TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/22 W164 2106718-4

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Veröffentlicht am 22.01.2019
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Entscheidungsdatum

22.01.2019

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W164 2106718-4/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Caritas der Erzdiözese Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 22.10.2018, Zl. 831824308/171031114 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird in Abänderung sämtlicher Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides festgestellt:

I. Gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG ist eine Rückkehrentscheidung gegen

XXXX auf Dauer unzulässig.

II. XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 und Abs 2 iVm § 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 11.12.2013 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Diesen Antrag hat das BFA mit Bescheid vom 08.04.2015, Zl. 831824308/1767822, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen. Gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz BGBl I Nr 87/2012 (BFA-VG) odgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl Nr 100/2005 (FPG) idgF erlassen. Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei.

Der BF erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht wies diese Beschwerde mit Erkenntnis W159 2106718-1/29E vom 19.01.2017 gemäß §§ 3 Absatz 1 und 8 Absatz 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 55 Asylgesetz 2005 idgF in Verbindung mit § 9 BFA-VG § 52 Absatz 2 Z2 FPG, § 52 Absatz 9 FPG, § 46 FPG und § 55 Absatz 1 bis 3 FPG als unbegründet ab.

Gegen diese Entscheidung hat der BF Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Zl. E 492/2017-2) erhoben. Das diesbezügliche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof ist noch nicht abgeschlossen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.01.2017 ist formell rechtskräftig.

Am 06.09.2017 brachte der BF beim BFA einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein und brachte vor, er habe Österreich im April 2017 verlassen, sei in die Ukraine gereist und sei im September 2017 neuerlich nach Österreich eingereist. Seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren seien aufrecht. Sie hätten sich in den letzten vier Jahren aber verschlimmert: Der BF habe mittlerweile viele Jahre außerhalb Afghanistans verbracht und würde dort nicht mehr akzeptiert werden. Man würde in Afghanistan davon ausgehen, dass der BF in Österreich Alkohol getrunken und mit Frauen geschlafen hätte.

Anlässlich einer beim BFA im Beisein einer Dolmetscherin durchgeführten niederschriftlichen Befragung vom 12.09.2017 gab der BF an, die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren würden weiterhin bestehen. Sein Leben sei in Gefahr. Der BF habe keine neuen Fluchtgründe. Den neuerlichen Asylantrag habe er wegen seiner Frau, XXXX , gestellt, die ein Kind erwarte. Diese sei asylberechtigt. Sie lebe nicht mit dem BF im gemeinsamen Haushalt sondern lebe noch bei ihrer Familie. Der BF habe sie im November 2015 kennengelernt und am 05. Oder 06. Oktober 2016 in Wien nach islamischem Recht geheiratet. Er werde von der Familie seiner Frau finanziell unterstützt. Der BF habe einen Deutschkurs A2 abgeschlossen. Das Zeugnis habe seine Frau.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 12.09.2017 hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz betreffend den BF auf. Das BVwG hat mit Beschluss W269 2106718-2/4E dessen Rechtmäßigkeit festgestellt.

Das BFA wies den genannten Antrag vom 06.09.2017 mit Bescheid Zl. 831824308/171031114 vom 13.01.2018 gemäß § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl Nr 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II., erster Satz). Gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Gem § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II., zweiter und dritter Satz). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. wurde ausgeführt, es hätten sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise ergeben, dass durch eine Außerlandesbringung des BF in unzulässiger Weise in das im Sinne des Art 8 EMRK gewährleistete Recht des BF auf Achtung des Privatlebens eingegriffen würde. Insbesondere vermöge die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet kein im Sinne des Art 8 EMRK relevantes Recht auf Achtung des Privatlebens zu begründen. Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin nicht im gemeinsamen Haushalt. Die Beziehung zu ihr sei er in einem Zeitpunkt eingegangen, als ihm schon bewusst sein hätte müssen, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich nicht von Dauer sein könne, zumal zu diesem Zeitpunkt bereits ein negativer Bescheid erster Instanz vorgelegen sei. Die Außerlandesbringung stelle insgesamt keinen Eingriff in das in Art 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens dar. Die Rückkehrentscheidung sei auch als verhältnismäßig iSd Art 8 EMRK anzusehen. Die Rückkehrentscheidung sei somit gem. § 9 Abs 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei. Ein Aufenthaltstitel gem. §§ 55 bis 57 AsylG werde nicht erteilt. Der Rückkehrentscheidung stehe auch § 50 Abs 1 FPG nicht entgegen, da im Fall einer Abschiebung des BF nach Afghanistan Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe nicht verletzt würde und die Abschiebung für den BF nicht mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Die Flüchtlingseigenschaft des BF sei zu verneinen. Eine vorläufige Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei im Fall des BF nicht empfohlen worden. Im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen sei die Abschiebung des BF zulässig. Der BF sei mit dem Zeitpunkt der Durchführbarkeit dieser Rückkehrentscheidung zur unverzüglichen freiwilligen Ausreise verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich aufzuheben. Es wurde unrichtige rechtliche Beurteilung aufgrund eines Feststellungs- und Begründungsmangels sowie unschlüssige Beweiswürdigung geltend gemacht.

Zur Begründung wurde hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. auf die Eheschließung und die Schwangerschaft der Lebensgefährtin des BF verwiesen. Es sei nicht auf die rechtliche Gültigkeit der Ehe abzustellen, sondern darauf, dass bereits eine sexuelle Gemeinschaft bestehe. Die häusliche Gemeinschaft werde angestrebt, könne aber derzeit "aus Gründen des Anstandes und des Schutzes der Frau gegenüber ihren Eltern" nur bedingt eingegangen werden. Die Deportation des BF in seine Heimat würde zu einem nicht wieder gut zumachenden Schaden für seine Frau und deren Familie führen, wobei deren Chancen auf eine Wiederverheiratung entsprechend den afghanischen ‚moralischen' und gesellschaftlichen Vorstellungen praktisch null wären. Die belangte Behörde hätte aus dem Umstand, dass die Fluchtvorbringen des BF im vergangenen Verfahren als unglaubwürdig beurteilt wurden, nicht ohne weiteres auf dessen Unglaubwürdigkeit im aktuellen Verfahren schließen dürfen. Unzulässiger Weise habe die Behörde Teile des Vorbringens des BF ignoriert. Der BF habe Dokumente zum Beweis seines ernsten Bemühens um Integration und Sprachzeugnisse vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 18.04.2018, W164 2106718-3/4E, über die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 13.01.2018, Zl. 831824308/171031114 hinsichtlich Spruchpunkt I. sowie Spruchpunkt II, erster Satz gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt II., zweiter und dritter Satz, sowie Spruchpunkt III. hat das BVwG den angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Zur Begründung der Zurückverweisung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, der strafrechtlich unbescholtene BF habe in seiner Beschwerde konkret vorgebracht, dass er mit seiner (nach österreichischem Recht als Lebensgefährtin zu beurteilenden) Frau, die in Österreich asylberechtigt sei und die er in Österreich im Oktober 2016 nach islamischem Ritus geheiratet habe, nun ein gemeinsames Kind erwarte. Die belangte Behörde habe dieses Vorbringen ohne Weiteres als nicht relevant erachtet, da der BF nicht mit Frau XXXX (im folgenden mitbeteiligte Partei, =MB) im gleichen Haushalt lebe und da der BF die MB zu einem Zeitpunkt geheiratet habe, zu dem ihm sein unsicherer Status bereits hätte bewusst gewesen sein müssen. Dem sei zu entgegnen, dass der BF seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz bereits am 11.12.2013 gestellt habe. Der über diesen Antrag ergangene erstinstanzliche Bescheid des BFA sei mit 08.04.2015 datiert. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die vom BF gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde sei am 19.01.2017 erfolgt, also mehr als vier Jahre nach dem vom BF gestellten Erstantrag auf internationalen Schutz. Die sich daraus ergebende erhebliche Aufenthaltsdauer des BF in Österreich sei somit den österreichischen Behörden und Gerichten zuzuschreiben. Der BF habe gemäß seinen Vorbringen auch nicht etwa nach seiner rechtskräftigen Ausweisung durch neuerliche Einreise und einen Folgeantrag eine fortgesetzte Aufenthaltsdauer im Inland erwirkt und diese zur Begründung einer familiären Beziehung genutzt (vgl. VwGH 2011/23/0677 vom 22.11.2012). Vielmehr habe der BF in der von ihm angegebenen Zeit der Anbahnung seiner familiären Bindung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über seine Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid des BFA vom 08.04.2015 abzuwarten gehabt. Auch die nach islamischem Ritus in Österreich erfolgte Heirat (Oktober 2016) habe gemäß den Angaben des BF vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.01.2017 stattgefunden. Angesichts dieser Vorbringen dürfe nicht ohne weiteres aus dem unsicheren Aufenthaltsstatus des BF während des - ohne sein Zutun - mehrere Jahre dauernden Asylverfahrens auf das Fehlen eines schutzwürdigen Privat- und Familienlebens geschlossen werden. Soweit der BF vorgebracht habe, dass er mit seiner Lebensgefährtin nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, so sei dieser Umstand zwar grundsätzlich geeignet, Zweifel am Bestehen eines de facto Familienlebens zu begründen. Gleichzeitig müsse aber im Einzelfall - wie hier: der BF bringe diesbezüglich nämlich in seiner Beschwerde eine Begründung vor, die zu genauer hinterfragen wäre - in Erwägung gezogen werden, dass das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts Gründe gehabt haben könnte, die mit einer tatsächlich bestehenden engen familiären Beziehung (dem entscheiden Kriterium für das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens) nicht zwingend in Zusammenhang stehen. § 9 Abs 2 BFA-VG ordne nicht ausdrücklich das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes als zu gewichtendes Kriterium an, sondern das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens. Im vorliegenden Fall wäre daher das vom BF vorgebrachte Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes und dessen Gründe in eine weitergehende Beweiswürdigung einzubeziehen gewesen. Nach den Gründen für das Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes habe das BFA aber nicht gefragt. Beweise darüber, ob der BF die MB 2015 kennengelernt und im Oktober 2016 in Österreich nach islamischem Ritus geheiratet hat, ob er mit ihr ein gemeinsames Kind erwartete bzw. ob dieses zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung schon geboren war, weiters ob die MB afghanische Staatsbürgerin und asylberechtigt sei, habe die belangte Behörde aber im bisherigen Verfahren nicht einmal angefordert. Die diesbezüglich vom BF gemachten Vorbringen wären aber zu prüfen und in die Gesamtabwägung einzubeziehen gewesen.

Im fortgesetzten Verfahren hat das BFA am 09.10.2018 die MB vernommen. Diese legte eine Heiratsurkunde nach islamischem Recht (Eheschließung am 05.10.2016), einen Ehevertrag sowie eine Geburtsurkunde der am XXXX geborenen Tochter XXXX vor und gab an, sie habe den BF im Jahre 2016 nach islamischem Recht in Wien geheiratet. Kennengelernt habe sie ihn im Jahr 2014 in Mürzsteg. Der BF sei dann in Graz in einer Asylunterkunft untergebracht gewesen. Die MB sei mit ihrer Familie nach Erhalt eines positiven Asylbescheides nach Wien gezogen. Auf der Geburtsurkunde der gemeinsamen Tochter, die vorgelegt wurde, sei der BF nicht als Vater eingetragen worden, da er bei deren Ausstellung nicht anwesend gewesen sei. Mit dem BF telefoniere die MB manchmal. Alimente bekomme sie keine. Derzeit wohne sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in einer Wohnung. Einer Beschäftigung gehe sie derzeit nicht nach. Sie sei in Karenz.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 22.10.2018, Zl. 831824308/171031114, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gem § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Zur Begründung führte das BFA aus, der BF habe in Österreich eine Lebensgefährtin, die mittlerweile eine Tochter zur Welt gebracht habe. Der BF lebe mit dieser aber nicht im gemeinsamen Haushalt. Der BF sei gesund. Er sei in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen.

Eine Rückkehrentscheidung sei nur dann auf Dauer unzulässig, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat-und Familienlebens auf Umständen beruhen würde, die ihren Wesen nach nicht bloß vorübergehend wären. Der BF habe mit der MB nie im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er sei die Beziehung zur MB zu einem Zeitpunkt eingegangen, in dem ihm sein unsicherer Asylstatus in Österreich bereits bekannt gewesen sein hätten müssen. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens sei sein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 5.10.2016 hätte dem BF und der MB angesichts des ungewissen Ausgangs des den BF betreffenden Asylverfahrens der unsicheren Aufenthaltsstatus "mehr als nur bewusst" sein müssen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe eine rechtskräftige Ausweisungsentscheidung bestanden. Die Geburt eines Kindes ändere nichts daran, dass eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung des von Art. 8 EMRK bedeuten würde. Soweit der BF angegeben habe, dass die MB für seinen Lebensunterhalt aufkomme sei, anzumerken, dass dieser auch bei einem Aufenthalt des BF in seinem Heimatland gewährt werden könne. Der BF verfüge zwar in Österreich über ein beachtliches Familien-und Privatleben. Dieses sei jedoch dadurch zu seinen Ungunsten beeinträchtigt, als er nicht selbsterhaltungsfähig sei. Sein Familien-und Privatleben sei weiters ausschließlich auf der Grundlage seines unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden. Der BF habe von vornherein nicht davon ausgehen können, dass ihm ein auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommen würde. Der Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien-und Privatlebens sei angesichts der aufgelisteten Faktoren gerechtfertigt. Als Lebensgefährte einer in Österreich Asylberechtigten mit einem gemeinsamen Kind habe der BF die Möglichkeit, vom Ausland aus einen Antrag auf ein Aufenthaltsrecht zu stellen. Ihm sei zumutbar, ein derartiges Verfahren und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten. Die Beziehung zur MB habe kurz gedauert. Die festgestellten gegenseitigen Abhängigkeiten seien nicht geeignet, einen derart hohen Stellenwert zu erreichen, der im Vergleich zum öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens eine Ausweisung als unzulässig erscheinen ließen. Die Ausweisung sei daher zulässig und gerechtfertigt. Im Fall des BF sei zwar ein Familien-und Privatleben in Österreich vorhanden. Dieses könne jedoch nicht als fest verankert mit gleichzeitiger Entfremdung von Heimatland bezeichnet werden. Der BF verfüge insbesondere auch noch über ausreichende familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in seinem Heimatland, insbesondere seien dort seine Eltern und Geschwister aufhältig. Der BF würde nach wie vor die in seinem Heimatland gesprochenen Sprachen besser als Deutsch sprechen, dies ergebe sich schon allein daraus, dass die Einvernahmen bzw. Befragungen im Asylverfahren nur unter Beiziehung von geeigneten Dolmetschern möglich gewesen seien. Alle vom BF gesetzten Integrationsschritte sein unter diesem Aspekt in ihrem Gewicht maßgeblich zu reduzieren. Der BF sei illegal nach Österreich eingereist. Er habe zum Zeitpunkt seiner (Anmerkung: neuerlichen) Einreise nach Österreich vernünftigerweise nicht erwarten können, sein Familien-oder Privatleben in Österreich weiterzuführen. Der bisherige Aufenthalt des BF sei nicht aufgrund einer den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerung begründet. Der BF sei nicht selbsterhaltungsfähig. Im Fall des BF sei weiters davon auszugehen, dass er auch die Möglichkeit habe, sich im Heimatland ein relevantes Familien und oder Privatleben aufzubauen. Der BF befinde sich in einem anpassungsfähigen Alter. Es würde im Heimatland keine Sprachbarriere bestehen. Der BF sei mit den Lebensgewohnheiten seines Heimatlandes vertraut. Nach einer üblichen Anpassungsphase sollte es dem BF möglich sein, sich in die Lebensgewohnheiten und Lebensverhältnisse in seinem Heimatland wieder einzufinden. Dem BF stehe die Möglichkeit offen, von seinem Heimatland aus eine Familienzusammenführung mit der in Österreich aufhältigen MB zu betreiben. Eine damit verbundene Wartezeit sei ihm und der MB angesichts des gesamten festgestellten Sachverhalts zumutbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige und zulässige Beschwerde, mit der vorgebracht wird, der BF habe die MB schon 2014 kennengelernt. Bis 2015 hätten beide in der Steiermark im Rahmen der Grundversorgung gelebt. Nachdem der MB und ihrer Familie der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, seien diese nach Wien gezogen. Die MB habe anfangs bei ihrer Freundin gewohnt. Der BF habe sie in dieser Zeit jedenfalls mehrere Tage im Monat in Wien besucht. Er habe schon in seiner Verhandlung vom 25.5.2016 angegeben, dass er eine afghanische Freundin habe. Am 5.10.2016 hätten beide traditionell aus Liebe geheiratet. Von Anfang 2017 bis zur Ausreise des BF hätten sich die MB und er beinahe täglich gesehen. Jedoch habe die Wohnsituation keinen gemeinsamen Haushalt zugelassen.

Die MB sei zu ihren Familienangehörigen gezogen, nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren habe. Im Rahmen der Antragstellung sei über den BF die Schubhaft verhängt worden. Nachdem der BF in der Ukraine erfahren habe, dass die MB von ihm ein Kind erwarte, sei er wieder ins Bundesgebiet eingereist und habe einen neuerlichen Asylantrag gestellt. Trotz ihrer Schwangerschaft habe die MB den BF während seiner Anhaltung an jedem der möglichen Besuchstage bis zu seiner Abschiebung am 11.10.2017 besucht. Seit der Abschiebung seien beide beinahe täglich telefonisch oder über Videotelefonie in Kontakt. Die MB lasse dem BF Fotos von seiner am 4.2.2018 geborenen Tochter über WhatsApp zukommen. Verwiesen wurde auf das gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familienleben zwischen Eltern und Kind. Das BFA wäre an die vom Bundesverwaltungsgericht in Erkenntnisweg W164 2106718-3/4E geäußerte Rechtsansicht gebunden gewesen. Es habe diese Bindungswirkung nicht beachtet.

Am 21.12.2018 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der die MB im Beisein ihrer Rechtsvertretung teilnahm. Auch ein Vertreter des BFA hat an der Verhandlung teilgenommen. Die MB machte die folgenden Angaben:

Befragt, wie Sie den BF kennengelernt habe gab diese an, sie seien beide in einer Asylwerberunterkunft in Mürzsteg in der Steiermark untergebracht gewesen. In diesem Ort habe es mehrere Heime gegeben. Sie hätten gemeinsam einen Kurs besucht im Jahr 2014. Die MB sei sich sicher, dass sie den BF bereits 2014 kennengelernt habe: Dies könne sie daran festmachen, dass sie im April 2015 bereits ihren positiven Asylbescheid erhalten habe. Der BF sei damals in Graz gewesen. Er sei nur wenige Monate in Mürzsteg untergebracht gewesen. Der Vertreter des BFA bestätigte dass der Asylbescheid für die MB das Datum 22.4.2015 aufweise. Die MB gab weiter an, ihre Familie bestehe aus ihrer Mutter, einen Bruder, einer Schwester und der BF selbst. Der Vater sei in Afghanistan. Die Familie der BF sei im September 2015 nach Wien gezogen, da es am Land kaum Möglichkeiten für Bildung, Schule und Kurse gegeben habe. Befragt ob sie lieber beim BF in der Steiermark geblieben wäre, gab die MB an, der BF habe damals nicht mehr in Mürzsteg gelebt, habe die MB aber oft dort besucht. Er habe eine weiße Karte gehabt. Wäre ihm Asyl gewährt worden, so wäre auch er nach Wien gekommen. Befragt ob die MB überlegt hätte, gemeinsam mit dem BF in der Steiermark zu leben, verneinte diese: es wäre nicht "erlaubt" gewesen, zusammenzuleben ohne verheiratet zu sein. Der BF habe noch keinen positiven Bescheid gehabt. Die Mutter der MB sei bestrebt gewesen, der MB eine sichere Zukunft zu gewähren. Mit dem BF habe die MB dann telefoniert und sie hätten auf seinen positiven Bescheid gewartet. Sie hätten geplant, dass auch er dann nach Wien ziehen würde und sie hätten heiraten wollen. Sie hätten beide damals nicht gewusst, dass der BF auch mit seiner weißen Karte von einem Bundesland in ein anderes hätte ziehen können. Das habe die MB erst später erfahren. In Wien habe die MB zunächst bei einer Freundin gewohnt. Befragt nach dem Grund gab sie an, sie habe private Probleme mit ihrer Mutter gehabt. Diese habe nicht wollen, dass die MB sich mit dem BF treffe. Die Mutter habe damit ein Problem gehabt, dass der BF keine Dokumente hatte. Die Wohnung, welche die MB bewohnte habe 75 m² gehabt. Die MB habe dort mit ihrer Schwester in einem Zimmer gewohnt. In dieser Wohnung hätten noch viele weitere Personen gewohnt. Finanziert hätten sie die Wohnung mit der Mindestsicherung. Der BF sei die MB nicht in der Wohnung besuchen gekommen. Sie hätten sich draußen getroffen, seien spazieren gegangen oder Kaffee trinken. Der BF sei etwa zwei bis dreimal im Monat nach Wien gekommen. Manchmal auch erst nach einem Monat oder nach zwei Monaten. Es sei für ihn schwierig gewesen, Tickets zukaufen. Diese wären teuer gewesen. Der BF habe dann bei seinen Freunden übernachtet. Mit der MB habe er sich untertags getroffen. Manchmal sei er für einen Tag geblieben manchmal für mehrere Tage, manchmal auch für eine Woche. Die MB habe damals den B1 Kurs besucht und danach den Schulabschluss an der Volkshochschule. Nun sei sie im Gymnasien im vierte Semester. In Afghanistan habe die MB keine Schule besuchen können. Im Oktober 2016 habe die MB den BF geheiratet. Damals habe sie schon in Wien gewohnt. Der BF habe dann im April 2017 Österreich verlassen. Die MB habe gewusst, dass das Asylverfahren des BF negativ ausgegangen war. Sie beide seien im Februar 2017 aufs Standesamt gegangen. Sie hätten aber keinen Termin bekommen. Es sei ihnen gesagt worden, dass es erst im Mai wieder Termine geben würde. Man habe auch Dokumente von ihnen verlangt. Der BF habe dann bis April 2017 Zeit gehabt, eine Beschwerde zu erheben. Er habe immer gehofft, dass alles noch gut wird. Es sei aber nicht gelungen. Als klar gewesen sei das der BF Österreich verlassen muss, habe er zur MB gesagt, dass er in ein anderes Land gehen würde, um dort eine positive Entscheidung zu erlangen; dann würden sie beide entweder in Österreich oder in einem anderen Land zusammenleben. Die MB habe nicht immer gewusst, wo sich der BF aufhielt. Sie habe damals nicht viel Kontakt zu ihm gehabt. Der BF habe auch finanzielle Probleme gehabt. Manchmal habe er ihr SMS geschickt, dass es ihm gut gehe - oder nicht gut gehe. So sei die MB einigermaßen beruhigt gewesen. Von ihrer Schwangerschaft habe die MB im Juni 2017 erfahren, nachdem sie beim Hausarzt gewesen sei dort einen Bluttest gemacht habe. Schon vorher habe sich erbrochen, habe aber nicht daran gedacht dass sie schwanger sein könnte. Sie habe damals viele Schularbeiten gehabt. Eine Woche nach dem Hausarztbesuch habe sie gewusst, dass sie -schon in einem fortgeschrittenen Monat- schwanger war. Es sei für sie dann schwierig gewesen, bei nicht zur Familie gehörenden Leuten zu wohnen also sei sie zu ihrer Mutter gezogen. Mit dem BF habe sie ein paar Wochen später gesprochen, als er online war. Der BF habe versprochen, nach Österreich zu kommen. Als er in Wien ankam, seien sie gemeinsam zum BFA am Hernalser Gürtel gegangen. Dort sei der BF befragt worden und die MB habe draußen gewartet. Nach ein paar Stunden sein zwei Männer gekommen und hätten zu ihr gesagt, dass sie schon gehen könne. MB habe daheim mit ihrer Mutter bis zum nächsten Tag gewartet dann habe der BF telefonisch mitgeteilt, dass er in Schubhaft sei. Etwa ein Monat habe sich der BF in Schubhaft befunden. Am 11. Oktober 2017 sei er abgeschoben worden. Die MB habe derzeit Kontakt mit den BF. Dieser halte sich in Afghanistan, Kabul, auf. Bezüglich ihrer gemeinsamen Pläne hätten sie besprochen, dass er nach Österreich kommen wolle. Beide würden planen, eine eigene Wohnung zu haben. Die MB plane, eine Lehre zu suchen oder wenn das nicht gehe, eine Teilzeitarbeit. Vollzeit könne sie derzeit wegen der Schule nicht arbeiten. Die MB plane, die Matura nachzuholen und Medizin zu studieren. Sie habe auch mit dem BF besprochen, was dieser plane. Dieser plane, in Österreich die Sprache zu lernen und zu arbeiten. Der BF habe in Afghanistan die Matura gemacht und weitere Ausbildungen in Indien. In Österreich sei er beim Roten Kreuz ehrenamtlich tätig gewesen. Ihre Tochter möchte die MB im Kindergarten anmelden, sobald diese ein Jahr alt wird. Die MB wünsche sich, das auch ihre Tochter Ärztin wird. Jedoch sei das deren Entscheidung. Der BF sei der Vater ihrer Tochter und sehe ihr sehr ähnlich.

Vom BFA befragt, warum die MB anlässlich ihrer Einvernahme vom 14.4.2015 nicht angegeben habe, dass sie in einer Beziehung mit den BF stehe gab diese an, sie beide seien damals nicht verheiratet gewesen, sondern Freunde. Die MB habe diesem Umstand auch keine Bedeutung beigemessen, sie sei auch nicht gefragt worden, ob sie einen Freund oder eine Beziehung habe. Ihr Vertreter brachte ergänzend vor, dass der BF, wäre er während seines Asylverfahrens nach Wien gezogen, wohl die Grundversorgung verloren hätte.

Die Einvernahme der MB war überwiegend auf Deutsch durchgeführt worden. Die Dolmetscherin hatte nur bei Verständigungsschwierigkeiten ausgeholfen.

Der Vertreter des BF legte eine Kopie des Reisepasses des BF vor und verwies auf dessen darin aufscheinende Geburtsdatum XXXX . Das im bisherigen Verfahren angenommene Geburtsdatum habe auf ungenauen Quellen beruht. Der Vertreter des BF beantragte, Namen und Geburtsdatum entsprechend dem Reisepass in das weitere Verfahren aufzunehmen. Das BFA ersuchte um eine Frist bis 15.1.2019 zur allfälligen Stellungnahme zu diesem Thema. Damit konfrontiert, dass im Akt lediglich ein Nachweis über die Deutsch A1.2 Prüfung, nicht aber über A2 vorliege, stellte der Vertreter des BF in Aussicht, bei Vorliegen eines A2 Zeugnisses dieses nachzusenden.

Das BFA brachte keine weitere Stellungnahme ein.

Mit Stellungnahme vom 15.1.2019 brachte der Vertreter des BF vor, dass der BF keine Prüfung in Deutsch A2 absolviert habe. Dass er einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen sei, gehe auch bereits aus dem Verhandlungsprotokoll vom 25.5.2016 hervor. Die MB habe weiters dargelegt, dass eine enge familiäre Beziehung zum BF tatsächlich bestanden habe und das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts lediglich darin begründet gewesen sei, dass einerseits die Mutter der Beziehung zum Beschwerdeführer aufgrund dessen unsicheren Status nicht zugestimmt hatte, wobei auch die Wohnsituation ein gemeinsames Wohnen nicht zugelassen hätte, und der BF andererseits im Fall eines dauerhaften Umzugs nach Wien seine Grundversorgungsleistungen verloren hätte. Die Verhandlung sei in deutscher Sprache und im Wesentlichen ohne Beiziehung der bestellten Dolmetscherin durchgeführt worden. Es sei offensichtlich, dass es sich bei der MB um eine überaus selbstbestimmte Frau handle, die bestrebt sei, die ihr in Afghanistan verweigerte Schulbildung nachzuholen und sogar ein Medizinstudium sowie den Beruf einer Ärztin anstrbe. Die MB sei die Beziehung zum BF aus eigenem Entschluss eingegangen und habe diesen aus eigenem Entschluss geheiratet. Im Zusammenhang mit der Betreuung und Fürsorge der gemeinsamen Tochter liege auf der Hand, dass diese-insbesondere vor dem Hintergrund der Ambitionen der MB-besser durch zwei Elternteile als durch einen sichergestellt wäre. Bezüglich der übrigen Aspekte des Kindeswohls sowie generell zur Interessenabwägung sei auf die Beschwerdeausführungen zu verweisen. Es sei davon auszugehen, dass die Identität des BF im Rahmen des Abschiebeverfahrens nicht überprüft wurde. Der Vertreter der MB verwies auf ein im Akt ein liegendes Informationsschreiben zur Beschaffung von Heimreisezertifikaten ein. Um etwaige zukünftige Komplikationen hintanzuhalten werde daher beantragt, die Verfahrensidentität des BF entsprechend seinem in Afghanistan aufgrund seiner Tazkira ausgestellten Reisepass ( XXXX , geboren XXXX ) zu berichtigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der strafrechtlich unbescholtene BF stellte am 11.12.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Jahr 2014 lernte der BF die MB kennen, die damals ebenfalls Asylwerberin war, mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder im gleichen Ort in einer Asylunterkunft lebte, und den gleichen Sprachkurs wie der BF absolvierte. Der BF wurde ein paar Monate später nach Graz verlegt und besuchte die MB fortan regelmäßig. Mit Bescheid vom 08.04.2015, Zl. 831824308/1767822, hat das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Am 22.04.2015 erhielt die MB mit ihrer Familie einen positiven Asylbescheid. Die Familie der MB beschloss in der Folge, nach Wien zu ziehen, um bessere Fortbildungsmöglichkeiten zu erhalten. Die MB plante mit dem BF, dass er sie in Wien besuchen würde, bis sein Asylverfahren positiv erledigt sein würde und dass sie dann heiraten würden. Die Mutter stand - aus Sorge um die Zukunft ihrer Tochter - der Verbindung nun ablehnend gegenüber, da der BF über keinen sicheren Aufenthaltsstatus verfügte. Die Beziehung zwischen der MB und ihrer Mutter war nun konfliktbeladen. Die MB teilte sich in Wien eine Wohnung mit einer Freundin. Mit ihrer Schwester bewohnte sie gemeinsam ein Zimmer dieser Wohnung. Der BF - die beiden waren noch nicht verheiratet - besuchte die MB regelmäßig in Wien, traf sich mit der MB untertags, übernachtete aber bei Freunden. Im Oktober 2016 heirateten die MB und der BF nach islamischem Recht in Wien. Der BF wohnte danach weiterhin in Graz. Er bezog dort die Grundversorgung. Der BF engagierte sich ehrenamtlich beim Roten Kreuz. An Sprachkursen absolvierte er Deutsch A1.2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER). Mit Erkenntnis vom 19.01.2017, GZ W159 2106718-1/29E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BFA vom 08.04.2015, Zl. 831824308/1767822, ab. Im Februar 2017 beantragten die MB und der BF am Standesamt zu heiraten, jedoch ohne Erfolg. Der BF verließ Österreich im April 2017. Das Paar hielt Kontakt. Im Sommer 2017 erfuhr die MB, dass sie schwanger war. Sie zog nun zu ihrer Mutter. Den BF informierte sie ein paar Wochen später online. Dieser versprach, nach Österreich zu kommen. Im September 2017 trafen die MB und der BF in Wien zusammen und gingen gemeinsam in die Regionaldirektion Wien des BFA am Hernalsergürtel in Wien. Dort wurde der BF am 06.09.2017 erneut befragt und stellte einen neuen Asylantrag. Die MB wartete draußen und wurde nach einer Weile heimgeschickt. Der BF teilte am nächsten Tag telefonisch mit, dass er in Schubhaft genommen worden sei. Die MB besuchte den MB fortan regelmäßig in der Schubhaft. Durch Bescheid des BFA vom 12.09.2017, Zl. 831824308/171031114, wurde der faktische Abschiebeschutz des BF aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides durch Beschluss vom 18.09.2017, GZ W269 2106718-2/4E. Im Oktober 2017 wurde der BF nach Afghanistan abgeschoben. Mit Bescheid vom 13.01.2018 Zl. 831824308/171031114, wies das BFA den neuerlichen Antrag des BF auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und erließ eine Rückkehrentscheidung. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde, der das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss W164 2106718-3/3Z vom 05.03.2018 aufschiebende Wirkung zuerkannte. Mit Erkenntnis W164 2106718-3/4E vom 18.04.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich der darin ausgesprochenen Zurückweisung wegen entschiedener Sache ab. Hinsichtlich der gegen den BF ausgesprochenen Rückkehrentscheidung behob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid und verwies die Rechtssache an das BFA zurück. Am XXXX 2018 wurde die gemeinsame Tochter der MB und des BFgeboren. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 22.10.2018 831824308/171031114, erließ das BFA erneut eine Rückkehrentscheidung. Der BF erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde. Der BF befindet sich seit Oktober 2017 im Ausland. Er hält mit der MB und der gemeinsamen Tochter Kontakt über Telefon und Videotelefonie.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde und des BVwG, durch Einsichtnahme in das österreichische Strafregister sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2018. Die dort gemachten Angaben der MB erscheinen widerspruchsfrei und völlig unbedenklich. Sie waren der hier vorzunehmenden Beurteilung zugrunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2015/08/0082 vom 19.11.2015 klargestellt hat, ist auch eine Entscheidung, mit der ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird, mit einer (neuen) Rückkehrentscheidung iSd § 52 Abs 2 Z 2 FPG zu verbinden.

Zufolge § 9 Abs 1 und Abs 2 BFA-VG ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG dann, wenn diese in das Privat- und Familienrecht des Fremden eingreift, nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

-

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt

des Fremden rechtswidrig war,

-

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

-

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

-

der Grad der Integration,

-

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

-

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

-

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, -Fremden-

polizei- und Einwanderungsrechts,

-

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in

dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob

die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren

überlangen Verzögerungen begründet ist.

--------

Gemäß Art 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs (Abs 1).

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Abs 2).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des VfGH und des VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Gefordert ist eine Prüfung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs. Letztere beinhaltet eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und der öffentlichen Interessen. Verhältnismäßigkeit ist gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden kann. Wiegen die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, so spricht dies gegen die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. § 9 Abs 2 BFA-VG sieht Kriterien vor.

Mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts eines Fremden nimmt grundsätzlich das persönliche Interesse am Verbleib im Aufenthaltsstaat zu. Dabei ist auch wesentlich, ob der Fremde die Aufenthaltszeit dazu genutzt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren.

Der Begriff "Familienleben" gemäß § 8 EMRK besteht unabhängig vom nationalen Recht. Die Frage, ob ein "Familienleben" besteht, ist im Wesentlichen eine Frage der Tatsachen und hängt von der tatsächlich bestehenden familiären Bindung ab. Der Begriff "Familie bezieht sich nicht allein auf eheliche Verbindungen, sondern kann auch andere "de facto Familienbande mitumfassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR entsteht ein von Art 8 Abs 1 EGMR geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt. Diese besonders geschützte Bindung kann in der Folge nur durch außergewöhnliche Umstände als aufgelöst betrachtet werden.

Die Frage ob ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art 8 EMRK besteht, ist von den jeweils gegebenen Umständen und von der konkreten Lebenssituation abhängig. Es ist darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ob ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind.

Es ist ferner zu klären, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betreffenden Personen bewusst gewesen sein müssen, dass aufgrund des Aufenthaltsstatus eines Familienmitglieds der Fortbestand des Familienlebens im Aufenthaltsland von vornherein unsicher gewesen ist: Nach der Rechtsprechung des VwGH darf ein Fremder mit Blick auf unberechtigte Asylbegehren von Beginn an nicht darauf vertrauen, im Aufenthaltsstaat bleiben zu können. Eine erlangte Integration ist in ihrem Stellenwert dann zu relativieren, wenn die integrationsbegründenden Umstände während durch Aufenthalte erworben wurden, die sich nur auf wiederholte, letztlich nicht berechtigte Asylanträge gründen. Diese Rechtsprechung kann aber dann nur eingeschränkt angewendet werden, wenn die Dauer des Aufenthaltes im Inland wegen eines Organisationsverschuldens der inländischen Behörden und Gerichte besonders lange ist: Es liegt nämlich in der Verantwortung des Staates, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können. Die Frage, ob eine lange Verfahrensdauer dem Antragsteller oder den inländischen Behörden anzulasten ist, ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung iSd Art 8 Abs 2 EGMR mit einzubeziehen.

Zu klären ist ferner, ob das Familienleben im Herkunftsstaat des Betroffenen fortgesetzt werden kann, ob also die Familienangehörigen in der Lage sind, den Betroffenen in den Herkunftsstaat zu begleiten. Führt der Betroffene ein Familienleben mit einer asylberechtigten Person aus dem gleichen Herkunftsstaat, ist eine Begleitung in den Herkunftsstaat von vornherein ausgeschlossen. (vgl. Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, "Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA", Verlag Österreich, 2017, S 281 - 289 mit Verweisen auf Judikatur).

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Eine Trennung der Ehepartner ist nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" (vgl. VwGH Ra 2018/18/0026 vom 06.09.2018).

Eine Rückkehrentscheidung, die zwangsläufig zu einer Trennung eines Kleinkindes von Mutter oder Vater (die in Lebensgemeinschaft leben) führt, stellt in jedem Fall eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Kontakte der Mutter zu ihrem Lebensgefährten über Telefon oder E-Mail können das nicht wettmachen (vgl. VfGH 19.6.2015, E 426/2015, und VfGH 26.6.2018, E 1791/2018).

Beurteilung des konkreten Sachverhalts:

Der strafrechtlich unbescholtene BF ist mit der MB nach islamischem Recht verheiratet. Die Ehe wurde in Wien geschlossen. Die MB ist nach österreichischem Recht (IPR-Gesetz) als Lebensgefährtin des BF zu beurteilen. Die MB ist in Österreich asylberechtigt.

Wie bereits im Beschluss W164 2106718-3/4E vom 18.04.2018 ausgeführt wurde, hatte der BF seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz am 11.12.2013 gestellt. Der über diesen Antrag ergangene erstinstanzliche Bescheid des BFA ist mit 08.04.2015 datiert. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die vom BF gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erfolgte am 19.01.2017, also mehr als vier Jahre nach dem vom BF gestellten Erstantrag auf internationalen Schutz. Die sich daraus ergebende erhebliche Aufenthaltsdauer des BF in Österreich ist somit den österreichischen Behörden und Gerichten zuzuschreiben.

Der BF hat auch nicht etwa nach seiner rechtskräftigen Ausweisung durch neuerliche Einreise und einen Folgeantrag eine fortgesetzte Aufenthaltsdauer im Inland erwirkt und diese zur Begründung einer familiären Beziehung genutzt (vgl. VwGH 2011/23/0677 vom 22.11.2012). Vielmehr hat der BF die MB bereits vor Erhalt des erstinstanzlichen Bescheides vom 08.04.2015 kennen gelernt. In der darauffolgenden Zeit der Anbahnung und Pflege seiner familiären Bindung hatte der BF die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über seine Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid des BFA vom 08.04.2015 abzuwarten. Auch die nach islamischem Ritus in Österreich erfolgte Heirat fand vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.01.2017 statt. Angesichts dieser Vorbringen darf nicht ohne weiteres aus dem unsicheren Aufenthaltsstatus des BF während des - ohne sein Zutun - mehrere Jahre dauernden Asylverfahrens auf das Fehlen eines schutzwürdigen Privat- und Familienlebens geschlossen werden.

Das Paar lebte nicht im gemeinsamen Haushalt. § 9 Abs 2 BFA-VG ordnet aber nicht ausdrücklich das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes als zu gewichtendes Kriterium an, sondern das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens. Im vorliegenden Fall waren daher die Gründe für das Fehlen des gemeinsamen Haushalts in eine weitergehende Beweiswürdigung einzubeziehen: Grund dafür war zunächst die finanzielle Situation - der BF hatte von der Grundversorgung zu leben; die MB lebte mit ihrer Familie von der Mindestsicherung. Weiters hatte das Paar den gesellschaftlichen Vorstellungen der Familie der MB und ihres Freundeskreises zu entsprechen. Sie planten daher das gemeinsame Zusammenleben für die Zukunft. Der BF besuchte die MB aber regelmäßig. Da der BF als Folge der oben genannten behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen Österreich zu verlassen hatte, wurde der Kontakt zwischen der MB und dem BF erschwert, wurde aber aufrechterhalten. Seit XXXX .2018 hat das Paar ein gemeinsames Kind. Der BF hat sich in Österreich ehrenamtlich engagiert. Das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts hatte im vorliegenden Fall somit Gründe, die mit einer tatsächlich bestehenden engen familiären Beziehung (dem entscheiden Kriterium für das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens) nicht zwingend in Zusammenhang stehen. Im vorliegenden Fall bestand somit eine enge familiäre Beziehung iSd der anzuwendenden Bestimmungen.

Im Übrigen hat der BF in seiner Beschwerde zu Recht auf die Bindungswirkung des zurückverweisenden Beschlusses W164 2106718-3/4E hingewiesen.

Die Ausweisung des BF nach Afghanistan würde eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls bilden. Kontakte der MB zum BF über Telefon oder E-Mail können das nicht wettmachen. Die Auswirkungen einer Ausweisung des BF wiegen bezogen auf seine Lebenssituation und die Lebenssituation der MB und der gemeinsamen Tochter schwerer, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Eine Rückkehrentscheidung würde im vorliegenden Fall einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte des BF darstellen. Eine aufenthaltsbeendenden Maßnahme wäre unter Beachtung § 9 Abs 2 BFA-VG nicht zulässig.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 55 AsylG lautet wie folgt:

Abs 1: Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen,

1. wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

Abs 2: Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Zufolge § 54 Abs 1 Z 2 AsylG berechtigt die Aufenthaltsberechtigung zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz Voraussetzung ist. Die Aufenthaltsberechtigung ist für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen und ist nicht verlängerbar (§ 54 Abs 2 AsylG). Die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten betreffend die Zeit nach Ablauf der genannten 12 Monate ergeben sich aus dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz.

Gemäß § 9 Integrationsgesetz ist Modul I. der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Gemäß § 11 Abs 2 Integrationsgesetz beinhaltet die IntegrationsprüfungSprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Gemäß § 11 Abs 3 Integrationsgesetz ist die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.

Gemäß § 81 Abs 36 NAG gilt Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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