Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH *****, vertreten durch die HOSP, HEGEN Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen 103.354,09 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2019, GZ 3 R 156/18h-46, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. September 2018, GZ 7 Cg 24/17s-42, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben, die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag für das von ihr betriebene Restaurant abgeschlossen, der unter anderem eine Feuer- und eine Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung beinhaltet.
Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungsversicherung Feuer (AFBUB), Fassung 2009, zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„Abschnitt B Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes
[…]
Besonderer Teil
Artikel 1
Was ist der Gegenstand und der Umfang der Versicherung?
1.1 Soweit eine gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes (Betriebsunterbrechung) durch einen Sachschaden (Abs 2) verursacht wird, ersetzt der Versicherer nach den folgenden Bestimmungen den dadurch entstehenden Unterbrechungsschaden (Art 2).
1.2 Als Sachschaden im Sinn des Abs 1 gilt die Beschädigung oder die Zerstörung einer dem Betrieb dienenden Sache durch
a) Brand, …]
Artikel 2
Was ist nicht versichert?
[…]
2.4 Der Versicherer haftet nicht, soweit der Unterbrechungsschaden vergrößert wird
[…]
e) dadurch, dass der Versicherungsnehmer für die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung beschädigter, zerstörter oder abhanden gekommener Sachen nicht rechtzeitig vorsorgt oder ihm nicht genügend Kapital zur Verfügung steht,
[…]
Artikel 3
Was ist der Unterbrechungsschaden?
3.1 Der Unterbrechungsschaden errechnet sich aus dem während der Dauer der Betriebsunterbrechung, längstens jedoch während der Haftungszeit in dem Betrieb nicht erwirtschafteten (entgangenen) versicherten Deckungsbeitrag (siehe Art 4) abzüglich ersparter (nicht anfallender) versicherter Kosten und zuzüglich Schadenminderungskosten im Sinn des Art 8.
3.2 […]
Artikel 4
Was ist der Deckungsbeitrag?
4.1 Deckungsbeitrag im Sinn der Betriebsunterbrechungsversicherung ist die Differenz zwischen den Betriebserträgen (Abs 2) und den variablen Kosten (Abs 3). Im Falle eines Verlustes ist der Deckungsbeitrag der Saldo aus den im Fall einer Betriebsunterbrechung weiterlaufenden (fixen) Kosten und dem Verlust, den der Betrieb auch ohne Unterbrechung ausgewiesen hätte.
4.2 Die Betriebserträge umfassen die Umsatzerlöse, die Bestandsveränderungen an halbfertigen und fertigen Erzeugnissen, die aktivierten Eigenleistungen und sonstigen betrieblichen Erträge nach Abzug der Skonti und sonstigen Erlösschmälerungen, die im versicherten Betrieb aus Erzeugung, aus Handel und aus sonstigen Dienstleistungen entstehen.
4.3 Variable Kosten sind Kosten, die als Folge der Betriebsunterbrechung wegfallen oder sich vermindern und die nicht aufgrund besonderer Vereinbarungen als versicherte Kosten festgelegt sind. Dazu gehören auch Abschreibungen verschleißabhängiger Teile der Anlagen, die während der Betriebsunterbrechung nicht genutzt werden.
[…]“
Die Besondere Vertragsbeilage „Deckungspaket Komfort für die Betriebsunterbrechungsversicherung Feuer Nr 525801“ lautet auszugsweise:
„14. Zahlung der Entschädigung
In Abänderung des Art 11 der Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) gilt vereinbart, dass zwei Wochen nach Anzeige des Schadens eine erste Teilzahlung verlangt werden kann, welche nach Lage der Sache mindestens zu zahlen ist. Liegt zu diesem Zeitpunkt noch kein Sachverständigengutachten vor, so wird der Versicherer das telefonische Einvernehmen mit dem Sachverständigen über eine angemessene Akontozahlung herstellen. [...]“
In den Morgenstunden des 5. Juli 2016 brach im Restaurant der Klägerin ein Brand aus. Er wurde durch einen technischen Defekt an der Elektroinstallation verursacht. Der Brand konnte noch in der Entstehungsphase gelöscht werden. Seither ist das Geschäftslokal geschlossen. Der Mietvertrag für die Geschäftsräumlichkeiten wurde mit Juni 2017 aufgelöst.
Die Klägerin begehrt als Betriebsunterbrechungsschaden die Zahlung von laufenden Kosten in Höhe von 103.354,09 EUR, die sich wie folgt zusammensetzen:
1. laufende Mietkosten
monatlich 3.720,14 EUR,
dies gerechnet von
Juli 2016 bis Jänner 2017 26.040,98 EUR,
2. Kreditrate 2.216 EUR x
sieben Monate 15.512 EUR
3. Darlehensrate an
den Gesellschafter
4.000 EUR x 7 28.000 EUR
sowie 3.000 EUR x 7 21.000 EUR
4. Lohnkosten gemäß
Beleg für Juli 2016 7.014,17 EUR
5. Lohnkosten gemäß
Beleg für August 2016 1.110,81 EUR
6. sonstige bezahlte Kosten
Arbeitsstiftung 420 EUR
H***** 220,08 EUR
Rg B***** netto 52,50 EUR
S***** AG netto 489,62 EUR
Rg ***** Lohnverrechnung
netto 664,30 EUR
H***** 220,80 EUR
Rg F***** netto 514,50 EUR
Rg S***** netto 73,50 EUR
Arbeitsstiftung 420 EUR
H***** 227,03 EUR
Rg ***** netto 364,20 EUR
Rg G***** netto 499,80 EUR
Rg ***** Lohnverrechnung netto 144,80 EUR
Rg ***** 365,00 EUR.
Die durch den Brand verursachte Unterbrechung des Betriebs sei versichert. Nach den Bedingungen für die Betriebsunterbrechungsversicherung (Besonderer Teil Artikel 4) seien jedenfalls die fixen Kosten zu decken. Brandursache sei ein technischer Defekt an den Elektroinstallationen unterhalb des Holzpodests gewesen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Brand sei gelegt worden, und zwar entweder bei einer Vandalismustat durch einen ausscheidenden Dienstnehmer oder durch den Geschäftsführer der Klägerin selbst. Eine Leistungspflicht aus der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung scheide aus. Der geltend gemachte Betriebsunterbrechungsanspruch bestehe nicht. Die Klägerin hätte ihren Betrieb innerhalb von zwei Monaten objektiv wieder aufnehmen können, sodass sie gemäß Art 2.2.4 lit e AFBUB für den darüber hinausgehenden Zeitraum keinen Anspruch auf eine Versicherungsleistung habe. Eine Leistung aus der Betriebsunterbrechungsversicherung komme auch dann nicht in Betracht, wenn ein Betrieb nicht wiedereröffnet werde.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil gemäß § 393 Abs 1 ZPO das Klagebegehren des Inhalts, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin einen Betrag von 103.354,09 EUR samt 4 % Zinsen seit dem 1. 2. 2017 zu zahlen, dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Das Feuer sei nicht durch eine Brandstiftung, sondern durch einen technischen Defekt an der Elektroinstallation unter dem rechten Holzpodest im Lokal ausgebrochen. Dieses Feuer sei als Brand im Sinn der Allgemeinen Bedingungen zu qualifizieren. Wegen des durch den Brand herbeigeführten Sachschadens habe das Lokal der Klägerin zunächst geschlossen werden müssen. Eine Betriebsunterbrechung sei auch dann anzunehmen, wenn zwar eine Wiederaufnahme des Betriebs letztlich nicht erfolge, aber zumindest ernstlich ins Auge gefasst worden und aus nicht vorhersehbaren Gründen nicht möglich gewesen sei. Für derartige Bemühungen den Betrieb fortzuführen sei dem Betriebsinhaber eine gewisse Zeit einzuräumen. Nachdem die Wiedereröffnung zunächst geplant gewesen und letztlich aufgrund des Unterbleibens der Zahlungen durch die Beklagte nicht erfolgt sei, sei eine Betriebsunterbrechung jedenfalls anzunehmen. Da sich der geltend gemachte Anspruch noch nicht abschließend berechnen lasse, sei ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs zu fällen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die als überschießend gerügte Feststellung, dass die Wiedereröffnung des Lokals geplant gewesen, aber unterblieben sei, weil die Beklagte eine Zahlung aus dem Versicherungsvertrag verweigerte, sei vom klägerischen Vorbringen und den Einwendungen der Beklagten als gedeckt anzusehen. Führe Kapitalmangel zur Stilllegung, so sei der bis zur hypothetischen Wiederaufnahme des Betriebs bestehende Schaden zu ersetzen. Der Klägerin sei irgendein Unterbrechungsschaden jedenfalls entstanden. Dessen genaue Höhe sei im weiteren Verfahren zu klären.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Bei der Betriebsunterbrechungsversicherung handelt es sich um eine Sachversicherung, bei der der Betrieb und nicht die Person des Betriebsinhabers versichert ist. Die Entschädigung aus der Versicherung kann sich immer nur auf den Einnahmeausfall eines Betriebs erstrecken (RS0080975 [T1, T6]). Der Tatbestand der Betriebsunterbrechung ist erfüllt, wenn der Betrieb infolge eines versicherten Personen- oder Sachschadens oder eines sonstigen Verhinderungsgrundes in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (RS0080975 [T7]). Leistungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung sind nur zu erbringen, wenn eine Fortführung des Betriebs ins Auge gefasst wird, nicht aber im Fall einer Betriebsbeendigung (RS0080974). Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn die Wiederaufnahme des Betriebs zwar beabsichtigt, letztlich aber aus besonderen Gründen nicht möglich war (RS0080974 [T2]).
2.1 Nach der seit der WGN 1989 geltenden Fassung des § 393 Abs 1 ZPO kann ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs auch dann ergehen, wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht. Dies bedeutet aber nicht, dass ein solches Zwischenurteil auch dann möglich ist, wenn noch gar nicht feststeht, ob die geltend gemachte Forderung überhaupt, sei es in irgendeinem Ausmaß entstanden ist. Der Gesetzgeber wollte das Zwischenurteil vielmehr nur in den Fällen ermöglichen, wo nur strittig ist, ob der tatsächlich entstandene Schaden allenfalls durch eine Teilzahlung oder durch eine Aufrechnung einer Gegenforderung getilgt ist (RS0102003). Demnach ist mit Ausnahme von derartigen Einwendungen auch nach der geltenden Rechtslage ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs erst dann möglich, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle Einwendungen erledigt sind (3 Ob 81/01k, RS0102003 [T3, T5, T18]). Insbesondere ist ein Zwischenurteil erst dann zu fällen, wenn auch der Kausalzusammenhang mit der behaupteten Schadensfolge, deren Eintritt ebenfalls feststehen muss, geklärt und bejaht ist (RS0102003 [T10]). Es ist nicht zulässig, einzelne Vor- oder Teilfragen oder Einwendungen herauszugreifen und zum Gegenstand eines Zwischenurteils nach § 393 Abs 1 ZPO zu machen (RS0102003 [T12]).
2.2 Dass es sich bei der Zulässigkeit eines Zwischenurteils um eine Frage des Verfahrens erster Instanz handelt, die im Fall der Verneinung eines Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann, gilt nicht, wenn sich die Frage der Erlassung eines Zwischenurteils aus materiell-rechtlichen Gründen stellt, in diesem Fall handelt es sich vielmehr um eine Rechtsfrage (RS0040918 [T19]).
3.1 Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (RS0122728). Das Zwischenurteil beantwortet die Frage, ob ein Anspruch besteht, abschließend. Innerhalb des Rechtsstreits sind daher Gerichte und Parteien daran gebunden und dürfen die Frage des Anspruchsgrundes nicht mehr neu aufrollen (RS0040736). Auch die Frage der Schlüssigkeit betrifft den Grund des Begehrens (RS0040736 [T4]).
3.2 Ein Klagebegehren ist schlüssig, wenn das Sachvorbringen des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Die Schlüssigkeit eines Tatsachenvorbringens ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RS0037532).
4. Das Vorbringen der Klägerin erweist sich bislang als unschlüssig. Sie begehrt die Zahlung von 103.354,09 EUR, welcher Betrag sich aus konkret von der Klägerin genannten laufenden Kosten zusammensetzt. Abgesehen davon, dass für eine Mehrzahl der aufgelisteten Kosten nicht ersichtlich ist, wofür sie aufgewendet wurden, erfolgte auch keine zeitliche Zuordnung. Darüber hinaus übersieht die Klägerin, dass die Beklagte nach den Versicherungsbedingungen nicht laufende Kosten, sondern den Unterbrechungsschaden zu ersetzen hat, der sich aus dem während der Dauer der Betriebsunterbrechung, längstens jedoch während der Haftungszeit, im Betrieb nicht erwirtschafteten (entgangenen) versicherten Deckungsbeitrag abzüglich ersparter versicherter Kosten errechnet (Art 3 AFBUB). Der Deckungsbeitrag wird in Art 4 AFBUB als Differenz zwischen den Betriebserträgen und den variablen Kosten definiert. Eine Verpflichtung der Beklagten die laufenden bzw fixen Kosten zu ersetzen, ergibt sich auch nicht aus der – lediglich eine mögliche Akontierung
regelnden – Bestimmung des Punkts 14 der Besonderen Vertragsbeilage.
Die Klägerin hat daher anstelle einzelner ihr behauptetermaßen entstandenen Kosten zu nennen, Vorbringen zur Höhe des entgangenen Deckungsbeitrags zu erstatten. Dabei hat sie auch klarzulegen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt sie die Wiederaufnahme des Betriebs beabsichtigte, und zu welchem Zeitpunkt eine solche aus welchem konkreten Grund nicht mehr möglich war.
5. Hier verbietet sich daher – derzeit – die Fällung eines Zwischenurteils nicht nur, weil das Klagebegehren bisher unschlüssig blieb und schon dementsprechend auch keine ausreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Anspruchs dem Grunde nach feststeht, sondern auch, weil sich die Vorinstanzen mit den gegen den Grund des Anspruchs erhobenen Einwendungen der Beklagten zur Begrenzung ihrer Haftung nicht befassten. Tatsächlich ist bisher lediglich abschließend – auch von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen – geklärt, dass ein Brand, verursacht durch eine defekte Elektroinstallation, im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt.
6. Dass ihr Vorbringen für die gegenüber der Beklagten beabsichtigte Klagsführung nicht ausreicht, wurde weder von den Vorinstanzen erkannt noch mit der Klägerin erörtert, weshalb sie damit auch nicht überrascht werden darf (RS0037300). Demgemäß sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E124981European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00046.19V.0424.000Im RIS seit
17.05.2019Zuletzt aktualisiert am
17.02.2020