TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/14 G310 2214172-1

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Veröffentlicht am 14.02.2019
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Entscheidungsdatum

14.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §66 Abs1

Spruch

G310 2214172-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch Mag. Susanne SINGER, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde am 17.04.2018 davon verständigt, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) mit einer erwerbstätigen EU-Bürgerin verheiratet sei und über eine Dokumentation "Aufenthaltskarte" mit der Gültigkeit 18.07.2017 bis 17.07.2022 verfüge. Die Ehefrau habe die Scheidung eingereicht. Der BF habe die eheliche Wohnung verlassen und sei in eine Mietwohnung gezogen. Es werde um die Überprüfung einer Aufenthaltsbeendigung gemäß § 55 NAG ersucht.

Mit Schreiben vom 10.07.2018 forderte das BFA den BF auf, sich zur beabsichtigen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu äußern. Eine entsprechende Stellungnahme langte am 07.08.2018 beim BFA ein.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm

§ 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe nicht die erforderlichen drei Jahre gedauert habe. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen des Aufenthaltsrecht nach der Ehe seien nicht erfüllt. Es liege weder ein überwiegendes Verschulden des Freizügigkeitsberechtigten noch eine besondere Obsorgeverpflichtung in Österreich vor. Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich, sei der deutschen Sprache mächtig, gehe einer Erwerbstätigkeit nach und verfüge über einen Freundeskreis in Österreich. Die Gesamtabwägung habe ergeben, dass die Ausweisung trotz etwaiger privater Anknüpfungspunkte in Österreich zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele gerechtfertigt sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und durchzuführen, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass die gegen den BF ausgesprochene Ausweisung ersatzlos behoben werde oder in eventu die erstinstanzliche Entscheidung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen. Begründend wird vorgebracht, dass die Ehe einvernehmlich geschieden worden sei. Der BF habe sich mittlerweile gute Deutschkenntnisse angeeignet und gehe seit seinem Aufenthalt in Österreich einer geregelten Beschäftigung nach, sein Lebensunterhalt in Österreich sei somit sichergestellt. Der BF habe sich mittlerweile einen großen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut. Er lebe in einer eigenen Mietwohnung, sei ordnungsgemäß sozialversichert und stelle keine Belastung für den österreichischen Staat dar. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte aufgrund des Überwiegen der Interessen gemäß Art 8 EMRK keine Ausweisung erlassen werden dürfen.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vor, wo sie am 07.02.2019 einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsbürger. In Serbien hat er eine Wirtschaftsschule besucht und die Ausbildung "Kommerzieller Techniker" mit Matura abgeschlossen. Er reiste am XXXX.2017 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und ist seit XXXX.2017 in Österreich melderechtlich erfasst.

Am XXXX.2017 erfolgte die Eheschließung mit einer kroatischen Staatsbürgerin vor dem Standesamt XXXX. Am 18.07.2017 wurde ihm antragsgemäß eine bis 17.07.2022 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Am XXXX.2018 beantragte die damalige Ehefrau des BF die Scheidungsklage beim Bezirksgericht XXXX. Die Ehe, welche kinderlos blieb, wurde in der Folge am XXXX.2018 einvernehmlich geschieden.

Seit XXXX.2017 geht der BF einer Erwerbstätigkeit im Inland nach. Sein monatliches Bruttoeinkommen beträgt ungefähr EUR 1.400.

Die Eltern des BF leben nach wie vor in Serbien, sowie auch eine weitere Ex-Frau und seine Tochter aus erster Ehe. In Slowenien leben die Schwester des BF, sein Neffe sowie seine Nichte. Es leben keine Verwandte des BF im Bundesgebiet.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Er hat von April 2018 bis Juni 2018 beim WIFI XXXX den Kurs Deutsch A2 - Deutsch als Fremdsprache, Teil 3, besucht und sich für den vierten Teil des Kurses angemeldet. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. In Österreich verfügt der BF über einen Bekannten- und Freundeskreis und besucht in der Freizeit eine Tanzschule.

Weitere Anhaltspunkte für eine Integration des BF in sozialer oder gesellschaftlicher Hinsicht bestehen nicht.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Kopien aus dem serbischen Reisepass des BF wurden vorgelegt. Seine Aufenthaltskarte ist im Fremdenregister dokumentiert.

Der Aufenthalt des BF in Österreich seit Juli 2017 ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Ein Mietvertrag und die Bestätigung über den besuchten Deutschkurs sowie die Anmeldung für einen weiteren Deutschkurs wurden mit der Stellungnahme des BF vom August 2018 vorgelegt. Der plausiblen und gut nachvollziehbaren Stellungnahme konnten die Angaben zur einvernehmlich erfolgten Scheidung der Ehe, welche kinderlos blieb, zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich, seinen in Slowenien und Serbien aufhältigen Angehörigen und zu seiner Schulausbildung entnommen werden. Seine Erwerbstätigkeit ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Sein Einkommen lässt sich aus den vom BF vorgelegten Verdienstnachweisen entnehmen.

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister. Es gibt keine Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen des BF in anderen Staaten.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF sind nicht zutage getreten und führte der BF auch in seiner Stellungnahme aus, gesund zu sein.

Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen des BF im Inland.

Rechtliche Beurteilung:

Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist.

Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten

EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen. Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt.

Dem BF wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten kroatischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 66 Abs 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im

Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF hält sich seit Juli 2017 rechtmäßig in Österreich auf und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Im Bundesgebiet leben keine weiteren Angehörigen des BFs. Im Rahmen seines Privatlebens ist auch sein Bekanntenkreis im Inland zu berücksichtigen. Der BF ist ein gesunder Erwachsener im erwerbsfähigen Alter. Er ist aufgrund seiner Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und unbescholten.

Der BF hat aber auch noch Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo seine Eltern leben und er aufwuchs, eine Schulausbildung absolvierte und den Großteil seines bisherigen Lebens verbrachte. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut. Nach seiner Rückkehr nach Serbien wird er in der Lage sein, sich dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und damit seine Lebenserhaltungskosten zu decken.

Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben, wohl aber in das Privatleben des BF ein. Es wird ihm aber möglich sein, die Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Freunden über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal der BF Österreich nach seiner Rückkehr nach Serbien während erlaubter visumfreier Aufenthalte besuchen kann.

Die belangte Behörde ist daher im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist ua begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284; 25.04.2014, Ro 2014/21/0033).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Ausweisung, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2214172.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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