TE OGH 2019/4/23 11Os44/19h

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Veröffentlicht am 23.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. M***** wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts ***** als Schöffengericht vom 13. November 2018, GZ *****, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht ***** zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten von einem gleichartigen Vorwurf enthaltenden – Urteil wurde Mag. M***** des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in ***** im Juni 2016 „als Beamter, nämlich als Lehrer eines staatlichen Gymnasiums, unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit eine mit Strafe bedrohte Handlung vorsätzlich begangen, indem er während einer Unterrichtsstunde seine damals 15-jährige Schülerin Al***** durch intensives Berühren einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle, nämlich tätschelnde Berührungen ihres Gesäßes (oberhalb der Bekleidung), in ihrer Würde verletzte“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 [lit] a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 3) wird durch die irrtümliche Anführung des § 313 StGB im (ohnedies bloß ein Vergehen benennenden [„das Vergehen“]) Schuldspruch (vgl auch US 15) keine Nichtigkeit bewirkt (RIS-Justiz RS0112621, RS0125293), weil diese Norm nicht den Strafsatz (RIS-Justiz RS0119249; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 25, 666) bestimmt, sondern eine Strafrahmen- und Strafbemessungsvorschrift darstellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 668b). § 313 StGB ist daher nicht Gegenstand des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO, sondern jenes nach § 260 Abs 1 Z 4 StPO (RIS-Justiz RS0111831, RS0096388).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung des Antrags auf Ladung und Vernehmung der Zeuginnen L*****, M*****, Le***** und Fr*****, „welche die inhaltliche Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung der Al***** durch ihre Unterschrift bestätigt haben, zum Beweis dafür, dass deren Schilderungen betreffend den anklagegegenständlichen Vorfall lediglich auf Grundlage der Schilderungen und unter Einflussnahme der Zeugin Al***** zustande gekommen ist und nicht auf deren eigenen Wahrnehmungen basieren“ (ON 21 S 7 [= ON 22 S 7], ON 26 S 52, 54 f), zu Recht. Das Gericht ging nämlich ohnedies davon aus, dass die Zeuginnen keine unmittelbaren eigenen Wahrnehmungen zu einem Übergriff gemacht hatten und dass der Vorfall in der Klasse besprochen wurde (ON 26 S 54 f; § 55 Abs 2 Z 3 StPO).

Der Antrag auf „Einholung der Einvernahmeprotokolle vom 18. Jänner 2017 des Landesschulrats von ***** betreffend die Zeugeneinvernahme von H***** und Le***** zum Beweis dafür“, dass diese beiden Zeuginnen sich hinsichtlich der Position der Al***** am Pult beim Angeklagten und dazu, „welche Berührungen an welchen Körperstellen stattgefunden haben sollen, massiv widersprochen haben sollen“ (ON 26 S 52), verfiel ebenfalls zu Recht der Abweisung (ON 26 S 58). Die dem Antrag offenbar zugrunde gelegte Divergenz der Aussagen der Zeuginnen, die in weiterer Folge auch von Beamten der Landespolizeidirektion ***** vernommen wurden und – im Übrigen ohnedies wie auch vor der Schulbehörde (ON 2 S 26) – (bloß in der relativen Position von Lehrer und Schülerin zueinander nicht, sonst aber) übereinstimmend angaben, dass der Beschwerdeführer der Zeugin Al***** auf das Gesäß gegriffen habe (ON 5 S 23 ff [vgl ON 26 S 31 ff], 77 ff), vor der Schulbehörde tangiert fallbezogen keine entscheidende Tatsache.

Soweit der Beschwerdeführer jeweils Bezug auf die „abweisliche Begründung des Erstgerichts“ nimmt übersieht er, dass deren Richtigkeit nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS-Justiz RS0121628; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318).

Die die Beweisanträge ergänzenden Beschwerdeausführungen sind unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) hat sich das Erstgericht mit den unterschiedlichen Wahrnehmungen der vernommenen Personen ohnedies auseinandergesetzt und daraus begründete beweiswürdigende Schlüsse gezogen. Insbesondere ist für die rechtsrichtige Subsumtion bei der festgestellten intensiven Berührung des Gesäßes in der Dauer von etwa einer halben Minute (US 5; vgl Philipp in WK2 StGB § 218 Rz 19/8) nicht von Bedeutung, ob der Angeklagte zusätzlich „tätschelnde Bewegungen“ ausführte, sodass das darauf gerichtete Vorbringen keine entscheidende Tatsache anspricht.

Mit Spekulationen zu einem – in der als ungerecht empfundenen Beurteilung einer Schularbeit gelegenen – möglichen Motiv für belastende Angaben der Zeugin Al***** bekämpft der Beschwerdeführer bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Das weitere Vorbringen zur Mängelrüge betrifft den dem Freispruch zugrunde liegenden Sachverhalt und die diesbezüglichen Aussagen der Zeugin L***** und ist daher ebenfalls unbeachtlich.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet mit der bloßen Behauptung, eine intensive Berührung müsse durch einen „festen Zugriff“ erfolgen, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb für tatbildliches Verhalten nicht bereits eine – über einen flüchtigen Körperkontakt hinausgehende – etwa eine halbe Minute andauernde intensive Berührung am Gesäß (vgl US 5) eines Tatopfers ausreichen solle (vgl neuerlich Philipp in WK2 StGB § 218 Rz 19/8). Soweit Feststellungen vermisst werden, wonach das Verhalten des Angeklagten „spezifisch darauf abzielte, die Würde der Schülerin zu verletzen“, übergeht die Rüge die entsprechenden Konstatierungen (US 8, US 14 iVm US 15) und ist dergestalt insgesamt nicht prozessordnungsgemäß dargestellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E124976

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00044.19H.0423.000

Im RIS seit

16.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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