TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/22 96/10/0091

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Veröffentlicht am 22.03.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §38;
ForstG 1975 §1 Abs3;
ForstG 1975 §1;
ForstG 1975 §13;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §3;
ForstG 1975 §5;
ForstG 1975 §59 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des P in St. Lorenzen im Mürztal, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. März 1996, Zl. 8 - 31 Pe 21/5 - 1996, betreffend Wiederbewaldungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. März 1994 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, die Schlagfläche und Räumden auf dem Waldgrundstück Nr. 1147/1 KG R. im Ausmaß von 0,7 ha wiederzubewalden. Über Berufung des Beschwerdeführers wurde dieser Bescheid von der belangten Behörde mit Bescheid vom 26. Mai 1994 gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz verwiesen.

Die BH holte die Stellungnahme eines forsttechnischen Amtssachverständigen ein. Dieser legte dar, das Waldgrundstück Nr. 1147/1 KG R. habe eine Größe von 0,8222 ha. Das Grundstück sei Teil einer Waldinsel westlich von St. L. Auf dieser Waldinsel stocke hauptsächlich Fichte, zum Teil Eiche, Birke, Erle und vereinzelt Lärche. Die natürliche Waldgesellschaft in dieser Höhenlage (ca. 540 m Seehöhe) wäre ein Eichenhainbuchenwald. Die hier stockenden Bestände seien künstlich eingebracht und nicht standortgerecht. Das Waldgrundstück sei feucht und zum Teil von Mulden und Gräben durchzogen. Die Besichtigung habe eindeutig ergeben, daß es sich beim gesamten Grundstück um ein Waldgrundstück handle. Derzeit sei die Fläche noch mit 0,2 ha Fichtenwald bestockt. Bei einer Fällung im Jahr 1991 seien ca. 0,2 bis 0,3 ha hiebsunreifer Wald geschlägert worden. Der Rest der Waldfläche stelle Räumden dar. Bei der Besichtigung sei festgestellt worden, daß auf dem Waldgrundstück neuerlich sechs Fuhren Schotter abgelagert worden seien.

Mit Bescheid vom 15. November 1994 trug die BH dem Beschwerdeführer auf, die Schlagfläche - Räumden auf dem Waldgrundstück Nr. 1147/1 KG R. im Ausmaß von 0,7 ha wiederzubewalden. Als standorttaugliches Vermehrungsgut werde vorgeschrieben 40 % Esche, 40 % Stieleiche und 20 % Schwarzerle. In der Begründung des Bescheides wurde § 13 ForstG zitiert und die oben wiedergegebene Stellungnahme des Amtssachverständigen referiert.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er legt dar, das Grundstück habe ein Ausmaß von ca. 8000 m2, davon seien zur Zeit ca. 2000 m2 mit Fichten, Birken und Erlen bewaldet. Die auf einer weiteren Teilfläche von ca. 2000 m2 stockenden Fichten seien geschlägert worden. Die restliche Fläche von ca. 4000 m2 sei schon vor Jahrzehnten einer anderen Nutzung durchgeführt worden (Streunutzung, Pferdehaltung, Heulager, Holzlager, Schotterlager, Fahrzeugabstellung).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Maßgabe einer Abänderung des Wiederbewaldungsauftrages ab. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, die Schlagflächen und Räumden auf dem Waldgrundstück Nr. 1147/1 KG R. im Ausmaß von 0,42 ha (wobei durch vereinzelten Naturanflug ca. 20 % mit Pioniergehölzen wiederbewaldet seien), wie im beiliegenden Lageplan dargestellt, bis 31. Mai 1996 mit 800 herkunftsgerechten drei- bis fünfjährigen Forstpflanzen (40 % Esche, 40 % Stieleiche und 20 % Schwarzerle) wiederzubewalden. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage dargelegt, soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die behaupteten Nutzungen die Waldeigenschaft der Flächen in Frage stelle, sei auf § 3 Abs. 1 ForstG hinzuweisen. Das Grundstück sei im Kataster der Benützungsart Wald zugeordnet und im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Wald ausgewiesen. Ein Rodungsantrag des Beschwerdeführers vom 8. Juni 1990 sei in allen Instanzen abgewiesen worden. Ein forstliches Feststellungsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Die Forstbehörde habe nicht festgestellt, daß es sich bei dem Grundstück nicht um Wald handle. Weiters habe der Vertreter der Bezirksforstinspektion in der Berufungsverhandlung angegeben, daß er das Grundstück seit dem Jahre 1989 wiederholt besichtigt habe und dieses eindeutig eine Waldfläche darstelle. Ein weiteres Indiz für die Waldeigenschaft sei der bereits erwähnte Rodungsantrag des Beschwerdeführers aus dem Jahre 1990 sowie die Tatsache, daß die Fläche sowohl im erstinstanzlichen Rodungsverfahren als auch in den Berufungsverfahren als Wald beurteilt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, daß das Grundstück eine Waldfläche im Sinne des Forstgesetzes darstelle. Es stehe unbestritten fest, daß sich auf dem Waldgrundstück Räumden befänden und der Beschwerdeführer 1991 eine Schlägerung im Ausmaß von 0,2 bis 0,3 ha durchgeführt habe. Nach § 13 ForstG wären die Schlagflächen somit bis spätestens Ende 1994 und die Räumden unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmung des § 184 Z. 1 bis Ende 1995 (20 Jahre nach Inkrafttreten des Forstgesetzes) wiederzubewalden gewesen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß das Grundstück auf einer Fläche von ca. 0,4 ha zum größten Teil mit standortwidrigen Fichten bestockt sei. Nur der südöstliche Teil, der an den Weg und das Grundstück Nr. 1146 angrenze, sei mit standortgerechten Baumarten, wie Eiche, Birke, Esche, Erle und einzelnen Fichten bestockt. Im nordwestlichen Teil, der an die Grundstücke Nr. 1149 bzw. 1152 angrenze, sei eine Fläche von 300 m2 mit fünf - bis zehnjährigen Pioniergehölzern wie Weide usw. bestockt. Das durchschnittliche Alter der bewaldeten Fläche betrage 30 bis 40 Jahre. Die restliche Fläche von 0,42 ha sei mit Ausnahme von Naturanflug (Weide, Hasel, Esche, Birke etc.) unbestockt. Ca. 20 % dieser Fläche sei natürlich angeflogen. Diese unbestockte Fläche sei stark verunkrautet und verwildert. Die Kahlfläche sei durch Schlägerung im Jahre 1991 bzw. durch bereits vorher vorhandene Räumden entstanden. Bei Berücksichtigung der bereits natürlich wiederbewaldeten Flächenteile (ca. 20 % der Fläche) ergebe sich eine reduzierte Wiederbewaldungsfläche von ca. 0,34 ha.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde sei zu Unrecht von der Waldeigenschaft der in Rede stehenden Flächen ausgegangen; eine Teilfläche von rund 4000 m2 sei unbestockt und werde seit Jahrzehnten nicht forstwirtschaftlich, sondern anderweitig ("beispielsweise für Pferdehaltung, Holzlager etc.") genutzt.

Nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG hat die Behörde, wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.

Voraussetzung für die Erteilung eines forstbehördlichen Wiederbewaldungsauftrages nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG ist, daß es sich bei der wiederzubewaldenden Fläche zum Zeitpunkt des Beginnes der widerrechtlichen Entfernung des forstlichen Bewuchses und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des Forstgesetzes gehandelt hat. Dabei kommt es allerdings auf das Vorhandensein eines forstlichen Bewuchses nicht an; der Waldeigentümer ist nach § 13 ForstG verpflichtet, auch Kahlflächen, also Waldflächen ohne jeglichen Waldbewuchs, und Räumden, also Waldflächen, deren Bewuchs eine Überschirmung von weniger als drei Zehnteln aufweist (vgl. § 1 Abs. 2 und 7 ForstG) rechtzeitig wiederzubewalden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 24. Oktober 1994, Zl. 93/10/0227, vom 25. März 1996, Zl. 92/10/0050, und vom 24. Juni 1996, Zl. 91/10/0190).

Die Frage der Waldeigenschaft der Grundflächen ist eine für die Entscheidung der Forstbehörde in der Hauptfrage (Wiederbewaldungsauftrag) präjudizielle, d.h. für die Lösung der Hauptfrage eine notwendige Grundlage bildende Rechtsfrage, die in einem Feststellungsverfahren nach § 5 ForstG oder als Vorfrage im Verfahren über die Erlassung des Wiederbewaldungsauftrages zu lösen ist (vgl. das Erkenntnis vom 14. Juni 1993, Zl. 90/10/0100).

Im angefochtenen Bescheid wird die Annahme der Waldeigenschaft insbesondere darauf gegründet, daß das Grundstück im Kataster der Benützungsart Wald zugeordnet bzw. im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Wald ausgewiesen und ein Rodungsantrag des Beschwerdeführers im Jahre 1990 abgewiesen worden sei. Im Rodungsverfahren sei die Fläche als Wald beurteilt worden. Ein Vertreter der Bezirksforstinspektion habe das Grundstück seit 1989 wiederholt besichtigt und angegeben, daß dieses eindeutig eine Waldfläche darstelle.

Diese Darlegungen können die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme der Waldeigenschaft der gesamten Fläche angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht tragen.

Nach § 3 Abs. 1 ForstG gilt eine Grundfläche (Grundstück oder Grundstücksteil) als Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn sie im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster der Benützungsart Wald zugeordnet wurde und eine Rodungsbewilligung für diese Grundfläche nicht erteilt wurde, solange die Behörde nicht festgestellt hat, daß es sich nicht um Wald handelt.

§ 3 ForstG normiert eine widerlegbare Rechtsvermutung (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 25. Oktober 1978, Slg. Nr. 9674/A); zielt ein Vorbringen des Verpflichteten auf die Widerlegung der Vermutung ab, ist die Behörde verpflichtet, vor der Erlassung forstbehördlicher Aufträge Feststellungen über die Waldeigenschaft der in Rede stehenden Fläche zu treffen und darzulegen, warum sie diese auch unter Berücksichtigung des entgegenstehenden Parteienvorbringens bejaht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 9. November 1982, Zl. 82/07/0037).

Die Frage der Waldeigenschaft ist eine von der Behörde auf Grund von Tatsachenfeststellungen zu lösende Rechtsfrage; die Waldeigenschaft kann nicht - etwa durch Stellung eines Rodungsantrages - außer Streit gestellt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 87/10/0046). Ebensowenig kommt der Abweisung eines Rodungsbegehrens bindende Wirkung in der Richtung zu, daß damit die Waldeigenschaft bindend festgestellt wäre. Im Rodungsverfahren bildet die Frage der Waldeigenschaft eine Vorfrage, deren Lösung für andere Verfahren nicht bindend ist. Ebensowenig kann der nicht weiter konkretisierte Hinweis auf die Auffassung eines Forstaufsichtsorgans in der Frage, ob die Waldeigenschaft gegeben ist, konkrete, am Tatbestand des § 1 ForstG und der anderen in der Frage der Waldeigenschaft heranzuziehenden Vorschriften des Forstgesetzes orientierte Tatsachenfeststellungen ersetzen.

Die Behauptungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren waren auch nicht von vornherein ungeeignet, Zweifel an der Waldeigenschaft wenigstens eines Teiles der Fläche bzw. am Bestehen der Wiederbewaldungspflicht zu wecken.

Der Beschwerdeführer hat behauptet, eine Teilfläche des Grundstückes "seit Jahrzehnten" für Streunutzung, Pferdehaltung, die Lagerung von Heu, Holz und Schotter und die Fahrzeugabstellung zu nutzen.

Für die Dauer der Nutzung einer Waldfläche als Holzlagerplatz (vgl. § 1 Abs. 3 ForstG und das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/10/0071) kommt es zu einem Ruhen der Wiederbewaldungspflicht (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0132, und vom 28. April 1997, Zl. 97/10/0001). Die belangte Behörde hatte sich im Hinblick auf das erwähnte Vorbringen des Beschwerdeführers somit mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Teil der in Rede stehenden Fläche tatsächlich als Holzlagerplatz genutzt wird und diese Nutzung für den forstlichen Betrieb erforderlich ist. Soweit anderweitige Nutzungen behauptet wurden, wäre gegebenenfalls eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten gewesen, ob es sich dabei um eine länger als 15 Jahre andauernde Entziehung aus der Waldkultur handelte (vgl. zur Frage der Berechnung des Beobachtungszeitraumes z.B. die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1990, Zl. 90/10/0191, und vom 13. Dezember 1995, Zl. 91/10/0082; zur Frage einer Entziehung aus der Waldkultur durch Tierhaltung vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 21. November 1994, Zl. 93/10/0141, und vom 24. Juni 1996, Zl. 91/10/0190).

Die nach dem Gesagten erforderlichen Feststellungen fehlen im angefochtenen Bescheid; dieser ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 1999

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996100091.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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