaßstab. Nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG können durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde vorgesehen werden. Diese "Verhaltensbeschwerde" hat - im Gegensatz zu den in Abs. 1 des Art 130 B-VG geregelten "typengebundenen Verwaltungshandeln" der Z1 bis Z4 - "typenfreies" Verwaltungshandeln zum Gegenstand (vgl. VfGH 24.06.2015, G 193/2014).
Den gegenständlichen Fall betreffend ist zunächst auszuführen, dass der Antragsteller - wie aus seinen diversen Eingaben in den hg. anhängig gewesenen Verfahren hervorgeht - über entsprechende Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden verfügt und durchaus in der Lage ist, seine Rechte selber wahrzunehmen. Er verfasste eigenständig die sprachlich weitgehend verständlich ausformulierte Verhaltensbeschwerde, die unterschiedliche Vorwürfe samt jeweiliger Begründung enthielt, und brachte diese auch korrekt unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht ein. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich machen würden, sind nicht zu erwarten und nicht zu erkennen. Zudem besteht in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten keine Anwaltspflicht und ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.
Der Antragsteller begehrt Verfahrenshilfe zwecks Verfolgung seiner Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Arbeitsmarktservice Salzburg in Vollziehung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977. Es handelt sich dabei um eine sog. "Verhaltensbeschwerde" gem. § 130 Abs. 2 Z 1 B-VG. Aus Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG folgt jedoch, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Verhaltensbeschwerden nicht bereits auf Grund der Verfassung besteht, sondern durch Landes- oder Bundesgesetz erst begründet werden muss. Zu einer solchen Regelung wird der Gesetzgeber durch Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG ermächtigt, aber nicht verpflichtet. Im AlVG 1977 hat der Materiengesetzgeber diesbezüglich keine Möglichkeiten vorgesehen. Die dem Verfahrenshilfeantrag zu Grunde liegende Beschwerde ist daher als nicht zulässig anzusehen.
Folglich ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos zu qualifizieren, weshalb die sonstigen Voraussetzungen - wie ob der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können - für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht mehr geprüft werden müssen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussichtslosigkeit, VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2175479.3.00Zuletzt aktualisiert am
17.05.2019