TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/15 G314 2213450-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2019
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Entscheidungsdatum

15.03.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1

Spruch

G314 2213450-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, kosovarischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2019, Zl. XXXX, und die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wird.

II. Es wird gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG vorliegen.

III. Die Kostenersatzbegehren werden abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein kosovarischer Staatsangehöriger, hält sich seit 2005 im Bundesgebiet auf. 2016 wurde er wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zu einer 21/2-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er ab XXXX2017 in der Justizanstalt XXXX verbüßte.

Am 18.07.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots sowie zur beabsichtigten Abschiebung in sein Heimatland vernommen. Mit Schreiben des BFA vom 27.07.2017 wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen und nach der Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung bei Ausreiseunwilligkeit einen Festnahmeauftrag gegen ihn zu erlassen, eventuell die Schubhaft anzuordnen und ihn in sein Heimatland abzuschieben. Ihm wurde ein Länderinformationsblatt betreffen den Kosovo übermittelt und er wurde aufgefordert, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen und ergänzende Angaben zu seinen familiären, beruflichen und sonstigen Bindungen in Österreich sowie zu seiner Wohnung zu machen. Auf dieses Schreiben reagierte der BF nicht.

Mit dem Bescheid des BFA vom 10.01.2018, Zl. XXXX, wurde gegen den BF daraufhin eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Kosovo festgestellt, gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit dem am 22.08.2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 21.06.2018, G306 2185712-1, wurde die Beschwerde des BF dagegen als unbegründet abgewiesen.

Mit dem am 10.12.2018 beim BFA eingelangten Schreiben ersuchte der BF um internationalen Schutz. Mit Schreiben vom 12.12.2018 beauftragte das BFA die Landespolizeidirektion XXXX mit der Durchführung der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die am folgenden Tag vorgenommen wurde.

Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX2019, XXXX, der am 08.01.2019 beim BFA einlangte, wurde die bedingte Entlassung des BF nach der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit am XXXX2019 angeordnet, nachdem dies vom Landesgericht XXXX in erster Instanz noch mit dem Beschluss vom XXXX, XXXX, abgelehnt worden war.

Am XXXX wurde der BF in der Justizanstalt XXXX vor dem BFA zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ordnete das BFA gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an, wobei ausgesprochen wurde, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheids nach der Entlassung aus der "derzeitigen Haft" eintreten würden. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF am XXXX2017 vor dem BFA vernommen und am XXXX2017 zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden sei. Er halte sich seit dem Ablauf der Gültigkeit seines letzten Aufenthaltstitels am XXXX2017 nicht mehr rechtmäßig in Österreich auf. Aufgrund seines Asylantrags habe er faktischen Abschiebeschutz. Er sei geschieden, für niemanden sorgepflichtig und habe zuletzt allein in einer Wohnung gewohnt. Er sei trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht am Arbeitsmarkt integriert, sondern nur kurzfristig, teilweise geringfügig, beschäftigt gewesen und habe ansonsten Arbeitslosen- oder Krankengeld bzw. Notstandshilfe bezogen. Er habe die Integrationsvereinbarung nicht erfüllt. Seine Geschwister, die er sporadisch besuche, würden noch in seinem Herkunftsstaat leben. Fluchtgefahr läge vor, weil der BF im Bundesgebiet trotz seines langjährigen Aufenthalts weder sozial noch beruflich verankert sei, hier keine Angehörigen habe, keiner festen Erwerbstätigkeit nachgehe und seinen Lebensunterhalt zum Großteil aus Sozialleistungen bestreite, mehrfach straffällig geworden und zu Haftstrafen verurteilt worden sei, Österreich nicht verlassen wolle und versucht habe, seine Abschiebung durch einen Antrag auf internationalen Schutz zu vereiteln. Von ihm gehe aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd §§ 67, 76 Abs 2 Z 1 FPG aus. Wegen seiner Wohn- und Familiensituation sowie der fehlenden Verankerung in Österreich sei das Risiko des Untertauchens erheblich. Die Schubhaft sei verhältnismäßig; gelindere Mittel kämen nicht in Betracht. Aufgrund des Gesundheitszustands des BF sei von seiner Haftfähigkeit auszugehen.

Am XXXX2019 wurde der BF aus der Justizanstalt XXXX entlassen und aufgrund des Festnahme- und Überstellungsauftrags des BFA vom XXXX2019 gemäß §§ 34 Abs 4 iVm 40 Abs 1 Z 1 BFA-VG festgenommen und in das Anhaltezentrum XXXX überstellt, wo er seither in Schubhaft angehalten wurde.

Gegen den oben angeführten Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Aufhebung des Schubhaftbescheids sowie die Aussprüche, dass die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig sei und dass die Voraussetzungen für seine weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorlägen, beantragt. Außerdem stellt er ein Kostenersatzbegehren. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass der BF, der vor der Anordnung der Schubhaft seit XXXX2017 eine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX verbüßt habe, nicht zur Verhängung der Schubhaft einvernommen worden sei, sondern nur zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Die Schubhaft hätte nicht im Mandatsverfahren angeordnet werden dürfen. Trotz der nicht nur kurzfristigen Strafhaft des BF habe das BFA jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen.

Dem BF sei zur Zeit der Anordnung der Schubhaft faktischer Abschiebeschutz zugekommen, sodass die Rückführungsrichtlinie nicht anwendbar und die Rechtmäßigkeit der Schubhaft an der Aufnahmerichtlinie zu messen sei. Die Schubhaft sei nicht von der Aufnahmerichtlinie gedeckt, weil kein Hafttatbestand des Art 8 dieser Richtlinie erfüllt sei. Es liege keine Fluchtgefahr vor; der BF sei nach einem Rechtsberatungsgespräch bereit, an seiner Abschiebung mitzuwirken und sich der Behörde zur Verfügung zu halten. Jedenfalls sei ein gelinderes Mittel, z.B. eine angeordnete Unterkunftnahme oder eine periodische Meldeverpflichtung, ausreichend.

Am 23.01.2019 übermittelte das BFA dem BVwG auftragsgemäß die Verwaltungsakten und erstattete eine Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde, in der darauf hingewiesen wird, dass ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren mit mündlichem und schriftlichem Parteiengehör am 18.07. bzw. 27.07.2017 geführt und die Schubhaft nicht mit Mandatsbescheid angeordnet worden sei. Weiters wird ein Kostenersatzbegehren gestellt.

Außerdem wurde dem BVwG der Bescheid des BFA vom 17.01.2019, Zl. XXXX, übermittelt, mit dem der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 10.12.2018 vollinhaltlich abgewiesen und dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wurde. Es wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde und dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab 10.12.2018 verloren habe. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Die dagegen vom BF am 24.01.2019 erhobene Beschwerde wurde dem BVwG vorgelegt, wo sie samt den Akten des Verwaltungsverfahrens am 28.01.2019 einlangte. Eine Entscheidung darüber erging bislang nicht.

Bei der Beschwerdeverhandlung im Schubhaftverfahren am 28.01.2019, an der neben dem BF eine Vertreterin des BFA und eine Rechtsvertreterin des BF teilnahmen, wurde dieser vernommen. Mit der Eingabe vom 08.02.2019 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des in der Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Feststellungen:

Der BF, ein kosovarischer Staatsangehöriger mit albanischer Muttersprache, hielt sich von August 2005 bis November 2017 aufgrund von Aufenthaltstiteln rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" am 21.11.2017, dessen Verlängerung nicht beantragt wurde, verfügt er über keinen Aufenthaltstitel mehr.

Der BF ist in Österreich familiär und beruflich nicht integriert. Er ist geschieden, hat keine Sorgepflichten und lebte zuletzt seit mehreren Jahren allein. Er war ab 2005 bei 28 verschiedenen Arbeitgebern zumeist kurzfristig, teilweise geringfügig, beschäftigt; dazwischen bezog er Arbeitslosen- oder Krankengeld bzw. Notstandshilfe. Zuletzt war er im Bundesgebiet bis 12.05.2017 erwerbstätig.

Zwischen XXXX 2013 und XXXX 2016 wurde der BF insgesamt acht Mal wegen Verwaltungsübertretungen zu Geldstrafen verurteilt (EUR 800 wegen Verweigerung des Alkoholtests nach §§ 99 Abs 1b iVm 5 Abs 1 StVO, EUR 220 wegen Unterlassung der Abmeldung eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherung nach §§ 43 Abs 4 lit d, 44 Abs 4 KFG, vier Mal EUR 80 wegen Verletzung der Auskunftspflicht nach § 103 Abs 2 KFG, EUR 35 wegen fehlender Fahrzeugbeleuchtung nach § 60 Abs 3 StVO und EUR 80 wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit nach § 20 Abs 2 StVO).

Der BF wurde in Österreich drei Mal strafgerichtlich verurteilt. Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX2013, XXXX, wurde er wegen der Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer einmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX2012 die Windschutzscheibe eines PKW mit einer Eisenstange einschlug, am XXXX2012 eine Frau mit der Hand in das Gesicht schlug und dadurch leicht verletzte und am XXXX2012 eine andere Frau mit einer Hand im Genitalbereich unter ihrem Kleid berührte. Anlässlich der Folgeverurteilung wurde die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX2014, XXXX, wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB zu einer zweimonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX2014 versuchte, sein Opfer am Körper zu verletzen, indem er einen Faustschlag gegen dessen Gesicht richtete, jedoch verfehlte. Auch hier wurde die Probezeit anlässlich der nächsten Verurteilung von drei auf fünf Jahre verlängert.

Zuletzt wurde der BF mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX2016, XXXX, in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX.2017, XXXX, wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX2015 ein damals 15-jähriges Mädchen, das an einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung litt, eine intellektuelle Entwicklungsstörung aufwies und dessen kognitives und soziales Leistungsniveau ungefähr auf der Entwicklungsstufe eines Vorschulkindes lag, in seine Wohnung einlud, wo sie gemeinsam alkoholische Getränke konsumierten und Zigaretten rauchten. Unter Ausnutzung ihres Geisteszustands missbrauchte er hierauf sein Opfer, das aufgrund ihrer geistigen Behinderung unfähig war, die Bedeutung und Sexualbezogenheit dieser Vorgänge einzusehen oder danach zu handeln, dadurch, dass er geschlechtliche Handlungen an ihr vornahm, indem er ihre Strümpfe, Hose und Unterhose auszog, sich auf sie legte und bis zum Samenerguss den analen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog. Bei der Strafzumessung waren keine besonderen Milderungsgründe zu berücksichtigen; erschwerend wirkten sich die beiden einschlägigen Vorverurteilungen, der rasche Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeit und das junge Alter des Opfers aus.

Der BF trat die Freiheitsstrafe am XXXX2017 an. Er wurde in der Justizanstalt XXXXangehalten. Das urteilsmäßige Strafende war am XXXX2019. Während des Strafvollzugs arbeitete er in der Küche der Justizanstalt. Wegen ungebührlichen Benehmens wurde Anfang August 2018 eine Geldbuße verhängt und der BF vom gelockerten Vollzug, wo er ab Anfang Juli 2017 angehalten worden war, wieder in den Normalvollzug verlegt, wo er in der Folge bis zur Entlassung aus dem Strafvollzug verblieb.

Die Untersuchung des BF an der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter des Bundesministeriums für Justiz (BEST) im September 2017 ergab, dass bei ihm eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit antisozialen und vermeidend-selbstunsicheren Charakterseiten und wenig Verantwortungssinn sowie ein dysfunktionaler Alkoholkonsum bestehen und dass das Risiko in Bezug auf ein neuerliches Sexualdelikt als leicht erhöht, in Bezug auf ein neuerliches Gewaltdelikt etwa an der Basisrückfallrate eingeschätzt wurde.

Am XXXX2018 wurde die Wohnung in XXXX, die der BF vor dem Strafantritt bewohnt hatte, wegen Mietzinsrückständen zwangsweise geräumt. Dabei wurde der am XXXX2010 in XXXX ausgestellte und bis 11.10.2020 gültige kosovarische Reisepass des BF sichergestellt. Seither verfügt er über keine gesicherte Unterkunft mehr.

Anlässlich der bedingten Entlassung des BF wurde für die Dauer der fünfjährigen Probezeit die (bei strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung obligatorische) Bewährungshilfe angeordnet.

Der BF zeigt eine fehlende Bereitschaft, Verantwortung für die Taten, wegen denen er strafgerichtlich verurteilt wurde, zu übernehmen, und die Tendenz, diese zu bagatellisieren. Er erlebt sich als Opfer seiner Umstände und als zu Unrecht bestraft.

Der BF hat aufgrund der Arbeit während der Strafhaft aktuell Barmittel von ca. EUR 1.700. Er hat im Bundesgebiet einen Freundeskreis; mehrere seiner Freunde besuchten ihn in der Justizanstalt. Im Kosovo leben eine Schwester und ein Bruder, die er vor dem Strafvollzug immer wieder besuchte und zu denen er während der Haft telefonisch Kontakt hielt. Eine weitere Schwester, die er 2016 besuchte und mit der er ab und zu telefoniert, lebt in Deutschland. Zu seiner in Schweden lebenden Schwester hat er keinen Kontakt.

Nach der allfälligen Durchsetzbarkeit der Negativentscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz kann er voraussichtlich kurzfristig in den Kosovo abgeschoben werden, weil er über einen bis 2020 gültigen Reisepass verfügt, der vom BFA sichergestellt wurde, und Rückführungen in den Kosovo auch tatsächlich problemlos möglich sind.

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen; er ist haftfähig.

Der BF möchte keinesfalls in den Kosovo zurückkehren. Er hat vor, in die Schweiz auszureisen, wenn gegen ihn eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, und plant, sich nach einer allfälligen Abschiebung in den Kosovo umgehend wieder nach Österreich zu begeben.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Die Behördenvertreterin räumte in der Beschwerdeverhandlung (im Einklang mit dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens) ein, dass der BF nicht konkret zur Anordnung der Schubhaft vernommen wurde. Die Beschwerde des BF gegen die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz wurde beim BVwG am 28.01.2019 zu G307 2185712-2 protokolliert.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF werden durch seinen Reisepass belegt, der dem BVwG bei der Beschwerdeverhandlung vorgelegt wurde. Er bezeichnet stets Albanisch als seine Muttersprache.

Die dem BF erteilten Aufenthaltstitel gehen aus dem Schubhaftbescheid und zum Teil auch aus dem Fremdenregister hervor. Ab August 2005 bestehen laut dem Zentralen Melderegister Wohnsitzmeldungen im Inland. Die dem BF zuletzt erteilte, bis 21.11.2017 gültige Aufenthaltsgenehmigung wurde bei der Beschwerdeverhandlung vorgelegt. Anhaltspunkte für eine danach gültige Aufenthaltsgenehmigung oder für einen Verlängerungsantrag sind nicht aktenkundig.

Der BF gab seinen Familienstand konsistent als geschieden an. Dies steht auch im Einklang mit seinen Angaben gegenüber der BEST laut dem Befundbericht vom 14.11.2017. Indizien für Sorgepflichten sind nicht aktenkundig. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Familienmitglieder des BF in Österreich leben, was er bei der Beschwerdeverhandlung bestätigte. Seine sporadische Erwerbstätigkeit im Inland und der Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung gehen aus dem Versicherungsdatenauszug hervor. In seinem Schreiben an das BFA vom 05.10.2018 bestätigt er zahlreiche kurzfristige Arbeitsverhältnisse. Aus dem Befundbericht der BEST vom 14.11.2017 geht hervor, dass er vor dem Strafvollzug schon seit mehreren Jahren allein in einer Wohnung lebte.

Die Verwaltungsübertretungen des BF gehen aus dem Erkenntnis des BVwG vom 21.06.2018 hervor. Damit im Einklang steht die aktenkundige Aufforderung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe im Verwaltungsstrafverfahren vom 13.06.2017.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF folgen dem Strafregister; sein zugrunde liegendes Verhalten wird anhand des Erkenntnisses des BVwG vom 21.06.2018 und des Befundberichts der BEST vom 14.11.2017 festgestellt.

Die Feststellungen zum Strafvollzug und insbesondere zur Verhaltensbeanstandung im Vollzug basieren auf der Vollzugsinformation der Justizanstalt XXXX sowie auf dem Beschluss des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX2019. Der BF versuchte in der Beschwerdeverhandlung, sein ordnungswidriges Verhalten herunterzuspielen (was ein weiterer Hinweis auf die festgestellte Bagatellisierungstendenz ist).

Die Feststellungen zum Ergebnis der Begutachtung des BF durch die BEST beruhen auf deren Befundbericht vom 14.11.2017. Sein problematischer Alkoholkonsum ergibt sich auch daraus, dass er demnach bei den Straftaten zum Teil alkoholisiert war und die substanzbedingte Enthemmung die Umsetzung des Sexualdelikts begünstigte. Dafür spricht außerdem, dass in dem mit den medizinischen Unterlagen vorgelegten Kurzarztbrief vom 30.04.2017 eine Äthanolintoxikation (Alkoholvergiftung) diagnostiziert wird.

Die Räumung der Wohnung des BF ergibt sich aus den dazu vorgelegten Schriftstücken, insbesondere aus der Exekutionsbewilligung vom 15.01.2018 und dem Bericht der Polizeiinspektion XXXX vom 20.02.2018. Der BF schilderte bei der Beschwerdeverhandlung zwar, dass ein Freund versucht habe, für ihn eine Wohnung anzumieten, wo er nach seiner Enthaftung wohnen könne. Seine Angaben sind aber zu vage, um daraus eine gesicherte Unterkunftsmöglichkeit abzuleiten, zumal die Wohnung auch nach der Darstellung des BF noch nicht angemietet wurde.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX2019 über die bedingte Entlassung des BF, die Probezeit und die Bewährungshilfe liegt vor.

Die fehlende Bereitschaft des BF, Verantwortung für seine Straftaten zu übernehmen, und die festgestellte Bagatellisierungstendenz gehen aus dem Befundbericht der BEST vom 14.11.2017 hervor. Damit im Einklang steht, dass der BF bei der Verhandlung vor dem BVwG am 21.06.2018, befragt zur Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs, angab: "Ich fühle mich schuldig. Es ist passiert. Ich gebe zu, dass ich schuldig bin. Ich habe das nicht absichtlich gemacht. Es war ein

Notfall. ... Ich habe sie vor der Wohnungstüre getroffen. Ich habe

nicht gewusst bzw. beurteilen können, in welcher Lage sie sich befindet." Bei der Einvernahme vor dem BFA am 14.01.2019 erklärte er, er sei 2014 wegen falscher Zeugenaussagen zu Unrecht verurteilt worden. Der sexuelle Missbrauch sei "zufällig passiert", er habe sein Opfer "nicht geschlagen oder etwas manipuliert". Die bloß verbale Verantwortungsübernahme mit gleichzeitiger Bezeichnung des schweren sexuellen Missbrauchs als Notfall und Zufall sowie Hervorhebens der eigenen Schuldlosigkeit ("nicht absichtlich gemacht", "nicht gewusst bzw. beurteilen können") belegt nicht nur einen Mangel an Empathie mit seinem Opfer, sondern auch eine (auch nach dem Vollzug einer 20-momatigen Freiheitsstrafe noch) fehlende Einsicht in das Unrecht der Tat.

Die Barmittel des BF sind aufgrund der Arbeit während des Strafvollzugs plausibel und ergeben sich aus der Aufenthaltsinformation des Anhaltezentrums Vordernberg.

Die Feststellungen zum inländischen Freundeskreis des BF und den Besuchen während der Haft basieren auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, die aufgrund seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet gut nachvollziehbar sind. Die Feststellungen zu seinen Geschwistern und den Kontakten zu ihnen werden ebenfalls anhand der Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung, bei der Erstbefragung am 13.12.2018 und bei der Einvernahme im Asylverfahren am 14.01.2019 getroffen. Bei der Einvernahme am 18.07.2017 schilderte er Besuche bei seinen Geschwistern im Kosovo.

Die Feststellung, dass der BF voraussichtlich rasch und problemlos in den Kosovo abgeschoben werden kann, wenn und sobald eine durchsetzbare Entscheidung darüber vorliegen sollte, beruht auf den Angaben der Behördenvertreterin in der Beschwerdeverhandlung. Es ist gerichtsnotorisch, dass die Abschiebung von Staatsangehörigen des Kosovo mit gültigen Reisedokumenten kurzfristig organisiert und ohne Probleme durchgeführt werden kann.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten medizinischen Unterlagen, aus denen keine gravierenden, die Haftfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankungen hervorgehen. Auch das polizeiamtsärztliche Gutachten vom 15.01.2019 ergab, dass der BF grundsätzlich haftfähig ist.

Die Feststellungen zur fehlenden Ausreisewilligkeit des BF basieren auf seinen Schreiben vom 14.08.2018 ("... ich möchte nie wieder in

dieses Land zurück ... ich würde lieber sterben als nach Kosovo

zurückzugehen ...") und vom 05.10.2018. Auch bei der Einvernahme im Asylverfahren am 14.01.2019 erklärte er nachdrücklich, er werde nicht freiwillig in den Kosovo zurückkehren und auch bei einem negativen Verfahrensausgang "hier bleiben". Wörtlich gab er weiter an: "Sollte man mich ablehnen, werde ich in die Schweiz gehen, aber in den Kosovo gehe ich niemals freiwillig zurück. Sie können mich schon abschieben, aber ich komme zurück hierher." Aufgrund dieser eindeutigen Haltung des BF kann der Beschwerdebehauptung, wonach er nunmehr kooperationsbereit sei, nicht gefolgt werden, zumal er trotz Rechtskraft von Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot darauf beharrte, nicht in den Kosovo zurückzukehren. In der Beschwerdeverhandlung hat sich nicht gezeigt, dass der BF mittlerweile von dieser Haltung abgerückt und nunmehr dazu bereit wäre, eine aufenthaltsbeendende Entscheidung zu befolgen. Er plant vielmehr, in Österreich zu bleiben und hier Wohnung und Arbeit zu suchen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

§ 22a BFA-VG mit der Überschrift "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" lautet:

"(1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG lautet:

"(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art 28 Abs 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs 2 und Art 28 Abs 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs 8 und § 12 Abs 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Nach § 80 Abs 1 FPG ist das BFA verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Zu Spruchpunkt I.:

Der Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, wurde zwar nicht als Mandatsbescheid bezeichnet, die Behörde hat es aber unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen, zumal trotz einer vorangegangenen 20-monatigen (und damit nicht bloß kurzfristigen) Strafhaft des BF die Schubhaft nach seiner bedingten Entlassung am 15.01.2019 angeordnet wurde, ohne zuvor das gemäß § 76 Abs 4 FPG in diesem Fall vorzunehmende Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Anhaltung in Schubhaft erweist sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig (vgl zu einem ähnlichen Fall BVwG 01.08.2018, W171 2139882-1).

Die Einvernahmen des BF im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (am 18.07.2017) und im Asylverfahren (am 13.12.2018 und am 14.01.2019) sowie die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme (Schreiben vom 27.07.2017) betrafen nicht die Verhängung der Schubhaft. Er hätte daher trotzdem vor der Erlassung des Schubhaftbescheids noch konkret zu den Voraussetzungen dafür befragt werden müssen. Dies wäre beispielsweise im Rahmen der Einvernahme am 14.01.2019 möglich gewesen. Damit hätte auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Einvernahme und Anordnung der Schubhaft gewahrt werden können.

Zu Spruchpunkt II.:

Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass der BF nicht der Rückführungs- sondern der Aufnahmerichtlinie unterliegt, weil über seinen Antrag auf internationalen Schutz noch nicht endgültig entschieden wurde und er als Antragsteller iSd Art 2 lit b Aufnahmerichtlinie anzusehen ist. Gemäß Art 8 Abs 3 lit e Aufnahmerichtlinie setzt die Anordnung der Schubhaft gegen ihn eine Gefährdung der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung voraus.

Der Haftgrund des Art 8 Abs 3 lit e Aufnahmerichtlinie wird nunmehr durch § 76 Abs 2 Z 1 FPG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2018 (BGBl I Nr. 56/2018) in innerstaatliches Recht umgesetzt. Neben Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit muss als zusätzliche Haftvoraussetzung eine vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegen. Dies setzt gemäß § 67 FPG (auf den § 76 Abs 2 Z 1 FPG verweist) voraus, dass sein persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und über die soziale Störung, die jedem Gesetzesverstoß innewohnt, hinausgeht. Der anzuwendende Gefährdungsmaßstab geht über den des § 53 FPG hinaus; für die Auslegung können aber z.B. die in § 53 Abs 3 FPG festgelegten Tatbestände herangezogen werden. Die Anordnung von Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG kommt auch dann in Betracht, wenn § 59 Abs 5 FPG zum Tragen kommt und daher im Asylverfahren ausnahmsweise keine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist (siehe Regierungsvorlage zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 189 d. B.

XXVI. GP).

Vom BF geht eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung iSd § 67 FPG aus, zumal er wegen eines Sexualdelikts gegen eine jugendliche, nicht einsichtsfähige Person zu einer empfindlichen Haftstrafe verurteilt wurde und seit seiner Entlassung aus dem Strafvollzug erst sehr wenig Zeit vergangen ist. Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist nach der Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (zuletzt z.B. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0112). Von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom BF ausgehenden Gefährdung ist daher (noch) nicht auszugehen, zumal er den sexuellen Missbrauch nach wie vor bagatellisiert und auch nach dem Strafvollzug kaum Reue oder Empathie mit dem Opfer erkennen lässt. Die Wiederholungsgefahr zeigt sich insbesondere daran, dass der BF zuvor bereits zwei Mal wegen Delikten gegen die körperliche Integrität, einmal auch gegen die sexuelle Selbstbestimmung, verurteilt worden war und trotz der gegen ihn verhängten bedingten Freiheitsstrafen rasch rückfällig wurde, aber auch an seinem Vollzugsverhalten und dem fehlenden sozialen Empfangsraum.

Fluchtgefahr liegt vor, weil der BF nicht ausreisewillig ist und angekündigt hat, sich einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch Ausreise in die Schweiz zu entziehen und auch nach einer Abschiebung in den Kosovo nach Österreich zurückzukehren (§ 76 Abs 3 Z 1 FPG), weil gegen ihn bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, als er internationalen Schutz beantragte (§ 76 Abs 3 Z 5 FPG) und weil er trotz seines langen, großteils rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich kaum sozial verankert ist und weder familiäre Beziehungen noch einen Arbeitsplatz, ausreichende Existenzmittel oder einen gesicherten Wohnsitz hat (§ 76 Abs 3 Z 9 FPG).

Unter Berücksichtigung der Schwere der Straftat des BF gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung überwiegt das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz seiner persönlichen Freiheit (§ 76 Abs 2a FPG), weil er sich an einem erst 15-jährigen Mädchen auf der Entwicklungsstufe eines Vorschulkindes verging, sodass die Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist und auch nicht durch ein gelinderes Mittel ersetzt werden kann. Aufgrund der Ankündigung des BF, in die Schweiz auszureisen, ist auf freiem Fuß von einer erheblichen Gefahr des Untertauchens auszugehen.

Das BFA hat die Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken (§ 80 Abs 1 FPG) nicht verletzt, zumal bis 08.01.2019 keine besondere Dringlichkeit der Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz erkennbar war, weil die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe am 06.12.2018 erstinstanzlich abgewiesen und erst mit Beschluss vom 03.01.2019, über den das BFA am 08.01.2019 informiert wurde, bewilligt wurde.

Beim Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs 3 BFA-VG besteht keine Bindung an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen. Da die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG vorliegen und die nach § 76 Abs 4 FPG gebotene Einvernahme des BF zur Schubhaft nunmehr vor dem BVwG nachgeholt wurde, ist auszusprechen, dass seine weitere Anhaltung in Schubhaft zulässig ist.

Zu Spruchpunkt III.:

Nach dem gemäß § 22a Abs 1a BFA-VG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren anwendbaren § 35 VwGVG hat die vollständig obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Da das BFA hinsichtlich des Spruchpunkts I., der BF dagegen hinsichtlich des Ausspruchs nach § 22a Abs 3 BFA-VG laut Spruchpunkt II. - und somit hinsichtlich eines Teils der vom BVwG zu beurteilenden Schubhaft - als unterlegen zu betrachten ist, obsiegt hier keine Partei vollständig, was einem Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG entgegensteht (vgl VwGH 26.04.2018, Ra 2017/21/0240).

Zu Spruchteil B):

Da sich das BVwG auf höchstgerichtliche Entscheidungen berufen kann und keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu klären ist, besteht kein Grund, die Revision zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, Kostenersatz, öffentliche
Interessen, Schubhaft, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2213450.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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