TE Vfgh Erkenntnis 1997/2/25 B174/96

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Veröffentlicht am 25.02.1997
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides richtet, mangels Legitimation: insofern wurde der Berufung voll Rechnung getragen und der belastende Kostenspruch zur Gänze beseitigt. Die Beschwerdeführer sind somit insoweit nicht beschwert. Aufhebung des Bescheides hinsichtlich Spruchpunkt 1 und 3 infolge Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir GVG 1993 mit E v 10.12.96, G84/96 ua (Quasianlaßfall). Kostenzuspruch: bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführer überwiegend, aber nicht in vollem Umfange erfolgreich waren.

Spruch

I.1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides richtet, zurückgewiesen.

2. Der Antrag, die Beschwerde insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, wird abgewiesen.

II. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte 1 und 3 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 12.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung wurde die Berufung der Beschwerdeführer vom 24. Jänner 1995 gegen einen gemäß §33 des Gesetzes vom 7. Juli 1993 über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz), LGBl. für Tirol 82/1993 (im folgenden: TGVG 1993), ergangenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen, während der Berufung vom 20. Jänner 1995 gegen den Kostenspruch dieses Bescheides Folge gegeben und der Kostenspruch ersatzlos behoben wurde. Weiters wurde besagter Bescheid gemäß §68 Abs4 Z1 AVG für nichtig erklärt, weil er nicht von der nach dem TGVG 1993 zuständigen Behörde erlassen worden sei.

2. In ihrer dagegen gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt und begehren die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides "seinem gesamten Umfange nach".

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2 wendet, nicht zulässig. Denn insofern wurde der Berufung voll Rechnung getragen und der belastende Kostenspruch zur Gänze beseitigt. Die Beschwerdeführer sind somit nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 12044/1989, 12088/1989, 13435/1993) durch diesen Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides nicht beschwert, weshalb insoweit die Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen war.

2. Im übrigen ist die Beschwerde zulässig. Wenn auch durch Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides der bekämpfte Bescheid der ersten Instanz wegen deren Unzuständigkeit behoben wurde, kann die Beschwer nicht verneint werden, weil insoweit die - von den Beschwerdeführern bestrittene - Zuständigkeit einer anderen Behörde festgestellt wird.

B. In der Sache:

1. Mit amtswegigem Beschluß vom 28. Juni 1996, B1522/95, sowie auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit näher bezeichneter Bestimmungen des TGVG 1993 ein. Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, G84/96 ua., hat er ausgesprochen, daß das TGVG 1993 zur Gänze verfassungswidrig war.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G84/96 ua. begann am 28. November 1996. Die vorliegende Beschwerde ist bereits am 15. Jänner 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig.

Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides das als verfassungswidrig befundene TGVG 1993 an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführer durch die Spruchpunkte 1 und 3 des bekämpften Bescheides wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt wurden, sowie daß der Bescheid insoweit aufgehoben wird (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 14.6.1994, B376/94, 27.11.1995, B314/95).

5. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, falls "der Verfassungsgerichtshof dieser Beschwerde keine Folge geben oder sie überhaupt zurückweisen würde", war abzuweisen: Denn eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist zufolge der Bestimmung des Art133 Z4 B-VG nicht gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - in oberster Instanz eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne dieser Verfassungsbestimmung entscheidet und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (durch Landesgesetz) ausdrücklich für zulässig erklärt ist (vgl. VfSlg. 13403/1993). Im übrigen käme eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht.

III. 1. Die Kostenentscheidung

beruht auf §88 VerfGG; dabei war zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführer zwar überwiegend, aber nicht in vollem Umfange erfolgreich waren. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 2.000,-- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite und §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Bescheid Trennbarkeit, VfGH / Kosten VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B174.1996

Dokumentnummer

JFT_10029775_96B00174_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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