TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/8 W222 1421188-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2018
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Entscheidungsdatum

08.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W222 1421188-2/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2015, Zl. XXXX , aufgrund des Vorlageantrags des XXXX , geb. XXXX , StA. Nepal, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2015, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wir mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf 1 Jahr herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nepalesischer Staatsangehöriger, stellte am 10.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2011, Zl XXXX , gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.03.2012, Zl. C9 421188-.1/2011/2E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Da der Beschwerdeführer zu wesentlichen Punkten seines Fluchtvorbringens betreffend eine Verfolgung seiner Familie durch Maoisten keine übereinstimmenden Angaben getätigt habe, erachtete der Asylgerichtshof den Fluchtgrund des Beschwerdeführers nicht als glaubhaft. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer auch nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt werden, zumal eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat nicht vorliege. Die öffentlichen Interessen an der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften würden das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen, weil er keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet habe und Hinweise auf eine berücksichtigungswürdige besondere Integration in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht schon angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer nicht erkennbar seien.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2012, Zl. U 728/12, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes abgewiesen.

Am 21.03.2013 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG, der mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 05.08.2013 abgewiesen wurde. Der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Büro II. Instanz, vom 18.10.2013 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag gemäß § 46a Abs. 1a FPG 2005 zurückgewiesen wird. Der zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20.02.2014, Zl. B 1482/2013, zurückgewiesen.

Am 03.09.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Dabei brachte er ein Konvolut an Unterlagen in Vorlage und gab im Wesentlichen an, seit dem 10.08.2011 durchgängig in Österreich aufhältig zu sein, am 11.07.2013 eine Deutschprüfung über das Niveau A2 abgelegt zu haben und über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 zu verfügen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2015 wurde der Antrag gemäß § 55 AsylG vom 03.09.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bezüglich seines Asylverfahrens ein außerordentliches Rechtsmittel eingelegt habe, weshalb er im Entscheidungszeitpunkt über ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz verfüge und sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als unzulässig zurückzuweisen sei. Da die Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 erfolgt sei, sei entsprechend § 10 Abs. 3 AsylG keine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, worin moniert wurde, dass die Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG nicht rechtmäßig gewesen sei, weil das Asylverfahren des Beschwerdeführers bereits abgeschlossen sei und er nicht über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfüge.

Nachdem der Beschwerdeführer am 16.04.2015 niederschriftlich einvernommen worden war, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.04.2015 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 03.09.2014 gemäß § 55 AsylG 2005 idgF ab. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG idgF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt I.), und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Seinem Antrag auf Heilung der Mängel gemäß § 4 AsylG-DV iVm § 8 AsylG-DV vom 16.04.2015 wurde stattgegeben (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit März 2012 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und keinerlei Ambitionen gezeigt habe, sich selber ein Reisedokument zu besorgen. Es bestehe kein schützenswertes Familienleben und die Integration des Beschwerdeführers sei als mäßig anzusehen, zumal er seine Unterstützer nicht bzw. nur flüchtig kenne, lediglich das Fitnesscenter besuche und nach wie vor von staatlicher Unterstützung lebe. Er habe zwar Deutschkurse besucht, jedoch sei er während der gesamten Einvernahme auf den Dolmetscher angewiesen gewesen. Das öffentliche Interesse an einem geregelten Fremden- und Einwanderungswesen überwiege daher das private Interesse am Verbleib im Bundesgebiet. Da der Beschwerdeführer seinen gesamten Aufenthalt aus öffentlichen Mitteln bestreite, keinerlei Ambitionen gezeigt habe, aus einem seine Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen und mittellos sei, sei § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Zudem stelle die Ausübung einer illegalen Beschäftigung eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Interessen dar, weshalb von der Erlassung eines Einreiseverbots nicht abgesehen werden könne. Dem Antrag auf Heilung werde stattgegeben, weil zur Erlangung eines Reisedokuments die persönliche Antragstellung in Berlin notwendig sei.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer rechtzeitig gemäß § 15 VwGVG einen (irrtümlicherweise als "Beschwerde" bezeichneten) Vorlageantrag, worin im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass sich die Behörde nicht mit der Lage im Herkunftsstaat auseinandergesetzt habe und veraltete Länderberichte zugrunde gelegt habe. Angesichts des schweren Erdbebens im April 2015 sei die Lage in Nepal äußerst prekär und würde die Abschiebung des Beschwerdeführers Art. 2 und Art. 3 EMRK verletzen. Der Einvernahmeleiter habe lediglich eine Frist von einem Tag für die Vorlage eines neuen Vorarbeitsvertrages eingeräumt. Da der Beschwerdeführer nicht aufgefordert worden sei, Deutsch zu sprechen, und der Einvernahmeleiter ausschließlich unter Zuhilfenahme des Dolmetschers mit ihm gesprochen habe, habe er sich kein abschließendes Bild über die Deutschkenntnisse verschaffen können. Entgegen der Ansicht der Behörde würden die Unterstützungserklärungen durchwegs von guten Bekannten bzw. Freunden stammen. Während des Aufenthalts in Österreich sei es den Behörden trotz Mitwirkung des Beschwerdeführers nicht gelungen, ein Heimreisezertifikat bei der nepalesischen Botschaft zu erwirken. Außerdem entspreche es notorischem Amtswissen, dass von der nepalesischen Botschaft in der Regel keine Antworten auf Anfragen zur Erlangung von Identitätsdokumenten zu erwarten sind. Daher sei die Unmöglichkeit der Abschiebung nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten und müsse davon ausgegangen werden, dass sein Aufenthalt ex lege geduldet sei. Bei der Verhängung des Einreiseverbotes hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Aufenthalts ordnungsgemäß gemeldet gewesen sowie unbescholten sei und dass er zugegeben habe, gelegentlich erwerbstätig zu sein, sowie im Rahmen seiner Möglichkeiten am Verfahren mitgewirkt habe.

In einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2015 wurde entgegnet, dass sich die Behörde lediglich bezüglich der erneut behaupteten Bedrohung durch Maoisten auf die Entscheidung des Asylgerichtshofes gestützt habe und im Bescheid die aktuellsten Länderfeststellungen verwertet worden seien. Die Lage in Nepal sei zwar prekär, aber nicht aussichtslos, zumal die UN und viele weitere Organisationen dort tätig seien und nicht das gesamte Staatsgebiet vom Erdbeben im April 2015 verwüstet worden sei. Die Behörde sei nicht verpflichtet, so lange zu warten, bis es dem Fremden "genehm" sei, einen Arbeitsvorvertrag vorzulegen, zumal der Beschwerdeführer schon Jahre dafür Zeit gehabt habe. Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers habe die Behörde diesem unterstellt, sich nicht selbstständig um ein Reisedokument bemüht zu haben, weshalb die zitierte höchstgerichtliche Entscheidung betreffend ein Heimreisezertifikat ins Leere gehe. Der Beschwerdeführer habe die Einvernahme durch einen Dolmetscher verlangt und das nunmehr behauptete freundschaftliche Verhältnis zu der genannten Person der Behörde nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit Schreiben vom 04.10.2018 ersuchte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers um eine vierzehntägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen und legte einen Arbeitsvorvertrag vor.

Am 08.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche öffentliche Verhandlung statt. Mit Schreiben vom 19.10.2018 wurde das Länderinformationsblatt dem rechtsfreundlichen Vertreter geschickt und eine vierzehntägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt. Bis dato langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nepal, bekennt sich zum hinduistischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Chhetri an. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Am 21.03.2012 und am 28.05.2012 wurde gegen den Beschwerdeführer Anzeigen wegen rechtswidrigen Aufenthaltes gemäß § 120 Abs. 1a FPG erstattet.

Nachdem der Beschwerdeführer unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, stellte er am 10.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.03.2012 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 negativ entschieden wurde. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG vom 21.03.2013 wurde rechtskräftig mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Büro II. Instanz, vom 18.10.2013 zurückgewiesen. Am 03.09.2014 stellte er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist in Österreich seit dem 12.08.2011 durchgängig aufrecht gemeldet. Er verfügt weder über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, noch lebt er in einer Lebensgemeinschaft. Am 11.07.2013 und am 14.07.2014 absolvierte er Deutschprüfungen für die Niveaus A2 und B1. Er verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich, spielt Fußball sowie Volleyball und besucht ein Fitnesscenter.

Während des Asylverfahrens arbeitete der Beschwerdeführer vier Monate als Zeitungszusteller; danach reinigte er bis April 2015 ungefähr zwei Mal pro Woche entgeltlich PKWs, wofür er keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz hatte. Er war einige Male ehrenamtlich als Dolmetscher für eine Rechtsberatungsorganisation tätig. Zurzeit geht er keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise nach Österreich und abgesehen vom Zeitraum Oktober 2011 bis Juli 2014 Leistungen im Rahmen der Grundversorgung, nunmehr im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Dem Beschwerdeführer wurde in den Jahren 2015 und 2016 angeboten, für die XXXX in der Küche vollbeschäftigt arbeiten zu können, wenn er eine Arbeitsgenehmigung für Österreich bekommt. Der Beschwerdeführer äußerte im Jahr 2015 die Absicht, eine Ausbildung als "Altenfachsozialbetreuer" beginnen zu wollen. Am 13.01.2017 schloss der Betreiber eines nepalesischen Restaurants mit dem Beschwerdeführer einen Arbeitsvorvertrag für ein unbefristetes Vollzeit-Arbeitsverhältnis als Kellner ab. Darüber hinaus konnten weitere maßgebliche Anhaltspunkte, die für die Annahme einer besonderen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen würden, nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Distrikt XXXX in der Verwaltungszone XXXX . Seine Muttersprache ist Nepali. Er besuchte in Nepal zehn Jahre lang die Schule und zwei Jahre lang ein College für Management. Seine Mutter, seine Schwester und zwei Onkel mütterlicherseits leben in Nepal. Der Vater des Beschwerdeführers befindet sich derzeit in Indien, arbeitet dort in einem Restaurant und schickt seiner Familie Geld nach Nepal. Die Familie des Beschwerdeführers bestreitet ihren Lebensunterhalt von der Erwerbstätigkeit des Vaters und durch eine familieneigene Landwirtschaft.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Politische Lage

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2.2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2.2018; vgl. AA 3.2018).

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 - 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 7.12.2017 gewählt worden (AA 3.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.

Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.2.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2018): Nepal, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepal/221214, Zugriff 5.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2018): Nepal - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221262, Zugriff 26.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

DS - Der Standard (15.2.2018): Marxist als neuer Ministerpräsident in Nepal vereidigt,

https://derstandard.at/2000074349937/Marxist-als-neuer-Ministerpraesident-in-Nepal-vereidigt, Zugriff 5.3.2018

-

FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018, Nepal, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/nepal, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen "Bandhs" (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.3.2018).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.3.2018).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.12.2017): Reiseinformation - Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2017

Regionale Problemzone Terai

Politische und ethnische Spannungen sind im Terai und in den östlichen Hügelgebieten ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Im Terai-Gebiet im Süden des Landes agieren zahlreiche bewaffnete Gruppierungen und es kommt häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Es besteht ein Risiko von lokalen Unruhen, Blockaden und Streiks (Bandhs), besonders in Siraha, Sarlahi, Dhanusha, Bara, Kailali, Dang und Kapilbastu, sowie in den östlichen Hügeldistrikten inklusive Jhapa (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.3.2018).

Am 8.8.2015 einigten sich vier der wichtigsten Parteien darauf, Nepal in der neuen Verfassung als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen. Ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen von Nepal protestierten gegen die neue Struktur, die ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigerte. In der Folge kam es zu gewalttätigen Protesten in der Region Terai. Die Sicherheitskräfte wendeten bei mehreren Zusammenstößen mit Protestierenden exzessive, unverhältnismäßige oder unnötige Gewalt an. Bis Oktober 2015 waren mehr als 50 Zivilpersonen und Polizeiangehörige bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen (AI 24.2.2016; vgl. BTI 2018). Von Ende August 2015 bis zum Frühjahr 2016 forderten Unruhen im westlichen Terai mehrere Todesopfer und Verletzte und es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.12.2017, AI 22.2.2018).

Im März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Madhesi und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Während der Untersuchung der Todesfälle wurden Beamte der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) in ihrem Fahrzeug von Anhängern jener Partei angegriffen, welche die Wahl boykottierten (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018

-

AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 6.3.2018

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 5.3.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.3.2018): Reiseinformation - Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2018

-

HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422530.html, Zugriff 5.3.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für Verschwindenlassen / verschwundene Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung hat das vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnete Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung nicht abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die TRC und die CIEDP über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte und Maoisten während des Konflikts von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Fähigkeit der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erbringen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 6.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).

Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 3.5.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl sich sowohl die Interimsverfassung von 2007 als auch die Verfassung von 2015 mit dem Thema Folter befassen, wird diese nicht explizit kriminalisiert und das Gesetz enthält keine klaren Leitlinien zur Bestrafung der Täter. Das Folter-Entschädigungs-Gesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor; das Opfer muss eine Beschwerde einbringen und den Fall vor Gericht verfolgen. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass Folteropfer wegen der Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und aus Angst vor Repressalien oft zögern, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Weiters wurden laut THRDA zahlreiche Folterfälle vom Gericht aufgrund fehlender glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Befunde, zurückgewiesen. In Fällen, in denen die Gerichte dem Opfer einen Schadenersatz zusprachen oder eine Disziplinarmaßnahme gegen die Polizei verordneten, wurden die Urteile nur selten umgesetzt. THRDA verzeichnet eine leichte Steigerung von Misshandlungen. In den ländlichen Teilen der Terai-Region ist gemäß NGO-Angaben keine Verbesserung bezüglich Polizeigewalt feststellbar. Berichten zufolge wird der Polizei im Distrikt Kailali willkürliche Verhaftung, Folter und andere Misshandlungen bzw. erzwungene Geständnisse im Zusammenhang mit der Tötung von Demonstranten und einem Kind in Tikapur im August 2015 vorgeworfen (USDOS 3.3.2017).

Während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter - etwa um Geständnisse zu erzwingen. Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden. Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 22.2.2018).

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass die Folterung von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.1.2017).

Gemäß dem Folterbericht von AF waren 17,2% der 1.212 befragten Insassen im Jahr 2015 und 16,2% im Jahr 2014, einer körperlichen Misshandlung ausgesetzt. Der gleiche Bericht weist auf einen leicht erhöhten Anstieg der Folterfälle unter Häftlingen indigener Gruppen hin. Laut der Menschenrechtskommission der Nepal Police (NP) wurde der Großteil der angeblichen Vorfälle nicht offiziell angezeigt oder formell untersucht. Bis August 2016 besuchte die Menschenrechtskommission der NP sieben Haftanstalten in vier Distrikten, und befragte die Häftlinge über die Behandlung in der Haft (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018

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FH - Freedom House (27.1.2017): Freedom in the World 2016 - Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/327723/468405_de.html, Zugriff 21.3.2018

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2017

Korruption

Das Verwaltungssystem ist marode, voller Korruption und dringend reformbedürftig (BTI 2018). Korruption bleibt auf allen Ebenen der Verwaltung ein Problem (USDOS 3.3.2017).

Wie in den meisten südasiatischen Ländern deuten verschiedene Indikatoren auf eine schwache Leistungsfähigkeit des Staates hin. Während die Verwaltungsstruktur des Staates über die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung hinausgeht, ist die schwache Verwaltung nicht in der Lage, allen Bürgern einen gerechten Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu gewähren. Gerade im ländlichen Raum ist die Infrastruktur zu schwach, um eine solide administrative Basis für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen (BTI 2018).

Obwohl das Gesetz Strafen für Behördenkorruption vorsieht, gibt es weiterhin Berichte darüber, dass korrupte Praktiken ungestraft ausgeübt werden. Es gibt zahlreiche Meldungen über korrupte Handlungen auf allen Regierungsebenen, in politischen Parteien und parteinahen Organisationen. Auch die Gerichtsbarkeit ist von Bestechungen betroffen. Korruption und Straflosigkeit stellen auch innerhalb der Polizei weiterhin ein Problem dar, vor allem in den unteren Rängen (USDOS 3.3.2017).

Nepal liegt im 2017 Corruption Perceptions Index von Transparency

International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly

corrupt, 100=very clean) auf Platz 122 (von 176) (je höher, desto

schlechter) (TI 2018). 2016 lag das Land mit Bewertung 29 auf Platz 131 (von 180) (TI 2016).

Quellen:

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BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

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TI - Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 5.3.2018

-

TI - Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 5.3.2018

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

(...)

Allgemeine Menschenrechtslage

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017, AI 22.2.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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