TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/11 I411 2195894-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2019
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Entscheidungsdatum

11.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I411 2195894-1/12E

I411 2195886-1/11E

I411 2195891-1/8E

I411 2195888-1/9E

Ausfertigung des am 20.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerden von

1. XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch Caritas Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom XXXX, Zl. XXXX,

2. XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch Caritas Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom XXXX, Zl. XXXX,

3. XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch die Mutter XXXX, diese vertreten durch Caritas Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom XXXX, Zl. XXXX,

4. XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch die Mutter XXXX, diese vertreten durch Caritas Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom XXXX, Zl. XXXX,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin sowie der minderjährige Drittbeschwerdeführer sind deren gemeinsame Kinder. Alle vier Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Ägypten. Sie reisten per Flugzeug legal mit von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestelltem Visum für Schengen Staaten nach Österreich.

2. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 16.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Wesentlichen begründeten er den Antrag damit, dass er und seine Familie als Christen Probleme gehabt hätten. Seine Kinder, die Dritt- und der Viertbeschwerdeführer, seien in eine Privatschule gegangen und sei der Direktor dieser Schule ein mächtiger Mann, der sich in seine Ehefrau (gemeint: Zweitbeschwerdeführerin) verliebt habe; dieser Direktor habe Druck auf die Zweitbeschwerdeführerin ausgeübt und sie bedrängt, sie solle den Erstbeschwerdeführer und die gemeinsamen Kinder verlassen, in den Islam konvertieren und ihn heiraten. Er habe den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin bedroht und versucht, die Zweitbeschwerdeführerin zu entführen. Der Direktor habe auch dessen Schwester zur Zweitbeschwerdeführerin geschickt, um sie zur Heirat zu überreden; da sich die Zweitbeschwerdeführerin nicht habe überreden lassen, habe auch die Schwester des Direktors die Zweitbeschwerdeführerin entführen wollen. Der Erstbeschwerdeführer habe Anzeige bei der Polizei erstattet, was aber nichts gebracht habe, weil Christen fast keine Rechte haben und der Direktor sehr großen Einfluss auf die Polizei habe. Aus Angst um das Leben seiner Familie habe der Erstbeschwerdeführer beschlossen, Ägypten zu verlassen.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 10.04.2018 wiederholte er das bisherige Fluchtvorbringen und gab er weiters an, dass er zehn Tage nach der polizeilichen Anzeige eine Kopie derselben habe abholen wollen, jedoch draufgekommen sei, dass die Anzeige verschwunden sei. Er und seine Frau haben sodann den Schulwechsel der Kinder beschlossen. Am 04.07.2017 seien seine Frau und Tochter, zu Fuß unterwegs gewesen, als drei Männer versucht haben, beide zu entführen. Da die Zweitbeschwerdeführerin sehr laut geschrien habe, seien die Männer jedoch geflüchtet; seine Tochter befinde sich daher nun in psychologischer Behandlung. Auf Ratschlag seines Pfarrers habe der Erstbeschwerdeführer erneut eine Anzeige erstattet. Auf der Polizeistation habe er einen christlichen Anwalt getroffen, der ihm geraten habe, mit seiner Familie den Bezirk zu verlassen; auch sein Pfarrer habe ihm zur Flucht geraten. Er und seine Familie seine sodann zu seiner Schwester gefahren und habe er dann einen Anruf von seinem Vater erhalten, wonach ein paar Muslime nach der Zweitbeschwerdeführerin gefragt haben; die Situation sehe gefährlich aus, das Problem sei größer geworden, sein Vater empfehle ihnen ebenfalls, das Land zu verlassen.

3. Auch die Zweitbeschwerdeführerin stellte am 16.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie begründete den Antrag mit den gleichen Motiven wie der Erstbeschwerdeführer und führte darüber hinaus aus, dass die Probleme mit dem Direktor begonnen haben, als ihre Tochter in die Schule dieses Direktors gekommen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Direktor haben Telefonnummern ausgetauscht, für den Fall, dass es Probleme in der Schule gebe. Der Direktor habe dann Nachrichten geschrieben, die Zweitbeschwerdeführerin angerufen und sie von Tag zu Tag mehr bedrängt. Er habe auch gedroht, eines der Kinder der Beschwerdeführer zu entführen, damit sie gezwungen sei, zu ihm zu kommen.

4. Mit den Bescheiden vom XXXX, 1. Zl. XXXX, 2. Zl. XXXX, 3. Zl. XXXX und 4. Zl. XXXX, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) ab. Zugleich erteilte sie den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diese Bescheide richten sich die fristgerecht von der Caritas Burgenland erhobenen Beschwerden aller vier Beschwerdeführer vom 14.05.2018, bei der belangten Behörde eingelangt am 15.05.2018, mit welcher im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, insbesondere im Bereich der Feststellungen, der Beweiswürdigung und der drauf aufbauenden rechtlichen Beurteilung, geltend gemacht wird.

6. Mit Schriftsatz vom 16.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.05.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden aller vier Beschwerdeführer samt Verwaltungsakten vor.

7. Mit Schriftsatz vom 06.06.2018, per ERV übermittelt am 28.06.2018, gab die Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG ihre Vertretungsvollmacht bekannt und erstattete ergänzendes Vorbringen.

8. Mit undatiertem Schriftsatz, per ERV übermittelt am 25.07.2018, gab die Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG die Vollmachtsauflösung bekannt.

9. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten übermittelt. Mit Schreiben vom 08.11.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 12.11.2018, gab die Rechtsvertretung Caritas Burgenland der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt für Ägypten ab.

10. Am 20.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu der die Beschwerdeführer sowie eine Dolmetscherin für die arabische Sprache erschienen sind. Die belangte Behörde teilte im Vorfeld mit, auf die Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten. Die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer erschien unentschuldigt nicht.

11. Mit Schreiben vom 23.11.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, stellten die Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs 4 VwGVG den Antrag auf schriftliche Ausfertigung des im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben. Darüber hinaus wird folgendes festgestellt:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer ist volljährig und mit der ebenfalls volljährigen Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Das Verfahren wird als Familienverfahren nach § 34 AsylG geführt.

Alle vier Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Ägypten und bekennen sich zum koptischen christlich-orthodoxen Glauben. Sie gehören der Volksgruppe der Araber an. Ihre Identität steht fest. Sie reisten legal mit gültigem Reisedokument von Ägypten nach Österreich und halten sich seit (mindestens) 16.09.2017 in Österreich auf.

Die vier Beschwerdeführer verfügen in Ägypten über familiären Anschluss (Erstbeschwerdeführer: Eltern und zwei Geschwister, Zweitbeschwerdeführerin: Eltern und acht Geschwister), mit der sie auch regelmäßigen Kontakt über das Internet und Telefon pflegen. In Österreich verfügen sie über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Keiner der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft.

Alle vier Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er besuchte in Kairo 13 Jahre lang die Schule und verfügt über einen Universitätsabschluss. Er führte zuletzt selbständig ein Geschäft im Bereich Export-Import. Aufgrund seiner akademischen Ausbildung und seiner bisherigen Arbeitserfahrung hat er eine Chance auch hinkünftig am ägyptischen Arbeitsmarkt unterzukommen. In Österreich geht er keiner Beschäftigung nach. Er absolvierte einen Deutschkurs, hat jedoch keine Sprachprüfung abgelegt. Ansonsten weist der Erstbeschwerdeführer in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist derzeit schwanger. Sie befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung, da sie an Traurigkeit, Angst, Schlafstörung, Inappetenz und Alpträumen leidet. Sie besuchte in Sohag 13 Jahre lang die Grundschule und arbeitete anschließend als Frisörin. Zuletzt arbeitete sie selbständig als Frisörin im eigenen Beauty Salon. Aufgrund ihrer Berufserfahrung hat sie eine Chance auch hinkünftig am ägyptischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Sie geht in Österreich keiner Beschäftigung nach. Die Zweitbeschwerdeführerin absolvierte einen Deutschkurs, hat jedoch keine Sprachprüfung abgelegt. Ansonsten weist sie in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Die Dritt- und der Viertbeschwerdeführer besuchen in Österreich die Schule. Die Drittbeschwerdeführerin leidet an Posttraumatischer Belastungsstörung, einer schweren depressiven Episode und einer nichtorganischen Schlafstörung. Der Viertbeschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin konnten keine asylrelevanten Gründe glaubhaftmachen, insbesondere nicht, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Die Dritt- und der Viertbeschwerdeführer haben keine eigenen Fluchtgründe und wurden solche für sie auch von ihren Eltern als gesetzliche Vertreter nicht vorgebracht.

Die Situation für Mitglieder der koptischen Glaubensgemeinschaft in Ägypten ist von Diskriminierung und in Einzelfällen auch von gewalttätigen Übergriffen geprägt, doch kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht von einer "Gruppenverfolgung" der Kopten ausgegangen werden und kann auch nicht daraus geschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Kopten nach Ägypten automatisch zu einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention führen würde.

Im Falle ihrer Rückkehr droht den Beschwerdeführern in Ägypten keine reale Gefahr, in ihrem Leben bedroht zu werden, Folter oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung zu erleiden oder in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt zu werden. Ihnen droht im Falle der Rückkehr nach Ägypten weder die Todesstrafe, noch besteht eine reale Gefahr, dass ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in ihrem Herkunftsstaat gefährdet wäre.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten:

Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Ägypten durchlebte im Zuge des sog "arabischen Frühlings" im Jahr 2011 eine Periode der politischen Instabilität, die nach massiven Protesten gegen die Regierung des gewählten Präsidenten Mursi durch das Militär am 03.07.2013 beendet wurde. Nach der Suspension der Verfassung trat am 18.01.2014 die neue Verfassung in Kraft, nach welcher Ägypten ein demokratischer Rechtsstaat mit dem Islam als Staatsreligion, Arabisch als Amtssprache und den Prinzipien der Scharia die Hauptquelle der Gesetzgebung ist. Seit Juni 2014 amtiert die Regierung des Präsidenten Abdel Al-Sisi zunächst ohne Parlament, seit 11.01.2016 wieder mit einem Abgeordnetenhaus. Seit 2011 ist die Sicherheitslage in Ägypten instabil. Die Kräfte des politischen Islam wurden durch den Sturz des Präsidenten Mursi geschwächt, dennoch bleiben religiöse Kräfte stark. Politische Auseinandersetzungen sind häufig mit Gewaltausbrüchen begleitet. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen bleiben infolge verschiedentlicher Angriffe islamischer Terrornetzwerke, zB in der westlichen Wüste oder am Sinai, beträchtlich. Es besteht landesweit ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge und der Gefahr von Entführungen. Infrastruktureinrichtungen zählen zu besonderen Zielen terroristischer Anschläge. Vereinzelt sind auch westliche Einrichtungen Ziele von Anschlägen. Besonders gefährdet ist die Halbinsel Sinai, wo es wiederholt zu schweren terroristischen Anschlägen auch durch die Terrororganisation ISIS gekommen ist und im nördlichen Teil der Ausnahmezustand verhängt wurde.

Die neue Verfassung gewährleistet die Unabhängigkeit der Justiz und die Immunität der Richter. In der Regel handeln Gerichte unparteilich, wobei vereinzelt politisch motivierte Urteilen vorkommen. Die Urteile werden in der Regel von der Regierung akzeptiert. Strafgerichte folgen westlichen Standards mit Unschuldsvermutung, detaillierter Information über die Anklagepunkte und dem Recht auf eine anwaltliche Vertretung und Verteidigung.

Ägypten verfügt über einen sehr ausgeprägten internen Sicherheitsapparat, welcher eine effektive Kontrolle der Bevölkerung durch die Regierung ermöglicht. In der Vergangenheit waren wichtige Aufgaben des Sicherheitsdienstes die Überwachung der Opposition und der Einsatz bei Demonstrationen. In den vergangenen Jahrzehnten herrschte die überwiegende Zeit der Ausnahmezustand, wodurch den Sicherheitsbehörden außerordentliche Befugnisse bei der Überwachung und der Inhaftierung, vornehmlich von Angehörigen der Moslembrüderschaft, eingeräumt wurden.

Dem Innenministerium und den Armeekräften werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Gewalttätige Angriffe auf Demonstrationen und Tätlichkeiten gegenüber Demonstrationen durch Sicherheitskräfte sind durch Aktivisten und Blogger dokumentiert. Die Anwendung von Folter und Gewalt durch die Polizei und den Sicherheitsapparat ist verboten. Es bestehen Berichte über die Anwendung von Folter oder Schlägen zur Erlangung von Geständnissen bei Verhaftungen. Schwerwiegende Fälle von Foltervorwürfen werden untersucht.

Die neue ägyptische Verfassung enthält einen Grundrechtekatalog.

Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt. Die Verfassung von 2014 erhebt den Islam zur Staatsreligion und bestimmt die Scharia zur Hauptquelle der Verfassung. Die Grenze zwischen Staat und sunnitischer Mehrheitsreligion ist nicht klar geregelt. Die Verfassung garantiert lediglich Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Durch die Beschränkung der Glaubensfreiheit auf einzelne Religionen wird eine Unterscheidung zwischen "anerkannten" und "nicht-anerkannten" Religionen getroffen, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag führt. Darunter leiden Angehörige kleinerer Glaubensgemeinschaften. So werden die 150.000 - 200.000 in Ägypten lebenden Schiiten nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft anerkannt. Gleiches gilt für die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen. 2015 wurden einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Im Mai 2016 flammte die Gewalt gegen Christen wieder neu auf, was zu einer öffentlichen Debatte über das Thema und zur Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes über den Kirchenbau führte. Am 11. Dezember 2016 kam es in Kairo zu einem schweren Anschlag auf die koptische Kirche Peter und Paul. Dabei wurden 26 Menschen getötet und 49 zum Teil schwer verletzt. Staatspräsident Al-Sisi gab einen Tag nach dem Anschlag öffentlich bekannt, dass die Hintergründe aufgeklärt seien, und der Täter der Muslimbruderschaft zugeordnet werden könne. Dem gegenüber steht ein Selbstbekenntnis des "IS Misr". Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Seit März 2009 ist es beispielsweise den Bahais erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld "Religion" offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führt. Auch die Organisation innerhalb der sunnitischen Glaubensgemeinschaft mit dem Ministerium für religiöse Stiftungen an der Spitze und weitgehenden Durchgriffsrechten steht einer umfassenden Glaubensfreiheit im Weg. Um in den offiziellen Moscheen predigen zu können, müssen die Imame an der al-Azhar Universität ausgebildet worden sein. Das Ministerium gibt zudem die Themen und Schwerpunkte der Freitagspredigten vor. Das ägyptische Strafrecht sieht den Straftatbestand der Blasphemie und dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. Es werden zum Teil lange Gefängnisstrafen wegen des Blasphemievorwurfs verhängt. Zudem wird in interreligiösen Auseinandersetzungen häufig der Vorwurf der Blasphemie gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorgebracht, um diese unter Druck zu setzen und Gewalt gegen sie zu legitimieren. Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten sind, vor allem in ländlichen Gebieten, immer wieder Gewaltakten und Einschüchterungen aus den Reihen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt, wobei ein genügender Schutz durch die Sicherheitsbehörden nicht gewährleistet ist (AA 15.12.2016).

Religiöse Minderheiten wie koptische Christen, Schiiten und Baha'i wurden weiterhin durch Gesetze diskriminiert und bei der Ausübung ihrer Religion eingeschränkt. Außerdem waren sie nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt (AI 22.02.2017).

Kein Angehöriger einer religiösen Minderheit gehörte zu den ernannten Gouverneuren der 27 Regierungsbezirke (USDOS 03.03.2017).

Die Religionsfreiheit bleibt eingeschränkt. Die Verfassung garantiert lediglich die Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Im August 2016 wurde ein lange erwartetes Gesetz über den Kirchenbau verabschiedet, das dem Bau von Kirchen allerdings nach wie vor administrative Hürden in den Weg legt (AA 02.2017a).

90% aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Sie folgen der hanafitischen Rechtstradition, die als die liberalste der vier heute verbreiteten islamischen Rechtsschulen gilt. Ca. 9% gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und ca. 1% gehören anderen christlichen Konfessionen an. Das Religionsverständnis hat sich in den letzten Jahren jedoch je nach sozialer Gruppe in unterschiedlicher Form gewandelt. Mit dem Aufstieg des politischen Islam wurde in manchen Schichten eine engere und stärker auf äußere Formen orientierte Auslegung und Praktizierung der islamischen Religion populär (GIZ 03.2017b).

Kopten, die etwa 10% der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind Opfer vielfacher Diskriminierungen, die oft auch in Gewalt münden. Insbesondere während der Welle der Gewalt im August 2013, die seit Mai 2016 wieder aufflammte, wurden koptische Kirchen attackiert und Christen ermordet. Die Sicherheitskräfte griffen kaum zu ihrem Schutz ein. Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits lange erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetz zugestimmt haben, lassen vage Formulierungen darin Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gelegt (AA 15.12.2016).

Kopten sehen sich vielfach als Opfer von Diskriminierungen, die des Öfteren auch in Gewalt münden (AA 02.2017a).

Eine nach Ägypten zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerden folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz und in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Ägypten (Gesamtaktualisierung am 02.05.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 16.04.2018) sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2018 bei welcher folgende Unterlagen vorgelegt wurden:

-

Mutter-Kind-Pass der BF2 (Beilage A)

-

Bestätigung über die Arbeit des BF auf Arabisch

-

Steuernummer und Wirtschaftsnummer auf Arabisch

-

Grundbuchauszüge Original auf Arabisch

-

Stromrechnung für Wohnung und Geschäft auf Arabisch (Beilage B)

-

Bestätigung Verein Menschenleben (Beilage C)

-

Konvolut von Schreiben des Psychosozialen Dienstes (Beilage D)

-

Verein für Frauen XXXX (Beilage E)

-

Gynäkologische Befunde (Beilage F)

-

Zwei Schreiben von XXXX (Beilage G)

-

Schreiben XXXX (Beilage H)

-

Zwei Schreiben von XXXX (Beilage I)

-

Bericht des Priesters aus Ägypten (Beilage J)

-

Taufbestätigung der Kinder (Beilage K)

-

Neue Bestätigung der katholischen Kirche (Beilage L)

-

Bestätigung der Mitgliedschaft der koptischen Kirchengemeinde (Beilage M)

-

Konvolut von Farbfotos (Beilage N)

-

Bestätigung des Roten Kreuz (Beilage O)

-

Kopie des Führerescheins (Beilage P)

-

Teilnahmebestätigung vom Frauenkaffee (Beilage Q)

-

Bestätigung für die freiwillige Teilnahme Deutschkurs (Beilage R)

-

Bestätigung der burgenländischen Volkshochschule (Beilage S)

-

Schulnachricht von XXXX (BEILAGE T)

-

Schulbesuchsbestätigung von XXXX (Beilage U)

-

Schulbesuchsbestätigung von XXXX (Beilage V)

2.2. Zur den Beschwerdeführern:

Die Feststellung zur Volljährigkeit des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin sowie zur Minderjährigkeit der gemeinsamen Kinder ergeben sich aus dem Akt und sind augenscheinlich. Die Feststellung zum Familienstand, der Staatsangehörigkeit und ihrer Konfession gründen sich auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erst- bzw. der Zweitbeschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2018. Da die Beschwerdeführer den österreichischen Behörden ihre Reisepässe vorlegen konnten, steht deren Identität fest.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Erst- und Viertbeschwerdeführers ergibt sich aus deren glaubhafter Bestätigung. Die Feststellung zum Gesundheitszustand und der Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin ergibt sich aus dem gynäkologischen Befundblättern vom 13.08.2018 und 12.09.2018 sowie aus dem Schreiben des psychosozialen Dienstes XXXX - GmbH vom 11.06.2008 und der Bestätigung von Dipl.-Psych. Lieselotte XXXX, Psychologin und Psychotherapeutin, vom 14.10.2018. Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Drittbeschwerdeführerin beruht auf dem Befund vom 18.04.2018 sowie der Stellungnahme vom 18.04.2018 von Mag. (FH) XXXX, MSc, Psychotherapeutin und der Stellungnahme vom 06.11.2018 von XXXX, Psychotherapeutin, Kinderpsychotherapeutin, Sonder- und Heilpädagogin.

In Bezug auf psychische Erkrankungen, wie zB schweren Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen mit suizidaler Einengung, haben auch nachfolgende, sich aus der Rechtsprechung des EGMR ergebende, Überlegungen (vgl. auch VfGH v. 6. März 2008, B 2400/07 sowie Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des EGMR) für eine Art 3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen:

Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung. Das Vorliegen dermaßen akuter und schwerwiegender Erkrankungen, welche in Ägypten nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, wurde weder vorgebracht noch bot sich dafür im Beschwerdefall ein Anhaltspunkt.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer ihren Lebensunterhalt in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung bestreiten ist durch einen aktuellen Auszug des Betreuungsinformationssystems belegt. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem eigeholten Strafregisterauszug der Republik Österreich.

Die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin beruht auf deren glaubhaften Angaben im Rahmen ihrer Einvernahmen am 16.09.2017, 10.04.2018 und im Zuge der mündlichen Verhandlung am 20.11.2018. Die Feststellung, wonach es den Beschwerdeführern auch nach ihrer Rückkehr nach Ägypten möglich sein wird, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, resultiert aus der Überlegung, dass sowohl der Erst- als auch die Zweitbeschwerdeführerin vor ihrer Ausreise aus Ägypten berufstätig waren und sich ihren Lebensunterhalt verdienen konnten.

Dass Dritt- und Viertbeschwerdeführer in Österreich die Schule besuchen geht aus den jeweiligen Bestätigungen der Volksschule XXXX vom 13.11.2018 und der Neuen Musikmittelschule XXXX vom 12.11.2018 hervor.

Dass die Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügen, ergibt sich aus den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.

Feststellungen zu den geringen Deutschkenntnissen des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin konnten aufgrund der Bestätigungen der XXXX Volkshochschule vom 29.10.2018 sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch den erkennenden Richter getroffen werden.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer erweist sich als unglaubhaft. Für die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens spricht, wenn das Vorbringen genügend substantiiert ist. Das Erfordernis der Substantiierung ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen. Ferner muss das Vorbringen plausibel sein, dh mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist ua dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Außerdem muss der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Außerdem ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl zB 13.09.2016, Ra 2016/01/0070; 10.09.2015, Ra 2014/20/0142; ua, siehe auch bereits VwGH 24.06.1999, 98/20/0435; 20.5.1999, 98/20/0505) - der persönliche Eindruck den der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer gewinnt, von wesentlicher Bedeutung. Gerade diese Kriterien sind im vorliegenden Fall, wie im Weiteren zu erörtern sein wird, nicht erfüllt und ist daher das Fluchtvorbringen als unglaubhaft zu werten.

Vorauszuschicken ist, dass der erkennende Richter bei keinem der befragten Beschwerdeführer das Gefühl hatte, dass dieser tatsächlich erlebte Vorfälle schilderte. Die Schilderungen der Beschwerdeführer wirkten konstruiert und wurden ohne Emotionen geschildert. Gerade die Zweitbeschwerdeführerin, die ja Opfer einer versuchten Entführung hätte sein sollen, schildert den Vorfall nüchtern, ohne das Anzeichen von tiefergehenden Gefühlsregungen.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin bringen den Kern ihres Fluchtgrundes auch dermaßen ident vor, dass es für den erkennenden Richter den Eindruck erweckt, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin eine Fluchtgeschichte konstruiert und sich bei der Wiedergabe dieser Geschichte abgesprochen haben. Dieser Anschein wird vor allem dadurch erweckt, dass beide den beinahe selben Wortlaut zur Schilderung ihres Fluchtvorbringens verwenden. Vor dem Hintergrund, dass der Erstbeschwerdeführer bei keinem der geschilderten Vorfälle (Belästigung und Bedrohung durch den Schuldirektor und in weiterer Folge durch dessen Schwester, die versuchte Entführung) anwesend war, widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen (selbst wenn sie etwas gemeinsam erlebt haben) in der Regel ein voneinander zumindest im Ursprung abweichendes Vokabular zur Wiedergabe von Erlebtem verwenden. Wird eine Geschichte hingegen beinahe ident geschildert, deutet dies darauf hin, dass die Schilderung erfunden ist.

Auch die Schilderung, wonach die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin auf offener Straße beinahe entführt worden wären, ist nicht nachvollziehbar. Ein Tuktuk habe die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin verfolgt, zwei Männer wären ausgestiegen und hätten versucht sie in das Auto zu zerren. Nachdem die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin laut geschrien hätten und Menschen zu ihnen gerannt seien, hätten die Männer sie losgelassen und wären weggefahren. Die Drittbeschwerdeführerin habe geweint und seien sie am Boden gelegen. Es erscheint dem erkennenden Richter nicht plausibel, dass es bereits ausreichend war, dass die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin geschrienen haben, um die Entführer von ihrem Vorhaben abzubringen und die Flucht zu ergreifen. Potentielle Entführer werden mit Sicherheit davon ausgehen, dass bei einer Entführung in Anwesenheit eines Elternteiles um Hilfe geschrien wird.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer Antragstellung an, dass der Schuldirektor und in weiterer Folge auch dessen Schwester sie mit Entführung bedroht hätten, allerdings wird der (gescheiterte) Entführungsversuch auf offener Straße mit keinem Wort erwähnt (AS 9). Der Entführungsversuch wird erstmals in der Einvernahme durch die belangte Behörde am 10.04.2018 vorgebracht (AS 197). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (VwGH 14.06.2017, Ra 2017/18/0001). Dessen ungeachtet ist es für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, wieso bei der Antragstellung zwar die Entführungsdrohungen vorgebracht wurden, die versuchte Entführung allerdings nicht. Da ein Entführungsversuch ein wesentlich dramatischer und intensiverer Angriff auf eine Person ist als eine Drohung mit derselben, ist üblicherweise davon auszugehen, dass bei der Angabe des Fluchtgrundes eine versuchte Entführung jedenfalls erzählt wird. Insgesamt ist daher von einem gesteigerten und unglaubhaften Vorbringen auszugehen.

Es ist weiters unglaubwürdig und entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Tochter (Drittbeschwerdeführerin) nach den geschilderten Vorfällen mit dem Direktor und selbst nach den Drohungen einer Entführung, weiter in die Schule gegangen sein soll. Es ist nicht plausibel, dass die Zweitbeschwerdeführerin nach dem Vorfall mit der Schwester des Schuldirektors das Haus selbst fast nicht mehr verlassen habe (Protokoll vom 20.11.2018, S. 7), die eigene Tochter allerdings weiter in die Schule geschickt wird. Die Nachfrage durch den erkennenden Richter, wieso die Tochter nicht sofort aus der Schule genommen wurde, nachdem der Direktor die Zweitbeschwerdeführerin angesprochen habe, wurde wie folgt beantwortet (BF = Zweitbeschwerdeführerin, RI = Richter, Protokoll vom 20.11.2018, S. 8 und 9, Fehler im Original):

"BF: Wir dachten, dass wenn ich weit von der Schule bleibe, er sich beruhigt. Das Schuljahr war fast zu Ende.

RI: Haben Sie Ihre Tochter zwischenzeitlich in einer anderen Schule angemeldet?

BF: Nein, hätten wir sie angemeldet, wäre ihr Name im System. Dann hätte man gewusst, wo wir waren."

Auch der Erstbeschwerdeführer konnte nicht nachvollziehbar und plausibel darlegen, wieso die Tochter weiterhin in die Schule ging (BF = Erstbeschwerdeführer, RI = Richter, Protokoll vom 20.11.2018, S. 16 und 17, Fehler im Original):

"RI: Als Ihre Frau Probleme mit dem Direktor des Gymnasiums hatte, warum haben Sie Ihre Tochter nicht gleich aus dem Gymnasium geholt?

BF: Wenn alles Mitte April stattgefunden hat: Es gab nur mehr zwei Wochen bis zu den Prüfungen. Keine andere Schule hätte sie aufgenommen. Sie hätte ein Schuljahr verloren.

RI: Hätten Sie gleich Ihre Tochter in einer anderen Schule angemeldet?

BF: Das hätte nichts gebracht. Das wäre nicht möglich.

RI: Wieso nicht?

BF: Das Schuljahr war noch laute und in zwei Wochen hätten die Prüfungen gehabt.

RI: Man kann trotzdem die Schüler anmelden. Warum ist das nicht erfolgt?

BF: Das haben wir auch so entschieden. Wir wollten die zwei Wochen abwarten, dann ist das Problem schlimmer geworden. Als die Schwester des Direktors bei meiner Frau im Geschäft war, haben wir beschlossen unsere Tochter nächstes Jahr an einer neuen Schule anzumelden.

RI: Als die Schwester des Direktors bei Ihrer Frau im Geschäft war, haben Sie Ihre Tochter dann noch zur Schule geschickt?

BF: Nein, das Schuljahr war bereits zu Ende.

RI: Das heißt, Sie haben Ihre Tochter an einer anderen Schule bereits angemeldet?

BF: Das Schuljahr war fast zu Ende. Man kann das Kind immer vor September anmelden.

RI: War das Schuljahr jetzt zu Ende oder nicht, wo die Schwester des Direktors bei Ihrer Frau im Geschäft war?

BF: Ein paar Tage haben noch gefehlt.

RI: Welche Schule hätten Sie Ihre Tochter Nancy angemeldet?

BF: Wir haben noch keine Schule ausgesucht gehabt. Der Vorfall hat Mitte April stattgefunden, als der Direktor mit meiner Frau um Büro gesprochen hat. Wir dachten, dass es sich in ein paar Wochen wieder beruhigt."

Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gar nicht vorhatten, die gemeinsame Tochter in einer anderen Schule anzumelden, sondern nach Österreich auszureisen.

Es ist für den erkennenden Richter auch nicht nachvollziehbar, wieso der Erstbeschwerdeführer als Ehemann keinen Versuch unternommen hat, die Situation mit dem Direktor der Privatschule seiner Tochter zu klären (BF = Erstbeschwerdeführer, RI = Richter, Protokoll vom 20.11.2018, S. 16 und 17, Fehler im Original):

"RI: Haben Sie jemals versucht mit dem Direktor ein Gespräch zu führen?

BF: Ich habe es versucht, aber ich habe auch eine Anzeige erstattet, nachdem er meiner Frau gesagt hat, dass er sie heiraten will, zum Islam konvertieren soll und keine Angst vor ihren Eltern haben soll. Ich habe dem Direktor eine Person geschickt, damit wir uns treffen. Er hat aber dieses Treffen abgelehnt.

RI: Das verstehe ich nicht, warum müssen Sie jemanden schicken, dass Sie ihn Treffen wollen? Der Mann ist Direktor an einer Schule und Sie bezahlen die Schulgebühr. Sie brauchen nur in die Schule gehen und ihn aufsuchen.

BF: Es ist nicht so leicht. Er hat meiner Frau gesagt, dass er sie heiraten will und dass sie zum Islam konvertieren soll. Wir wollten noch jemanden bei dem Treffen haben, um ihn zu übermitteln, dass er sich schämen soll.

RI: Als der Direktor dieses Treffen abgelehnt hat, haben Sie das einfach auf sich ruhen lassen?

BF: Er hat als Antwort gesagt: "Nein, ich treffe Sie nicht. Warum sollte ich Sie treffen?". Er behauptete, dass er nichts gesagt hätte.

RI: Die gesamte Situation verstehe ich nicht. Ihre Tochter geht auf eine Privatschule, für die Sie sehr viel zahlen müssen. Sie hätten das Gespräch auch wegen Ihrer Tochter führen können?

BF: Ich wollte mit ihm nicht über meine Tochter reden. Ich wollte mit ihm wegen meiner Frau reden. Er wollte sie heiraten und dass sie zum Islam konvertiert.

RI: Ist Ihre Tochter, nachdem Sie den Direktor angezeigt haben, weiter zur Schule gegangen?

BF: Ja, es war Prüfungszeit und sie ist einige Tage in die Schule gegangen."

Der Erstbeschwerdeführer war in seinem Herkunftsland als selbständiger Geschäftsmann tätig und hat als solcher Geschäftsreisen ua nach Mexiko, Rumänien und China (AS 59) unternommen und hat er auch in der Verhandlung auf den erkennenden Richter einen selbstbewussten und lebenserfahrenen Eindruck gemacht. Daher ist es nicht nachzuvollziehen, dass er nicht in der Lage gewesen sein soll, einen Gesprächstermin mit dem Leiter der Privatschule seiner Tochter zu organisieren bzw. wahrzunehmen.

Zusammenfassend wird daher das gesamte Fluchtvorbringen aus Sicht des erkennenden Richters als konstruiert und unglaubhaft gewertet. Es ist den Beschwerdeführen nicht gelungen, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass sie aufgrund ihrer Religion bedroht worden wären, und deshalb bei einer Rückkehr nach Ägypten eine Gefahr vor Verfolgung bestünde.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Ägypten ergeben sich aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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DS - Der Standard (2.4.2018): Offiziell: Ägyptens Präsident al-Sisi klar wiedergewählt,

https://derstandard.at/2000077191005/Offiziell-Aegyptens-Praesident-al-Sisi-klar-wiedergewaehlt, Zugriff 16.4.2018

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TS - Tagesschau (2.4.2018): Präsidentenwahl in Ägypten - Al-Sisi bekommt 97 Prozent,

https://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-wahl-113.html, Zugriff 16.4.2018

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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