TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/14 I406 1420808-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs19
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I406 1420808-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.08.2011, Zl. 11 08.494-BAT, zu Recht erkannt:

A)

zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Spruchpunktes III. aufgehoben und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im August 2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 06.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung durch ein Organ der PI Traiskirchen EAST am 07.08.2011 den im Spruch genannten Namen an. Er sei am XXXX in XXXX, Algerien, geboren, algerischer Staatsbürgerschaft und Herkunft, ledig, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit sowie Moslem. Als Familienangehörige im Herkunftsstaat gab er seine Eltern und seine fünf Brüder an. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer wie folgt an: "Ich stamme aus einer sehr armen Familie. Ich hatte zu Hause keine Arbeit und keine Zukunft, deswegen bin ich ausgereist. Andere Asylgründe habe ich nicht." Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Zukunft in Algerien habe.

Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) am 11.08.2011 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass es keine Arbeit gebe und sein Vater alt und krank sei und er nicht für die gesamte Familie aufkommen könne.

Mit Bescheid vom 11.08.2011, Zl. 11 08.494-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 06.08.2011 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) ab und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien aus. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er seinen Heimatsstaat aufgrund seiner Unzufriedenheit mit seinen Lebensumständen und fehlender beruflichen Perspektiven verlassen habe, glaubhaft seien. Der für das Verlassen seines Heimatstaates angeführte Sachverhalt sei jedoch nicht unter einem Tatbestand der GFK zu subsumieren. Ein Fluchtgrund aus wirtschaftlichen Gründen sei nicht asylrelevant. Weiters lägen keine individuellen Umstände vorliegen, die dafürsprächen, dass er bei einer Rückkehr in die Heimat in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Auch werde bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen durch seine Ausweisung nicht auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in sein Recht auf Familien- und Privatleben eingegriffen.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2011 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Asylgerichtshof (nunmehr Bundesverwaltungsgericht).

Mit Verfahrensanordnung vom 02.09.2011, A10 420.808-1/2011/4E, stellte der Asylgerichtshof das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG ein.

Mit Schreiben "Anregung zur Fortsetzung des Asylverfahrens" vom 01.02.2012 teilte die belangte Behörde dem Asylgerichtshof mit, der Beschwerdeführer sei obdachlos gemeldet.

Mit Aktenvermerk vom 20.02.2012, B4 420.808-1/2011/7Z, stellte der Asylgerichtshof fest, dass das Beschwerdeverfahren nicht fortgesetzt wird.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen teils vollendeten und teils versuchten gewerbsmäßigen Verkaufes von Suchtmittel nach § 27 Abs. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt.

Am 21.08.2012 stellte die belangte Behörde den Antrag, das Asylverfahren fortzusetzen.

Mit Aktenvermerk vom 07.11.2012, B4 420.808-1/2011/12Z, stellte der Asylgerichtshof fest, dass das Beschwerdeverfahren nicht fortgesetzt wird.

Wie in § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idgF vorgesehen, sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Die Rechtssache wurde der Gerichtsabteilung I406 des Bundesverwaltungsgerichtes zugeteilt.

Mit Schreiben vom 24.09.2014 stellte der damalige rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers den Antrag/die Anregung auf Fortsetzung des eingestellten Verfahrens sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Mit Schreiben vom 23.02.2015 legte der damalige rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers vier Empfehlungsschreiben vor.

Mit Schreiben vom 20.11.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer eine Ladung zur mündlichen Verhandlung, Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat sowie einen Fragenkatalog zu seiner persönlichen Situation und räumte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

Am 17.12.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, zu der der Beschwerdeführer nicht erschien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.

Der volljährige Beschwerdeführer ist algerischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit sowie Moslem und ledig.

Der Beschwerdeführer leidet nicht an schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünden.

Der Beschwerdeführer verfügt über mehrjährige Berufserfahrung als Händler sowie über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat, in Österreich verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen nicht vorgebracht und mit einer solchen auch im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zu rechnen.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

Politische Lage

Nach der Verfassung von 1996 ist Algerien eine demokratische Volksrepublik. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist seit der letzten Verfassungsreform im Jahr 2016 auf zwei Mandate begrenzt (AA 10.2017). Neben der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünfprozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) besteht eine zweite Kammer (Conseil de la Nation oder Sénat) (AA 10.2017; vgl. ÖB 3.2015), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden (AA 10.2017). Damit ist die Unabhängigkeit der Legislative zugunsten des Präsidenten eingeschränkt (BS 2016). Der Senatspräsident vertritt den Staatspräsidenten (AA 10.2017)

Präsident Abdelaziz Bouteflika übernahm sein Amt erstmals im April 1999 (AA 10.2017). Am 17.4.2014 wurde er mit über 81 Prozent für eine vierte Amtszeit wiedergewählt (AA 10.2017; vgl. ÖB 3.2015). Die meisten Oppositionsparteien hatten zum Boykott der Präsidentschaftswahl aufgerufen. Premierminister ist seit 15.8.2017 - und damit zum vierten Mal - Ahmed Ouyahia. Er folgt Abdelmajid Tebboune nach, der das Amt im Nachgang zu den jüngsten Parlamentswahlen im Mai 2017 von Abdelmalek Sellal übernommen hatte. Aus den letzten Parlamentswahlen am 4.5.2017 gingen die beiden größten Regierungsparteien - die ehemalige Einheitspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) und die Nationale Demokratische Sammlungsbewegung (RND) - erneut als stärkste Parteien hervor. Die Wahlbeteiligung war mit rund 35% sehr gering. Dank einer bereits zu den Wahlen 2012 eingeführten Frauenquote sind rund ein Viertel der Abgeordneten in der Nationalen Volksversammlung weiblich (AA 10.2017).

Die zentrale Verwaltung und lokale gewählte Körperschaften sind seit langem für ihre Ineffizienz, Korruption und Patronage bekannt. Staatliche Institutionen folgen demokratischen Prinzipien; Qualität und Effizienz der Institutionen sind jedoch fraglich. Der Präsident dominiert weiterhin das politische Leben. Parteien-, Wahl-, Vereinsgesetz wurden im Jahr 2012 reformiert. Partizipation auf kommunaler und provinzieller Ebene konnte durch gewählte lokale Körperschaften verbessert werden. Dennoch scheint das obskure Machtgefüge aus Armee und Sicherheitskräften weiterhin alle wichtigen Entscheidungen fernab jeglicher demokratischen Kontrolle zu treffen. Der Status des Parlaments verbesserte sich dennoch nach den relativ freien und fairen Parlamentswahlen im Jahr 2012 (BS 2016).

Präsident Bouteflika ist seit mehr als zehn Jahren angeschlagen. Seit 2005 hat er sich mehrfach wochenlang in französischen Krankenhäusern behandeln lassen, Gerüchte über eine Krebserkrankung machten die Runde, die aber nie offiziell bestätigt wurden. 2013 erlitt Bouteflika einen Schlaganfall, seither sitzt er im Rollstuhl und tritt kaum noch öffentlich auf. "Le Pouvoir", das seit der Unabhängigkeit 1962 gewachsene Netzwerk aus Regierungspartei FLN, dem Militär und verbündeten Geschäftsleuten, führt das Land und besetzt die Schlüsselpositionen. Wer aber angesichts der Erkrankung Bouteflikas Algerien tatsächlich regiert und die letzte Entscheidungsbefugnis bei wichtigen Entscheidungen hat - darüber rätseln Beobachter im In- und Ausland. Auch einen designierten Nachfolger gibt es nicht.

Eine Schlüsselfigur ist Generalstabschef Ahmed Gaid Salah. Der farblose Salah ist jedoch niemand, der für eine eigene politische Agenda steht - außer für Stabilität. Angesichts der fragilen Lage in den Nachbarländern Libyen, Niger und Mali und der jüngeren gewaltsamen algerischen Geschichte ist die Aussicht auf Stabilität für viele Algerier schon als Programm ausreichend. Weitaus schillernder ist Said Bouteflika, der 20 Jahre jüngere Bruder des Staatschefs. Er bestimmt seit Jahren darüber, wer überhaupt noch zum greisen Präsidenten vorgelassen wird. Said Bouteflika und Salah sollen sich hinter den Kulissen einen rücksichtslosen Machkampf liefern (SO 21.2.20107).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.2017): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 15.2.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

-

SO - Spiegel Online (21.2.2017): Staatschef Bouteflika - Der kranke Mann von Algier,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/abdelaziz-bouteflika-ist-schwerkrank-wer-regiert-algerien-a-1135607.html, Zugriff 12.3.2018

Sicherheitslage

In den letzten Jahren ist es wiederholt zu Terroranschlägen islamistischer Gruppen und zu Entführungen mit kriminellem oder terroristischem Hintergrund gekommen (BMEIA 16.2.2018; vgl. AA 16.2.2018). Landesweit kann es zu Behinderungen durch Demonstrationen und Streiks kommen (BMEIA 16.2.2018). Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab. Der vom Präsidenten durch die Versöhnungscharta 2006 vermittelte Frieden trug zur in der Bevölkerung weithin anerkannten Legitimität des Staates bei (BS 2016).

Algerien ist eine Basis für den heute in Nordafrika und im Sahel operierenden djihadistischen Terrorismus. Die Angaben über die Zahlen der gegenwärtig in Algerien aktiven Terroristen schwanken zwischen einigen Hundert bis etwa Tausend. Die in Algerien weiterhin einflussreichste Gruppe AQIM (Al Qaida im islamischen Maghreb) ist durch den Anschluss der Salafist Group for Preaching and Combat (GSPC) an Al-Qaida entstanden. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die MUJAO (Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in In Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates" (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 3.2015).

Islamistischer Terrorismus und grenzübergreifende Kriminalität in der Sahelregion stellen weiterhin Bedrohungen für die Stabilität Algeriens dar. Algerien ist massiv in der Bekämpfung des Terrorismus engagiert und hat sein Verteidigungsbudget auf mehr als 10 Mrd. EUR erhöht (somit das höchste in Afrika). Eine kleine Anzahl islamistischer Extremisten operiert vor allem in der Sahara und den Berberregionen. Unsicherheit in der Region und die Aktivitäten des IS in einigen Nachbarländern machen diese jedoch zu einer potenziellen Bedrohung (BS 2016).

Spezifische regionale Risiken

Von Terroranschlägen und Entführungen besonders betroffen ist die algerische Sahararegion, aber auch der Norden und Nordosten des Landes (v.a. Kabylei). Die Gefahr durch den Terrorismus, der sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet, besteht fort (AA 16.2.2018). Am 28.10.2016 wurde ein Polizist in Constantine ermordet; eine islamistische Gruppierung bekannte sich zu der Tat. Im Nordwesten Algeriens, der Provinz Ain Defla, wurden am 17.7.2015 zehn algerische Soldaten bei einem Angriff getötet (FD 16.2.2018).

Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer wird gewarnt (BMEIA 16.2.2018; vgl. AA 16.2.2018, FD 16.2.2018). Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran (BMEIA 16.2.2018; vgl. FD 16.2.2018). Im Rest des Landes besteht weiterhin hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 16.2.2018). Die häufigen Entführungen, besonders in der Region Kabylei treffen in erster Linie wohlhabende Einheimische und sind kriminell (Lösegeldforderung) motiviert. In den südlichen Grenzregionen zu und Mali und jenseits der Grenzen gehen terroristische Aktivitäten, Schmuggel und Drogenhandel ineinander über. Es wird angenommen, dass AQIM in Nordmali, aber auch andernorts vereinzelt mit der lokalen Bevölkerung für Schmuggel aller Art zusammenarbeitet (ÖB 3.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.2.2018): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AlgerienSicherheit_node.html, Zugriff 16.2.2018

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BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (16.2.2018): Reiseinformationen Algerien, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/algerien-de.html, Zugriff 16.2.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018

-

FD - France Diplomatie (16.2.2018): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 16.2.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

Rechtsschutz / Justizwesen

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, beschränkte die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 3.3.2017; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2016) bzw. hat der Präsident den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter (USDOS 3.3.2016; vgl. BS 2016) sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 3.3.2017). Der Oberste Justizrat ist für die richterliche Disziplin und die Ernennung und Entlassung aller Richter zuständig (USDOS 3.3.2017; vgl. BS 2016). Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern wird in der Praxis nicht gänzlich gewährleistet (BS 2016), sie ist häufig äußerer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 3.3.2017). Die Justizreform wird zudem nur äußerst schleppend umgesetzt. Algerische Richter sehen sich häufig einer außerordentlich hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, was insbesondere in Revisions- und Berufungsphasen zu überlangen Verfahren führt. Ein berufsständisches Gesetz zu Status und Rolle der Anwaltschaft existiert nicht (AA 23.2.2017).

Praktische Entscheidungen über richterliche Kompetenzen werden vom Obersten Justizrat getroffen (BS 2016). Die Richter werden für eine Dauer von zehn Jahren ernannt und können u.a. im Fall von Rechtsbeugung abgelöst werden (AA 23.2.2017). Im Straf- und Zivilrecht entscheiden Justizministerium und der Präsident der Republik mittels weisungsabhängiger Beratungsgremien über das Fortkommen von Richtern und Staatsanwälten. Das Rechtswesen kann so unter Druck gesetzt werden, besonders in Fällen, in denen politische Entscheidungsträger betroffen sind. Es ist der Exekutive de facto nachgeordnet. Im Handelsrecht führt die Abhängigkeit von der Politik zur inkohärenten Anwendung der Anti-Korruptionsgesetzgebung, da auch hier die Justiz unter Druck gesetzt werden kann (GIZ 12.2016a).

Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Dies betrifft bisher insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, die durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden. Rechtsquellen sind dabei sowohl das algerische Strafgesetzbuch als auch eine spezielle Anti-Terrorverordnung aus dem Jahre 1992. Das Strafmaß für die Diffamierung staatlicher Organe und Institutionen durch Presseorgane bzw. Journalisten soll allerdings grundsätzlich auf Geldbußen beschränkt sein (AA 23.2.2017). Der Straftatbestand der "Diffamation" führt zu zahlreichen Anklagen durch die staatlichen Anklagebehörden und schwebt als Drohung über Journalisten und allen, die sich öffentlich äußern (GIZ 12.2016a).

Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess (USDOS 3.3.2017), aber in der Praxis respektieren die Behörden nicht immer die rechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte des Angeklagten wahren sollen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 23.2.2017). Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht auf einen Verteidiger, dieser wird falls nötig auf Staatskosten zur Verfügung gestellt. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich. Angeklagten und ihren Anwälten wird gelegentlich der Zugang zu von der Regierung gehaltenen Beweismitteln gegen sie verwehrt. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Die Aussage von Frauen und Männern wiegt vor dem Gesetz gleich (USDOS 3.3.2017). Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz, und sie sehen vor allem in politisch relevanten Strafverfahren Handlungsbedarf. Nach belastbarer Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und kritischen Journalisten nimmt die Exekutive in solchen Fällen unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts (AA 23.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Sicherheitsbehörden

Die staatlichen Sicherheitskräfte lassen sich unterteilen in nationale Polizei, Gendarmerie, Armee und Zoll (GIZ 12.2016a). Die dem Innenministerium unterstehende nationale Polizei DGSN wurde in den 90er Jahren von ihrem damaligen Präsidenten, Ali Tounsi, stark ausgebaut und personell erweitert, und zwar von 100.000 auf 200.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen. Ihre Aufgaben liegen in der Gewährleistung der örtlichen Sicherheit (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 3.3.2017). Sie ist in den blauen Uniformen sehr präsent und in den Städten überall wahrnehmbar (GIZ 12.2016a). Der Gendarmerie Nationale gehören ca. 180.000 [Anm. GIZ: 180.000; USDOS: 130.000] Personen an, die die Sicherheit auf überregionaler (außerstädtischer) Ebene gewährleisten sollen (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 3.3.2017). Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und verfügt über zahlreiche spezielle Kompetenzen und Ressourcen, wie Hubschrauber, Spezialisten gegen Cyberkriminalität, Sprengstoffspezialisten usw. Mit ihren schwarzen Uniformen sind sie besonders außerhalb der Städte präsent, z.B. bei den häufigen Straßensperren auf den Autobahnen um Algier (GIZ 12.2016a).

Die Gendarmerie Locale wurde in den 90er Jahre als eine Art Bürgerwehr eingerichtet, um den Kampf gegen den Terrorismus in den ländlichen Gebieten lokal zielgerichteter führen zu können. Sie umfasst etwa 60.000 Personen. Die Armee ANP (Armée Nationale Populaire) hat seit der Unabhängigkeit eine dominante Stellung inne und besetzt in Staat und Gesellschaft Schlüsselpositionen. Sie zählt allein an Bodentruppen ca. 120.000 Personen und wurde und wird im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Die Armee verfügt über besondere Ressourcen, wie hochqualifizierte Militärkrankenhäuser und soziale Einrichtungen. Die Zollbehörden nehmen in einem außenhandelsorientierten Land wie Algerien eine wichtige Funktion wahr. Da in Algerien gewaltige Import- und Exportvolumina umgesetzt werden, ist die Anfälligkeit für Korruption hoch (GIZ 12.2016a).

Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 3.3.2017). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 3.2015). Das Strafgesetz enthält Bestimmungen zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption, aber die Regierung veröffentlicht keine Informationen bzgl. disziplinärer oder rechtlicher Maßnahmen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist gesetzlich verboten (USDOS 3.3.2017). Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung (AA 23.2.2017; vgl. ÖB 3.2015). Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen (AA 23.2.2017). Es gibt aber ernstzunehmende Hinweise darauf, dass es im Polizeigewahrsam manchmal zu Übergriffen bis hin zu Folter kommt (AA 23.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 3.2015). Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen kommt es weiterhin zu Fällen von Folter und geheimer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt in irregulären Gefängnissen durch den Militärgeheimdienst. Dies betrifft vor allem Fälle im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus (AA 23.2.2017).

Das Strafmaß für Folter liegt zwischen 10 und 20 Jahren. Es gab im Jahr 2016 diesbezüglich zwei Verurteilungen. Lokale und internationale NGOs berichten, dass Straffreiheit ein Problem bleibt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Korruption

Gesetzlich sind zwar bis zu zehn Jahre Haft für behördliche Korruption vorgesehen, jedoch wird das Gesetz von der Regierung nicht effektiv durchgesetzt. Daten von Transparency International bestätigen, dass im Bereich der Korruption ein Problem besteht (USDOS 3.3.2017). Das dem Justizministerium unterstellte Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption ist das hauptverantwortliche Regierungsorgan (GIZ 12.2016a). Korruption in der Regierung beruht hauptsächlich auf einer überbordenden Bürokratie und mangelnden transparenten Strukturen (USDOS 3.3.2017). Auf dem Corruption Perceptions Index für 2016 liegt Algerien auf Platz 108 von 176 (TI 2017).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien -

Geschichte & Staat,

https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

-

TI - Transparency International (2016): Table of Results:

Corruption Perceptions Index 2017,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 19.2.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

-

Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Wehrdienst und Rekrutierungen

Freiwilliger Militärdienst kann bereits im Alter von 17 Jahren angetreten werden. In Algerien sind Männer im Alter von 19 - 30 Jahren zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet. Dieser dauert 18 Monate und ist in sechs Monate Grundausbildung und zwölf Monate zivile Projekte unterteilt (CIA 22.2.2018). Wenn der verpflichtende Militärdienst abgeleistet wurde, stehen die Soldaten dem Verteidigungsministerium weitere fünf Jahre zur Verfügung und können jederzeit wieder einberufen werden. Danach werden sie für weitere 20 Jahre Teil der Reserve (UKBA 17.1.2013).

Quellen:

-

CIA - Central Intelligence Agency (22.2.2018): The World Factbook

-

Algeria

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 1.3.2018

-

UKBA - UK Home Office Border Agency (17.1.2013): Country of Origin Information Report - Algeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359360623_report-17jan13.pdf, Zugriff 19.2.2018; Originalquelle: Jane's Sentinel Country Risk Assessments: Algeria - Armed Forces, 1.6.2012

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Nach dem Militärstrafgesetzbuch wird Wehrdienstentziehung (Art. 254 des Militärstrafgesetzbuches, Strafrahmen drei Monate bis fünf Jahre Haft) (AA 23.2.2017; vgl. SFH 24.2.2010) und Fahnenflucht (§§ 258 ff., Strafrahmen im Frieden je nach Fallgestaltung sechs Monate bis fünf Jahre, bei Offizieren bis zehn Jahre Haft) geahndet. Nach Algerien zurückgekehrte Wehrpflichtige, die keine Befreiung vom Wehrdienst (z. B. wegen Studiums oder aus familiären Gründen) nachweisen können, werden zur Ableistung des Wehrdienstes den Militärbehörden überstellt. Eine Bestrafung ist nicht vorgesehen. Deserteure müssen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe den unterbrochenen Militärdienst bis zur Erfüllung der regulären Dienstzeit (Haftzeit nicht eingerechnet) fortsetzen. Wehrdienstentziehung oder Fahnenflucht können dann zu weiteren Repressalien führen, wenn besondere, als staatsgefährdend eingestufte Handlungen hinzutreten (AA 23.2.2017). Seit der Umsetzung einer entsprechenden Ankündigung des Staatspräsidenten (2001) in eine Verwaltungsvorschrift sind alle über 27jährigen, die sich nicht auf strafbare Weise dem Wehrdienst entzogen haben, künftig nicht mehr einzuziehen. Strafbar ist dagegen die Entziehung nach Zustellung eines Einberufungsbescheides, der auf Grundlage der Registrierung bei den Meldebehörden (seit 1994 für alle männlichen Algerier bei Erreichen des achtzehnten Lebensjahres verpflichtend) erstellt wird (AA 23.2.2017; vgl. SFH 24.2.2010). Von der Maßnahme sind vor allem im Ausland lebende junge Algerier begünstigt, die der Registrierungspflicht so faktisch entkommen (AA 23.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

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SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (24.2.2010): Algerien:

Desertion aus der Garde Communale, Auskunft der SFH-Länderanalyse, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/algerien/algerien-desertion-aus-der-garde-communale.pdf, Zugriff 14.2.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 23.2.2017). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen haben seit Ende der 1990er Jahre abgenommen, bestehen jedoch grundsätzlich fort (AA 10.2017). Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt (USDOS 3.3.2017; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2016) und die Unabhängigkeit der Justiz ist mangelhaft. Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, inklusive Foltervorwürfe, sowie die Einschränkung der Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung zu wählen. Weitverbreitete Korruption begleitet Berichte über eingeschränkte Transparenz bei der Regierungsführung. Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 3.3.2017).

Obwohl die Verfassung Rede- und Pressefreiheit gewährleistet, schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018, GIZ 12.2016a, BS 2016). NGOs kritisieren diese Einschränkungen (AA 10.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Bürger können die Regierung nicht ungehindert kritisieren. Es drohen Belästigungen und Verhaftungen; Bürger sind somit bei der Äußerung von Kritik zurückhaltend (USDOS 3.3.2017). Es gibt zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (GIZ 12.2016a). Die Gründung von drei privaten Fernsehsendern durchbrach 2013 das staatliche TV-Monopol (BS 2016). Diese privaten Anbieter stehen aber unter scharfer Beobachtung. Das Tor zur Welt stellt für die algerische Bevölkerung jedoch das Satellitenfernsehen dar - Satellitenschüsseln sind in riesiger Anzahl überall installiert und erlauben den Zugang zu Europa und zur arabischen Welt (GIZ 12.2016a).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, sie bleiben aber bislang - auch nach Aufhebung des Ausnahmezustands durch Präsident Bouteflika im Februar 2011 - in der Praxis stark eingeschränkt (AA 23.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, HRW 18.1.2018). Ergebnis ist, dass die Möglichkeiten politischer Tätigkeit insbesondere in Algier weiterhin eng begrenzt sind (ÖB 3.2015). So besteht in Algier unter Berufung auf ein Dekret aus dem Jahr 2001 weiterhin ein generelles Demonstrationsverbot (AA 23.2.2017; vgl. HRW 18.1.2018). Auch in anderen Städten werden Demonstrationen trotz Aufhebung des Ausnahmezustands weiterhin regelmäßig nicht genehmigt. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 23.2.2017).

Das Gesetz garantiert der Regierung weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung und Einflussnahme auf die täglichen Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen (USDOS 3.3.2017). Das Innenministerium muss der Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen zustimmen, bevor diese gesetzlich zugelassen werden (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018).

Das im Jahr 2012 verabschiedete Gesetz über Vereinigungen erleichterte auch die Gründung von politischen Parteien (BS 2016), wofür wie bei anderen Vereinigungen eine Genehmigung des Innenministeriums nötig ist. Politische Parteien auf Basis von Religion, Ethnie, Geschlecht, Sprache oder Region sind verboten. Es gibt jedoch islamistisch ausgerichtete Parteien, v.a. jene der grünen Allianz (USDOS 3.3.2017). Seit Verabschiedung des Parteigesetzes 2012 nahm die Anzahl der Parteien deutlich zu. Dies führte jedoch auch zu einer Zersplitterung der Opposition (BS 2016). Oppositionsparteien können sich relativ ungehindert betätigen, soweit sie zugelassen sind, und haben Zugang zu privaten und - in sehr viel geringerem Umfang - staatlichen Medien. Jedoch haben einzelne Parteien kritisiert, dass ihnen teils die Ausrichtung von Versammlungen erschwert wird und sie Bedrohungen und Einschüchterungen ausgesetzt sind (AA 23.2.2017).

Für Menschenrechtsanliegen wurde die nationale Menschenrechtskommission (Consultative Commission for the Protection and Promotion of Human Rights - CNCPPDH) als Ombud bestellt (ÖB 3.2015; vgl. USDOS 3.3.2017). Die CNCPPDH hat eine konsultative und beratende Rolle für die Regierung. Sie veröffentlicht jährlich Berichte zur Menschenrechtslage im Land (USDOS 13.4.2016). Diese Kommission wird vom UN-ECOSOC als nicht-unabhängige Kommission geführt. Zahlreiche Betroffene scheinen sich nicht an diese Kommission zu wenden - ob aus Unkenntnis über ihr Mandat oder aus anderen Gründen, kann nicht beurteilt werden. Zahlreiche Einzelfälle zeigen, dass die Funktion eines Ombudsmannes gegenüber der Verwaltung fehlt (ÖB 3.2015).

Verschiedene nationale Menschenrechtsgruppen operieren und können ihre Ergebnisse publizieren. Sie sind jedoch in unterschiedlichem Ausmaß Einschränkungen durch die Regierung ausgesetzt. Gesetzlich ist es allen zivilen Organisationen vorgeschrieben, sich bei der Regierung zu registrieren. Dennoch operieren einige Organisationen ohne Registrierung und werden seitens der Regierung toleriert (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

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AA - Auswärtiges Amt (10.2017): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 15.2.2018

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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422113.html, Zugriff 20.2.2018

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

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Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen entsprechen im Allgemeinen internationalen Standards. Es gibt Berichte von Überbelegungen in einigen Gefängnissen. Eine Ombudsmannstelle für Beschwerden gibt es nicht, jedoch können Insassen unzensierte Beschwerden an die Gefängnisverwaltung, Ärzte oder ihre Rechtsvertreter richten. Das Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besucht Inhaftierte in verschiedenen Gefängnissen, wobei besonderes Augenmerk auf vulnerable Häftlinge gesetzt wird (USDOS 3.3.2017). Der IKRK-Delegierte hält engen Kontakt mit algerischen Ministerien und Behörden und beurteilte die Zusammenarbeit mit der Regierung als grundsätzlich positiv (AA 23.2.2017). Die Behörden verbesserten die Zustände in den Gefängnissen, um internationalen Standards gerecht zu werden (USDOS 3.3.2017).

Es gibt Fälle lang andauernder Haft ohne Anklage oder Urteil. Die Haftbedingungen sind deutlich schlechter als die VN-Standards. Allerdings hat ein britisches Inspektorenteam, das von 2007 bis 2012 ein Fünfjahres-Projekt zur Gefängnisreform in Kooperation mit den algerischen Behörden (Justizministerium, Gefängnisleitungen) durchgeführt hat, dem Gefängnis El Harrach (Algier) "annehmbare" Qualität attestiert. Gleichwohl unterstrich das britische Team glaubhaft, dass dieses Gefängnis massiv überbelegt sei und man vom Einsatz physischer Gewalt (Schlagstöcke) ausgehe. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Unruhen gekommen (AA 23.2.2017).

Aktuell beherbergen 130 Gefängnisse im Land (über Stand der geplanten 14 Neubauten 2016 ist nichts bekannt) 60.220 Insassen (Stand: 2.2.2016). Die staatliche Menschenrechtskommission wies darauf hin, dass damit jedem Häftling nur ca. 2 qm Zellenfläche zur Verfügung stünden. An Resozialisierungsmaßnahmen fehle es weitgehend, Ausbildungsmaßnahmen seien ineffektiv, die medizinische Versorgung hingegen laut den britischen Experten in allen Gefängnissen gut. Der Bau von weiteren 81 geplanten Gefängnissen ist weiterhin in der Umsetzung begriffen, Zahlen bereits übergebener Neubauten liegen nicht vor. Ein weiterer Aspekt der Reform sind - im Rahmen eines abgeschlossenen Kooperationsprojekts mit der EU-Delegation seit 2008 - Alternativen zu Haftstrafen wie gemeinnützige Arbeit. Dies ist durch das Strafgesetzbuch seit 2009 in bestimmten Fällen vorgesehen und wird seit Januar 2010 auch angeordnet. Hinzu treten Resozialisierungsmaßnahmen (AA 23.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

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Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist für zahlreiche Delikte vorgesehen und wird auch verhängt, doch gibt es in der Praxis ein Moratorium und seit 1993 werden offiziell keine Exekutionen mehr durchgeführt (GIZ 12.2016a; vgl. AI 22.2.2018, AA 10.2017).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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