TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/22 98/10/0420

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Veröffentlicht am 22.03.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E15202000;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

11992E189 EGV Art189;
31979L0112 Etikettierungs-RL Art2 Abs1 lita sublitiii;
61992CJ0315 Clinique Estee Lauder VORAB;
61996CJ0210 Springenheide Tusky VORAB;
AVG §52;
EURallg;
LMG 1975 §9 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der D Ges.m.b.H. in Wals, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, Imbergstraße 15, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 18. November 1998, Zl. 331.922/1-VI/B/12/98, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 1998 wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zulassung der gesundheitsbezogenen Angabe "Das gesunde Plus" für das Produkt "Grüner Hafertee" gemäß § 9 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86 (LMG) nicht Folge gegeben.

In der Begründung heißt es, wie die von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen festgestellt hätten, werde mit der in Rede stehenden Angabe, welche im unmittelbaren Zusammenhang mit dem konkreten Produkt stehe, eine gesunderhaltende Wirkung dieses Produktes zum Ausdruck gebracht. Die besondere, einseitige Hervorhebung der jedem Lebensmittel/Verzehrprodukt objektiv eigenen bzw. gesetzlich vorgeschriebenen Eigenschaft (nicht gesundheitsschädlich zu sein) sei geeignet, völlig falsche Vorstellungen über den wahren Wert und die Bedeutung des in Rede stehenden Produktes hervorzurufen. Ohne Belang sei, ob das solchermaßen ausgelobte Produkt zum Beispiel in Deutschland verkehrsfähig sei, weil § 9 LMG unterschiedslos auf Inlandsprodukte und auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Waren anzuwenden sei. Sofern sich die beschwerdeführende Partei in ihrem aus Art. 30 EG-Vertrag ergebenden Recht auf freien Warenverkehr verletzt erachte, sei auszuführen, daß § 9 Abs. 1 LMG innerstaatlich die Umsetzung des Art. 2 Abs. 1 lit. b der Etikettierungsrichtlinie darstelle. Weiters sei in diesem Zusammenhang die allgemeine Richtlinie über irreführende Werbung 84/450/EWG zu berücksichtigen. Zweck dieser Richtlinie sei u.a. der Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung. Auch § 9 LMG stelle auf den Schutz der Verbraucher vor Täuschung ab, im vorliegenden Fall begrenzt auf gesundheitsbezogene Angaben. Es liege somit ein "begrenzter" Aspekt der Richtlinie 84/450/EWG vor. Nach Art. 7 dieser Richtlinie hindere die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen aufrecht zu erhalten oder zu erlassen, die bei irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher vorsähen. Daraus könne geschlossen werden, daß ein "Vorabprüfungsverfahren" bei Produkten mit gesundheitsbezogenen Angaben nicht EG-widrig sei. Die Argumentation, wonach der in Rede stehende Hafertee in Deutschland erzeugt werde und daher die rechtliche Beurteilung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vorzunehmen sei, gehe ebenfalls ins Leere. Selbstverständlich gelte auch für Österreich als Mitgliedstaat der EU im harmonisierten Bereich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die auch dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof bekannt sei; es gebe keinerlei Anzeichen für eine Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes, die nicht auch den "kritischen und überlegten Verbraucher" berücksichtigen würde. Zur Frage des Markenrechtes werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1993, 93/10/0143 verwiesen. In diesem Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, bei der Prüfung der Frage, ob eine gesundheitsbezogene Angabe vorliege, komme es auf die Verkehrsauffassung an und nicht darauf, ob das Unternehmen zur Führung einer entsprechenden Marke berechtigt sei. Aus der Berechtigung zur Führung einer Marke, die gesundheitsbezogene Angaben enthalte, könne nicht gefolgert werden, daß diese ungeachtet des Verbots des § 9 Abs. 1 lit. a LMG verwendet werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Wortbildmarke "Das gesunde Plus" stelle keine gesundheitsbezogene Angabe dar und werde vom Verbraucher auch nicht als solche verstanden. Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Verbraucher die Marke als gesundheitsbezogene Angabe mißverstehe, liege nicht vor. Falls die Marke eine gesundheitsbezogene Angabe darstelle, bewirke sie keine Irrführung des Verbrauchers, da entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes von der Auffassung eines aufgeklärten durchschnittlich informierten aufmerksamen Verbrauchers auszugehen sei (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 2. Februar 1994, Slg. 1994 I-0317, "Clinique"). Eine Irreführung liege nicht vor, weil das Produkt der beschwerdeführenden Partei gesund sei. Der Nachweis einer Irreführung über den gesundheitlichen Wert dieses Produktes sei nicht erbracht worden. Es hätte ein Gutachten eingeholt oder eine Verbraucherbefragung durchgeführt werden müssen (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 16. Juli 1998, C-210/96).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 lit. a LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Nach § 9 Abs. 3 LMG hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, die Anbringung der Worte "Das gesunde Plus" auf der Verpackung ihres grünen Hafertees stelle keine gesundheitsbezogene Angabe dar, ist unzutreffend. Die Verwendung dieser Bezeichnung erweckt auch bei durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbrauchern den Eindruck einer gesunderhaltenden Wirkung dieses Tees. Ob es sich bei dieser Angabe (auch) um eine Marke handelt, ändert an diesem Eindruck nichts. Um dies festzustellen, bedarf es keiner Verbraucherbefragung.

Der belangten Behörde ist auch kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie die gesundheitsbezogene Angabe als irreführend und damit mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung unvereinbar eingestuft hat.

§ 9 LMG enthält Regelungen über Angaben beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln und stellt (teilweise) die Umsetzung der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür (Etikettierungsrichtlinie) dar.

Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a sublit. iii der Etikettierungsrichtlinie dürfen die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht indem zu verstehen gegeben wird, daß das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

Nach dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts hat das nationale Gericht und auch die Verwaltungsbehörde bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch eines speziell zur Durchführung einer Richtlinie erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlautes und des Zweckes der Richtlinie auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Slg. N.F. 14.349/A, und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Auslegung des § 9 Abs. 3 LMG bedeutet dies, daß eine Angabe wegen Unvereinbarkeit mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung nicht zuzulassen ist, wenn diese Angabe gegen Art. 2 Abs. 1 lit. a sublit. iii der Etikettierungsrichtlinie verstößt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie die belangte Behörde meint - mit der Angabe "Das gesunde Plus" eine Eigenschaft, nämlich der Mangel der Gesundheitsschädlichkeit, hervorgehoben wird, die jedem Lebensmittel eigen ist. Entscheidend ist, ob durch die in Rede stehende Angabe zu verstehen gegeben wird, daß das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

Die beschwerdeführende Partei behauptet selbst nicht, daß ihr Tee im Vergleich zu anderen vergleichbaren Teeprodukten besondere gesundheitsfördernde Eigenschaften aufweist. Die Angabe erweckt aber diesen Eindruck, und zwar auch für den aufgeklärten durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher. Aus dem Hinweis auf die "Clinique"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Slg. 1994 I-0317) ist für die beschwerdeführende Partei daher nichts zu gewinnen. Gleiches gilt für den Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 16. Juli 1998, C-210/96. In diesem Urteil hat der EuGH ausgesprochen, daß dann, wenn das nationale Gericht besondere Schwierigkeiten hat, zu beurteilen, ob eine Angabe irreführen kann, das Gemeinschaftsrecht es dem nationalen Gericht nicht verbietet, dies nach Maßgabe seines nationalen Rechts durch ein Sachverständigengutachten oder eine Verbraucherbefragung zu ermitteln. Daß ein Gutachten oder eine Verbraucherbefragung zwingend durchzuführen wäre, hat der EuGH hingegen nicht ausgesprochen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 1999

Gerichtsentscheidung

EuGH 692J0315 Clinique - Estee Lauder VORAB;
EuGH 696J0210 Springenheide Tusky VORAB

Schlagworte

Sachverständiger Entfall der BeiziehungAuslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998100420.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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