TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/21 W144 2177298-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W144 2177298-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, XXXX alias XXXX geb., StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein männlicher, lediger Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken sowie der Religionsgemeinschaft der Sunniten, verließ seinen eigenen Angaben bei der Erstbefragung zufolge sein Heimatland im August 2015, begab sich in den Iran und reiste etwa 10 Tage später über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Kroatien und Ungarn nach Österreich, wo er am 08.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF gab zu Beginn des Verfahrens an, dass er am XXXX geboren sei (-damit wäre er zum Antragszeitpunkt minderjährig gewesen), nach Erhalt einer Vorladung zwecks Altersfeststellung erklärte er am "XXXX" (persischer Sonnenkalender), umgerechnet somit am XXXX geboren zu sein.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf seiner Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die LPD NÖ. vom 09.10.2015 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er keine Familienangehörigen im EU-Raum habe, und dass er sein Land aus folgenden Gründen verlassen habe:

"In Afghanistan ist Krieg und mein Leben ist in Gefahr. Ich konnte nicht die Schule besuchen. Wegen des Krieges konnte ich keiner Arbeit nachgehen. Weiters habe ich zwei Selbstmordattentate überlebt und die wirtschaftliche Lage in Afghanistan ist aussichtslos."

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 05.10.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der BF hingegen an, dass sein Vater als Fahrer für einen Regierungsangehörigen gearbeitet habe. Gewisse Leute hätten ihn bedroht und gesagt, er soll seine Arbeit für die Regierung beenden, sonst würde er getötet werden. Dann habe man einen Drohbrief in ihr Haus geschickt. Darin sei gestanden: "Solltest du unserer Aufforderung nicht nachkommen und deine Arbeit einstellen, dann töten wir deinen Sohn!". Er sei zweimal bei einer Explosion in Kabul gewesen, sei aber nicht verletzt worden. Diese Explosionen seien ca. 5 Minuten von seinem Zuhause entfernt erfolgt. Er sei dann nach Hause geflüchtet, dann sei die Polizei gekommen. Auf die Frage, wer die Bedroher gewesen seien, gab der BF an, dass diese Personen "Feinde der Regierung" seien. Er wisse nicht, wer diese seien. Sein Vater habe Anzeige erstattet, jedoch habe die Polizei nichts machen können. Nach Vorhalt, dass er anlässlich seiner Erstbefragung nichts dergleichen erwähnt habe, gab der BF an, dass er keine Ahnung gehabt habe, dass er bei der Erstbefragung seine Fluchtgründe erzählen solle. Der Schlepper habe ihm gesagt, dass er die Fluchtgründe beim zweiten Interview erzählen könne. Auf die ausdrückliche Frage, ob der BF "jemals persönlich bedroht" worden sei, erklärte dieser wörtlich:

"Nein, nur diese Briefe". Auf die Frage, warum seine Familienangehörigen nach wie vor in Afghanistan leben könnten, erklärte der BF, dass er der älteste Sohn der Familie sei und dementsprechend sehr viel Verantwortung für die Familie trage. Er sei der einzige, der für die Bedroher interessant sei, weil er sich immer draußen bewegt habe und man ihn gekannt habe. Seine Brüder seien den Bedrohern nicht bekannt gewesen. Auf die Allgemeinsituation in Afghanistan angesprochen, erklärte der BF, dass ein Leben dort nicht möglich sei, es gebe dort jeden Tag Krieg und Explosionen, mehr wolle er dazu nicht sagen.

In Bezug auf seine Integration gab der BF zu Protokoll, dass er keine Verwandten in Österreich habe, auch keine Angehörigen in einem anderen EU Staat, sowie dass er von staatlicher Unterstützung und in einem Asylwerberquartier lebe. Er habe einen Sprachkurs auf dem Niveau A1 abgeschlossen und habe auch sonstige Integrationskurse belegt. Zudem habe er für die Gemeinde gearbeitet, auch für das Rote Kreuz. In Österreich wolle er gerne Friseur werden.

Unter einem legte der BF nachstehende Unterlagen vor:

* Bestätigung über den Besuch eines Kurses "Deutsch-Anfänger-und Fortgeschrittenen Kurs" vom 20.9.2017, XXXX

* Bestätigung an der Teilnahme einer Spracherwerbsmaßnahme im Ausmaß von 38 (von 50) Unterrichtseinheiten zu je 50 Minuten vom 7. März 2017 des Landes Steiermark

* Teilnahmebestätigung über den Besuch der Dialogreihe "XXXX" vom August bis September 2017 des BMI

* ÖSD Zertifikat "A1" bestanden vom 5.9.2017

Mit Bescheid vom 15.10.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit "14 ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zusammengefasst zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass dem Vorbringen des BF zu den behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei und sich auch sonst bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben hätten. In Bezug auf Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass dem BF als einem volljährigen, an keiner lebensbedrohenden Krankheit leidenden Mann im erwerbsfähigen Alter eine Ansiedlung in Afghanistan etwa in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif möglich sei, zumal er Unterstützung durch Familienangehörige, die nach wie vor offensichtlich ohne relevante Probleme in Afghanistan leben, und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne. Zu Spruchpunkt III. wurde erwogen, dass kein schützenswertes Familienleben vorliege und die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegen würden als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich, weshalb nicht unverhältnismäßig in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingegriffen werde.

Der Bescheid wurde dem BF am 18.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen gerügt wurde, dass sowohl Ermittlungsverfahren als auch Parteiengehör und Länderberichte mangelhaft seien, dass keine Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden gegeben sei und wurde in der Folge eine Umriss zur allgemeinen Situation in Afghanistan und etwa auch konkret in Kabul erstattet, sowie zur Rückkehr afghanischer Asylsuchenden (zusammengefasst) ausgeführt, dass diese Schwierigkeiten bei ihrer Existenzsicherung hätten. Zudem wurde geltend gemacht, dass unrichtige Feststellungen aufgrund mangelhafter Beweiswürdigung erfolgt seien, sowie dass regierungsfeindliche Kräfte und Taliban aufgrund von informeller Kommunikation und Schattenstrukturen fast in allen Provinzen die Möglichkeit hätten, individuelle Personen zu verfolgen. Es wurde beantragt eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, um die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF zu erkennen. Schließlich wurde geltend gemacht, dass dem BF Hilfsweise subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen wäre, da im gesamten Staatsgebiet die Allgemeinsituation überaus prekär und angespannt sei. Im Hinblick auf die Interessenabwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK wurde ausgeführt, dass die Rückkehrentscheidung dauerhaft für unzulässig hätte erklärt werden müssen, da der BF um seine Integration in Österreich bemüht sei, eher bereits Deutschkurse besucht habe und er einige Freundschaften habe knüpfen können.

Am 28.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche

mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF zu seinem

Fluchtgrund, zu seinen Lebensumständen in Österreich sowie in

Afghanistan befragt wurde; diesbezüglich gab der BF Folgendes zu

Protokoll bzw. antwortete auf Fragen wie folgt (R=Richter,

BF=Beschwerdeführer):

"R: Erzählen Sie mir bitte, warum Sie Afghanistan verlassen haben, welche Probleme Sie hatten, bitte chronologisch, detailliert und von Beginn an.

BF: Es gibt zwei Gründe, warum ich mein Land verlassen habe. Der erste Grund ist der Krieg, der zweite Grund ist, dass ich und mein Vater öfters von bewaffneten Personen bedroht wurde. Der Grund der Bedrohung war, weil mein Vater Fahrer einer berühmten Persönlichkeit (Volksanwalt) war. Seinen Namen habe ich leider vergessen. Der Volksanwalt war ein General. Die bewaffneten Personen wollten von meinem Vater Informationen über diese Person bekommen, mit wem er Verbindungen hat und wo er verkehrt, ich war auch sehr oft mit meinem Vater unterwegs. Weil diese bewaffneten Personen mich auch kannten, haben sie mich auch bedroht. Sie wollten von meinem Vater Informationen bekommen, mein Vater wollte aber keine Informationen weitergeben, weil er seit zehn Jahren Fahrer von diesem General war. Das war eigentlich der Grund, warum ich das Land verlassen habe, diese bewaffneten Personen haben meinen Vater mit meiner Entführung bedroht. Nachdem ich das Land verlassen habe, wurde mein Vater weiter bedroht, mein Bruder wurde auch bedroht. Diese ständigen Bedrohungen haben dazu geführt, dass das Leben für meine Familie in Afghanistan unmöglich wurde, deshalb hat meine Familie auch Afghanistan verlassen.

R. Sie haben gesagt, Sie wurden mehrmals von bewaffneten Personen bedroht, können Sie dies näher erklären, welche Vorfälle gab es da?

BF: Ich kannte die bewaffneten Personen persönlich nicht. Sie hatten keinen direkten Zugang zu meinem Vater, deswegen wollten sie über mich meinen Vater unter Druck setzen. Ein paar Mal als ich nachhause gegangen bin, wurde ich bedroht. Eine Zeit lang konnte ich das Haus nicht verlassen.

R: Erzählen Sie genau diese Vorfälle, als Sie nachhause gegangen sind und bedroht wurden?

BF: Als ich nachhause gegangen bin, ist ein Auto Marke XXXX vor mir gestanden, sie haben zu mir gesagt, dass was wir von deinem Vater verlangen, wenn das nicht in Erfüllung geht, dann wirst du dran sein. Das ist ein paar Mal passiert. Nachdem ich zuhause es meinem Vater erzählte, gestand mein Vater, dass er weiß worum es geht und er weiß, was sie wollen. Er kann aber diese Informationen nicht an diese Leute weitergeben, er hat mich aufgefordert, das Haus nicht zu verlassen. Mein Vater hat sogar eine Anzeige erstattet, aber die afghanische Polizei war nicht im Stande irgendetwas dagegen zu tun.

[ ... ]

R: Sie haben gesagt, Sie wurde mehrmals von den bewaffneten Personen am Nachhauseweg bedroht. Wann war das genau, kann man das zeitlich eingrenzen, wie lange vor Ihrer Ausreise waren diese Bedrohungen?

BF: Wann ich das erste Mal bedroht wurde, kann ich genau nicht sagen, aber der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Bedrohung war ca. zwei Monate.

R: Und wie lange vor Ihrer Ausreise war das ungefähr?

BF: Ein Monat vor meiner Ausreise war die letzte Bedrohung, aber die Bedrohungen haben nicht aufgehört, sie haben telefonisch, durch Briefe und so wurde ich weiterhin bedroht. Ich konnte das Haus nicht verlassen und deswegen habe ich überlegt, das Land zu verlassen. Sie hatten Spione.

R: Was gab es da für Briefe, weil Sie gesagt haben, dass Sie auch durch Briefe bedroht wurden? Waren Sie da noch in Afghanistan oder schon ausgereist?

BF: In den Drohbriefen stand, dass mein Vater Informationen über diesen General weitergeben soll, sonst werden sie ihre Drohungen wahrmachen.

[ ... ]

R: Bei Ihrer Erstbefragung haben Sie kein Wort von einer individuellen Bedrohung erzählt, Sie haben nur erzählt, in Afghanistan sei Krieg gewesen und ihr Leben war in Gefahr, warum haben Sie das nicht erzählt? Man erzählt doch nicht nur allgemeine Umstände, wenn man eine individuell konkrete Bedrohung erlebt hat.

BF: Ich gestehe, dass ich bei der Erstbefragung diesen Grund nicht angegeben habe, ich kannte die europäischen Gesetze nicht. Ich habe nur gehört, dass man bei der Erstbefragung nur über den Fluchtweg gefragt wird. Deswegen habe ich diese Angaben nicht gemacht. Wenn ich das gewusst hätte, dass dies eine wichtige Information ist, hätte ich das angegeben.

R: Bei Ihrer detaillierten Einvernahme vor dem BFA haben Sie dann angegeben, dass Ihr Vater bedroht worden ist, dass er die Arbeit beenden soll und nicht, dass er Informationen weitergeben soll. Das ist doch ein Unterschied zu dem Vorbringen heute?

BF: Das Problem war nicht die Einstellung der Arbeit meines Vaters, sondern die Bedrohung durch die bewaffneten Personen, die mich dazu gezwungen haben, das Land zu verlassen.

R: Vorgehalten wird AS 77 letzter Absatz! Ihr Vorbringen heute unterscheidet sich hinsichtlich der Motivation der Bedrohungen ganz wesentlich von Ihrem erstinstanzlichen Vorbringen. Ihre Angaben zur Bedrohungslage erscheinen diesbezüglich nicht glaubwürdig.

BF: Die Bedrohung war, dass mein Vater Informationen liefern sollte.

R: Wie kann das dann sein, dass Sie erstinstanzlich etwas Anderes gesagt haben?

BF: Nein, das stimmt nicht, dass ich nur gesagt hätte, dass mein Vater nur die Arbeit beenden sollte.

R: Sie haben auch erstinstanzlich angegeben, dass Sie damals niemals persönlich bedroht wurden, es habe nur Drohbriefe gegeben. Heute geben Sie aber an, dass Sie mehrmals persönlich am Nachhauseweg bedroht worden seien? Ihr Vorbringen ist doch erkennbar erfunden, diese Widersprüche lassen doch nur den Schluss zu, dass Sie eine solche Bedrohungslage nur konstruiert haben.

BF: Das ist die Wahrheit meines Lebens was ich heute dargelegt habe. Hätte ich diese Problematik nicht gehabt, hätte ich Afghanistan nicht verlassen. Es kann auch sein, dass ich diese Angaben bei der vorherigen Einvernahme nicht angegeben habe. Mein psychischer Zustand ist auch nicht immer gleich. Ich habe auch hier sehr viele Probleme. Ich habe meine Familie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr gesehen. Ich habe auch keine Arbeit und keine Beschäftigung. Ich möchte ein neues und ruhiges Leben anfangen, weit entfernt von diesem Krieg und diesen Problemen der afghanischen Gesellschaft.

[ ... ]

R. Wenn Sie heute nach Afghanistan in eine große Provinzstadt zurückkehren würden, würden Sie dann etwa in Mazar-e-Sharif eine Gefahr für sich sehen? Die Stadt steht unter Regierungskontrolle und man geht in ständiger Judikatur davon aus, dass junge gesunde Männer dorthin zurückkehren können.

BF: Diese Leute haben überall in ganz Afghanistan Spitzel und Spione. Sobald sie erfahren, dass ich zurückkehrt bin, egal wo in Afghanistan, würde man mich finden. Wäre es nicht der Fall gewesen, wäre ich damals in eine andere Provinz umgesiedelt und meine Familie wäre dann zu mir nachgezogen.

Vorgehalten wird diesbezüglich das LIB der Staatendokumentation und die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und ergeht die Einladung, allenfalls eine Stellungnahme diesbezüglich anzugeben binnen zwei Wochen.

R: Wie ist denn hier in Österreich Ihre Wohnsituation, leben Sie alleine?

BF: Ich lebe privat, ich habe zwei weitere afghanische Mitbewohner. Ich habe ein ruhiges Leben, ich bin sehr zufrieden. Das einzige was mir fehlt, sind Dokumente mit denen ich eine Schule besuchen kann und arbeiten darf. Ich habe eine österreichische Freundin. Ich lebe in XXXX.

R: Wie finanzieren Sie diese Unterkunft, leben Sie in Grundversorgung?

BF: Von der Grundversorgung. Ich bekomme 320 Euro Grundversorgung, der Mitbewohner auch 320 und das macht insgesamt 640 Euro aus, die Wohnkosten betragen insgesamt 350 Euro Miete, Strom und Gas und vom Rest leben wir.

R: Das höchste Sprachniveau, dass Sie erworben haben, ist A1?

BF: Ich habe immer noch A1, aber inzwischen haben sich meine Sprachkenntnisse verbessert. Ich kann das tägliche Leben damit gut meistern. Ich wollte mich ein paar Mal beim BFI anmelden, aber da ich nicht hinreichende Dokumente vorlegen konnte, durfte ich nicht an manchen Kursen teilnehmen.

R: Haben Sie in Österreich jemals gearbeitet oder eine Schule besucht?

BF: Ich habe bei der Gemeinde gearbeitet. Ich habe die Straßen gereinigt. Ca. drei Monate habe ich gearbeitet.

R: Haben Sie dafür auch etwas verdient?

BF: Die Arbeit wurde mit 5 oder 6 Euro pro Stunde entlohnt.

R: Wieso haben Sie dann aufgehört damit?

BF: Ich war weiterhin bei der Gemeinde angemeldet, aber es hat sich nichts mehr ergeben. Aufgrund der fehlenden Arbeitsbewilligung konnte ich nirgends eine Arbeit finden. Ich habe auch versucht über die Caritas eine Arbeit zu bekommen, aber auch das hat zu keinem Ergebnis geführt.

R: Erzählen Sie mir was über Ihre Freundin, wie oft sehen sie einander, etc.?

BF: Seit drei oder vier Monaten habe ich sie über Facebook kennengelernt, sie heißt XXXX. Ihren Familiennamen weiß ich nicht. Sie ist aus XXXX in der Nähe von XXXX. Wir treffen uns oft.

R: Wie oft haben Sie sich schon gesehen?

BF: Wir sehen uns zwei- bis dreimal im Monat, weil wir ja räumlich getrennt sind.

R: Wie alt ist Ihre Freundin, was macht sie beruflich?

BF: Sie ist 21 und sie ist zuhause, sie arbeitet nicht. Ich glaube, sie hat die Schule fertiggemacht.

R: Haben Sie irgendwelche Verwandte hier in Österreich?

BF: Nein.

R: Sonst irgendwelche österreichischen Freund?

BF: Sehr viele, Burschen und Mädels, XXXX ist eine kleine Ortschaft, man kennt einander.

R: Sind Sie in Ihrer Freizeit in irgendwelchen Vereinen tätig oder engagieren Sie sich ehrenamtlich irgendwo?

BF: Ich spiele Fußball."

In einer am 07.02.2019 eingelangten schriftlichen Stellungnahme wurde geltend gemacht, dass das Zumutbarkeitskalkül der internen Fluchtalternative (IFA) nicht die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichen müsse, wesentlich sei, dass eine soziale und wirtschaftliche Existenz am Ort der IFA sichergestellt sein müsse. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei generell schlecht, es herrsche auf dem gesamten Staatsgebiet ein innerstaatlicher Konflikt. Im August 2017 sei Afghanistan wieder als "Konfliktland" eingestuft worden, nachdem dieses bereits als "Post- Konflikt-Land" gegolten habe. Auch Amnesty International und Friederike Stahlmann in ihrem Gutachten vom März 2018 kämen zum Ergebnis, dass auf dem gesamten Staatsgebiet Afghanistans ein so hohes Gewaltniveau bestehe, dass allein aufgrund der Anwesenheit dort die Gefahr bestehe einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Auch die Stadt Kabul sei von einer schlechten Sicherheitslage geprägt, ebenso die Städte Herat und Mazar-e-Sharif; diesbezüglich wurden sicherheitsrelevante Vorfälle dargestellt. Zur schlechten Versorgungslage werde ausgeführt, dass es in afghanischen Großstädten zu Versorgungsschwierigkeiten komme, durch die hohe Zahl von Binnenvertriebenen steige der Konkurrenzdruck zwischen den vertriebenen personam und würde auch die Dürre in Herat und Balkh dazu führen, dass die Landwirtschaft zusammenbreche. Weiters wird ausgeführt laut UNHCR Kabul als IFA überhaupt nicht in Betracht komme und dass in Herat und Mazar-e-Sharif eine sehr schlechte Versorgungslage inklusive Wasserknappheit gegeben sei. Zudem werde die prekäre Situation durch die Dürre verstärkt. In der Provinz Balkh mit der Provinzhauptstadt Mazar-e-Sharif gebe es bereits eine Lebensmittelkrise der (ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung) der Stufe 3/von 5), die als "Crises" bewertet werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der ledige und volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, stammt aus der Provinz Kabul, gehört der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er besuchte in Afghanistan 8 Jahre lang eine Grundschule und beherrscht Dari in Wort und Schrift. Er arbeitete zuletzt als Elekrohändler in Afghanistan. Die Eltern und die Geschwister des BF leben in der Türkei, in Afghanisatan hat der BF lediglich entfernte Verwandte.

1.2. Der BF ist arbeitsfähig und gesund, in Österreich ist er strafrechtlich unbescholten. Er bezieht seit der Asylantragstellung Leistungen im Rahmen der Grundversorgung und lebt nicht in einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er wohnt mit 2 afghanischen Mitbewohnern in einem Privatquartier, das über Geldleistungen aus der Grundversorgung finanziert wird. Der BF hat als höchstes nachgewiesenes Sprachniveau ein Zertifikat "A1" erreicht, er arbeitete fallweise, etwa 3 Monate lang für die Gemeinde bei der Straßenreinigung. Ein weiteres Bemühen um Hilfstätigkeiten verlief ergebnislos. Der in XXXX wohnhafte BF hat über Facebook vor 3 bis 4 Monaten eine in XXXX lebende österrische Freundin kennengelernt, deren Vornamen er kennt, deren Familiennamen er jedoch nicht angegeben kann. Seine Freundin, die er ca. 2 bis 3 Mal im Monat trifft, ist 21 Jahre alt und glaublich arbeitslos. Weiters hat der BF in XXXX Freunde, Verwandtschaft hat er im Bundesgebiet keine. In seiner Freizeit spielt er Fußball.

1.3. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF sein Heimatland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

1.4. Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

? Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

? Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

? Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

? Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

? Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

? Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

? Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

? Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

? Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

? Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

? Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

? Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

? Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

? Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

? Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

? Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

? Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

? Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

? Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

? In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

? Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

? Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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