TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/28 G304 2189506-1

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Entscheidungsdatum

28.02.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2189506-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 02.02.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde hinsichtlich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

II. Der Beschwerde hinsichtlich einer benötigten Begleitperson wird gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 20.11.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkerhsmittel wegen dauerhafter Mobilittäseinschränkung aufgurnd einer Behinderung" und "Begleitperson erforderlich" in den Behindertenpass ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, aufgrund der Aktenlage vom 11.12.2017 eingeholt.

In diesem Gutachten wurde folgende "gutachterliche Stellungnahme" abgegeben (Name des BF durch "BF" ersetzt):

"Die bereits 2014 getroffene Bewertung zum Parkausweis ist weiterhin gültig. Der BF ist auf Grund einer Vorfußheberparese grundsätzlich in seiner Mobilität und seinem Gangbild eingeschränkt; mit Verwendung einer Unterschenkelorthese re. Ist diese Vorfußheberschwäche jedoch ausreichend korrigierbar, so dass kürzere Wegstrecken aus eigener Kraft und ohne weitere orth. Behelfe zurückgelegt werden können und auch einzelne Stufen unter gegebenenfalls Hilfestellung der OE ausreichend sicher überwunden werden können. Die Mundschleimtrockenheit, welche nachvollziehbar geschildert und ein häufiges und auch oft das alltatsrelevanteste Problem darstellt, kann den gewünschten Zusatz der Unzumutbarkeit öffentliche Verkehrsmittel nicht begründen, bewirkt dies doch keine wesentliche oder gar höhergradige Mobilitätseinschränkung, die Möglichkeit einer begleitenden Getränkeaufnahme ist in öffentlichen Verkehrsmittel nicht geringer möglich als in einem KFZ, zusätzlich können entsprechende säuerliche Lutschbonbons zur Coupierung der AKutproblamtik verwendet werden. Die angeführte Angst- und Panikstörung kann den gewünschten Zusatz ebenfanlls weiterhin nicht begründen, da keine nachweisliche Therapieresistenz besteht und keine wiederholten stationären Behandlungen hierzu erfasst sind. Die empfohlene Grundmedikation ist erweiterungsfähig, sodass keine therapieresistente psychiatrische Grundproblematik bescheinigt werden kann, die mit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unvereinbar wäre. Laut fachärztlicher Bescheinigung wird auch der Zug genutzt."

Des Weiteren wurde begründend ausgeführt:

"Die Notwendigkeit einer Begleitperson, entsprechend den rechtlichen Erläuterungen zum Zusatz, zur ständigen Hilfe bei schweren Verhaltenssstörugen oder hochgradigen Bewegungseinscrhänkungen mit Vermeidung einer Eigengefährdung, ist nicht erfüllt."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.02.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 11.12.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentliches Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke.

Die Eintragung "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" sei zudem vorzunehmen bei

-

bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;

-

Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;

-

Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und

-

schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr);

-

wenn Mobilität im engeren/weiteren Sinn entsprechend der Bestimmungen des BPGG erforderlich ist.

Wie dem dem Bescheid zugrunde liegenden Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen derzeit nicht vor.

4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die BF innerhalb offener Frist Beschwerde.

5. Am 16.03.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Verfügung des BVwG vom 19.04.2018, Zl. G304 2189506-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, ersucht, aufgrund der Aktenlage ein Sachveständigengutachten zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung dem BVwG zu übermitteln.

Mit Verfügung des BVwG vom 19.04.2018, Zl. G304 2189506-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 28.05.2018 um 08:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

7. Am 02.08.2018 langte beim BVwG das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 30.07.2018 ein. In diesem wurde die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für nicht zumutbar gehalten. Es wurde hinsichtlich erforderlicher Begleiteprson ein "Nein" angekreuzt, im Gutachten jedoch keine Begründung dafür angeführt.

8. In einer ergänzend eingeholten fachärztlichen Stellungnahme von Dr. XXXX vom 20.12.2018 wurde in Gesamtbetrachtung aller gesundheitlicher Beeinträchtigungen eine Begleitperson befürwortet.

9. Mit Verfügung des BVwG vom 16.01.2019 wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 30.07.2018 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

10. Eine Stellungnahme ist bis dato beim BVwG nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

In einem Fall, in dem die Zusatzeintragung "Notwendigkeit einer Begleitperson" in den Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 des BBG 1990 verfahrensgegenständlich ist, sind - regelmäßig unter Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen - die Art der Gesundheitsschädigung des Betroffenen und deren Konsequenzen für die allfällige Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson darzustellen (vgl. VwGH 01.03.2016, Zl. Ro 2014/11/00224).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 30.07.2018 nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Es wurde auf die Art der Leiden und deren Konsequenzen ausführlich eingegangen und zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung Folgendes ausgeführt:

"Die Angst- und Panikstörung hat sich weiter verschlechtert, dies kann zumindest ab dem nervenfachärztlichen Befund (...) vom November 2017 festgestellt werden. Der AST hat ausreichend Therapien in Anspruch genommen, um die Angstzustände zu verbessern, dies aber mit wenig Erfolg. Der Schweregrad der Angst- und Panikstörung zeigt sich vor allem durch die nunmehr persönliche Untersuchung des AST. Er ist sehr angespannt, hektisch, unruhig und nervös und nicht in der Lage aufgrund der Angst- und Panikstörung öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Es besteht auch nachweislich aufgrund der schweren Krebserkrankung eine außerordentliche Belastungssituation, die dies rechtfertigt. Eine Therapieoptimierung ist jedoch durchaus möglich, weshalb eine Kontrolle in 2 Jahren empfohlen wird. Hinzu kommt eine Gangstörung durch die Peroneusparese rechts, diese ist aber nur mäßig ausgeprägt, verstärkt aber die Problematik zusätzlich..."

In einer ergänzenden fachärztlichen Stellungnahme vom 20.12.2018 teilte die Sachverständige zur Notwendigkeit einer Begleitperson Folgendes mit (Gutachten vom 08.12.2017 mit Vorgutachten ersetzt):

"Wie im Vorgutachten angeführt, hat sich die Angst- und Panikstörung beim Antragsteller weiter verschlechtert, dies geht auch aus dem Befund der Fachärztin (...) vom November 2017 hervor.

Die Konzentration und die kognitiven Fähigkeiten warn zum Zeitpunkt der Untersuchung des AST unauffällig, jedoch war er stark angespannt, etwas agitiert und gereizt, was sicherlich im Anlassfall auch immer wieder zu Einbrüchen in der Konzentration führen kann. Im Zuge einer Panikattacke ist dies noch mehr zu erwarten, auch können dabei Orientierungsprobleme die Folge sein. Zusätzlich liegt sicherlich eine Sozialphobie vor, die die Kommunikation mit Menschen grundsätzlich erschwert.

Aufgrund der nachweislich schweren generalisierten Angststörung mit Panikattacken und Sozialphobie und auch dem Umstand der abgelaufenen schweren Krebserkrankung im Mundbereich (Zungenkrebs), wodurch Sprechen und Stimme beeinträchtigt sind, ist die EIntragung der Notwendigkeit einer Begleitperson beim AST nun zu befürworten."

Die Sachverständige ging aufgrund der durch die körperlichen Leiden verstärkten erheblichen psychischen Beeinträchtigung des BF sowohl von der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als auch von der Notwendigkeit einer Begleitperson aus.

Eine Stellungnahme des BF zu diesen beiden gutachterlichen Beurteilungen ist beim BVwG nicht eingelangt.

Es war somit gegenständlicher Entscheidung das Sachverständigengutachten vom 30.07.2018 und die nachfolgende fachärztliche Stellungnahme vom 20.12.2018 in freier Beweisiwürdigung zugrunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, idF BGBl. II Nr. 263/2016, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

3.2.2. Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 2a der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, idF BGBl. II Nr. 263/2016, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung in den Behindertenpass in bestimmten Fällen festzustellen, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes eienr Begleitperson bedarf, dies unter anderem bei

- bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen.

3.2.3. Im vom BVwG eingeholten nachvollziehbaren, widerspruchsfreien Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 30.07.2018 wurde aufgrund einer durch die körperlichen Leiden des BF verstärkten erheblichen psychischen Beeinträchtigung die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt.

In einer ergänzend dazu nachgereichten fachärztlichen Stellungnahme hielt die Sachverständige fest, dass aufgrund der "nachweislich schweren generalisierten Angststörung mit Panikattacken und Sozialphobie und auch dem Umstand der abgelaufenen schweren Krebserkankung im Mundbereich (Zungenkrebs), wodurch Sprechen und Stimme beeinträchtigt sind, die Eintragung der Notwendigkeit einer Begleitperson beim AST nun zu befürworten" sei.

Es wird folglich diesen beiden unbestritten gebliebenen gutachterlichen Beurteilungen gefolgt und spruchgemäß der Beschwerde betreffend Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass des BF stattgegeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht bestrittenen als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachteten gutachterlichen Beurteilungen der Sachverständigen von Dr. XXXX vom 30.07.2018 betreffend Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und vom 20.12.2018 betreffend Notwendigkeit einer Begleitperson geklärt.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Begleitperson, Behindertenpass, Sachverständigengutachten,
Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2189506.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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