TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W119 2197697-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch

W119 2197697-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018, Zl. 1096111508 - 151836584, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31. 10.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 13 Abs. 2 Z 1, 15b Abs.1, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 53 Abs 3 Z1, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 22.11.2015 in Österreich einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.11.2015 gab er an, dass er afghanischer Staatsangehöriger und sunnitischen Glaubens sei sowie der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Geboren sei er in einem Dorf in der Provinz Nangarhar. In Afghanistan lebten seine Eltern und sein 21-jähriger Bruder. Die finanzielle Situation seiner Familie ist im Befragungsprotokoll mit "mittel" vermerkt. Sein Vater habe ein Lebensmittelgeschäft betrieben und sei Sekretär eines Geistlichen gewesen, sein Bruder habe die Schleppung organisiert.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er mit dem islamischen Glauben ein Problem gehabt habe. "Konkret schrieb ich über Facebook mit einem Freund zum Thema Islam und Christentum einen Beitrag. Meine Stellungnahme sprach gegen den islam. Glauben. Der Inhalt dieser Konversation wurde ausgedruckt und meinem Vater gezeigt. Mein Vater ist ein strenggläubiger Moslem und fing an uns zu schlagen. Mein Vater sperrte uns ein und die Leute aus meinem Dorf erfuhren von dieser Angelegenheit bzw. Sache. Mein älterer Bruder befreite uns und organisierte die Flucht. Das ist alles."

Nach seiner Rückkehrbefürchtung befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass sein älterer Bruder ihm während der Flucht telefonisch mitgeteilt habe, "dass wir im Falle einer Rückkehr umgebracht werden."

Am 27.11.2015 korrigierte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) sein Geburtsdatum wie im Spruch angegeben.

Am 14.03.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht XXXX als junger Erwachsener gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, 27 Abs. 2a Suchtmittelgesetz, § 15 StGB und §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt. Diese Entscheidung wurde mit 14.03.2017 rechtskräftig.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 26.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen Straffälligkeit (§ 2 Abs. 3 AsylG) eingetreten sei. Diese Verfahrensanordnung wurde ihm am 28.07.2017 zugestellt.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 07.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b AsylG iVm § 7 Abs. 1 VwGVG aufgetragen, in einem näher bezeichneten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen, dies bis zur Rechtskraft der Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

Am 14.03.2018 wurde der Beschwerdeführer unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin für die Sprache Dari vor dem Bundesamt einvernommen. Dabei gab er an, er sei sunnitischen Glaubens und stamme aus einem Dorf im Distrikt XXXX , in der Provinz Nangarhar gelegen.

Über Dokumente verfüge er nicht, seine Tazkira, "ein Schreiben von den Taliban" und auch Kursbestätigungen habe er in einem Schließfach am Bahnhof XXXX gehabt. Da er dieses Schließfach nicht bezahlen hätte können, sei es entleert worden. Sein jüngerer Bruder habe (gemeint wohl: in seinem Verfahren) jedoch auch seine Tazkira vorgelegt sowie ein Schreiben der Taliban. Der Beschwerdeführer könne keine neue Tazkira beschaffen, er habe keinen Kontakt nach Afghanistan.

In der Heimat habe er sieben Jahre die Schule besucht. Ungefähr im Alter von elf Jahren sei er mit seiner Familie in den Iran gezogen und mit circa 14 Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Iran lebe noch eine Schwester. Er selbst habe dort als Schneider gearbeitet, Schule hätte er im Iran keine besucht. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er dort die Schule abgeschlossen und eine Aufnahmeprüfung für ein IT- Studium an der Universität erfolgreich abgelegt. Dieses hätte einen Monat vor seiner Flucht beginnen sollen.

Seine beiden Brüder hielten sich in Österreich auf, wobei einer von ihnen mit ihm gereist sei. Er selbst habe in Afghanistan lediglich mit seiner Tante (mütterlicherseits) Kontakt. Zu seinen Eltern habe er keine Beziehung, weil sie dies nicht wollten.

Ende Frühling, Anfang Sommer 2015 habe er seinen Heimatort verlassen. Wann genau dies geschehen sei, könne er nicht sagen. Das Datum im afghanischen Kalender könne er auch nicht angeben. Sein älterer Bruder habe die Flucht bezahlt, der Beschwerdeführer kenne deren Kosten nicht. Befragt, woher sein Bruder das Geld gehabt habe, gab er an, dass seine Familie keine finanziellen Probleme habe. Sie hätten ein Geschäft und ein Grundstück. Die Reise bis Österreich habe vier bis fünf Monate gedauert.

Befragt, ob er wegen seines Glaubens in Afghanistan Probleme gehabt habe, bejahte der Beschwerdeführer dies.

Zum Fluchtgrund befragt, gab er an, dass sein jüngerer Bruder über Facebook Kontakt zu einem Pfarrer gefunden und viel über Religion und Philosophie gelesen hätte. Zwei Monate vor dem Vorfall habe er dem Beschwerdeführer erzählt, dass er seine Religion wechseln wolle. Der Beschwerdeführer habe ihm gesagt, dass dies seine Entscheidung sei.

Zwei Tage vor ihrer Ausreise habe ein Freund seines Bruders dessen Telefon oder Laptop genommen, um damit zu spielen, dort die Nachrichten des Bruders gesehen und sie dem Vater des Beschwerdeführers gezeigt, der darauf "wahnsinnig" reagiert habe. Zunächst habe er den jüngeren Bruder heftig geschlagen. Als der Beschwerdeführer vom Geschäft nach Hause gekommen sei, habe er dies gesehen, versucht, die Beiden auseinanderzubringen und den Vater gefragt, warum er den Bruder schlage. Jener habe erwidert, dass der Bruder kein Moslem mehr sei. Nachdem der Beschwerdeführer erklärt hätte, dies sei die Entscheidung seines Bruders und wenn der Vater diesen töte, wäre der Beschwerdeführer auch kein Moslem mehr und der Vater könne ihn ebenfalls umbringen, habe letzterer auch ihn geschlagen und gemeinsam mit dem Bruder im Stall eingesperrt. An weiteres könne sich der Beschwerdeführer nicht mehr erinnern.

Innerhalb von zwei Tagen hätten alle Dorfbewohner davon erfahren und es seien die Stammesältesten zusammengekommen. Was sie entschieden hätten, wisse der Beschwerdeführer nicht. Schließlich - vermutlich nach zwei Tagen - sei der ältere Bruder gekommen, habe die Tür des Stalles geöffnet und den Beschwerdeführer und seinen jüngeren Bruder mit dem Auto nach Kabul gebracht.

Weitere Fluchtgründe gebe es nicht.

Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan alles gehabt, Geld, ein Universitätsstudium, seine Eltern und seine Familie.

Der Freund seines Bruders habe allen im Dorf erzählt, "wir" hätten die Religion wechseln wollen. Er habe dieses Gerücht verbreitet, um im Dorf Anerkennung zu bekommen bzw., um "im Himmel belohnt" zu werden. "Er wollte sich von meinem Vater belohnen lassen." Dies sei für den Vater des Beschwerdeführers eine große Schande gewesen. Er habe seine jüngeren Söhne nicht verteidigen können, weil dann die Dorfbewohner keinen Respekt vor ihm gehabt hätten. Der Freund habe alles im Mobiltelefon gezeigt und somit Beweise gehabt.

Zum Drohbrief befragt, insbesondere, ob er mit diesem auch bedroht worden sei, bejahte der Beschwerdeführer dies. Man habe ihn aufgefordert, Afghanistan zu verlassen. "Alle Stammesältesten und Dorfbewohner haben nach der Sitzung die Entscheidung getroffen. Es ist ein kleines Dorf und die Stammesältesten entscheiden." Woher sein Bruder diesen Brief habe, wisse der Beschwerdeführer nicht. Der Drohbrief stamme von den ganzen Dorfbewohnern und den Stammesältesten.

Auf den Vorhalt, dass es sich um die Facebook-Nachrichten seines jüngeren Bruders gehandelt habe und die Dorfbewohner nichts gegen den Beschwerdeführer in der Hand gehabt hätten, erwiderte er: "Es war ein Zufall, dass ich wegen diesem Thema beschuldigt wurde."

Befragt, ob er versucht habe, mit seinen Eltern Kontakt aufzunehmen, um das Missverständnis aufzuklären, gab er an, dass er dies versucht habe, sein Vater es jedoch überhaupt nicht verstehe. Er wolle mit hm nichts zu tun haben. Seine Tante habe ihm gesagt, dass sein Vater ihn und seinen Bruder töten lassen würde, sollte er sie finden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er mit Sicherheit getötet werden. Die Paschtunen würden sich alle untereinander kennen. Auf den Vorhalt, dass es in Afghanistan kein Meldesystem gebe und niemand ihn finden würde, erwiderte der Beschwerdeführer, dass sein Vater viele Leute kenne.

Vorgehalten, er habe bei seiner Erstbefragung angegeben, über Facebook mit einem Freund zum Thema Islam und Christentum einen Beitrag geschrieben zu haben, verneinte der Beschwerdeführer dies.

In Österreich lebten seine beiden Brüder, zu denen er Kontakt habe. Zudem habe er hier eine Freundin. Er habe einen Deutschkurs auf Niveau A1 "fertig gemacht". Der Einvernahmeleiter hielt im Protokoll fest, dass der Beschwerdeführer gut Deutsch spreche und einzelne Fragen auf Deutsch verstehe.

Zu seiner (ersten) strafgerichtlichen Verurteilung gab der Beschwerdeführer an: Ich wollte von meinem Bruder nach Hause gehen und wurde von der Polizei kontrolliert. Ich hatte 20 Euro dabei und sie sagten, ich hätte Drogen verkauft. Ich war einen Monat im Gefängnis." Zu seinen Anzeigen wegen Suchtmitteldelikten gab er an, dass er selbst Suchtmittel benutzt habe. Er sei nicht drogenabhängig. Manchmal nehme er "Haschisch", wenn er in Gesellschaft von Freunden sei. Jedoch nicht viel. Dem Beschwerdeführer wurde zur Kenntnis gebracht, dass im Falle der Abweisung seines Antrages auf Gewährung von internationalem Schutz beabsichtigt sei, gegen ihn ein Einreiseverbot zu erlassen. Dazu gab er an, dass er in Afghanistan getötet werden würde.

Befragt, wie er in Österreich seinen Lebensunterhalt sichern wollen würde, gab er an, dass seine Freundin ihm dabei helfe. Er sei gesund.

Er sei der Anordnung zur Unterkunftnahme vom 07.02.2018 nicht nachgekommen, weil das Heim von der Wohnung seiner Freundin weit entfernt gewesen sei und er 70 Euro für eine Fahrt bezahlen hätte müssen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.05.2018, Zl. 1096111508 - 151836584, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe gemäß § 55 Abs. 1a nicht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 13 Absatz 2 Z 1 AsylG habe der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 28.07.2017 verloren (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IX.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, ab dem 07.02.2018 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt X.).

Das Bundesamt begründete die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit verschiedenen Widersprüchen. So habe der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegeben, mit einem Freund zum Thema Islam und Christentum einen Beitrag geschrieben zu haben. Sein jüngerer Bruder habe bei seiner Erstbefragung angegeben, dass er und sein Bruder, somit der Beschwerdeführer, Kontakt zu einer Person gehabt hätten, die beide taufen habe wollen. Hingegen habe der ältere Bruder des Beschwerdeführers, der fünf Monate später nach Österreich gekommen sei, in seiner Erstbefragung angegeben, dass seine beiden jüngeren Brüder mit Amerikanern über das Internet Kontakt aufgenommen hätten. Seine Brüder hätten Interesse am Christentum gezeigt, seien verhaftet worden und nach der Haftentlassung seien sie geflohen. Im Widerspruch zu den Angaben aus der Erstbefragung und auch zu den Angaben seiner Brüder aus deren Erstbefragungen, habe der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme angegeben, dass nur sein jüngerer Bruder Probleme gehabt habe. Er selbst sei von diesen Problemen seines Bruders erst betroffen gewesen als sein Vater seinen Bruder wegen dessen Interesses am Christentum geschlagen habe. Das Bundesamt führte in der Folge zahlreche weitere Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers und seines jüngeren Bruders, etwa dazu, wo sie von ihrem Vater gefangen gehalten worden und wie sie befreit worden seien, an. Auch bei der Angabe, wer den Drohbrief verfasst habe, habe es zwischen dem Beschwerdeführer, der die Stammesältesten und die Dorfbewohner genannt habe und seinem Bruder, der die Taliban genannt habe, einen Widerspruch gegeben. Zusammengefasst handle es sich beim Fluchtvorbringen offensichtlich um ein gedankliches Konstrukt.

Bei der Heimatprovinz des Beschwerdeführers handle es sich um eine volatile Provinz. Jedoch sei es dem Beschwerdeführer zumutbar, sich in "einer sicheren Gegend wie Kabul" niederzulassen. Der gesunde Beschwerdeführer habe in Afghanistan im familieneigenen Geschäft und auf den familieneigenen Feldern gearbeitet. Zudem sei er während seines Aufenthaltes im Iran als Schneider tätig gewesen. Er sei mit den kulturellen Gepflogenheiten in der Heimat vertraut und habe in Afghanistan sowohl eine Schulbildung bekommen als auch Berufserfahrung gesammelt. Daher wäre es ihm möglich, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Zu den beiden in Österreich lebenden Brüdern bestehe weder ein besonders enger Kontakt noch ein Abhängigkeitsverhältnis. Den Angaben des Beschwerdeführers sei auch nicht zu entnehmen, dass er mit seiner Freundin in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe oder, dass zu ihr ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Die kurze Aufenthaltsdauer und die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprächen gegen eine "verfestigte Eingliederung." Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung wögen schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich. Daher sei die Rückkehrentscheidung zulässig.

Bei der Erlassung des zehnjährigen Einreiseverbotes wurde eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe, sechs Monate davon unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, angeführt. Auch sei der Beschwerdeführer oftmals angezeigt worden. "Die beeinträchtigten öffentlichen Interessen sind maßgeblich für das Wohlergehen der Bevölkerung und können daher als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung bezeichnet werden, weshalb ein zehnjähriges Einreiseverbot gegen Sie erlassen wird." § 53 Abs. 3 Z 1 FPG sei durch die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, erfüllt. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Im Fall des Beschwerdeführers sei - auch vor dem Hintergrund der vielen Anzeigen gegen ihn - eine negative Zukunftsprognose getroffen worden. "In Gesamtbetrachtung Ihrer Straftaten und dem gewonnenen Persönlichkeitsbild gelangt die Behörde zu dem Schluss, dass ihr Aufenthalt in Österreich ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämliche jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden, beeinträchtigt." Auch im Hinblick darauf, wie der Beschwerdeführer sein Leben in Österreich gestalte, sei davon auszugehen, dass die Annahme der Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sei. Das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit überwiege das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Die Erlassung des Einreiseverbotes "in der angegebenen Dauer" sei notwendig, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wurde zahlreiches Berichtsmaterial zu Afghanistan, insbesondere zur dortigen Sicherheitslage, aus den Jahren 2017 und 2018 vorgelegt und ausgeführt, dass soweit Widersprüche des Beschwerdeführers zwischen Erstbefragung und Einvernahme vor dem Bundesamt vom Bundesamt angeführt worden seien, sich die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Soweit das Bundesamt dem Beschwerdeführer vorhalte, dass sein (jüngerer) Bruder und er unterschiedliche Angaben zu dem Vorfall, bei dem sie von ihrem Vater geschlagen und eingesperrt worden seien, gemacht hätten, wurde entgegnet, dass zwei Personen die gleiche Situation nicht immer gleich wahrnähmen. Zum Vorhalt, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, von den Dorfbewohnern einen Drohbrief erhalten zu haben, während sein (jüngerer) Bruder vorgebracht habe, dass der Drohbrief von den Taliban stamme, "ist auf folgendes zu verweisen: Viele der Dorfbewohner waren Taliban. Es handelt sich hierbei also nicht um einen Widerspruch."

"Die angeblichen Widersprüche der Behörde erscheinen konstruiert und willkürlich. In Wahrheit hat der Beschwerdeführer ein widerspruchsfreies und nachvollziehbares Vorbringen erstattet." Bei einem ordentlichen Ermittlungsverfahren sowie einer korrekten Beweiswürdigung hätte das Bundesamt zu dem Schluss kommen müssen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers glaubwürdig sei. Es liege daher eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Religion vor, weil dem Beschwerdeführer - der sich im wehrfähigen Alter befinde - von seinem Vater und den Dorfbewohnern unterstellt werde, dass er zum Christentum konvertieren wolle. Auch der Umstand, dass er sich im westlich geprägten Österreich aufgehalten und sich den westlichen Werten angepasst habe, könnte ihn aufgrund einer unterstellten politischen Einstellung oder einem unterstellten Werteabfall zur Zielscheibe von Übergriffen in Afghanistan machen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Bundesamt daher dem Asylantrag stattgeben müssen.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Beschwerdeführer nicht, weil ihm Verfolgung durch die Dorfbewohner, worunter sich auch Taliban befänden, drohe. Da die Familie des Beschwerdeführers und die Taliban sehr gut vernetzt seien, drohe ihm eine landesweite Verfolgung.

Bereits aufgrund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan hätte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen können. Der Beschwerdeführer könnte auch keine Unterstützung seiner Familie erhalten, weil er von seinen Familienangehörigen verfolgt werde.

Der Beschwerdeführer habe sich seine Möglichkeiten entsprechend bereits in Österreich integriert. Er spreche sehr gut Deutsch und führe eine Beziehung mit einer Österreicherin. Eine Rückkehrentscheidung würde einen unzulässigen Eingriff in seine durch Art 8 EMRK geschützten Rechte darstellen.

Die Rechtmäßigkeit des Einreiseverbotes dem Grunde nach sowie der Dauer dieser Maßnahme wurde bestritten. Es sei nicht ausreichend, als Begründung für das Einreiseverbot sowie dessen Dauer lediglich die Straftaten zu zitieren. Das Bundesamt habe die zehnjährige Dauer des Einreiseverbotes nicht begründet. Insbesondere sei nicht begründet worden, warum vom Beschwerdeführer überhaupt und vor allem in dieser langen Dauer eine Gefährdung ausgehe. Das Bundesverwaltungsgericht möge zumindest die Dauer des Einreiseverbotes herabsetzen.

Eine Begründung, warum die Unterkunftnahme konkret für die zügige Bearbeitung und wirksame Überwachung des Antrages auf internationalen Schutz notwendig sei, habe das Bundesamt nicht angeführt.

Mit der Beschwerde wurde eine Vollmacht des im Spruch genannten Vertreters vorgelegt.

Am 2.10.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht nun ein Protokollsvermerk samt gekürzter Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX ein.

Am 31.10.2018 fand vor dem Bundesveraltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der ein Vertreter des Bundesamtes teilnahm.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er aus einem näher genannten Dorf im Distrikt XXXX (Provinz Nangarhar) in der Nähe von XXXX stamme und Verwandte in Kabul und Mazar-e Sharif habe. In Kabul lebten z.B. seine Cousins. Sein Vater habe ein Lebensmittelgeschäft gehabt. Der Beschwerdeführer habe bis zu seiner Flucht immer in seinem Heimatdorf gelebt, wobei er manchmal nach Kabul zu seinen Verwandten gefahren sei. Als er klein gewesen sei, sei die Familie einmal im Iran gewesen, der Beschwerdeführer glaube, damals fünf Jahre alt gewesen zu sein. Im Iran seien sie zwei, drei oder vier Jahre geblieben. Auf den Vorhalt, dass er beim Bundesamt gesagt habe, er sei elf Jahre alt gewesen als er in den Iran gegangen und 14 Jahre, als er zurückgekehrt sei, antwortete er: "Ich weiß es nicht." Im Iran hätte er die Schule besucht und nicht arbeiten können. Auf den Vorhalt, dass er beim Bundesamt gesagt habe, er sei im Iran als Schneider tätig gewesen und nicht in die Schule gegangen, gab er an, die Schule sehr unregelmäßig Schule besucht zu haben. In den letzten sechs Monaten vor der Rückreise seiner Familie hätte er in einer Schneiderei gearbeitet.

In Afghanistan habe er dann die Schule abgeschlossen und die Aufnahmeprüfung für die Universität, für ein Studium im IT Bereich, bestanden. Seine Tazkira und sein Abschlusszeugnis seien zuhause. Auf den Vorhalt, dass er beim Bundesamt angegeben habe, dass sich u. a. seine Tazkira in einem Schließfach beim Bahnhof befunden hätte, er die Kosten nicht tragen hätte können und es entleert worden wäre, weshalb er nunmehr keine Tazkira vorlegen könne, führte er aus, dass er in diesem Schließfach nur Kopien dieser Dokumente aufbewahrt hätte und einen Teil seiner Kleidung. Dies sei verschwunden, die Originale habe er, sie hätten sich bei seinem Bruder befunden. Auf die Frage warum diese bei seinem Bruder gewesen wären, antwortete der Beschwerdeführer: "Es hat nichts mit warum zu tun."

Auf den Vorhalt seiner Angaben zum Fluchtgrund in der Erstbefragung führte er aus, dass er mit dem Islam keine Probleme habe. Es habe einen Vorfall, in den sein Bruder involviert gewesen sei, gegeben. Er selbst sei ebenfalls mitverdächtigt worden. Seine Familie glaube, dass er Christ geworden sei und würde ihn deshalb bei einer Rückkehr töten. Der Beschwerdeführer wiederholte in der Folge im Wesentlichen seine Angaben zum Fluchtauslösenden Vorfall vor dem Bundesamt, wobei er explizit angab: "Ich fragte meinen Vater ob er meinen Bruder töten wolle und wenn es so wäre, dann solle er auch mich töten, weil auch ich ungläubig geworden sei."

Weiters führte er aus: "Mein Bruder hatte Nachrichten von seinem Freund auf dem Handy empfangen, diese hatte er meinem Vater gezeigt."

Auf die Frage, ob sein Bruder nicht annehmen hätte können, dass er damit Probleme mit dem Vater bekomme, gab der Beschwerdeführer an:

"Mein Bruder hat die Nachrichten meinem Vater nicht gezeigt, es war ein Freund meines Bruders. Dieser Freund hat auf dem Handy meines Bruders gespielt, dann hat der Freund die Nachrichten auf dem Messenger gelesen."

Die Dolmetscherin bejahte anschließend die Frage der Richterin, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zuvor angegeben habe, dass sein Bruder seinem Vater eine Nachricht auf dem Handy gezeigt habe.

Befragt, ob er gewusst habe, dass sein Bruder sich dem christlichen Glauben zuwenden wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass er nichts über dessen Interesse am Christentum gewusst habe. Er sei damals mit den Vorbereitungen für die Aufnahmeprüfung für die Universität beschäftigt gewesen. Später in der Verhandlung befragt, gab er dazu an, er habe das nicht gewusst, sein Bruder habe sehr viel gelesen und habe ihm manchmal erzählt: "Das ist so und das ist so". Aber es habe den Beschwerdeführer nicht interessiert.

Zum anschließenden Vorhalt, dass er beim Bundesamt ausgesagt habe, er habe zwei Monate vor dem Vorfall mit seinem Vater erfahren, dass sein Bruder mit dem Gedanken spiele vom Islam abzufallen und, zudem habe über die Geheimnisse seines Bruders Bescheid gewusst, führte er aus: "Ja, ich habe davon gewusst, aber es hat mich nicht interessiert. Ich war mit den Vorbereitungen auf die Prüfung beschäftigt, außerdem wusste ich nicht, dass daraus ein so ein großes Problem entstehen würde."

Kurz darauf bejahte der Beschwerdeführer die Frage der erkennenden Richterin, ob er vermutet habe, dass der Vater auf diese Weise reagieren würde. Nachgefragt, ob er den Bruder nicht gewarnt habe, gab der Beschwerdeführer wiederum zur Antwort, er habe es ihm gesagt, aber nicht gewusst, dass sein Bruder Christ habe werden wollen. "Ich dachte, dass er nur seinen Wissenstand erweitern möchte."

Warum der Freund seines Bruders den Bruder beim Vater verraten habe, wisse er nicht. Auf den Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt angegeben habe, dass sich sein Freund wichtigmachen habe wollen, meinte der Beschwerdeführer: "Ja, damit wird man wichtig, wenn man einen ungläubigen verrät."

Mittlerweile glaube das ganze Dorf, dass der Beschwerdeführer Christ geworden sei. Sein Vater besitze Grundstücke, ein Geschäft, ein Haus und ein Auto. Er habe genug Geld. Der Beschwerdeführer würde sich freuen, wenn er zurückkehren könne, das gehe aber nicht. Dieser Junge habe im Dorf alles herumerzählt. Als der Vater seinen Bruder geschlagen und der Beschwerdeführer sich eingemischt habe, habe er auch diesen verprügelt und sie beide im Keller eingesperrt. Dann seien Leute gekommen und daraus eine große Sache geworden. Vorgehalten, der Beschwerdeführer habe beim Bundesamt gesagt, es hätte sich um einen Stall gehandelt, meinte der Beschwerdeführer, Stall und Keller wären das gleiche.

Auf die Frage, warum sein Vater das Dorf nicht darüber informiert habe, dass der Beschwerdeführer keine Absicht gehabt hätte, vom Islam abzufallen, gab er an, dass sein Vater ein streng gläubiger Moslem sei. Der Junge habe bereits das ganze Dorf informiert, daher sei dies nicht mehr möglich gewesen. Er glaube, dass der Junge es allen im Dorf gesagt habe. Wenn er es seinem Vater sage, dann sei es offensichtlich, dass er es jedem sage.

Auf den Vorhalt, dass der Freund seines Bruders nur von der Absicht Ihres Bruders gewusst habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Das weiß ich nicht."

Er wisse auch nicht, warum sein älterer Bruder geflüchtet sei. Er habe keinen Kontakt zu ihm. Der Drohbrief sei von Dorfbewohnern gewesen. Sein älterer Bruder habe ihn seinem jüngeren Bruder geschickt.

Nachgefragt, wie es sein könne, dass in dem vorgelegten Drohbrief ihre Namen stünden und der ältere Bruder trotzdem ungehindert im Dorf geblieben sei, meinte der Beschwerdeführer, er wisse es nicht.

Nachdem ihn sein (älterer) Bruder befreit hätte, sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Der Bruder habe ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass sich die Ältesten versammelt und entschieden hätten, den Beschwerdeführer zu töten. Wann sie dies entschieden hätten, wisse der Beschwerdeführer nicht, weil er - gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder - eingesperrt gewesen sei.

Sein Vater habe (auf Deutsch) "sowieso" Probleme bekommen. Man bekomme sowieso Probleme, wenn die Söhne ungläubig werden.

Befragt, ob sein Vater ihn in diesem Fall ihn nicht umso mehr verteidigen hätte müssen, gab der Beschwerdeführer an: "Mein Vater ist sehr streng im Islam. Wenn er sagt, dass etwas passiert ist, dann ist es so."

Es sei richtig, dass der Beschwerdeführer Kenntnisse in der Schneiderei habe. Er könne sich nicht vorstellen, in Mazar e Sharif zu leben, wo er Verwandte habe, weil diese seinen Vater über seine Rückkehr in Kenntnis setzen würden. In Herat könne er zwei oder drei Jahre leben. Wenn sein Vater, der sehr viele Kontakte habe, von seiner Anwesenheit erfahre, würde er ihn enthaupten.

Zu seiner Familie in Afghanistan habe der Beschwerdeführer zuletzt vor zwei oder drei Jahren Kontakt gehabt. Vorgehalten, am 14.03.2018 beim Bundesamt gesagt zu haben, mit seiner Tante in Kontakt zu stehen, erklärte der Beschwerdeführer, er vergesse viel. Er könne jedoch den Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan herstellen. Wo seine Mutter zurzeit aufhältig sei, wisse er nicht, aber er vermute, dass sie sich im Heimatdorf aufhalte.

Wann der Beschwerdeführer aus seinen Heimatdorf ausgereist sei, könne er nicht genau angeben.

In Österreich habe der Beschwerdeführer den Deutschkurs A1.1. absolviert, das Zeugnis habe er zu Hause. Seitens der erkennenden Richterin wurde festgehalten, dass die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers alltagstauglich seien. Zu seinem Familienleben im Bundesgebiet befragt, erklärte der Beschwerdeführer, eine XXXX -jährige Freundin und einen Bruder zu haben. Die Freundin besuche ihn im Gefängnis. Er kenne sie seit eineinhalb Jahren und wohne bei ihr sowie ihrem Bruder in ihrer eigenen Wohnung, die ihr Vater finanziere. Den Auszug aus dem zentralen Melderegister vorgehalten, wonach dies nicht stimme, erklärte der Beschwerdeführer, in seiner Flüchtlingsunterkunft gemeldet zu sein, aber bei seiner Freundin zu wohnen. Dort habe er sich die gesamten fünf Monate aufgehalten, sei ein, zwei Tage oder eine Woche ins Heim gegangen, um sein Geld zu holen und habe sich danach wieder zu seiner Freundin begeben. Diese gehe seit seiner Verhaftung zur Schule, davor nicht.

Kurse habe der Beschwerdeführer keine besuchen dürfen. Nachgefragt, ob er ehrenamtlich oder auf freiwilliger Basis bereits erwerbstätig gewesen sei, erklärte er, für eine Party in der Flüchtlingsunterkunft Sessel aufgestellt zu haben. Freunde habe er in Österreich keine. Drogen nehme er nicht mehr, er befinde sich derzeit in einer Therapie. Seine Freundin sei ebenfalls drogenabhängig.

Am 08.11.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgehändigten Länderberichten ein.

Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe gesamten Verfahren gleichbleibend angegeben, dass er Verfolgung durch seine Familie aufgrund des Vorfalls mit seinem Bruder befürchte. Etwaige Widersprüche würden sich auf Nebenereignisse beziehen, die erfahrungsgemäß im Gedächtnis weniger verankert seien. Dem Beschwerdeführer drohe bei seiner Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung. Ferner sei aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr dorthin der realen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt wäre. Bezüglich der internen Fluchtalternative gehe UNHCR davon aus, dass Kabul als solche generell nicht verfügbar sei. Auch hinsichtlich Herat und Mazar e Sharif sei aus den Länderberichten ersichtlich, dass diese ebenfalls nicht Innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünden. Bereits wegen der allgemeinen Sicherheitslage sei die Relevanz dieser Fluchtalternativen zu bezweifeln. Der Beschwerdeführer verfüge über kein soziales oder familiäres Netzwerk in diesen Städten, das ihn bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche unterstützen könnte bzw. würde.

Mit Parteiengehör vom 7. 1. 2018 wurde den Parteien vom Bundesverwaltungsgericht die aktualisierten Feststellungen zur aktuellen Versorgungslage in Herat Stadt und Mazar-e Sharif (Stand: 19. 11. 2018) übermittelt.

Mit Schreiben vom 22. 1. 2018 brachte der Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ein, in der zunächst auf die Versorgungslage in Herat und in weiterer Folge auf die Dürreauswirkungen in Mazar-e Sharif hingewiesen wurde. Darin wurde jedoch zugestanden, dass Informationen über diese Folgen der Dürre - wie aus den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation und von ACCORD hervorgehe - insbesondere in Mazar-e Sharif schwer bis gar nicht zu erhalten seien. Nichtsdestotrotz seien die Bauern in der Provinz Balkh mit den Folgen dieser sich seit Längerem verschärfenden Dürre konfrontiert, da in den Monaten davor die üblichen Schneefälle ausgeblieben seien. Aufgrund der bestehenden rauen und kalten Wintersaison sei mit einer Zuspitzung bzw Verschlechterung der Situation zu rechnen.

Mit Parteiengehör vom 5. 2. 2019 wurden den Parteien vom Bundesverwaltungsgericht das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis 22. 1. 2019, Berichte der Staatendokumentation zur Versorgungslage in Mazar-e Sharif vom 13. 9. 2018, die ACCORD-Anfragebeantwortung zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif sowie die UNHCR-Richtlinien vom August 2018 übermittelt, wozu jedoch keine Stellungnahmen eingebracht wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar.

Sein Vater betreibt im Heimatort ein Lebensmittelgeschäft, zudem besitzt die Familie Grundstücke, ein Haus sowie ein Auto. Sie hat keine finanziellen Probleme.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen alleinstehenden, gesunden und leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Er hat in der Heimat die Schule abgeschlossen und die Aufnahmeprüfung für die Universität zu einem IT-Studium erfolgreich abgelegt. Zudem verfügt er über Kenntnisse in der Schneiderei und arbeitete im familieneigenen Geschäft.

Der Beschwerdeführer hat Verwandte in Kabul und Mazar e Sharif.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan der Apostasie beschuldigt würde.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt ausgesetzt. Afghanischen Staatsangehörigen, die aus Europa nach Afghanistan zurückkehren, droht in Afghanistan allein aufgrund ihres Aufenthaltes außerhalb Afghanistans keine psychische und/oder physische Gewalt.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Provinz Nangarhar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch möglich und zumutbar sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist zwar sehr angespannt, der Beschwerdeführer kann jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zumal er dort über ein verwandtschaftliches Netzwerk verfügt. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und zudem anpassungsfähig. Er hat keine Sorgepflichten. Er kann zumindest anfänglich mit finanzieller Unterstützung seiner Familie bzw seiner Verwandten rechnen und dann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der Beschwerdeführer hat den Deutschkurs A1.1 absolviert, seine Deutschkenntnisse sind alltagstauglich.

In Österreich hat der Beschwerdeführer eine Freundin und einen Bruder. Es bestehen keine finanziellen Abhängigkeitsverhältnisse. Der Beschwerdeführer bezog im Bundesgebiet niemals ein legales Einkommen, ist nicht Mitglied in Vereinen und war - abgesehen vom Aufstellen von Sesseln für eine Party in der Flüchtlingsunterkunft - nicht ehrenamtlich tätig.

Am 14.03.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht XXXX als junger Erwachsener gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, 27 Abs. 2a Suchtmittelgesetz, § 15 StGB und §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt. Diese Entscheidung wurde mit 14.03.2017 rechtskräftig.

Am 18.09.2018 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht XXXX als junger Erwachsener gemäß §§ 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 a zweiter Fall Suchtmittelgesetz, §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz, §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Diese Entscheidung erwuchs am 18.09.2018 in Rechtskraft.

Feststellungen zur Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Juni 2018 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler, letzte Aktualisierung vom 19. 10. 2018):

Sicherheitslage in Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS- Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN

5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte.

Sicherheitslage in Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander

in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Sicherheitslage in der Provinz Nangahar:

Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o.D.g). Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt (Xinhua 10.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.573.973 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad aus folgenden Distrikten: Ghani Khil/Shinwar, Sherzad, Rodat, Kama, Surkhrod, Khogyani, Hisarak/Hesarak, Pachiragam/Pachir Wa Agam, DehBala/Deh Balah/Haska Mina, Acheen/Achin, Nazyan, Mohmand Dara/Muhmand Dara, Batikot, Kot, Goshta, Behsood/Behsud, Kuz Kunar/Kuzkunar, Dara-e Noor/Dara-e-Nur, Lalpora/Lalpur, Dur Baba/Durbaba und Chaparhar (UN OCHA 4.2014; vgl. EASO 12.2017).

Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert (Khaama Press 2.1.2018; vgl Reuters 14.5.2018); Nangahar war seit dem Sturz des Taliban- Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, GT 22.1.2018). Begründet wird das damit, dass seit dem Fall des Talibanregimes von weniger Vorfällen berichtet worden war (Khaama Press 28.1.2018). In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 5.10.2017, GT 22.1.2018, SD 22.2.2018). Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018a). Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt (RFERL 12.3.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten