Entscheidungsdatum
17.12.2018Norm
BBG §42Spruch
L503 2207961-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Ing. WEISS über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , vom 06.08.2018 gegen die nicht erfolgte Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, beschlossen:
A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG mangels Vorliegens eines Bescheides, gegen den sie sich richtet, als unzulässig zurückgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") beantragte am 9.5.2018 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: "SMS") die Ausstellung eines Behindertenpasses, wobei sie im Antragsformular anmerkte, dass ihr bisheriger Behindertenpass bis 31.5.2018 befristet sei.
Im Antragsformular führte die BF ihre Gesundheitsschädigungen an; die Rubrik "Sollte die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertigen, beantrage ich die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass" ließ die BF leer.
2. Am 25.6.2018 wurde die BF von Dr. G. P., einem Arzt für Allgemeinmedizin, untersucht, der der BF mit Gutachten vom 10.7.2018 einen Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 50 v. H. attestierte.
3. Mit Schreiben vom 25.7.2018 teilte das SMS der BF mit, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50% festgestellt worden sei.
Die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen würden vorliegen:
-
"Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese"
-
"Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs.1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor"
Der Behindertenpass im Scheckkartenformat werde ihr in den nächsten Tagen übermittelt.
4. Mit Schreiben vom 27.7.2018 übermittelte das SMS der BF den Behindertenpass und erteilte eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung (Beschwerdemöglichkeit gegen den Behindertenpass).
5. Mit Schreiben vom 6.8.2018 erhob die BF - vertreten durch ihre Tochter - "Berufung bzw. Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice - Zustellung des Behindertenpasses vom 31.7.2018."
Darin wendet sich die BF gegen die "Ablehnung" der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und tritt auch dem dafür ausschlaggebenden Gutachten von Dr. G. P. vom 10.7.2018 insofern entgegen, als sie wesentlich weniger mobil sei als im Gutachten angenommen; sie benötige für alltägliche Dinge wie Einkaufen das Auto; "ohne Auto geht leider gar nichts mehr". Abschließend führte die BF aus, es sei ihr "unvorstellbar, dass der Punkt ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung' wieder nicht bewilligt wurde; sie ersuche um nochmalige Prüfung und hoffe auf einen positiven Ausgang.
6. In weiterer Folge wurde die BF am 20.9.2018 von Dr. E. F., einem Arzt für Allgemeinmedizin, untersucht, und wurde im daraufhin erstellten Gutachten vom 15.10.2018 eingangs betont, dass dieses Gutachten aufgrund eines Einspruches gegen das Letztgutachten bezüglich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erstellt werde. Im Gutachten wurden sodann unter anderem nähere Ausführungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch die BF getroffen.
7. Am 19.10.2018 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb der diesbezüglichen Frist nicht möglich gewesen sei.
8. Mit Schreiben vom 29.11.2018 ersuchte das BVwG das SMS um Mitteilung, ob die BF im gegenständlichen Verfahren jemals einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gestellt hatte - im Antragsformular vom 9.5.2018 sei die entsprechende Rubrik ja leer gelassen worden - und bejahendenfalls, ob es einen Bescheid betreffend die Abweisung dieses Antrages der BF gibt, zumal dem Akt ein derartiger Bescheid ebenso wenig zu entnehmen sei.
9. Mit Schreiben vom 30.11.2018 teilte das SMS dem BVwG mit, dass die BF im gegenständlichen Verfahren keinen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gestellt habe. Folglich liege diesbezüglich auch kein Bescheid vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Am 9.5.2018 beantragte die BF die Ausstellung eines Behindertenpasses; die Rubrik "Sollte die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertigen, beantrage ich die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass" ließ die BF leer.
Mit Schreiben vom 27.7.2018 übermittelte das SMS der BF den Behindertenpass (Grad der Behinderung: 50 v. H.; Zusatzeintragungen:
"Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese"; "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs.1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor").
1.2. Mit Schreiben vom 6.8.2018 erhob die BF "Beschwerde" (ausschließlich) gegen die nicht erfolgte Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
1.3. Seitens des SMS wurde daraufhin ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt und wurde der Akt sodann dem BVwG - zumal die (hypothetische) Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgelaufen sei - vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus dem Verwaltungsakt.
Zur Feststellung, wonach sich die "Beschwerde" der BF (welche die
Tochter der BF in deren Vertretung verfasst hatte) ausschließlich
gegen die nicht erfolgte Vornahme der Zusatzeintragung richtet, ist
ergänzend anzumerken, dass die BF darin zwar auch dem Gutachten von
Dr. G. P. entgegentritt, allerdings geht aus dem gesamten Inhalt der
"Beschwerde" unzweifelhaft hervor, dass sich ihre Einwände
ausschließlich gegen die vom Gutachter festgestellte Zumutbarkeit
der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel richten (arg. die BF ihrer
"Beschwerde": "Es ist unrichtig, dass meine Mutter ohne Hilfsmittel
gehen kann. Sie braucht immer zumindest eine Krücke, meistens aber
beide Krücken, hat große Schmerzen - vor allem bei Belastung - und
ist gott sei Dank immer mit dem Auto gefahren. Das ist das einzige
Transportmittel, das meine Mutter noch nutzen kann. ... Weiters kann
meine Mutter - die alleine lebt - nichts tragen, soll nichts heben
und bedingt durch die Krücken keinen Einkauf schleppen. Sie benötigt
für diese Dinge vor allem das Auto - ohne Auto geht leider gar
nichts mehr!! ... Bei der Anführung all dieser Punkte, ist es mir
daher unvorstellbar, dass der Punkt ‚Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel' wg. Dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung wieder nicht bewilligt wurde.")
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheids
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Hier relevante Bestimmungen des BBG:
§ 45 BBG lautet auszugsweise:
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
[...]
3.3. Konkret: Zur Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheids
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben wird, das Verfahren eingestellt oder der Pass eingezogen wird. Wie bereits ausgeführt, wurde der BF am 27.7.2018 ein Behindertenpass ausgestellt, mit dem ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 v. H. festgestellt wurde. Diesem Behindertenpass kommt zwar Bescheidcharakter zu.
Allerdings beantragte die BF erstmals im Rahmen ihrer "Beschwerde" die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel". Das SMS hat bis dato noch keine Entscheidung über diese Zusatzeintragung getroffen, somit einen derartigen Antrag auch nicht abgewiesen.
Das BVwG kann daher über eine Beschwerde wegen der Nichtgewährung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" keine Entscheidung treffen, sondern wäre allenfalls im Fall einer Nichtstattgebung dieses Antrages in zweiter Instanz zur Entscheidung zuständig.
Somit ist die Beschwerde der BF gegen die nicht erfolgte Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass spruchgemäß mangels Vorliegens eines Bescheides, gegen den sie sich richtet, als unzulässig zurückzuweisen.
Der Vollständigkeit halber sei aber darauf hingewiesen, dass im zuletzt vom SMS eingeholten Gutachten von Dr. E. F. vom 15.10.2018
ausgeführt wird, dass "eine kurze Wegstrecke ... aus eigener Kraft
... nur mit Unterarmstützkrücken und 2 Pausen zurückgelegt werden [kann]. Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Stand und Platzwechsel in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind infolge der Verwendung der Unterarmstützkrücken erheblich erschwert." Dies legt nahe, dass der BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar ist und sie Anspruch auf die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung hat.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die hier relevante Frage betreffend das Vorliegen eines Bescheids besteht eine klare Rechtslage und eine einheitliche Rechtsprechung des VwGH, auf die sich die gegenständliche Entscheidung maßgeblich stützt.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Schlagworte
Bescheid, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L503.2207961.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2019