Entscheidungsdatum
07.02.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G309 2187248-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 25.01.2018, OB: XXXX, betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 31.10.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den mit 23.03.2017 ausgestellten Behindertenpass des BF gewertet. Dem Antrag waren eine Kopie des Promotionsbescheides des BF sowie medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 09.01.2018, werden nach persönlicher Untersuchung des BF folgende Diagnosen festgehalten:
Der BF leide unter einer operierten bösartigen Neubildung eines Zökums sowie unter Polyneuropathie an den Händen und den Füßen.
Hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Eine kurze Wegstrecke kann frei u. sicher zurückgelegt werden. Es konnten keine schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen festgestellt werden. Ein sicheres Ein-u. Aussteigen bei freier Beweglichkeit in den Beingelenken ist gewährleistet, ebenso wie ein sicherer Transport in einem ÖV, weil die Sensibilitätsstörungen in den Händen u. Füßen keine schwere körperliche Beeinträchtigung oder schwere Gehbehinderung darstellen
u. für die Fortbewegung keine Hilfsmittel benötigt werden."
3. Mit Bescheid vom 25.01.2018 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt, wonach die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF binnen offener Frist die am 25.01.2018 am Amtssitz der belangten Behörde zu Protokoll genommene Beschwerde. Darin erklärte er, mit dem Ergebnis des Beweisverfahrens im Wesentlichen nicht einverstanden zu sein. Seine derzeitigen Beschwerden würden im Sachverständigengutachten keinen Niederschlag finden. So leide er ca. acht Mal am Tag an flüssigem Stuhlgang. Darüber hinaus hätten auch seine neurologischen bzw. sensorischen Ausfallserscheinungen keinen Eingang in das Sachverständigengutachten gefunden. Er leide an Gleichgewichtsproblemen und könne nicht frei und ohne Hilfe gehen. Aus diesen Gründen sei ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 26.02.2018 vorgelegt.
6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde der Amtssachverständige XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im eingeholten Gutachten vom 23.05.2018 wurden, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, folgende Diagnosen festgehalten:
Der BF leide an einer operierten bösartigen Neubildung des Zökums (Enddarms)-Dickdarmkrebs, an einer Polyneuropathie an Händen und Füßen und an einer beginnenden posttraumatischen Knorpelabnützung im Bereich des rechten Kniegelenkes nach vorderer Kreuzbandoperation.
Im Hinblick auf die Gesamtmobilität des BF in Zusammenhang mit der beantragten Zusatzeintragung wurde wie folgt ausgeführt:
"Die angegeben Symptome von Seiten des Verdauungstraktes mit angegeben 8-10 maligen imperativen Stuhlgang sind nach der stattgehabten Operation nachvollziehbar. Auch die Polyneuropathie mit Schwerpunkt an den Beinen, wobei diesbezüglich festgehalten werden muss, dass eine relevante Wegstrecke sicherlich zugemutet werden kann und auch die Möglichkeit von Hilfsmittel zur Verwendung besteht. Daher sind auch entsprechende Niveauunterschiede sowie der sichere Transport mit ausreichender Hantierfunktion gegeben."
7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 06.08.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
8. Mit Stellungnahme vom 26.06.2018 (Datum: Eingangsstempel) führte der BF aus, dass der bei ihm vorliegende imperative Stuhlgang eine erhebliche Beeinträchtigung im Alltag und im Erwerbsleben darstelle.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Der BF leidet an einer operierten bösartigen Neubildung eines Zökums (Enddarm)-Dickdarmkrebs, an einer Polyneuropathie an Händen und Füßen und an einer beginnenden posttraumatischen Knorpelabnützung im Bereich des rechten Kniegelenkes nach vorderer Kreuzbandoperation.
Beim BF liegt eine anhaltende, schwere Erkrankung des Verdauungstraktes vor, die mit den marktüblichen Inkontinenzprodukten nicht beherrschbar ist. Er leidet bis zu zehn Mal am Tag an imperativen, flüssigen Stuhlgang. Aufgrund des Krankheitsbildes der Polyneuropathie ist sein Gangbild schwankend. Im Zusammenwirken dieser Gesundheitsschädigungen ist dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel daher nicht zumutbar.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung, dass der BF im Besitz eines Behindertenpasses ist, stützt sich auf den Akteninhalt.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.05.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Soweit das Gutachten von XXXX vom von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten abweicht, ist dies auf die von XXXX nachvollziehbar befundene Symptomatik des imperativen Stuhldranges, welche auf den Zustand nach der Operation der bösartigen Neubildung eines Zökums zurückzuführen ist. Auch wirkt sich nachvollziehbar die Polyneuropathie nachteilig auf das Gangbild des BF aus. Der BF führt glaubhaft aus, dass die Versorgung mit marktüblichen Inkontinenzprodukten nicht ausreichend ist.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen.
Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens von XXXX wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen im Wesentlichen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt haben.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt insbesondere bei anhaltend schwerer Darmerkrankung vor, wenn die Erkrankung eindeutig durch eine entsprechende Fachabteilung (Ambulanz, Spezialambulanz) diagnostiziert ist, alle therapeutischen Optionen ausgeschöpft sind, und die Erkrankung und ihre Funktionseinschränkungen durchgängig über 6 Monate anhalten.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Beim BF wurden ein Zustand nach einer operierten bösartigen Neubildung eines Zökums (Enddarms)-Dickdarmkrebs, eine Polyneuropathie an Händen und Füßen und eine beginnende posttraumatische Knorpelabnützung im Bereich des rechten Kniegelenkes nach vorderer Kreuzbandoperation festgestellt. Der BF leidet bis zu zehn Mal täglich an imperativem und unvorhersehbaren, flüssigen Stuhlgang. Die Versorgung dieser Symptomatik mit marktüblichen Inkontinenzprodukten ist nicht ausreichend. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist somit auch unter der Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Auslegung des Zumutbarkeitsbegriffes des Verfassungsgerichtshofes (E439/2016), sowie des Verwaltungsgerichtshofes (Ra 2016/11/0018), gegeben.
Beim BF liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass daher vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G309.2187248.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2019