Entscheidungsdatum
15.02.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2214456-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, XXXX geb., StA. der Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2019, Zl.:XXXX, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden hat sein Heimatland im April 2017 verlassen und ist nach Polen, wo er am 09.05.2017 und 24.11.2017 Asylanträge gestellt hat, in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist. Er hat sich in der Folge ein Jahr lang in Polen aufgehalten und ist dann in die BRD gereist, wo er am 13.02.2018 um Asyl angesucht hat. Schließlich reiste der BF am 20.09.2018 ins Bundesgebiet ein, wo er am 04.10.2018 - nachdem er am 04.10.2018 von der Finanzpolizei auf einer Baustelle in XXXX illegal beschäftigt aufgegriffen worden war - den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Zur Person des BF liegen Eurodac-Treffermeldungen für Polen und die BRD jeweils wegen Asylantragstellungen vor:
* vom 09.05.2017 und 24.11.2017 für Polen
* vom 13.02.2018 für die BRD
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion NÖ vom 04.10.2018 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er in Polen nahezu neun Monate lang ohne Gründe im Gefängnis gewesen sei. Als man ihn freigelassen habe, sei er nach Deutschland geflüchtet. In Deutschland sei ihm gesagt worden, dass Polen für ihn zuständig sei. In Polen habe er jedoch einen negativen Bescheid erhalten und wolle er nicht dorthin zurückkehren. In Deutschland habe er ebenfalls einen negativen Bescheid bekommen, da wegen der Dublin VO Polen zuständig sei. Er wolle nunmehr in Österreich bleiben.
Das BFA richtete am 05.10.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Polen stimmte mit Schreiben vom 18.10.2018 diesem Ersuchen mit der Maßgabe zu, dass die Rückübernahme des BF auf Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. d leg.cit. erfolge.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 06.11.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärte der BF im Wesentlichen, dass seine bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprechen, dass er keine Beweismittel oder identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen könne, dass er ledig sei und keine Kinder habe. Er habe keine Berufsausbildung, sei aber angelernter Maurer. Zuletzt habe er in der Landwirtschaft im Familienbetrieb und als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet. Er habe einen Bruder, der seit sechs oder sieben Monaten in Deutschland lebe, nachdem er zuvor in Italien um Asyl angesucht habe. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zum Bruder bestehe nicht, er habe ein bis zweimal im Monat über das Internet Kontakt mit ihm. Er selbst, der BF lebe mit seiner Lebensgefährtin zusammen und werde er diese auch bald heiraten. Er kenne seine Lebensgefährtin seit er in Österreich sei. Zwei Tage nach seiner Einreise habe er diese kennengelernt, er sei sofort bei ihr eingezogen und sei seit dem XXXX10.2018 bei ihr gemeldet. Seine Lebensgefährtin sei Österreicherin, sie unterstütze ihn und kaufe ihm alles was er brauche. Er wohne bei ihr und bekomme zu essen; sie kaufe ihm Zigaretten und Kleidung. Es sei richtig, dass er in Polen um Asyl angesucht habe, er habe dort einen negativen Bescheid bekommen, es sei ihm jedoch nicht gesagt worden, dass er das Land verlassen solle. In Polen habe er sich neun Monate und 15 Tage aufgehalten, konkret sei er in einem Lager in der Nähe von Warschau untergebracht gewesen. Polen habe er verlassen, weil die Lebensbedingungen dort sehr schwer gewesen seien und es keine Menschenrechte gebe. Er habe auch einen negativen Bescheid bekommen und habe das Land verlassen, um nicht in die Türkei zurückgebracht zu werden. Nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Asylantrags zuständig sei, erklärte der BF, dass er auf keinen Fall zurück nach Polen wolle. Dies sei kein europäisches Land und würden Ausländer schlecht behandelt. Er wolle auch die Länderfeststellungen zu Polen nicht übersetzt erhalten. In Polen sei er drei Monate und 20 Tage in einem Gefängnis gewesen, danach habe er sich fünf Monate lang in mehreren geschlossenen Lagern aufgehalten. Er habe nur einen Dolmetsch für Türkisch bekommen, habe jedoch, obwohl er Türkisch sprechen können, einen Dolmetsch in seiner Muttersprache Kurdisch gewünscht. Dieser Türkisch-Dolmetsch sei einfach gegangen, nachdem er seinen Fluchtgrund gehört habe. Er sei in Polen auch schlecht behandelt worden, es sei dort schmutzig gewesen, es habe wenig zu essen gegeben, es habe auch Schweinefleisch gegeben und man wolle dort keine Ausländer. Nunmehr wolle er hier in Österreich bleiben, hier habe er seine Lebensgefährtin kennen gelernt, er wolle diese heiraten und sich in Österreich integrieren.
In der Folge übermittelt der BF eine Heiratsurkunde vom XXXX, ZL.XXXX, des Standesamtes XXXX.
Am 29.11.2018 wurde der BF erneut vom BFA einvernommen und gab er diesbezüglich im Wesentlichen an, dass er gesund sei, und dass es richtig sei, dass er jetzt mit seiner Lebensgefährtin verheiratet sei. Sie hätten am Standesamt XXXX geheiratet, dort habe es einen früheren Termin gegeben als dies bei einem Standesamt in Wien möglich gewesen wäre. Seine Frau spreche Deutsch und Serbisch, er selbst spreche Türkisch und Kurdisch und ein wenig Deutsch. Er verstehe seine Frau, andere Menschen verstehe er nicht so gut auf Deutsch. Die Frau spreche zudem noch Englisch und Rumänisch. Seine Frau habe gewollt, dass sie zusammen bleiben, daher hätten sie beschlossen sofort zur heiraten, um zu verhindern, dass er nach Polen abgeschoben werde. Er habe seine Frau unmittelbar nach der Einreise in einem Kaffeehaus kennengelernt.
Zudem wurde Gattin BF einvernommen, insbesondere zu den Modalitäten des Kennenlernens und der Hochzeit. Die Ehegattin des BF machte im Wesentlichen übereinstimmende Angaben wie der BF selbst.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 26.01.2019 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen gemäß 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Polen zulässig sei.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
"Zu Polen werden folgende Feststellungen getroffen:
(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 14.11.2017).
1. Allgemeines zum Asylverfahren
In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
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(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 3.11.2017
2. Dublin-Rückkehrer
Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2016 gab es keinen einzigen Fall, in dem ein Verfahren innerhalb der Neun-Monatsfrist wiedereröffnet worden wäre. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 2.2017; vgl. EASO 24.10.2017).
Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig von dem Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.
Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
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VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
3. Non-Refoulement
Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist (first country of asylum). 2016 gab es in Polen 770 Unzulässigkeitsentscheidungen, aber es gibt keine Daten, wieviele davon auf die genannte Regelung zurückgehen (AIDA 2.2017).
Es gibt Berichte, wonach immer wieder potentiellen Antragstellern an der Grenze zu Weißrussland die Einreise nach Polen und der Zugang zum Asylverfahren verwehrt wird (AIDA 2.2017). Stattdessen werden sie nach Belarus zurückgeschickt. Die Grenzwache sagt, dass jene, denen die Einreise verweigert wurde, Wirtschaftsmigranten ohne Visa gewesen seien, die lediglich nach Westeuropa weiterreisen wollten (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). NGOs kritisieren, dass die Grenzwache diese Erkenntnis aus lediglich rudimentären zwei- bis dreiminütigen Befragungen (pre-screening interviews) gewinne. Das polnische Außenministerium wiederum sagt, dass das Gebiet, auf dem diese pre-screening interviews stattfinden, nicht polnisches Territorium sei (HRW 15.6.2017). Es wird weiter kritisiert, dass Belarus über kein funktionierendes Asylsystem verfüge, und daher die hauptsächlich tschetschenischen bzw. zentralasiatischen Schutzsuchenden einem Risiko ausgesetzt seien, in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt zu werden und dort Opfer von Folter oder Misshandlung zu werden. Diese Praxis dauert angeblich trotz mehrerer interim measures des EGMR weiter an (AI 5.7.2017).
Quellen:
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/336602/479283_de.html, Zugriff 10.11.2017
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AI - Amnesty International (5.7.2017): Public Statement: Poland:
EU Should Tackle Unsafe Returns to Belarus, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1499329689_eur3766622017english.pdf, Zugriff 10.11.2017
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HRW - Human Rights Watch (15.6.2017): Poland Ignores European Court Over Return of Asylum Seeker, https://www.ecoi.net/local_link/341960/485286_de.html, Zugriff 10.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
4. Versorgung
Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens sowie ohne Unterschied zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren sowie bei Folgeanträgen und während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), wird ihnen das Recht auf Versorgung aberkannt. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2016 meist nicht getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 2.2017).
Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgülitigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
4.1. Unterbringung
Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten) und Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2016 erhielten durchschnittlich 1.735 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 2.416 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 2.2017).
In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.331 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen (AIDA 2.2017).
Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 2.2017).
Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017). UNHCR und NGOs berichten über keine größeren oder anhaltenden Probleme von Missbrauch in den Zentren (USDOS 3.3.2017).
Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 510 Plätzen (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
4.2. Medizinische Versorgung
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten:
psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).
Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden Zuwendung durch einen Psychologen vorgesehen. Das umfasst Identifizierung von Vulnerablen und grundlegende Behandlung. AW können aber auch an Psychiater oder psychiatrische Einrichtungen überwiesen werden. NGOs zeigen sich damit nicht zufrieden, beklagen den Mangel an PTSD-Behandlungen und einige NGOs meinen sogar, die spezialisierte Behandlung von traumatisierten AW und Folteropfern wäre in Polen nicht möglich. Zusätzlich bieten NGO-Psychologen in Unterbringungszentren ihre Dienste an, in manchen Zentren aber nicht regelmäßig. Die Psychologen in den Unterbringungszentren sprechen in der Regel auch Russisch. Darüber hinausgehende Übersetzung wird durch die zuständige Abteilung der Petra Medica gewährleistet. Manchmal ist bei der medizinischen Behandlung die Übersetzung bzw. mangelnde interkulturelle Kompetenz des medizinischen Personals ein Problem. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).
Petra Medica ist aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde verantwortlich für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen. In den Empfangszentren wird ein Gesundheits-Check, darunter auch der sogenannte epidemiologische Filter auf Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Geschlechtskrankheiten und parasitäre Erkrankungen, vorgenommen. In den Unterbringungszentren wird ambulante medizinische Versorgung, darunter medizinische Grundversorgung, Zahnbehandlung, psychologische Betreuung und Versorgung mit Medikamenten geboten. Wenn nötig, werden Patienten für Tests oder Spezialbehandlung in medizinische Einrichtung der Petra Medica oder andere Vertragseinrichtungen überwiesen. Psychologische Betreuung findet im Zentrum statt, in Spezialfällen kann auch in spezialisierte Kliniken überwiesen werden. Rehabilitationsmaßnahmen sind mit Genehmigung der Abteilung Sozialwohlfahrt der UDSC möglich. Wenn AW außerhalb der Zentren leben, erhalten sie die Behandlung ebenfalls in den oben genannten Einrichtungen oder in relevanten Einrichtungen in den Hauptstädten der Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke, Anm.). Wenn nötig, kann eine Überweisung in das nächstgelegene Krankenhaus erfolgen, das mit Petra Medica zusammenarbeitet. Außerhalb des Zentrums konsumierte Leistungen werden über Petra Medicas Patient Registration Coordinator serviciert (werktags zu den Bürozeiten). Wenn ein Patient sich dorthin wendet und er die nötigen Daten bereitstellen kann, wird die Behandlung genehmigt, Einrichtung und Datum für die Durchführung der Leistung ermittelt und dem Betreffenden mitgeteilt. Bei Akutfällen, in der Nacht und an Feiertagen, stehen entweder die übliche landesweite Versorgung bzw. medizinische Notdienste zur Verfügung. Um in den Unterbringungszentren und beim Foreigner Service Team Medikamente zu erhalten, ist eine entsprechende Verschreibung nötig. Wer außerhalb der Zentren lebt und Sozialhilfezahlungen erhält, kann verschriebene Medikamente erhalten, indem er das Rezept an Petra Medica schickt oder diese selbst kauft und sich die Kosten hinterher ersetzen lässt (UDSC 12.12.2016; vgl. PM o.D.).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
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PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 10.11.2017
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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (12.12.2016): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Beweiswürdigung
Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:
[ ... ]
Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:
Die in den Feststellungen zu Polen angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des § 5 BFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.
Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des § 5 BFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Polen nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Polen- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
[ ... ]
Soweit Sie bei der Einvernahme am 06.11.2018 zu Polen angeben, dass es dort keine Menschenrechte geben würde, ist anzumerken, dass aus Ihren Angaben nicht hervorgeht, dass Sie in Polen der Gefahr einer konkreten Verfolgung oder einer konkret drohenden Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt sind oder waren. Dass es in Polen keine Menschenrechte geben würde, widerspricht zudem den Feststellungen zu Polen im gegenständlichen Bescheid. Nachdem sich diesbezüglich Ihr Vorbringen lediglich in einer nicht konkretisierten Behauptung erschöpft und sich dieses nicht einmal ansatzweise substantiiert darstellt, kommt Ihrer Behauptung von fehlenden Menschenrechten in Polen kein Gewicht zu. Diese Behauptung ist insbesondere nicht ausreichend, um die in den Feststellungen zu Polen angeführte Lage in diesem Land zu widerlegen, welche sich aufgrund der Qualität und Aktualität der Quellen darstellt. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte ist im gegenständlichen Fall insgesamt keine drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Polen ersichtlich.
Soweit Sie im Verfahren in den Raum stellen, indem Sie angegeben haben, dass Sie von den polnischen Behörden einen negativen Bescheid bekommen haben und Angst hätten, dass Sie von Polen in Ihr Heimatland abgeschoben werden, ist anzumerken, dass Ihre diesbezüglichen Angaben über in den Raum gestellte Behauptungen nicht hinausgehen, welche Sie nicht weiter zu substantiieren vermochten. Die Zulässigkeit der Abschiebung von Polen in Ihr Heimatland kann sich aufgrund einer möglichen Beendigung eines rechtskonformen Asylverfahrens in Polen ergeben, eine derartige Entscheidung kann in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen werden. Es wurde kein hinreichend konkretes Vorbringen dahingehend erstattet und es liegen auch keine notorischen Informationen vor, dass der rechtliche und faktische Standard des Asylverfahrens in Polen per se die Verletzung der EMRK im Fall der Effektuierung eines negativen Verfahrensausganges wahrscheinlich erscheinen ließe. Ihre Behauptung, Sie werden von Polen in Ihr Heimatland abgeschoben, ist deswegen als unsubstantiiert in den Raum gestellt anzusehen, nachdem Ihrem Gesamtvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass dies in rechtswidriger Weise geschehen sollte. Eine Rückverbringung in Ihr Heimatland kann, wie in den Feststellungen zu Polen angeführt, lediglich aufgrund ausführlicher Refoulementprüfung erfolgen. Daher ist für das Bundesamt auf der Hand liegend, dass Ihr Vorbringen im Hinblick auf eine mögliche Abschiebung von Polen in Ihr Heimatland lediglich auf eine Verhinderung Ihrer Rückverbringung nach Polen abzielt, ohne eine konkret drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in Polen aufzuzeigen.
Soweit Sie im Verfahren die Versorgungslage in Polen bemängeln, indem Sie im Verfahren angegeben haben, dass es dort sehr schmutzig war, es wenig zu essen und auch Schweinefleisch, das sie aus religiöser Überzeugung nicht essen, gegeben hat, ist darauf hinzuweisen, dass Ihr Vorbringen nicht geeignet ist, eine konkret Sie persönlich drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Polen aufzuzeigen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass in Polen ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet ist, wie sich aus den Feststellungen zu Polen ergibt. Dass Ihnen Versorgungsleistungen für Asylwerber in Polen in rechtswidriger Weise vorenthalten werden könnten, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in Polen gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach Polen Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Polen ausreichende Versorgung gewährleistet ist.
Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:
Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates sind für Polen folgende Richtlinien beachtlich:
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Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates) im Hinblick auf die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen.
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Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates) hinsichtlich der Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.
Gegen Polen hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.
Insofern ergibt sich aus diesem Umstand -ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Polen die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Polen im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.
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...................... ist festzuhalten, dass sich im Verfahren
keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Polen ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Polen als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Polen nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Polen ergeben.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Polen mit Schreiben vom 18.10.2018 ausdrücklich bereit erklärt hat, Sie im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin Verordnung zur Prüfung Ihres Asylantrages zu übernehmen und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in Polen verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Polen kann daher auch nicht erwartet werden."
Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt (und gemeint: sohin Polen für die Prüfung des Antrags zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung der BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Humanitäre Gründe gem. Art 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO lägen (implizit) nicht vor. Es könne (sinngemäß) zwar ein Familienleben des BF im Bundesgebiet festgestellt werden, doch erscheine ein Eingriff in dieses Familienleben bei einer Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK als zulässig. Sein Privatleben sei schon wegen der bloß kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet nicht schutzwürdig. Seine Ausweisung stelle daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.
In Bezug auf die Interessensabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der europäischen Zuständigkeitsregeln im Rahmen der Dublin III-VO und dem Interesse des BF an der Fortsetzung seines Familienlebens im Bundesgebiet hat das BFA wie folgt Feststellungen getroffen und erwogen:
"Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:
In der Einvernahme am 06.11.2018 gaben Sie an, dass Sie kurz nach Ihr Einreise XXXX kennengelernt hätten und Sie in ihrer Wohnung Unterkunft genommen haben. Weiters gaben Sie an, dass Sie mit Ihr eine ernste Beziehung führen und auch die Absicht hätten zu heiraten. Zu diesem Zeitpunkt habe es noch keinen Hochzeitstermin gegeben.
Am XXXX schlossen die Ehe mit XXXX und wurden dazu am 27.11.2018 neuerlich einvernommen. Sie gaben an, dass sowohl eine finanzielle als auch emotionale Abhängigkeit zu Ihrer Frau bestehe, da sie Ihnen alles kauft, was Sie benötigen. Allerdings ist des Weiteren anzuführen, dass selbst im Falle einer Außerlandesbringung nach Polen, dennoch eine finanzielle Unterstützung zur bestehenden Grundversorgung für Asylwerber in Polen, durch Überweisungen auf ein Geldkonto möglich wäre. Betreffend des Eingriffs nach Art. 8 EMRK wird auf die weiter unten stehenden Ausführungen zur Achtung des Familien- und Privatlebens verwiesen.
Dass offensichtlich keine besondere Integrationsverfestigung Ihrer Person in Österreich besteht, ergibt sich einerseits aus der Kürze Ihres bisherigen Aufenthalts in Österreich, in Verbindung mit dem Umstand, dass Sie seit Ihrer illegalen Einreise nach Österreich -unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet- realistischerweise zu keinem Zeitpunkt Ihres Aufenthalts in Österreich davon ausgehen konnten, dass Ihnen ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht in Österreich zukommen würde. Auch haben Sie im Verfahren nicht dargelegt, dass in Ihrem Fall besonders gewichtige Interessen an einem Verbleib in Österreich vorliegen. Unter diesen Gesichtspunkten ist praktisch auszuschließen, dass bislang eine Integrationsverfestigung Ihrer Person in Österreich erfolgen konnte."
"Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Ausgangspunkt der Abwägung ist die Verankerung im Aufenthaltsstaat und die Konsequenzen der Außerlandesbringung für etwaige familiäre Bindungen.
Hierfür können insbesondere folgende Umstände bedeutend sein, wie etwa die Dauer und Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes; Intensität der familiären Bindungen, insbesondere Dauer der Ehe und die Anzahl sowie das Alter der Kinder; Konsequenzen der Beeinträchtigungen dieser Bindungen (z.B. bei Kindern, bei Behinderten); reale Möglichkeit, das Familienleben anderswo zu führen, die aufgrund rechtlicher Hindernisse aber auch infolge Unzumutbarkeit für die mit betroffenen Familienmitglieder fehlen kann; begangene strafbare Handlungen, Rückfälle.
Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).
Es ist nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Es ist Ihnen auf Grund geltender Rechtslage (§ 21 NAG) und aufgrund Ihrer illegaler Einreise nicht möglich Ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, was aufgrund der fehlenden Subsumierbarkeit des hier vorliegenden Sachverhaltes unter die Ausnahmen des § 21 (2) NAG auch den offenkundigen Willen des Gesetzgebers entspricht, weshalb Sie schon allein deshalb schon eine Ausreiseverpflichtung trifft und daher mit einer Ausweisung vorzugehen ist. Der EGMR führte zu diesem Themenkreis auf seine Vorjudikatur (Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99) verweisend aus, dass Personen, welche die Behörden eines (Vertrags-)Staates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Es könnte eine Ausweisung allenfalls insbesondere dann eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen, wenn Sie zum Zeitpunkt Ihrer Einreise nach Österreich vernünftiger Weise erwarten konnten, Ihr Familien- oder Privatleben in Österreich weiterzuführen. Vgl. dazu auch die nationale Höchstgerichtliche Judikatur, va VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 sowie VfGH 17.03.2005, G78/04. Konnten Sie zum Zeitpunkt der Einreise hiervon vernünftiger Weise nicht ausgehen, so erscheinen Sie im Sinne des Art. 8 EMRK grundsätzlich nicht schützenswert. Da Sie die beschwerliche Art (im Sinne hoher Kosten und Unwägbarkeiten bzw. Unsicherheiten und Gefahren) der illegalen Einreise etwa der legalen Antragsstellung bei einer Vertretungsbehörde vorzogen bzw. dies erst gar nicht versuchten, ist davon auszugehen, dass Sie selbst nicht von der Möglichkeit der legalen Einreise ins Bundesgebiet ausgehen konnten und faktisch auch nicht ausgegangen sind, wodurch die voranstehenden Ausführungen vollinhaltlich auf Ihren Fall anwendbar sind.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich im Urteil vom 8. April 2008 (rk. 8.Juli 2008), NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 zum Fall einer seit 27.10.1998 als Asylwerberin im Vereinigten Königreich (UK) aufhältigen ugandischen Staatsangehörigen mit der Frage der Interessensabwägung zwischen einem während des Asylverfahrens begründeten Privatleben und dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle und damit verbundenen Abschiebung erfolgloser Asylwerber im Hinblick auf Artikel 8 EMRK auseinandergesetzt.
Die zuständige Kammer des EMGR kommt im Hinblick auf Artikel 8 EMRK zu dem Schluss, dass es nicht erforderlich ist, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob (in diesem Fall) durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist. Dies begründet sie damit, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle NICHT dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre. Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war. Die Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.
Die zuständige Kammer des EGMR differenziert im Hinblick auf die Interessenabwägung zwischen dem Privatleben eines Fremden und dem öffentlichen Interesse an einer Ausweisung ausdrücklich zwischen im Aufenthaltsstaat rechtsmäßig niedergelassenen und bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber vorübergehend zum Aufenthalt berechtigten Fremden. Dies ist insofern im Einklang mit der österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur als sowohl VwGH als auch VfGH von einer unterschiedlichen Gewichtung der Interessen eines bislang legal aufhältigen Fremden und eines bloß aufgrund seines Asylantrags zum Aufenthalt berechtigten Fremden ausgehen (Vgl. ua VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 sowie VfGH 17.03.2005, G78/04). Kern dieser Erwägungen ist somit die Frage, ob bzw. in welchem Zeitraum der Betreffende Fremde zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war bzw. ist.
Ihre persönliche Situation stellt sich nun so dar, dass sich die Dauer Ihres Aufenthalts auf Ihnen zurechenbare Handlungen, wie das Stellen eines letztlich unbegründeten und zurückgewiesenen Antrages auf internationalen Schutz beschränkt.
Es kam Ihnen im Zeitraum Ihres Aufenthalts im Bundesgebiet NIE ein (nicht auf das Asylrecht begründetes) und dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu, realistischerweise konnten Sie auch nicht davon ausgehen, dass Ihnen ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zukommen würde, wodurch auch dieser Tatbestand vollinhaltlich auf Ihren konkreten Fall anwendbar ist. Eine gegenteilige Ansicht widerspräche den Bestimmungen des Fremdenrechts, welche den Zuzug von Fremden ins Bundesgebiet regeln und würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass diese Bestimmungen durch den faktischen Vollzug des Fremdenrechts durch Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle in der Rechtswirklichkeit de facto außer Kraft gesetzt werden würden.
Es wird besonders darauf hingewiesen, dass es sich im gegenständlichen Fall um kein durch besondere Umstände qualifiziertes privates Interesse an einem Aufentha