TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W192 2204041-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2203911-1/10E

W192 2204041-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , und 2.) XXXX , beide StA. Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018, Zahlen: 1.) 1178853604-180043499 und 2.) 1178853702-180043502, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte, der Zweitbeschwerdeführer, reisten unter Mitführung gültiger biometrischer georgischer Reisedokumente in das Bundesgebiet ein und stellten am 12.01.2018 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am darauffolgenden Tag gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie habe sich rund zwei Monate zuvor zur Ausreise Richtung Österreich entschlossen, da man ihr gesagt hätte, dass man ihr dort wegen ihrer Krankheit helfen könnte; sie leide an einer Krebserkrankung, die man in ihrer Heimat nicht heilen könnte. Der Zweitbeschwerdeführer begründete seine Antragstellung auf internationalen Schutz im Zuge seiner am gleichen Datum abgehaltenen Erstbefragung mit der Krebserkrankung seiner Frau, welche im Herkunftsstaat nicht heilbar wäre und der in Österreich besseren medizinischen Behandlung.

Nach Zulassung ihrer Verfahren erfolgten am 27.04.2018 niederschriftliche Einvernahmen der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Erstbeschwerdeführerin gab zusammengefasst an, sie durchlaufe gegenwärtig eine Chemotherapie, werde sich jedoch bemühen, die an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Ihre im Zuge der Erstbefragung getätigten Angaben würden den Tatsachen entsprechen und seien korrekt rückübersetzt worden. Die Erstbeschwerdeführerin sei Georgiern und griechisch-orthodox, sie habe mit ihrem Mann zwei gemeinsame minderjährige Kinder, sie habe im Herkunftsstaat, ebenso wie ihr Mann, gearbeitet und ein ganz normales Leben geführt. Sie befinde sich wegen einer Krebserkrankung in Behandlung und verwies hierzu auf in Vorlage gebrachte ärztliche Unterlagen aus Georgien und Österreich. Die Erstbeschwerdeführerin habe in Tiflis gelebt, im Herkunftsstaat hielten sich neben ihren beiden minderjährigen Kindern unverändert ihre Eltern, ihre Geschwister sowie die Familie ihres Mannes auf. Bis zur Ausreise hätten sie bei den Eltern ihres Mannes gelebt. Mitte Dezember 2017 sei von ihren Freunden und ihrem Mann die Ausreise der Erstbeschwerdeführerin aus dem Herkunftsstaat beschlossen worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe im Heimatland nie Probleme mit der Polizei oder mit anderen staatlichen Stellen gehabt, ebensowenig sei sie von Problemen aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder ihrer Religion betroffen gewesen. Um Schilderung ihrer Flucht- und Ausreisegründe ersucht, legte die Erstbeschwerdeführerin ihren bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlauf dar; kurz zusammengefasst berichtete die Erstbeschwerdeführerin von den erstmals wahrgenommenen Krankheitssymptomen, sie hätte es nicht geschafft, rechtzeitig zum Arzt zu gehen; infolge Besuchs ihres Hausarztes habe sie drei Monate lang die falsche Behandlung erhalten. Im Zuge einer Koloskopie im März 2017 sowie eines im Anschluss durchgeführten MRT sei schließlich ihre Krebserkrankung festgestellt worden. Der Krebs befände sich im Mastdarm, im Muttermund und in Lymphknoten, die Metastasen wären rundherum gewesen. Ein Chirurg hätte ihr zu einer Behandlung mittels Chemotherapie im Vorfeld eines operativen Eingriffs geraten. Die Chemotherapie sei nicht intravenös, sondern mittels Tabletten und Strahlen durchgeführt worden, bei einer Kontrolle nach einem Monat seien Metastasen in Leber und Lunge entdeckt worden. Folglich sei in Georgien eine Operation durchgeführt worden, bei welcher acht Zentimeter des Mastdarms sowie ein Stück der Leber entfernt worden wären. Nach der OP habe sie drei Chemotherapien durchlaufen. Die Versicherung ihres Mannes, bei welcher die Erstbeschwerdeführerin mitversichert gewesen wäre, habe die Behandlungen, deren Kosten sich insgesamt auf 40.000 Lari belaufen hätten, nur mit 5.000 Lari finanziert, das Gesundheitsministerium hätte 4.000 Lari finanziert, von der Sozialhilfe habe sie 100 Lari erhalten. Sie hätten alle Wertgegenstände verkauft und einen Kredit bei der Bank aufgenommen. Der Chirurg hätte ihr geraten, eine Behandlung in der Türkei auf eigene Kosten aufzunehmen. In der Türkei sei festgestellt worden, dass die Metastasen doppelt so groß wären, wie auf dem MRT in Georgien, es sei ihnen gesagt worden, dass die Chemotherapie in Georgien nichts gebracht hätte. Da die Behandlung in der Türkei zu kostspielig gewesen wäre, seien sie nach Georgien zurückgekehrt. Dort habe ihr ein Arzt schließlich mitgeteilt, dass sie weiterleben und warten solle, bis sie sterbe. Nach diesem Arztgespräch sei es ihr nicht gut gegangen, für eineinhalb Monate sei sie nur zuhause gelegen, ihre Kinder seien sehr belastet gewesen. Ihr Mann und ihre Freunde hätten ohne ihr Wissen die Ausreise nach Österreich organisiert. Der Chirurg hätte ihr gesagt, dass Österreich 15-20 Jahre vor ihnen sei und eine dortige Behandlung zu einem positiven Ergebnis führen sollte. Die Freunde hätten die ganze Reise finanziert, ihr Mann habe nach einer zwölfjährigen Tätigkeit im Innenministerium die Arbeit verlassen. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin würden Invaliditätspension beziehen, die Eltern ihres Mannes seien Pensionisten und würden sich nunmehr um ihre Kinder kümmern. Weitere Gründe für die Ausreise aus ihrem Heimatland gebe es nicht. Ihre Krebserkrankung befände sich im vierten, letzten, Stadium. In Österreich habe sie eine Chemotherapie durchlaufen, sie habe auch eine Thrombose, ihre Arterie im rechten Arm sei geplatzt. Die hiesigen Ärzte wollen die Metastasen stoppen und eliminieren, diesbezüglich würden Blutuntersuchungen erfolgen. Der Erstbeschwerdeführerin sei klar, dass sie nie geheilt werde. Aber ihr Leben werde ein bisschen verlängert. Die nächste Behandlung sei Anfang Mai 2018. In Georgien habe sie das Programm mit dem Medikament Avastin machen wollen, sei jedoch nicht in dieses aufgenommen worden. Im Fall einer Rückkehr befürchte sie den Tod.

Die Erstbeschwerdeführerin legte ihre georgische Geburts- und Heiratsurkunde sowie ins Deutsche übersetzte ärztliche Unterlagen aus Georgien vom 17.03.2017, vom 23.06.2017, vom 24.06.2017, vom 25.07.2017, vom 06.10.2017, vom 10.11.2017, vom 11.12.2017 und vom 12.12.2017 sowie eine Bestätigung einer georgischen Versicherungsgesellschaft vom 30.06.2017 vor. Weiters wurden in Österreich ausgestellte ärztliche Unterlagen vom 16.02.2018, vom 15.04.2018 sowie vom 27.06.2018 vorgelegt.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst an, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, habe bislang die Wahrheit gesagt, sei georgischer Staatsbürger, orthodox und habe im Herkunftsstaat ganz normal gelebt; er habe als Major bei der Polizei gearbeitet, habe dann gekündigt und sei hierhergekommen, um seine Frau zu retten. Sie hätten zwei Kinder in Georgien, mit welchen gemeinsam sie bei seinen Eltern gelebt hätten. Der Zweitbeschwerdeführer sei gesund und habe in Georgien in normalen wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt. Sie seien ausschließlich aufgrund der Krankheit seiner Frau geflüchtet. Der Zweitbeschwerdeführer habe keine individuellen Flucht- oder Asylgründe. Er habe Angst, dass seine Frau im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat stirbt. Seine Frau leide an Krebs, im Jahr 2017 hätten die Behandlungen begonnen. Es gebe keine Möglichkeit, dass seine Frau künftig zuhause behandelt werde; seine Frau werde dort nicht richtig behandelt, ihnen (gemeint: den Ärzten in Georgien) fehle das notwendige Wissen. Auch sei die Behandlung sehr teuer, sie könnten sich diese nicht leisten.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018 wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkte II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die beschwerdeführenden Parteien jeweils eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) sowie festgestellt, dass deren Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkte V.) und die Frist für ihre freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG sechs Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien in Georgien der Gefahr einer individuellen, konkret gegen sie gerichteten Verfolgung durch den Staat oder durch Dritte ausgesetzt wären. Die Erstbeschwerdeführerin leide an einem Rektumkarzinom sowie an Leber- und Lungenmetastasen und habe Georgien aufgrund ihrer Erkrankung, nicht jedoch aufgrund einer Verfolgung im Sinne der GFK, verlassen. Der Zweitbeschwerdeführer habe im gesamten Verfahren keine eigenen Gründe vorgebracht. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Die notwenigen Behandlungen der Krankheit der Erstbeschwerdeführerin könnten in Georgien durchgeführt werden, die notwendigen Medikamente seien dort erhältlich. Laut Länderinformation der Staatendokumentation sei die medizinische Versorgung für alle georgischen Staatsbürger durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung kostenlos gewährleistet, desweiteren würden private Einrichtungen in Tiflis umfassende und moderne Behandlungen anbieten; Medikamente würden weitgehend importiert werden, zumeist aus der Türkei, Russland und Deutschland. Chemotherapie, stationäre und ambulante Behandlungen, Nachbehandlungen sowie die benötigten Medikamente seien in Georgien verfügbar. Die gesamte Familie der Erstbeschwerdeführerin befände sich in Georgien, auf deren Unterstützung sie zurückgreifen könnte. Der Zweitbeschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann und in der Lage, seiner Frau bezüglich ihrer gesundheitlichen Einschränkungen im Alltag und während der Behandlung in Georgien zur Seite zu stehen und sich um sie zu kümmern. Die Behörde ginge somit davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Lage sein werde, weiterhin in Georgien behandelt zu werden. Sie selbst habe angegeben, sich bereits in Georgien einer Behandlung unterzogen zu haben. Lediglich der Umstand, dass die Behandlung in Österreich qualitativ hochwertiger und kostengünstiger sei, begründe keine Unmöglichkeit, in das Heimatland, in welchem Behandlungsmöglichkeiten durchaus gegeben wären, zurückkehren zu können. Die beschwerdeführenden Parteien seien zwar mittels biometrischen Reisepässen in das Bundesgebiet eingereist, jedoch nicht zu touristischen Zwecken, sondern um sich im Bundesgebiet einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, wodurch sich ihre Einreise als unrechtmäßig erwiesen hätte. Die beschwerdeführenden Parteien befänden sich gemeinsam im Bundesgebiet, die Erstbeschwerdeführerin werde in einer österreichischen Krankenanstalt medizinisch behandelt. Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Eine besondere Integrationsverfestigung habe aufgrund der Kürze ihres Aufenthalts nicht festgestellt werden können, die Familie der beschwerdeführenden Parteien, welche in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig wären und den größten Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht hätten, befände sich in Georgien. Aufgrund Überwiegens besonderer Umstände sei eine sechswöchige Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen.

4. Gegen die dargestellten Bescheide richtet sich die am 16.08.2018 durch die nunmehrige Rechtsvertretung fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf das individuelle Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien einzugehen und die Gesamtbeurteilung anhand aller verfügbarer herkunftsstaatspezifischer Informationen zu treffen. Die Erstbeschwerdeführerin sei an Krebs erkrankt und nach Österreich gekommen, da es in ihrem Heimatland keine ausreichende Behandlung für ihre Krankheit geben würde und ihr dort falsche Auskünfte bezüglich ihrer Erkrankung erteilt worden wären. Diesbezüglich wurde auf das gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin verwiesen. Die Behörde habe ihre eigenen Länderberichte zu

Behandlungsmöglichkeiten/Chemotherapie in Georgien nicht entsprechend gewürdigt. Die beschwerdeführenden Parteien wären im Falle einer Rückkehr nicht selbsterhaltungsfähig. Aufgrund der gesundheitlichen Situation der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Angewiesenheit auf den Zweitbeschwerdeführer, seien die beschwerdeführenden Parteien nicht in der Lage, nach ihrer Rückkehr sofort einen Job zu finden, um die lebensnotwendige Behandlung der Erstbeschwerdeführerin finanzieren zu können. Die Informationen der belangten Behörde über die Unterstützung der Rückkehr nach Georgien würden sich als nicht aktuell erweisen. Vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Länderfeststellungen, in Anbetracht der Lebenssituation der Erstbeschwerdeführerin und der vorgelegten medizinischen Befunde, denen jedenfalls zu entnehmen sei, dass eine Weiterbehandlung dringend geboten erscheine, sei davon auszugehen, dass die Genannte bei einer Rückkehr nach Georgien mit hoher Wahrscheinlichkeit nur unzureichende medizinische Versorgung zu vergewärtigen hätte bzw. nicht in der Lage sein werde, Zugang zu den notwendigen medizinischen und therapeutischen Maßnahmen zu erlangen und erscheine es sehr wahrscheinlich, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr in eine derart aussichtslose Lage gerate, welche eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle.

Der Beschwerde beiliegend wurden medizinische Unterlagen vom 17.03.2018, vom 15.04.2018 sowie vom 27.06.2018 übermittelt.

Mit Eingabe vom 12.10.2018 wurde ein Bericht einer österreichischen Krananstalt über die stationäre Aufnahme der Erstbeschwerdeführerin vom 07.09.2018 bis 08.09.2018 in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Georgien und Angehörige der georgischen Volksgruppe sowie der orthodoxen Religionsgemeinschaft. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet und Eltern zweier in Georgien aufhältiger minderjähriger Kinder. Außerdem halten sich im Herkunftsstaat nach wie vor die Eltern, ein Bruder und eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin, zwei Schwestern des Zweitbeschwerdeführers sowie Freunde der beschwerdeführenden Parteien auf. Die beschwerdeführenden Parteien haben zuletzt im Elternhaus des Zweitbeschwerdeführers in Tiflis gelebt. Sowohl die Erstbeschwerdeführerin, als auch der Zweitbeschwerdeführer, haben ihren Angaben zufolge Universitätsstudien absolviert, die Erstbeschwerdeführerin war zuletzt als Verkäuferin berufstätig, der Zweitbeschwerdeführer ist einer Arbeit als Polizeioffizier (Major) nachgegangen. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind gemeinsam und unter Mitführung gültiger biometrischer Reisepässe in das Bundesgebiet eingereist und haben am 12.01.2018 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

1.1.2. Bei der Erstbeschwerdeführerin wurden die Hauptdiagnosen eines Rektumkarzinoms C20, Lebermetastasen operata C78.7, Lungenmetastasen multipel C78.0 sowie die Nebendiagnosen Novalginallergie Z88.8, reaktive Depressio F34.1, Thrombose V. subclavia und axillans dext. bei Z.n. Port-a-Cath (2018) gestellt. Das vorliegende Erkrankungsbild wurde im März 2017 im Herkunftsstaat diagnostiziert, wo die Erstbeschwerdeführerin in der Folge mittels Chemotherapie, einer operativen Rektumresektion sowie einer atypischen Leberresektion im Juli 2017 behandelt wurde. Im Bundesgebiet wurden nach einer im März 2018 erfolgten Port-a-Cath-Implantation zwischen April 2018 und Juni 2018 vier Zyklen einer FOLFIRI-Therapie verabreicht. Die Erstbeschwerdeführerin befand sich im Bundesgebiet zuletzt nicht in dauernder stationärer Behandlung.

In Georgien bestehen zugängliche Behandlungsmöglichkeiten für das bei der Erstbeschwerdeführerin vorliegende Krankheitsbild, sodass dieser auch in Georgien die Möglichkeit einer Fortführung ihrer Behandlung offen stehen wird. Der Erstbeschwerdeführerin war im Vorfeld ihrer Ausreise sowohl eine operative Behandlung der vorliegenden fortgeschrittenen Krebserkrankung als auch eine solche mittels Chemotherapie möglich, sie hat nicht konkret vorgebracht, dass ihr eine benötigte Behandlung verweigert worden wäre oder individuell respektive finanziell nicht zugänglich gewesen wäre. Sie hat nicht begründet dargelegt, dass eine Rückkehr in den Heimatstaat für sie mit einer signifikant verkürzten Lebenserwartung einhergehen würde. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Die beschwerdeführenden Parteien haben vorgebracht, ihren Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund des Wunsches nach einer qualitativ hochwertigen Behandlung für die Erstbeschwerdeführerin verlassen zu haben und keine darüberhinausgehenden Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Die beschwerdeführenden Parteien haben keine Furcht vor individueller Verfolgung behauptet.

Es kann auch von Amts wegen nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wären.

1.1.3. Es besteht für die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Georgien jeweils keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Die beschwerdeführenden Parteien liefen jeweils nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die wirtschaftliche Situation der Familie - auch unter Berücksichtigung allenfalls künftig für die Erstbeschwerdeführerin notwendig werdender Behandlungs- und Medikamentenkosten - als derart desolat erwiesen hätte, als dass die beschwerdeführenden Parteien, welche im Herkunftsstaat zahlreiche familiäre und soziale Anknüpfungspunkte haben, im Falle einer Rückkehr Gefahr liefen, in eine Existenz bedrohende Notlage zu geraten. Der Zweitbeschwerdeführer ist zu einer uneingeschränkten Teilnahme am Erwerbsleben fähig, es wäre den beschwerdeführenden Parteien zudem möglich, wieder an ihrer früheren Anschrift Wohnsitz zu nehmen, wo sie durch ihre im gleichen Haushalt lebenden Angehörigen auch auf Unterstützung im Alltag zurückgreifen könnten.

1.1.4. Die beschwerdeführenden Parteien leben in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt und bestreiten ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung. Die beschwerdeführenden Parteien verfügen außerhalb ihrer Kernfamilie über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, haben sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, sind keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und in keinem Verein Mitglied.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

...

Politische Lage

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

Quellen:

? Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018

? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018

? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians

In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018

? Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018

? Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).

Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018

? Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018

? GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018

? Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018

? Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018

? Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,

https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).

Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).

Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018

? Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018

? Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018

? JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350, Zugriff 7.6.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html, Zugriff 7.6.2018

Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).

Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).

Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die nationale und internationale Aufmerksamkeit für Straflosigkeit hat zugenommen (USDOS 20.4.2018).

Georgien verfügt nicht über einen wirksamen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden. Wenn Ermittlungen eingeleitet werden, führen sie häufig zu Anklagen, die geringere, unangemessene Sanktionen wie Amtsmissbrauch nach sich ziehen und selten zu Verurteilungen führen. Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).

Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 18.4.2018

? Eurasianet (5.7.2017): Georgia: Are the Police Backsliding? https://eurasianet.org/s/georgia-are-the-police-backsliding, Zugriff 18.4.2018

? HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 17.4.2018

? NDI/CRRC - National Democratic Institute/Caucasus Research Resource Centers (4.2017): Public attitudes in Georgia Results of a April 2017 survey carried out for NDI by CRRC Georgia, https://www.ndi.org/sites/default/files/NDI_April_2017_political%20Presentation_ENG_version%20final.pdf, Zugriff 18.4.2018

? USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 23.5.2018

...

Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln (Artikel 14 ff.) postuliert. Mit dem Ombudsmann für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten zur Untersuchung von Vorgängen, greifen viele Themen auf und sind öffentlich sehr präsent. Mit Reformen haben in den letzten Jahren auch Staatsanwaltschaft und Gerichte in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen und werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, so dass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Der vom Parlament eingesetzte Ombudsmann ist jedoch sehr aktiv. Er greift Einzelfälle auf und spricht Missstände aller Art regelmäßig öffentlich an (AA 10.12.2017).

Während des gesamten Jahres 2017 waren Fälle von Misshandlungen von Bürgern durch Polizeibeamte und die Untersuchung dieser Vorkommnisse die größten Herausforderungen. Auch die Rechte schutzbedürftiger Gruppen wurden verletzt. Diesbezügliche Fälle wurden nicht wirksam untersucht. Ungeachtet der bedeutenden Änderungen in der Gesetzgebung bestehen nach wie vor wichtige Herausforderungen in Bezug auf die Identifizierung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Menschenrechtsverletzungen gegen religiöse Minderheiten und LGBTQ-Personen auch im Jahr 2017 unzureichend untersucht. Die verschiedenen Gewalttaten gegen diese Gruppen bleiben ungestraft, was im Widerspruch zu der positiven Verpflichtung Georgiens steht, einen angemessenen Schutz und die Sicherheit von Minderheiten zu gewährleisten. Der von den Regierungsvertretern angeblich ausgeübte Druck auf die Medien setzte sich auch im Jahr 2017 fort. Ein unabhängiger Ermittlungsmechanismus zur Untersuchung von Straftaten der Strafverfolgungsbehörden wurde auch im Jahr 2017 nicht geschaffen (HRC 2018).

Im Jahr 2017 ist die Zahl der durch religiöse Intoleranz motivierten Gewalttaten zurückgegangen, was auf eine rückläufige Tendenz bei ähnlichen Verbrechen hindeutet. Das Problem ist jedoch nicht gelöst, nämlich die Untersuchung der Fälle aus den Vorjahren ist größtenteils anhängig. Im Berichtszeitraum [2017] haben die Behörden friedliche Versammlungen nicht gestört und keine unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstranten angewandt. 2017 hat die Verfassungskommission ihre Arbeit abgeschlossen, wobei sie es versäumt hat, Fragen von grundlegender Bedeutung zu behandeln, wodurch die Grundrechtsschutznormen in einigen Fällen geschwächt wurden. Die neue, revidierte Verfassung sieht keinen unabhängigen Ermittlungsmechanismus für die Untersuchung von Folter und Misshandlung durch Strafverfolgungsbeamte vor. Das Fehlen eines zivilen Überwachungsmechanismus über Sicherheitssysteme bleibt problematisch. Im Jahr 2017 gab es keine massiven Verletzungen des Rechts auf Achtung des Privatlebens (PD 10.12.2017).

In den letzten Jahren wurde Kritik geäußert, wonach verschiedene sicherheitsrelevante Gesetze Behörden befugt sind, die Überwachung und Datenerfassung ohne angemessene Überprüfungsverfahren für solche Operationen durchzuführen. Die Verabschiedung eines Gesetzes im März 2017, das eine neue Überwachungsbehörde unter dem Mandat des Staatssicherheitsdienstes einrichten wird, hat Datenschützer beunruhigt, welche die Unabhängigkeit und die Aufsichtsmechanismen der neuen Behörde in Frage stellen (FH 1.2018).

Quellen:

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 23.5.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 23.5.2018

? HRC - Human Rights Center (2018): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2017,

http://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/annual%20report%202018-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

? PD - The Public Defender of Georgia (10.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia,

http://www.ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf, Zugriff 19.4.2018

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Im Mai 2017 ratifizierte Georgien das Übereinkommen des Europarates (Istanbul) zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Erfassung von Fällen häuslicher Gewalt bei der Polizei hat nach Aufklärungskampagnen und einer deutlichen Veränderung der öffentlichen Einstellung zugenommen. Die Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor hoch. Im Juni 2017 wurde eine behördenübergreifende Kommission für Gleichstellung, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt eingerichtet. Trotz der Bemühungen, die Gesetzgebung zu stärken und das Bewusstsein zu schärfen, ist die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nach wie vor hoch. Georgien liegt im Gender Inequality Index (GII) auf Platz 76 von 188 Ländern und im Global Gender Gap Index (GGGI) auf Platz 90 von 144 Ländern. Frauen sind in der Politik (15,33% im Parlament und 11,6% in den Gemeinden) und auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentiert (Erwerbsquote 58% gegenüber 78% bei den Männern) (EC 9.11.2017).

Mit der Ratifizierung der Konvention des Europarates von 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt hat der Staat im Jahr 2017 einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter getan. Das Übereinkommen erweitert die Mechanismen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen sowie zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Gewalt. Trotz erheblicher gesetzgeberischer Maßnahmen stellen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen in Georgien nach wie vor eine große Herausforderung dar und erfordern eine angemessene Reaktion des Staates. Nach Angaben der georgischen Generalstaatsanwaltschaft wurden im Zeitraum vom 1.1. bis zum 20.9.2017 Ermittlungen zu 22 Fällen von (versuchten) Frauenmord eingeleitet. Im laufenden Jahr 2017 wurden Probleme bei der Bewertung der Risiken von Gewalt gegen Frauen durch die Strafverfolgungsbehörden sowie bei der Überwachung der Einhaltung der erlassenen Unterlassungs- und Schutzmaßnahmen beobachtet. Nach Ansicht der Ombudsperson sind Maßnahmen zur Verhütung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen nicht wirksam, da es kein angemessenes System zum Schutz, zur Unterstützung und zur Rehabilitation von Gewaltopfern gibt. Infolgedessen bleiben die Strafverfolgung oder Wegweisung von Tätern und Fragen der psychologischen, sozialen und wirtschaftlichen Rehabilitation von Gewaltopfern problembehaftet (PD 5.12.2017).

Lokale NGOs und die Regierung betreiben gemeinsam eine 24-Stunden-Hotline und Unterkünfte für misshandelte Frauen und ihre minderjährigen Kinder. Plätze in den Schutzeinrichtungen sind begrenzt und nur vier der zehn Regionen des Landes verfügen über solche Einrichtungen (USDOS 20.4.2018).

Infolge eines Gesetzesvorschlages der Ombudsperson wurde ab 1.1.2017 die Schließung von Ehen unter 18 Jahren verboten. Dennoch bleibt die Problematik von Ehen Minderjähriger bestehen. Allerdings ist im Vergleich zu den Daten der Vorjahre ein Rückgang der frühen Mutterschaft zu beobachten: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 registrierte die Public Service Development Agency 382 minderjährige Mütter und 14 minderjährige Väter (PD 5.12.2017).

Die Gemeinderatswahlen von 2017 haben keine Fortschritte bei der gleichberechtigten politischen Beteiligung von Frauen gezeigt. Frauen machen nur 7,62% der Mitglieder aus, die in Selbstverwaltungsgremien unter dem Mehrheitssystem gewählt wurden. Es gibt nur eine Bürgermeisterin. Im Bereich der Frauenarbeitsrechte bestehen weiterhin Probleme. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum bleibt unkontrolliert. Obwohl sich der Staat mit der Unterzeichnung der Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verpflichtet hat, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum unter Strafe zu stellen, ist Georgien dieser Verpflichtung noch nicht nachgekommen (PD 5.12.2017).

Der Global-Gender-Gap-Index des World Economic Forums sah Georgien 2017 auf Rang 94 (2016 auf Platz 90) von 144 Ländern in Hinblick auf die Gesamtlage der Frauen. Beim Subindex "political empowerment" lag das Land wie 2016 auf Rang 114 (WEF 2017)

Quellen:

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 17.4.2018

? PD - Public Defender of Georgia (5.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf, Zugriff 29.5.2018

? USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 29.5.2018

? WEF - World Economic Forum (2017): The Global Gender Gap Report 2017, http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2017.pdf, Zugriff 29.5.2018

Visa-Liberalisierung

Die Visa-Liberalisierung für georgische Staatsbürger trat am 28. März 2017 in Kraft. Seitdem können Georgier, die Inhaber biometrischer Pässe sind, ohne Visum in den Schengen-Raum einreisen (Kurzaufenthalte). Die nachhaltige Umsetzung der Benchmarks für die Visa-Liberalisierung bleibt eine Verpflichtung für Georgien, und in diesem Zusammenhang wurde ein umfassendes Überwachungssystem für Fluggäste, die in den Schengen-Raum reisen, eingerichtet und es wurden regelmäßig Informationskampagnen über die Regeln für visafreies Reisen durchgeführt. Am 9. Juni 2017 fand ein Treffen der Plattform für lokale Zusammenarbeit im Rahmen der Mobilitätspartnerschaft EU-Georgien statt. Die Schwerpunkte der Projekte der Partnerschaften sind: legale Migration und Mobilität, Bekämpfung irregulärer Migration sowie Wiedereingliederung und Asyl (EC 9.11.2017).

Mehrere EU-Länder sehen sich seit dem Wegfall der Visapflicht für Georgier mit einer drastisch gestiegenen Zahl unbegründeter Asylanträge von Georgiern konfrontiert. Die EU-Kommission ist sich nach eigenen Angaben des Problems bewusst, will aber vorerst weiter versuchen, den Missbrauch der Visafreiheit durch eine enge Zusammenarbeit mit der georgischen Regierung einzudämmen. Diese will mit einer öffentlichen Kampagne versuchen, ihren Staatsbürgern die Aussichtslosigkeit eines Asylantrags in EU-Staaten deutlich machen (DW 30.4.2018).

Das Problem wird noch komplizierter, denn unter den Asylbewerbern gibt es Georgier mit Strafregistern, Vergehen, die in den Schengen-Mitgliedsländern begangen werden und mit der Mafia verbunden sind. Trotz der Tatsache, dass Georgien 2003 erfolgreich gegen die Mafia und die organisierte Kriminalität vorgegangen ist, ist diese Gruppe nun weitgehend im Exil tätig. Das visafreie Regime hat es für sie noch einfacher gemacht, Menschen aus ihrem Heimatland zu rekrutieren. Die georgische Regierung kämpft ständig darum, die Zahl der Menschen, die aus dem Land fliehen, zu senken. In letzter Zeit hat sie Verordnungen ausgearbeitet, um die illegale Migration einzudämmen. Die Änderung des Nachnamens ist in Georgien zu einem weit verbreiteten Problem geworden, da Menschen, die nach Verbrechen in Europa nach Hause zurückgeschickt wurden, dieses Recht nutzen, um neue Identitäten anzunehmen und die Länder der Europäischen Union wieder zu erreichen. Das von der Regierung am 6.3.2018 verabschiedete Änderungsgesetz beschränkt das Recht, den Nachnamen zu ändern, mit Ausnahme der Fälle, in denen man seinen Nachnamen aufgrund von Heirat, Scheidung, Kinderadoption oder Vaterschaftsbestimmung ändert (SVI 9.3.2018).

Quellen:

? DW - Deutsche Welle (30.4.2018): Georgier missbrauchen Visafreiheit,

http://www.dw.com/de/georgier-missbrauchen-visafreiheit/a-43586945, Zugriff 30.5.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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