TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 W205 2200417-1

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W205 2200417-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zahl: IFA:

XXXX, XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 16.04.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach der vorliegenden EURODAC-Treffermeldung stellte der Beschwerdeführer am 29.05.2013 in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz.

In Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 17.04.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, vier Jahre lang in Deutschland gelebt zu haben, Ende 2016 habe er einen negativen Asylbescheid mit der Aufforderung, das Land zu verlassen, erhalten. Im Oktober 2017 habe er Deutschland schließlich freiwillig verlassen. Er sei danach wieder in die Russische Föderation gereist, wo er sich von Oktober 2017 bis 15.03.2018 aufgehalten habe. Er habe im Jahr 2013 ein Schengenvisum der griechischen Botschaft gehabt, mit dem sei er in die EU gereist. Aus seinem Heimatland sei er geflohen, weil er Probleme mit dem Militär in Tschetschenien gehabt habe. Er sei zu Unrecht der Beihilfe und Unterstützung von Freiheitskämpfern beschuldigt worden und habe deshalb auch an Demonstrationen in Deutschland teilgenommen. Am 12.03.2018 habe er von seinen Nachbarn erfahren, dass er noch immer von der russischen Polizei gesucht werde, weshalb er neuerlich geflohen sei. Anschließend sei er über Polen und Deutschland nach Österreich gereist. Seine Schwester lebe seit 2013 in Deutschland. Er verneinte, an Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen könnten.

Am 19.04.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") unter Bezugnahme auf die vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland und führte an, der Beschwerdeführer habe sich laut eigenen Angaben von 2013 bis 03.10.2017 durchgehend in Deutschland aufgehalten, ehe er über Polen nach Russland zurückgereist sei. Am 15.03.2018 sei der Beschwerdeführer neuerlich über Polen nach Deutschland gereist, wo er sich vom 17.03.2018 bis 15.04.2018 aufgehalten habe, am 15.04.2018 sei er schließlich mit der Bahn nach Österreich gefahren. Mit Schreiben vom 25.04.2018 stimmte Deutschland dem Wiederaufnahmeersuchen und der Rückübernahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 07.06.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA im Beisein einer Rechtsberaterin nach durchgeführter Rechtsberatung. Der Beschwerdeführer gab an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren, er stehe nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Sein Inlandsreisepass, sein deutscher und russischer Führerschein wären in Deutschland. Er habe eine Kopie seiner Aufenthaltsberechtigung von Deutschland. Außerdem habe er Beweismittel, die belegen würden, dass er in Russland gewesen sei, ein Freund von ihm habe ihm einen Meldezettel geschickt, als er noch in Europa gewesen sei. Er sei bei der Ehefrau seines Freundes gemeldet gewesen, sie sei die Unterkunftgeberin gewesen. Der Beschwerdeführer habe flüchten müssen, weshalb er den Meldezettel nicht mitnehmen habe können. Außerdem habe er eine Bestätigung über eine berufliche Beschäftigung in Russland. Er habe sich dort von Okt. 2017 bis März 2018 aufgehalten, schließlich sei er über Polen nach Deutschland und von Deutschland nach Österreich gereist. In Deutschland lebe seine Schwester. Über Vorhalt, dass Deutschland seiner Rückübernahme zugestimmt habe, führte der Beschwerdeführer an, dass er nicht nach Deutschland wolle, weil die Behörde ihn abschieben werde. Man habe bereits im Jahr 2017 versucht, ihn abzuschieben, weshalb er dann auch nach Russland gegangen sei und versucht habe, sich dort niederzulassen. Bei seinem neuerlichen Aufenthalt in Deutschland habe er sich ungefähr zwei bis drei Wochen dort aufgehalten. Den negativen Bescheid habe er am 24.01.2017 erhalten, einen neuerlichen Antrag habe er in Deutschland nicht gestellt. Man werde als Flüchtling in Deutschland schlecht behandelt, man habe ihm gesagt, persönlich dafür zu sorgen, dass er abgeschoben werde. Er habe damals ein Ansuchen gestellt, um arbeiten gehen zu dürfen, was der Beamte abgelehnt habe mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei bereits seit vier Jahren in Deutschland aufhältig und werde nicht länger geduldet. Der Beamte habe ihm seinen Ausweis abgenommen und ihm gesagt, dass er mit einer Abschiebung rechnen solle, dies sei nach dem Erhalt des negativen Bescheides gewesen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Lage im Mitgliedstaat wurde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

Allgemeines zum Asylverfahren

In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 16.11.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle). Im Jahr 2016 hat das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 695.733 Asylanträge entschieden. Das ist ein Anstieg von ca. 146% gegenüber 2015 (282.726 Entscheidungen). 2016 wurden 745.545 Asylanträge entgegengenommen, 268.869 mehr als im Vorjahr. Insgesamt 256.136 Personen erhielten 2016 internationalen Schutz (36,8% der Antragsteller), 153.700 Personen (22,1%) erhielten subsidiären Schutz und 24.084 Personen (3,5%) Abschiebeschutz (BAMF 11.1.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 3.2.2017

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.1.2017):

Jahresbilanz 2016,

http://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2017/20170111-asylgeschaeftsstatistik-dezember.html, Zugriff 6.2.2017

Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.11.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 3.2.2017

Non-Refoulement

Im Oktober 2015 wurden Albanien, Montenegro und Kosovo der Liste sicherer Herkunftsstaaten hinzugefügt, was auch Kritik hervorrief, besonders im Hinblick auf Personen aus der Gruppe der Roma. Deutschland gewährt Personen, die sich nicht für internationalen Schutz qualifizieren mitunter auch subsidiären oder humanitären Schutz. Freiwilligen Rückkehrern wird Hilfe gewährt (USDOS 13.4.2016).

Kann weder Asyl noch Flüchtlingsschutz gewährt werden, dann prüft das BAMF im Asylverfahren auch, ob subsidiärer Schutz gewährt wird oder ein Abschiebungsverbot vorliegt. Außerhalb eines Asylverfahrens werden mögliche Abschiebungsverbote durch die zuständige Ausländerbehörde, die eine fachliche Stellungnahme des BAMF einholt, geprüft (BMdI o.D.).

Quellen:

-

BMdI - Bundesministerium des Innern (o.D.): Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland, http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Asyl-Fluechtlingsschutz/Asyl-Fluechtlingspolitik/asyl-fluechtlingspolitik_node.html, Zugriff 1.2.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany, http://www.ecoi.net/local_link/322521/461998_de.html, Zugriff 1.2.2017

Versorgung

Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen erhalten AW Verpflegung, Unterkunft, Krankenversorgung und Verbrauchsartikel. Der notwendige Bedarf wird durch Sachleistungen gedeckt. Wenn das nicht möglich ist werden Wertgutscheine oder ähnliches bis hin zu Geldleistungen gewährt. Werden alle notwendigen persönlichen Bedarfe durch

Geldleistungen gedeckt, so beträgt der Geldbetrag zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe monatlich:

Bezieher

Betrag

Für alleinstehende Leistungsberechtigte

135 €

Für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen

je 122 €

Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt

je 108 €

Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

76 €

Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

83 €

leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres

79 €

Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen werden vorrangig Geldleistungen gewährt. Der notwendige Bedarf beträgt monatlich:

Bezieher

Betrag

Für alleinstehende Leistungsberechtigte

216 €

Für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen

je 194 €

Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt

je 174 €

Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

198 €

Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

157 €

leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres

133 €

Anstelle der Geldleistungen können auch Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat wird gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Es gibt Leistungen für Bildung etc. (AsylbLG 23.12.2016, §3).

In Deutschland gibt es grundsätzlich 3 verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Der Betrieb dieser Einrichtungen ist Ländersache. In den Jahren 2014 und 2015 waren aufgrund der zahlreichen Migranten auch Notunterkünfte gebräuchlich (AIDA 16.11.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Zum Teil sind Notunterkünfte immer noch in Verwendung (Pro Asyl 10.1.2017).

Asylwerber müssen bis zu 6 Monate in den Erstaufnahmezentren bleiben. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, werden AW normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, das sind generell Unterbringungszentren im selben Bundesland. AW müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen (AIDA 16.11.2015; vgl. auch BAMF 10.2016)

Deutschland verfügt mittlerweile bundesweit über 24 Ankunftszentren. Dort werden viele, bis dahin auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren, gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt - von der ärztlichen Untersuchung, über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Bei Menschen mit sehr guter Bleibeperspektive sowie Antragstellenden aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten kann in der Regel vor Ort innerhalb von 48 Stunden angehört und über den Asylantrag entschieden werden (BAMF o.D,a). Neben der Bearbeitung von neuen Anträgen, werden in den Ankunftszentren seit Sommer 2016 auch ältere Verfahren bearbeitet und Anhörungen durchgeführt. Somit werden die BAMF-Außenstellen in der jeweiligen Region entlastet. Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Sie erhalten ebenfalls eine Beratung zum möglichen Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BAMF 1.8.2016b).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 10.01.2017

-

AsylbLG - Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das durch

Artikel 20 Absatz 6 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3324) geändert worden ist (23.12.2016): § 3 Grundleistungen, https://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/BJNR107410993.html, Zugriff 2.2.2017

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2016): Ablauf des deutschen Asylverfahrens,

http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 2.2.2017

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a):

Ankunftszentren,

http://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufbau/Standorte/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 2.2.2017

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016b):

Ankunftszentren,

http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 2.2.2017

-

Pro Asyl (10.1.2017): Ein Leben ohne Privatsphäre? Sammelunterbringung darf nicht zum Dauerzustand werden, https://www.proasyl.de/news/ein-leben-ohne-privatsphaere-sammelunterbringung-darf-nicht-zum-dauerzustand-werden/, Zugriff 2.2.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany, http://www.ecoi.net/local_link/322521/461998_de.html, Zugriff 1.2.2017

Medizinische Versorgung

NGOs kritisieren dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern nur bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen kostenlos ist. Einige Gemeinden und private Gruppen initiierten zusätzliche Gesundheitsprojekte. Einige Bundesländer stellen Krankenversicherungskarten zur Verfügung (USDOS 13.4.2016).

Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für AW in Fällen akuter Erkrankung oder Schmerzen vor, welche Behandlung (auch Zahnbehandlung), Medikation etc. umfasst. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Krankenscheine bekommen AW beim medizinischen Personal der Erstaufnahmeeinrichtung oder später auf dem zuständigen Sozialamt. Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die - aus welchen Gründen auch immer - kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Nach 15 Leistungsmonaten im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes haben AW Zugang zu Versorgung nach dem Sozialgesetzbuch. Das beinhaltet auch Zugang zu Gesundheitsversorgung nach denselben Bedingungen wie für deutsche Staatsbürger (AIDA 16.11.2015).

Deutschland garantiert allen AW ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung. Das gilt auch für zurückgewiesene AW bis zum Tag ihres Transfers. Die Bundesländer können autonom die elektronische Gesundheitskarte für Asylwerber einführen. Die gesetzlichen Krankenkassen können demnach von den Ländern verpflichtet werden, gegen Kostenerstattung die Krankenbehandlungen bei Asylwerbern zu übernehmen. Der Leistungsumfang und die Finanzierung der medizinischen Versorgung erfolgt unverändert im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (BMdI 29.9.2015; vgl. BMG 3.11.2015).

Die medizinische Versorgung von Asylwerbern ist zwischen den verschiedenen Kommunen und Bundesländern unterschiedlich organisiert. Während in manchen Ländern fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Antragsteller zur Verfügung stehen, muss in anderen Ländern vor vielen Untersuchungen beim Amt um Kostenübernahme angefragt werden. In dringenden Notfällen dürfen Ärzte immer behandeln, unabhängig von den Papieren. Meistens aber müssen Asylsuchende ins zuständige Sozialamt, bevor sie einen Arzt aufsuchen dürfen. Dort erhalten sie einen Behandlungsschein, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Kosten abrechnen können. Hinzu kommt, dass der Behandlungsschein in manchen Kommunen nur für den Hausarzt gültig ist. Wollen die Betroffenen zum Facharzt, müssen sie vor jeder Überweisung die Zustimmung des Amts einholen. In manchen Ländern erhalten Asylwerber eine elektronische Gesundheitskarte einer Krankenkasse, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Die Krankenkasse organisiert nur die medizinische Versorgung der Antragsteller, die Kosten tragen trotzdem die Behörden. Wenn Asylwerber länger als 15 Monate in Deutschland sind, können sie sich eine gesetzliche Krankenversicherung aussuchen, die Behörden bezahlen die Beiträge. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. freiwillige Zusatzleistungen der Krankenkassen) werden sie dann behandelt wie alle gesetzlich Versicherten. Erst wenn die Antragsteller eine Arbeit finden und selbst einzahlen, klinkt sich der Staat aus ihrer medizinischen Versorgung aus (SO 22.3.2016; vgl. BMG 6.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 10.01.2017

-

BMdI - Bundesministerium des Innern (29.9.2015): Änderung und Beschleunigung von Asylverfahren beschlossen, http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2015/09/kabinett-beschliesst-asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.html, Zugriff 3.2.2017

-

BMG - Bundesministerium für Gesundheit (3.11.2015): Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen, http://www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2015/asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.html, Zugriff 3.2.2017

-

BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.2016): Ratgeber Gesundheit für Asylwerber in Deutschland, http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Ratgeber_Asylsuchende_DE_web.pdf, Zugriff 3.2.2017

-

SO - Spiegel Online (22.3.2016): So werden Flüchtlinge medizinisch versorgt,

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/fluechtlinge-so-laeuft-die-medizinische-versorgung-a-1081702.html, Zugriff 3.2.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany, http://www.ecoi.net/local_link/322521/461998_de.html, Zugriff 1.2.2017

Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO Deutschland für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Deutschland habe einer Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zugestimmt. Durch die Zustimmung ergebe sich ein bestehender und ununterbrochener Aufenthalt in der EU, weswegen zwischenzeitlich ein Erlöschen der Zuständigkeit Deutschlands für sein Asylverfahren nicht eingetreten sei. Selbst für den Fall, dass die Zuständigkeit Deutschland nicht gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d gegeben wäre, würde sich an deren Zuständigkeit mangels sonstiger Zuständigkeiten keine Änderung ergeben. Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet auch keine Verwandten. Hinsichtlich der schlechten Behandlung durch einen deutschen Beamten, welcher dem Beschwerdeführer gesagt habe, dass er nicht länger in Deutschland geduldet werde und er persönlich für dessen Abschiebung sorgen werde, werde angeführt, dass es sich hierbei um Aussagen von einzelnen Beamten handle, die nicht dem gesamten Staat Deutschland zugerechnet werden könnten. Sein Asylverfahren in Deutschland sei rechtmäßig negativ abgeschlossen worden, der Beschwerdeführer habe kein konkretes Vorbringen dahingehend erstattet, dass der rechtliche und faktische Standard der Asylverfahren in Deutschland per se die Verletzung der EMRK wahrscheinlich erscheinen ließe. Betreffend die vorgelegten Beweismittel, die bescheinigen sollten, dass sich der Beschwerdeführer mehr als drei Monate außerhalb der EU aufgehalten habe, sei anzumerken, dass hierzu lediglich die Kopie eines Meldezettels vorgelegt worden sei. Mehr Beweismittel für seinen Aufenthalt außerhalb der EU habe er nicht vorlegen können. Darüber hinaus habe die Reiseroute neuerlich durch Deutschland geführt, weshalb eine Zuständigkeit Deutschlands auch wieder dadurch begründet worden sei. Die deutschen Behörden hätten einer Übernahme seiner Person zugestimmt, wäre Deutschland nicht zuständig, hätte dieser Mitgliedstaat mit Sicherheit einer Rückübernahme nicht zugestimmt.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 20.06.2018 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige Beschwerde, mit welcher auch deren aufschiebende Wirkung beantragt wurde. Es wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu untersuchen, ob im konkreten Einzelfall das Risiko einer Kettenabschiebung in ein Land bestehe, in dem der Asylwerber dem Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Aufgrund des absoluten Charakters von Art. 2 und 3 EMRK hätte die belangte Behörde das Vorbringen des BF betreffend einer drohenden Kettenabschiebung nach Nigeria [sic] überprüfen müssen. Es bestehe das reale Risiko, dass der BF ohne neuerliche inhaltliche Prüfung in die Russische Föderation abgeschoben werde.

4. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste die Übersetzung der in Kopie vorgelegten russischen Unterlagen in die deutsche Sprache.

Mit Schreiben vom 13.07.2018 übermittelte die Dolmetscherin die übersetzten Unterlagen mit dem Hinweis, dass die Meldung vom Unterkunftgeber vorzunehmen sei. Der Übersetzung des Meldezettels ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Stadt XXXX bis 02.04.2018 als bei einer namentlich genannten Unterkunftgeberin angemeldet worden sei. Ein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer die behördliche Meldung selbst vorgenommen hätte, ist dem vorgelegten Meldezettel nicht zu entnehmen.

5. Einem Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 03.08.2018 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 03.08.2018 am Luftweg nach Deutschland überstellt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Jahr 2013 illegal über Deutschland in den Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten ein und stellte dort am 29.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer hielt sich mehrere Jahre in Deutschland auf, mit Bescheid wurde sein Asylgesuch im Jänner 2017 abgelehnt. In der Folge reiste der Beschwerdeführer weiter nach Österreich, wo er am 16.04.2018 den hier verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Das BFA richtete am 19.04.2018 ein auf Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland, welchem Deutschland mit Schreiben vom 25.04.2018 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zustimmte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für länger als drei Monate verlassen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Deutschland an.

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Krankheiten. Private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

Er wurde am 03.08.2018 am Luftweg nach Deutschland überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie der Antragstellungen des Beschwerdeführers in Deutschland und Österreich ergeben sich aus den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen in Zusammenhalt mit seinem eigenen Vorbringen.

Die Feststellungen bezüglich des negativen Verfahrensausgangs in Deutschland und bezüglich des Wiederaufnahmeersuchens seitens der österreichischen Dublin-Behörde und der Zustimmung durch Deutschland beruhen auf dem - im Verwaltungsakt dokumentierten - durchgeführten Konsultationsverfahren.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten (für mehr als drei Monate) verlassen, wird als unglaubwürdig beurteilt. Der vorgelegte Meldezettel, laut welchem der Beschwerdeführer bei einer Frau in der Russischen Föderation gemeldet gewesen sein will, konnte sein diesbezügliches Vorbringen nicht ausreichend stützen. So geht in keiner Weise hervor, dass der Beschwerdeführer die behördliche Meldung vor Ort persönlich vorgenommen und daher dort anwesend gewesen wäre, weiters fällt bei dem Meldezettel, dessen Echtheit zudem mangels Vorlage eines Originals nicht überprüfbar ist, auf, dass die Dauer des Aufenthaltes in der Russischen Föderation bis 02.04.2018 angegeben wurde, was mit den sonstigen Angaben des Beschwerdeführers nicht in Einklang zu bringen war: So gab der Beschwerdeführer sowohl bei seiner Erstbefragung, als auch bei der niederschriftlichen Einvernahme an, Mitte März 2018 wieder aus der Russischen Föderation ausgereist und sich über Polen nach Deutschland begeben zu haben, dort sei er ab 17./18. März schließlich bis zu seiner Einreise nach Österreich am 15.04.2018 gewesen. Dazu kommt, dass er in der Einvernahme selbst eingeräumt hat, dass ihm der Meldezettel von einem Freund (dem Ehemann der angeblichen Unterkunftgeberin) nachgesendet worden sei. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer behauptet, im Herkunftsstaat einer relevanten Gefährdung durch Behörden ausgesetzt zu sein, ist es auch in keiner Weise nachvollziehbar, dass er sich dessen ungeachtet dorthin zurückbegeben, dort eine Arbeit aufgenommen und sich behördlich gemeldet haben soll, um dann eine weitere kostenaufwändige illegale Wiedereinreise in den Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten zu riskieren. Vielmehr liegt nahe, dass er sich nach Abweisung seines Antrages in Deutschland unmittelbar nach Österreich begeben hat. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Rückkehr in den Herkunftsstaat nach Ablehnung seines Antrages in Deutschland wird daher kein Glauben geschenkt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben, weder aus den Einvernahmen noch sonst aus dem Akteninhalt ergeben sich Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Deutschland auch Feststellungen zur deutschen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen.

Die Feststellungen des Nichtvorliegens besonderer privater, familiärer oder beruflicher Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich basiert auf seinen eigenen Angaben bzw. der vorliegenden Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununter-brochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Art. 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschw

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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