Entscheidungsdatum
21.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
L508 1418147-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch RA Dr. Gerhard MORY, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 10.11.2016, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), brachte am 19.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (in weiterer Folge "BAA") vom 16.02.2011, Az.: 10 03.379-BAS, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).
3. Eine gegen diesen Bescheid des BAA erhobene Beschwerde (AS 375 ff) wurde nach Einräumung eines Parteiengehörs durch den Asylgerichtshof (AS 413 ff) vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2015 (AS 565 ff) mit Erkenntnis vom 22.06.2015, GZ.: L512 1418147-1/47E, hinsichtlich Spruchpunkt I. und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erklärt.
In der Entscheidung wurde festgestellt, dass der BF in seinem Herkunftsstaat keiner Verfolgungsgefahr iSd GFK unterliegt. Ebenso wurde festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Pakistan keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es wurde auch festgehalten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des BF in Österreich darstellen.
4. Im fortgesetzten Verfahren beraumte das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") eine Einvernahme an. Hier wurde dem BF am 21.07.2017 die Möglichkeit eingeräumt, erneut zum Privat- und Familienleben bzw. zur Integration in Österreich, zu Umständen in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen bzw. einer Rückkehrentscheidung Stellung zu nehmen.
4.1. Der BF gab an, er habe in Österreich keine Verwandten und lebe mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er habe im Heimatland Familienangehörige, Kontakt habe er aber nur zu seiner Schwester, da seine Brüder kein Handy hätten. Sein Vater sei mittlerweile verstorben. In Österreich bestreite er seinen Lebensunterhalt mit seinem Einkommen als Küchenhelfer und sei durch seinen Arbeitgeber versichert. Er arbeite 8 Stunden am Tag. Er habe noch Schulden, komme aber mit seinem Einkommen aus. Staatliche Unterstützung habe er nie bekommen. Er wohne mit drei Landsleuten in einer Wohnung mit zwei Zimmern. Er habe in Österreich keine Kurse oder Ausbildungen absolviert, verstehe aber Deutsch. Da er nicht lesen und schreiben könne, unterhalte er sich mit Freunden auf Deutsch um sich zu bilden. Er sei kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Er gehe arbeiten, in seiner Freizeit spiele er Cricket, schaue fern, lerne Deutsch und gehe am Wochenende mit Freunden fort. Sein aktueller Gesundheitszustand sei gut. Er sei nicht vorbestraft. In sein Heimatland könne er noch nicht zurück, da es noch so viele Probleme dort gäbe.
I.2.2. Der BF legte ein Konvolut an Unterlagen vor, insbesondere Beschäftigungsbewilligungen, Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen, Verdienstnachweise, Einkommensteuerbescheid und Versicherungsdatenauszug.
5. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg vom 28.07.2015, Zl. 800337909-1263581, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Das BFA stellte zur Person des BF fest, dass die Identität des BF nicht fest stehe. Er sei pakistanischer Staatsbürger, stamme aus der Provinz Punjab und sei Analphabet. Die Kernfamilie des BF lebe in Pakistan und der BF habe zu ihnen Kontakt. Der BF sei illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet eingereist, seine gesamte Aufenthaltsdauer stütze sich allein auf den unsicheren Stand des Asylverfahrens. Der BF sei eine gesunde, junge und arbeitsfähige Person, er habe keinen Sachverhalt vorgebracht, der auf eine psychische oder psychologische Erkrankung hindeuten würde und benötige aktuell keine medizinische Behandlung. Der BF verstehe die deutsche Sprache gut, könne aber seine Sprachkenntnisse nicht nachweisen. Er arbeite seit Juni 2015 als Küchengehilfe und befinde sich nicht in der Grundversorgung. Eine Selbsterhaltungsfähigkeit auf Dauer habe nicht festgestellt werden können. Der BF habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte, habe kein Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person. Er habe in Österreich Freunde. Weiters stellte das BFA fest, dass seit dem Erkenntnis des BVwG, mit welchem das Vorliegen von Gründen, die eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden, geprüft und verneint worden war, es zu keiner Verschlechterung der allgemeinen tatsächlichen Gegebenheiten im Herkunftsland des BF gekommen sei und keine Veränderung im Privat- und Familienleben des BF eingetreten sei.
Beweiswürdigend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den bisher getroffenen Feststellungen im Verfahren, die Identität des BF habe nicht festgestellt werden können. Aus dem Erkenntnis des BVwG habe sich eindeutig ergeben, dass keine Gründe ermittelt werden konnten, welche eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden. Eine neuerliche Prüfung zur familiären und privaten Situation des BF im Bundesgebiet habe keine neuen Tatsachen ergeben. So beziehe der BF zwar keine Leistungen aus der Grundversorgung, seiner Tätigkeit als Küchengehilfe gehe er aber erst seit kurzem nach und er habe Schulden, so dass von einer dauerhaften Selbsterhaltungsfähigkeit nicht ausgegangen werden könne. Er könne die deutsche Sprache in einfacher Art und Weise verstehen, habe aber keinen Nachweis des Spracherwerbs vorlegen können. Er sei in keinem Verein Mitglied oder tätig.
6. Mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wurde am 12.08.2015 - somit innerhalb offener Frist - Beschwerde erhoben und es wurden die Anträge gestellt,
-
dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK stattzugeben;
-
festzustellen, dass eine Abschiebung des BF nach Pakistan nicht zulässig sei;
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die Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben;
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eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen;
-
in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen
In der umfangreichen Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, die belangte Behörde sei irrtümlich von einer Bindungswirkung an die Entscheidung des BVwG ausgegangen, sie habe zudem das Wesen einer Interessensabwägung verkannt und den Sachverhalt nur mangelhaft und unrichtig festgestellt. So habe der BF seit 19.04.2010 - sohin bereits 62 Monate - einen legalen Aufenthalt, sei seit Jahren erwerbstätig und somit selbsterhaltungsfähig, er beziehe keine Leistungen der öffentlichen Hand, habe einen vollständigen Krankenversicherungsschutz, erbringe Leistungen für die Pensionsversicherung und sei trotz seines Analphabetismus sprachlich gut und ausreichend integriert. Die Feststellung der belangten Behörde, der BF sei wegen Anhäufung eines Schuldenbergs nicht selbsterhaltungsfähig, sei rein spekulativ, da der BF seine - im Detail aufgelisteten - Verbindlichkeiten aus seinem Erwerbseinkommen innerhalb der nächsten Monate abgedeckt haben werde. Die Interessensabwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK der belangten Behörde sei qualifiziert fehlerhaft, zumal der BF das Integrationskriterium "wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit", "Unabhängigkeit von Leistungen der öffentlichen Hand" und "aufrechte Beschäftigung bei ausreichendem Einkommen" geschafft habe, die Aufenthaltsdauer von fünf Jahren und drei Monaten einen für die Interessensabwägung wesentlichen Zeitraum darstelle, der Aufenthalt des BF als rechtmäßig anzusehen sei und die lange Aufenthaltsdauer auf den Behörden zurechenbare, überlange Verzögerungen im Asylverfahren zurückzuführen sei. Der BF habe daher einen hohen Integrationsgrad erreicht. Hingegen seien die Bindungen des BF zum Heimatstaat als gering einzustufen und erwarte ihn in seinem Herkunftsstaat eine sozio-ökonomische Armuts- und Elendssituation. Die Feststellung, wonach eine Abschiebung des BF nach Pakistan zulässig sei, sei aus Gründen des Art. 3 EMRK rechtswidrig und die belangte Behörde habe es unterlassen, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen im Fall des BF zu prüfen.
Der Beschwerde wurden ein aktueller Versicherungsdatenauszug, ein Kontoauszug vom 29.07.2015, eine Lohnabrechnung vom Juli 2015 sowie eine Beschäftigungsbewilligung für 26.05.2015 bis 25.05.2016 angeschlossen.
Nachgereicht wurde dem BVwG eine Beschäftigungsbewilligung vom 08.10.2015 bis 07.10.2016.
7. Die gegen diesen Bescheid des BFA vom 28.07.2015, Zl. 800337909-1263581 erhobene Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis vom 27.01.2016 gem. §§ 55 und 57 AsylG 2005, § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52, 46 und § 55 FPG 2005 abgewiesen.
8. Am 19.02.2016 brachte der Beschwerdeführer den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gem. § 56 Abs. 1 AsylG ein.
Dem Antrag beigelegt wurden unter anderem ein Kontoauszug vom 23.01.2016, mehrere Lohn- und Gehaltsabrechnungen von 2015 sowie von Jänner 2016, ein Bescheid des AMS vom 08.10.2015 über die zeitlich befristete Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als Küchenhilfe sowie eine Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte.
9. Am 13.06.2016 erging seitens des BFA ein Verbesserungsauftrag an den BF und wurde dieser zur Vorlage eines verbindlichen Arbeitsvorvertrages bzw. einer Arbeitsbestätigung oder einer Patenschaftserklärung, einem Nachweis über einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft und eine Bestätigung über das Bestehen einer alle Risiken abdeckende Krankenversicherung aufgefordert.
10. Mit Schreiben des Beschwerdeführervertreters vom 18.07.2016 wurden Ausführungen zu den vom BFA geforderten Unterlagen getätigt und wurden ein Versicherungsdatenauszug vom 15.02.2016, ein Zeugnis des AMS und des WIFI für Kochausbildung vom 13.05.2016, eine Teilnahmebestätigung vom 13.05.2016 sowie eine Inhaltebestätigung in Vorlage gebracht. Ferner wurde ausgeführt, dass dem Antragsteller seitens des AMS mitgeteilt worden sei, dass er eine Beschäftigungsbewilligung erhalte, sobald er über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Einstellungszusagen würden nachgereicht werden.
11. Seitens des BFA erging ein Schreiben (eingelangt beim BFV am 24.10.2016) zur Aufforderung zur Stellungnahme /Parteiengehör, in dem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, die darin enthaltenen Fragen zu seiner Integration in Österreich zu beantworten. Ferner wurde ihm die Beibringung der erforderlichen Unterlagen unter Hinweis auf § 8 AsylG-DV aufgetragen.
12. Am 07.11.2016 erging dazu eine Stellungnahme des BFV, in welcher dieser die Fragen beantwortete. Darüber hinaus wurde um Fristverlängerung für die Beibringung der erforderlichen Dokumente ersucht. Als Beilagen wurden die zeitlich befristete Beschäftigungsbewilligung vom 08.10.2015, eine Einstellungszusage vom 19.07.2016 sowie ein Versicherungsdatenauszug vom 21.07.2015 vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 09.11.2016 wurden weitere Unterlagen zur beruflichen Integration des BF in Vorlage gebracht; darunter u.a ein Zeugnis für die Kochausbildung vom 07.11.2016, ein aktueller Kontoauszug, ein aktueller Versicherungsdatenauszug vom 06.11.2016, 4 Meldebestätigungen sowie Unterlagen zum aktuellen Dienstverhältnis des BF. Darüber hinaus wurden Ausführungen zur aktuellen Einkommens- und Finanzsituation des BF getätigt. Ferner wurde ausgeführt, dass bedungen durch die Arbeitslosigkeit des BF in der Vergangenheit Verbindlichkeiten entstanden seine, der Antragsteller aber darum bemüht sei, diese abzudecken. Auch dazu wurden Unterlagen in Vorlage gebracht.
13. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.11.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigenden Fällen gemäß § 56 Asylgesetz abgewiesen.
Begründend führte das BFA nach der Wiedergabe des Verfahrensgangs und der Feststellungen zu dessen Person sowie zu seinem Privat- und Familienleben bzw. seiner Integration in Österreich aus, dass kein besonderes berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 56 AsylG vorliege. Der Antragsteller habe nur einen Kochkurs abgeschlossen und sonst keine Ausbildungen absolviert. Er sei Analphabet und könne sich nur auf einfachem Niveau verständigen. Auch habe er nicht nachweisen können, dass seine Unterkunft den Voraussetzungen des § 60 Absatz 2 Ziffer 1 AsylG entspreche. Ebenso habe er nich beweisen können, dass sein Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe. Daher sei der Antrag abzuweisen.
Ferner wurde ausgeführt:
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG sowie gemäß § 52 Abs. 3 FPG sei, werde der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Eine Rückkehrentscheidung sei aber nicht zu treffen, da eine solche bereits getroffen worden sei und könne daher gemäß §59 Absatz 5 FPG von einer neuerlichen Entscheidung abgesehen werden.
14. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
15. Gegen den oben genannten Bescheid vom 10.11.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
Beantragt wurde den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG erteilt werde in eventu den Bescheid gemäß § 28 Absatz 3 VwGG zu beheben. Gerügt wird insbesondere, dass keine Auseinandersetzung mit den in Vorlage gebrachten Unterlagen sowie dem Vorbringen des BF erfolgt sei. Die Urkunden würden die Selbsterhaltungsfähigkeit des BF belegen. Der BF verfüge über ein aufrechtes Dienstverhältnis sowie über ausreichende Einkünfte. Auch bewohne er eine Unterkunft, welche den gesetzlich geforderten qualitativen Anforderungen gerecht werde. Ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall sei daher gegeben. Als Beilage wurden ein aktueller Kontoauszug, eine Zahlungsanweisung und eine Auftragsbestätigung über eine Banküberweisung in Vorlage gebracht.
Als
16. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungs- sowie Gerichtsakt.
2. Verfahrensbestimmungen
2.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
2.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
2.3. Prüfungsumfang
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Zu A)
3. Behebung des angefochtenen Bescheides
3.1. Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls
1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,
2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und
3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.
Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:
Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
§ 58 Abs. 9 AsylG lautet:
Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
§ 52 Abs. 3 FPG lautet:
Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
§ 59 Abs. 5 FPG lautet:
Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.
3.2. Indem das BFA im gegenständlichen Verfahren keine Rückkehrentscheidung erließ, hat es die Rechtslage verkannt. Im Erkenntnis vom 19.11.2015, Zahl Ra 2015/20/0082, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass § 59 Abs. 5 FPG 2005 der Verfahrensökonomie dienen und bewirken soll, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FPG 2005 hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen. Durch den Verweis auf § 53 FPG 2005, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67 zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FPG 2005 nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm.
Daraus ergibt sich, dass die Behörde im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gehabt hätte, da der Beschwerdeführer nie mit einem Einreiseverbot belegt wurde und auch kein Fall des § 58 Abs. 9 AsylG vorliegt.
Da das BFA im gegenständlichen Fall eine verfehlte Rechtsansicht vertrat, indem es keine Rückkehrentscheidung erließ, und das Bundesverwaltungsgericht schon im Hinblick darauf, dass es im gegenständlichen Verfahren nur in Beschwerdesachen tätig werden und den Beschwerdeführer nicht um eine Instanz bringen darf, sohin die seitens des BFA unterlassene Rückkehrentscheidung nicht nachholen kann, war der angefochtene Bescheid gem. §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.
Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Aufgrund der Behebungsentscheidung aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zum Spruch des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung, besondersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L508.1418147.3.00Zuletzt aktualisiert am
16.05.2019