Entscheidungsdatum
28.02.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2189448-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 18.01.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 10.11.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 18.01.2018 eingeholt.
In diesem Gutachten wurde hinsichtlich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt (Name der BF durch "AS" für "Antragstellerin" ersetzt):
"Sowohl aus der Anamnese, den körperlichen Befunden und den vorgelegten Fachbefunden ist der AS die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Es bestehen zwar eine angeborene Mißbildung des rechten Unterarmes, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, beidseitige Schultergelenksveränderungen, eine Sprunggelenksschädigung rechts und eine beidseitige Fußgelenksschädigung, dies bewirkt aber keine dauerhafte und erhebliche Einschränkung der oberen oder der unteren Extremität, welche es der AS unmöglich macht, sich an einem Haltegriff festzuhalten, oder kurze Wegstrecken oder Niveauunterschiede zu überwinden, gegebenenfalls unter Verwendung eines Gehbehelfes. Die Distanz zwischen Wohnort und nächstem öffentlichen Verkehrsmittel oder die Beförderung von Gegenständen bzw. Lasten stellt keinen medizinischen Grund dar, welcher eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigt. Die im fachärztlichen Gutachten von Dr. (...) vom 25.10.2017 attestierte endoreaktive Depression ist stabil unter aktueller Medikation. Die in diesem Befund ebenfalls erwähnte Platzangst bezieht sich, laut Eigenangaben der AS, auf MRT-Geräte oder sehr enge Räume. Die Verwendung des Aufzuges am Weg zur Ordination stellte für die AS kein Hindernis dar und auch während der Begutachtung war keine dauerhafte und erhebliche klaustro- oder soziophobe Komponente fassbar. Der AS steht ohnedies, unter Vorweis des Behindertenpasses, ein Sitzplatz in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu."
Folgende "gutachterliche Stellungnahme" wurde abgegeben:
"Es liegt keine dauerhafte und erhebliche Einschränkung der Funktionen der oberen oder der unteren Extremitäten, keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und keine dauerhafte und erhebliche Funktionseinschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen vor, welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, nach aktuellen ministeriellen Richtlinien, rechtfertigt."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.01.2018 wurde der Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 18.01.2018 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor.
4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Beschwerde erhoben. Dabei wurde sowohl auf die körperliche als auch auf die psychische gesundheitliche Beeinträchtigung der BF verwiesen, um Einholung eines neurologisch-psychiatrischen und eines orthopädischen Sachverständigengutachtens und um Stattgebung gegenständlicher Beschwerde ersucht.
5. Am 16.03.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Mit Schreiben des BVwG vom 19.04.2018, Zl. G304 2189448-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, ersucht, ein Sachverständigengutachten aufgrund der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung" dem BVwG zu übermitteln.
Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 19.04.2018, Zl. G304 2189448-1/2Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 28.05.2018 um 09:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
7. Am 02.08.2018 langte beim BVwG ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 30.07.2018 ein, in welchem nach Begutachtung der BF am 30.05.2018 zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Stellungnahme abgegeben wurde:
"Vordergründig sind die primär orthopädischen Leidenszustände, die nun auch gegenüber dem VGA zugenommen haben und das Gehen maßgebend beeinträchtigen. Sicherlich ist die Gehfähigkeit durch das hinzugekommene Narbengewächs an der rechten Großzehe beeinträchtigt, jedoch kann nervenfachärztlicherseits nicht eingeschätzt werden, wie lange diese Beeinträchtigung anhalten wird. Diesbezüglich ist eine ergänzende orthopädische Begutachtung sinnvoll und wird empfohlen. Durch die Fehlbildung in der rechten oberen Extremität ist auch die Greiffunktion beeinträchtigt, es bestehen aber keine Koordinationsprobleme, auch besteht diese Einschränkung seit Geburt und wurde offenbar bisher gut kompensierte. Auch die Depressionen mit Angst und Panikzuständen sind nicht so stark ausgeprägt, dass öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzt werden können. Aus rein nervenfachärztlicher Sicht ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel noch zumutbar."
8. Mit Schreiben des BVwG vom 19.11.2018, Zl. G304 2189448-1/6Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten aufgrund der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung" dem BVwG zu übermitteln.
Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 19.11.2018, Zl. G304 2189448-1/6Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 19.12.2018 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
9. Am 10.01.2019 langte beim BVwG ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 19.12.2018 ein, in welchem nach Begutachtung der BF am 06.08.2018 "aktuell direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor bei deutlichen Belastungsschmerzen und Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes nach aktuell noch nicht verheiltem Bruch des linken Schienbeinkopfes" und die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt wurden.
10. Mit Verfügung des BVwG vom 16.01.2019, Zl. G304 2189448-1/8Z, der BF zugestellt am 22.01.2019, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
11. Mit beim BVwG am 31.01.2019 eingelangtem Schreiben vom 30.01.2019 gab die BF an, gegen die sachverständige Beurteilung im Sachverständigengutachten vom 19.12.2018, ihr sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar, keine Einwendung erheben zu wollen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom 30.07.2018, in welchem angeführt wurde, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei aus nervenfachärztlicher Sicht noch zumutbar, wurde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 19.12.2018 eingeholt.
Dieses zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX ist schlüssig und weist keine Widersprüche auf. In diesem wurden "aktuell direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor bei deutlichen Belastungsschmerzen und Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes nach aktuell noch nicht verheiltem Bruch des linken Schienbeinkopfes" festgestellt.
Folgende Stellungnahme hinsichtlich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde abgegeben:
"Aufgrund der heutigen Begutachtung, unter Vorbehalt des zwischenzeitlich stattgehabten Unfalles vom 23.08.2018, darf festgehalten werden, dass öffentliche Verkehrsmittel aufgrund der multiplen orthopädischen Funktionseinschränkungen, Gangfunktionsstörung mit Krückenhilfe die Notwendigkeit und Orthosenversorgung des linken Kniegelenks, Bewegungseinschränkung über Kopf der linken Schulter, sowie angeborener Missbildung im Bereich der rechten oberen Extremität mit Verlust der Hantierfunktion, nicht zumutbar erscheinen. Bezüglich der vor der Verletzung des linken Kniegelenks bestanden habenden Funktionsminderungen darf auf die Vorgutachten, vorzüglich Prof. (...), verwiesen werden."
Da die BF gegen das ihr vorgehaltene Sachverständigengutachten keine Einwendung erhoben hat, war das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 19.12.2018 gegenständlicher Entscheidung zugrunde zu legen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 19.12.2018, erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Die BF hat keine Einwendung gegen dieses Gutachten erhoben.
Unter Zugrundelegung des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 19.12.2018 war die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung festzustellen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist aufgrund des eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 19.12.2018 geklärt.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2189448.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.05.2019