TE Bvwg Beschluss 2019/2/26 W209 2213781-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.02.2019

Norm

AuslBG §12b
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W209 2213781-1/3E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Philipp KUHLMANN und Dr. Johannes PFLUG als Beisitzer in der Beschwerdesache des XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice

Wien Esteplatz vom 24.09.2018, GZ: 08114 / GF: 3936191, betreffend Nichtzulassung des Beschwerdeführers zu einer Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG beim Arbeitgeber XXXX

GmbH, XXXX , beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein 1987 geborener ägyptischer Staatsangehöriger, stellte am 25.06.2018 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen (Zweckänderungs-)Antrag auf Rot-Weiß-Rot-Karte als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG. Laut der dem Antrag angeschlossenen Arbeitgebererklärung soll er bei der XXXX GmbH (im Folgenden: mitbeteiligte Arbeitgeberin) als Prokurist mit einer Entlohnung von € 3.100 brutto/Monat bei einer Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden beschäftigt werden. Dem Antrag angeschlossen waren u. a. ein Diplom der Universität Alexandria (Ägypten) über den Abschluss eines Bachelorstudiums (Bachelor of Science) im Jahr 2008, ein ÖSD Zertifikat B2 sowie ein Studienblatt der Universität Wien, demzufolge der Beschwerdeführer seit 27.09.2016 für den Universitätslehrgang Vorstudienlehrgang UniStG und seit 01.03.2017 für das Masterstudium Chemie gemeldet ist.

2. Mit Parteiengehör vom 26.07.2018 teilte die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) dem Beschwerdeführer mit, dass die beabsichtigte Tätigkeit in der Arbeitgebererklärung mit der (organisatorischen) Koordination mit Hotels in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie der Betreuung von Touristen aus dem arabischen Raum, vor allem den V.A.E., umschrieben worden sei und dies nicht dem Tätigkeitsbereich eines Prokuristen entspreche. Daher lägen nach der derzeitigen Aktenlage die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 12b 1 AuslBG nicht vor.

3. Mit Urkundenvorlage vom 22.08.2018 legte der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine unterfertigte Bestätigung der mitbeteiligten Arbeitgeberin vor, mit welcher bestätigt werde, dass der Beschwerdeführer als Prokurist Dritten gegenüber Rechtshandlungen setzen könne, die die mitbeteiligte Arbeitgeberin unmittelbar berechtigen und verpflichten würden.

4. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 24.09.2018 wurde die Zulassung des Beschwerdeführers zu einer Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft bei der mitbeteiligten Arbeitgeberin nach Anhörung des Regionalbeirats mit der Begründung versagt, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht dem Tätigkeitsbereich eines Prokuristen entspreche und daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 12b Z 1 AuslBG "mangels wirtschaftlicher Notwendigkeit" nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, in der er zusammengefasst ausführte, dass das AMS aktenwidrig nicht auf die dargelegte Notwendigkeit eigenverantwortlicher Vertragsabschlüsse eingegangen sei und sich nur auf die in der Tätigkeitsbeschreibung angeführte "Betreuung von Touristen" zu konzentrieren scheine, woraus es ableite, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht "schlüsselkrafttauglich" sei. Das AMS ziehe damit zur Beurteilung der Qualifikation unrichtige Kriterien heran und komme zu Unrecht zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keine sonstige Schlüsselkraft im Sinne des § 12b 1 AuslBG sei. Der Beschwerdeführer erreiche aufgrund der allgemeinen Universitätsreife 25 Punkte, aufgrund seiner Deutschkenntnisse 15 Punkte und aufgrund seines Alters 60 von 50 gemäß Anlage C zum AuslBG erforderlichen Punkten. Schließlich habe die mitbeteiligte Arbeitgeberin auch dargetan, das erforderliche Mindestentgelt zu leisten und an einem Ersatzkraftverfahren mitzuwirken. Von dem für die Ablehnung herangezogenen Kriterium sei in den Gesetzesmaterialen nicht die Rede.

6. Am 29.01.2019 einlangend legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein 1987 geborener ägyptischer Staatsangehöriger, hat ein Studium an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer abgeschlossen und verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Er soll für die mitbeteiligte Arbeitgeberin als Prokurist tätig werden und dafür eine Entlohnung von 3.100,00 brutto monatlich erhalten.

Die mitbeteiligte Arbeitgeberin ist bereit, an einem Ersatzkraftverfahren mitzuwirken.

2. Beweiswürdigung:

Der Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer ergeht aus einer von Amts wegen eingeholten Information aus dem Infoportal anabin, der zufolge die Universität Alexandria eine anerkannte Hochschule ist und die Dauer des vom Beschwerdeführer abgeschlossenen Bachelorstudiums (Bachelor Science, Chemistry - Botany) vier Jahre beträgt (vergleiche hierzu Deutsch, Nowotny, Seitz AuslBG2 §§ 12-13 Rz 12).

Die Deutschkenntnisse ergeben sich aus dem vorgelegten ÖSD Zertifikat B2.

Die Bereitschaft des Arbeitgebers, das erforderliche Mindestentgelt zu leisten sowie an einem Ersatzkraftverfahren mitzuwirken, ergeht aus der dem Antrag angeschlossenen Arbeitgebererklärung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG lauten:

§ 12b in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

"Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. [...]

und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.

Anlage C in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

Anlage C

Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

 

 

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2 4

 

 

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A1) Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2) Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1)

5 10 15

 

 

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2) Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwend (B1)

5 15

 

 

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre bis 40 Jahre

15 10

 

 

Summe der maximal anrechenbaren Punkte Zusatzpunkte für Profisportler/innen und Profisporttrainer/innen

90 20

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn diese notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Im gegenständlichen Fall erweist sich die bekämpfte Beschwerdevorentscheidung in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Dem Beschwerdeführer gebühren für sein abgeschlossenes Bachelorstudium 30 Punkte, für seine Deutschkenntnisse 15 Punkte und für das Alter (32 Jahre) 10 Punkte. Damit erreicht er 55 von 55 erforderlichen Punkten gemäß Anlage C (in der seit 01.01.2019 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 94/2018).

Den Feststellungen zufolge ist die mitbeteiligte Arbeitgeberin auch bereit, das erforderliche Mindestentgelt zu leisten und an einem Ersatzkraftverfahren im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG mitzuwirken.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Zulassung des Beschwerdeführers zu einer Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG damit, dass der Beschwerdeführer als Prokurist beantragt wurde, jedoch das in der Tätigkeitsbeschreibung angeführte Tätigkeitsfeld nicht dem Tätigkeitsbereich eines Prokuristen entspreche. Damit verkennt das AMS jedoch, dass die Zulassung als sonstige Schlüsselkraft nicht auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt ist und daher grundsätzlich auch eine Beschäftigung ohne Prokura dafür in Betracht käme. Abgesehen davon geht aus der von der mitbeteiligten Arbeitgeberin vorgelegten Bestätigung hervor, dass der Beschwerdeführer zum eigenständigen Abschluss von Verträgen für die Arbeitgeberin berechtigt sein soll und damit die beschriebene Tätigkeit entgegen der Annahme des AMS sehr wohl Tätigkeitsbereiche umfasst, die typisch für einen Prokuristen sind.

Sonstige Ausschlussgründe wurden seitens des AMS nicht behauptet und sind auch nach der Aktenlage nicht evident.

Gemäß § 12b AuslBG ist vor der Zulassung zu einer Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft eine Arbeitsmarktprüfung gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4b leg.cit. (Ersatzkraftstellungsverfahren) durchzuführen. Die Prüfung der Arbeitsmarktlage erübrigt sich nur dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft begründungslos abgelehnt wird (VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0094, mwN). Dies trifft im gegenständlichen Fall nicht zu, zumal der Vermittlung von Ersatzkräften ausdrücklich zugestimmt wurde.

Durch die Unterlassung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens hat das AMS den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nur sehr unzureichend festgestellt und damit keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden "brauchbaren Ermittlungsergebnisse" geliefert, was das Bundesverwaltungsgericht dazu berechtigt, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/09/0103).

Bei diesem Ergebnis konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Ersatzkraft, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W209.2213781.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten