Entscheidungsdatum
19.04.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §13 Abs2Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda nach Einbringung einer Vorstellung gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27.03.2019, Zl. VGW-221/V/008/RP11/4395/2019-1, mit welchem der Antrag des Herrn A. B., seiner Beschwerde vom 26.02.2019 gegen den Bescheid der LPD Wien, Verkehrsamt, vom 12.02.2019, Zl. ..., die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen worden ist, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG wird in Bestätigung des Beschlusses des Rechtspflegers des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27.03.2019, Zl. VGW-221/V/008/RP11/4395/2019-1, der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen, wobei als Rechtsgrundlage § 22 Abs. 3 VwGVG anstelle von § 13 Abs. 2 VwGVG heranzuziehen ist.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG Abs. 1 eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 12.2.2019, Zl. ..., wurde Herrn A. B. der Taxilenkerausweis gemäß § 13 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) auf die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides [sohin bis zum 15.02.2021, Anm.], entzogen, weil dieser aufgrund einer näher umschriebenen strafrechtlichen Verurteilung nicht (mehr) vertrauenswürdig sei. Einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde unter einem gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit der dagegen durch seinen Rechtsanwalt eingebrachten Beschwerde an das Verwaltungsgericht verband der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung: Der mit 26.02.2019 datierte Schriftsatz gliedert sich seinem Rubrum in „I. Beschwerde“ und „II. Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung“. Unter dem Bezugspunkt „Beschwerde“ wird der Bescheid zwar „zur Gänze angefochten“, das Beschwerdevorbringen selbst enthält jedoch keinerlei Ausführungen zum bescheidmäßig erfolgten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung. Erst unter dem Bezugspunkt „Antrag, der Bescheidbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen“ werden diesbezügliche inhaltliche Ausführungen getätigt und wird hierzu vorgebracht, Herr B. habe bereits entsprechend dem behördlichen Auftrag am 22.02.2019 den Taxiausweis abgegeben. Er sei für seine Gattin sowie vier minderjährige Kinder sorgepflichtig und sei die Familie von seinem Einkommen aus seiner Tätigkeit als Taxilenker abhängig. Er habe sich seit annähernd zwei Jahren wohlverhalten, sodass von ihm keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausgehe. Nur durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werde verhindert, dass er mit unwiederbringlichen Schäden belastet werde. Durch den Verlust seines Taxiausweises würde er seinen Beruf und somit die Existenz für sich und seine Familie verlieren; damit sei ein unwiederbringlicher Schaden verbunden. Dieser könne nur durch die Gewährung der aufschiebenden Wirkung verhindert werden.
In der Folge wurde der Antrag, der Beschwerde vom 26.2.2019 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, seitens des Verwaltungsgerichtes Wien mit Rechtspflegerkenntnis vom 27.3.2019, Zl. VGW-221/V/008/RP11/4395/2019, gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller am 04.04.2019 rechtzeitig eine Vorstellung und führte darin aus, dass die Tathandlung jahrelang zurückliege und dass er sich seit diesem Zeitpunkt wohlverhalten habe. Ungeachtet der Umstände des Strafverfahrens gehe vom Antragsteller keinerlei Gefährdung aus und habe dieser bereits einen erheblichen Teil der verhängten Probezeit positiv absolviert.
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den aus Anlass der Beschwerdevorlage übermittelten Verwaltungsakt und die darin erliegende Kopie des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.12.2017 sowie durch Einsicht in den hg. Akt zur Zl. VGW-221/V/008/RP11/4395/2019.
Folgender Sachverhalt steht demnach fest:
Der nunmehrige Antragsteller wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.12.2017, GZ: ..., wegen § 202 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt, weil er einen weiblichen (und betrunkenen) Fahrgast während des Taxifahrdienstes in der Nacht vom 30. zum 31.03.2017 geschlechtlich genötigt hatte. Weitere strafgerichtliche Verurteilungen bzw. kriminalpolizeiliche Ermittlungen gegen ihn sind nicht aktenkundig und liegt insoweit seit der zitierten Verurteilung unter strafrechtlichen Aspekten Wohlverhalten des Antragstellers vor.
Der Antragsteller ist für seine Gattin sowie seine vier minderjährigen Kinder sorgepflichtig.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen gründen sich auf die angeführten Beweismittel in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen selbst.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
Gemäß Abs. 3 leg.cit. kann die Behörde Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.
Gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
Den Parteien bleibt es unbenommen, einen nach § 13 VwGVG von der Behörde erlassenen Bescheid, mit welchem die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen oder zuerkannt wurde, binnen der Beschwerdefrist mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht anzufechten. Wurde davon kein Gebrauch gemacht, so steht den Parteien ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Antragstellung nach Abs. 3 offen.
Gegenständlich ist im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild und die Diktion des Schriftsatzes vom 26.02.2019 davon auszugehen, dass Verfahrensgegenstand ein Antrag nach § 22 Abs. 3 VwGVG sein soll und nicht eine Rechtsmittelentscheidung im Sinne des § 13 Abs. 4 VwGVG. Diese Ansicht hat der Rechtsfreund des Antragstellers über telefonische Nachfrage der zuständigen Richterin am 10. April 2019 auch bestätigt, indem er abermals darauf hinwies, dass insoweit eine Änderung der Sachlage eingetreten sei, als sein Mandant seit eineinhalb Jahren (zwischen Vorfall und Entziehung des taxilenkerausweises durch die Behörde) anstandslos ein Taxi gelenkt habe.
Die Behörde vertritt nun in ihrem auf § 13 Abs. 2 VwGVG gestützten Bescheid die Ansicht, dass dem Antragsteller auf Grund fehlender Vertrauenswürdigkeit sein Taxiausweis für die Zeit von 24 Monaten zu entziehen sei, er also in dieser Zeit kein Taxi lenken dürfe.
Die von der Behörde angeführte gerichtliche Verurteilung des Antragstellers wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB während des Taxifahrdienstes lässt definitiv den Schluss auf fehlende Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr zu. Gemäß § 13 Abs. 2 der genannten Betriebsordnung ist dann, wenn mangelnde Vertrauenswürdigkeit anzunehmen ist, der Taxiausweis von der Behörde für einen angemessenen Zeitraum zu entziehen, wenn angenommen werden kann, dass die Vertrauenswürdigkeit in absehbarer Zeit wieder vorliegen wird. Es liegt auf der Hand, dass ein Taxilenker, der einen weiblichen Fahrgast während des Taxifahrdienstes geschlechtlich genötigt hat, nicht „vertrauenswürdig“ im Sinne des Gesetzes ist.
Auf dieser Grundlage stehen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der - unstrittigen - rechtskräftigen Verurteilung des Antragstellers einerseits und dem mit § 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 verfolgten Schutzzweck (vgl. dazu etwa VwGH vom 27. 05.2010, 2009/03/0147) andererseits zwingende öffentliche Interessen entgegen (VwGH 02.02.2012, AW 2011/03/0017).
„Gefahr im Verzug“ bedeutet, dass bei Aufschub der Vollstreckung die Möglichkeit eines Nachteiles für eine Partei oder für das öffentliche Wohl gegeben wäre. Die Behörde muss eine Interessenabwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers und entgegenstehenden Interessen anderer Parteien oder des öffentlichen Wohls vornehmen.
Insoweit erfolgte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde zu Recht, weil dies sowohl im Interesse des öffentlichen Wohles gelegen war (durch eine Tathandlung wie jene, die der Verurteilung zu Grunde liegt, werden allfällige weibliche Fahrgäste des Taxis in ihrer sexuellen Selbstbestimmung offensichtlich erheblich gefährdet) und liegt auch Gefahr im Verzug vor, da nicht auszuschließen war bzw. ist, dass der Antragsteller abermals eine Handlungen setzen könnte wie jene, die seiner Verurteilung zu Grunde liegt: Typischerweise bieten sich ihm als Taxilenker nämlich in besonderem Ausmaß Situationen an, wo etwa nach Diskothekenbesuchen alkoholisierte Frauen in sein Taxi zusteigen und entsprechend leichte Opfer in Bezug auf sexuelle Übergriffe sind.
Insoweit der Antragsteller auf sein Wohlverhalten zwischen Tat und Entziehung des Taxilenkerausweises bis dato unter dem Aspekt wesentlicher Änderungen verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 22 Abs. 3 VwGVG darauf abzustellen ist, ob sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben. Eine wesentliche Änderung ist jedoch nicht eingetreten, lag doch schon längeres Wohlverhalten auch im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides vor,
weshalb das vom Antragsteller ins Treffen geführte zwischenzeitliche Wohlverhalten seit der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung außer Betracht bleiben muss. Wie der VwGH im Übrigen ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung jedenfalls dann vor, wenn der Taxilenkerausweis mangels Vertrauenswürdigkeit zurückgenommen wird, soll doch durch diese Maßnahme die Allgemeinheit geschützt werden (VwGH 29.01.2003, 2000/03/0385).
Hinsichtlich des Einwandes des Antragstellers, ihm sowie seiner von seinem Einkommen abhängigen Familie drohe im Rahmen der unmittelbaren Vollstreckung des angefochtenen Bescheides ein unwiederbringlicher Nachteil, der existenzgefährdend wäre bzw. seien die mit dem Entzug einhergehenden Einkommenseinbußen nicht wiedergutzumachen, wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.5.2016, Zl. Ra 2016/10/0043, zum Konkretisierungsgebot bei Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verwiesen, wonach Wendungen, dass der Antragsteller „derzeit mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen habe“ oder „der Vollzug eine Existenzgefährdung bedeuten“ und „an den Rand der Insolvenz führen“ würde und eine „Beeinträchtigung des bisherigen Lebensstandards eintreten“ würde, das dargelegte Konkretisierungsgebot nicht erfüllen. Ein Antragsteller genügt dem genannten Konkretisierungsgebot nur dann, wenn er einerseits seine im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie seine Vermögensverhältnisse und andererseits seine gesetzlichen Sorgepflichten durch konkrete - tunlichst ziffernmäßige - Angaben glaubhaft dartut. Der Antrag des Antragstellers wäre daher bereits schon aus diesen Gründen abzuweisen gewesen, weil er nicht das vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Konkretisierungsgebot erfüllte.
Dem Antragsteller ist im Übrigen zu entgegnen, dass es auch bei der Zurücknahme des Ausweises auf Gründe, die seine (wirtschaftliche) Existenz betreffen, nicht ankommt (vgl. VwGH 14.11.2006, 2006/03/0153), weshalb auch die vom Antragsteller vorgebrachten dahingehenden Ausführungen unberücksichtigt bleiben müssen.
Der Antragsteller übersieht, dass ein unverhältnismäßiger Nachteil mehr ist als ein bloß überwiegender Nachteil oder eine wirtschaftliche Härte (VwGH 29 9. 2006, AW 2006/12/0007).
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur der aufschiebenden Wirkung ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung, wie die diesbezüglichen Judikaturzitate belegen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche (über den Einzelfall hinausgehende) Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Taxiausweis; Entziehung; aufschiebende Wirkung; Aberkennung; Beschwerde; Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung; Gefahr in VerzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.221.008.4910.2019.VORZuletzt aktualisiert am
15.05.2019